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THEMA:   Genuß ohne Treue - ein Plädoyer für die Abschaffung der Ehe

 11 Antwort(en).

Michalowsky begann die Diskussion am 27.07.00 (16:28) mit folgendem Beitrag:

Unter diesem Titel ist ein Beitrag im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung erschienen, der Anstoß zu einer Diskussion geben könnte.

Senioren sind durch die Bank hinreichend eheerfahren, zum Teil mehrfach, um hier ein Wörtchen mitreden zu können. Aber auch jüngere Leute können beisteuern. Eine Bekannte (42) sagte mir neulich, daß in ihrem gesamten großen Freundeskreis jeder, aber auch jeder mindestens schon einen zweiten, wenn nicht gar einen dritten Ehe- oder Lebensgefährten habe.

Ich selbst habe in zwei langjährigen Partnerschaften gelebt, die erste verheiratet, die zweite unverheiratet - einen menschlich qualitativen Unterschied kann ich nicht feststellen.

Um kein Mißverständnis aufkommen zu lassen: Nicht Partnerschaft mit allen Höhen und Tiefen wird in Frage gestellt, sondern ihre staatliche Institutionalisierung, die mitverantwortlich ist für so manche menschlichen und seelischen Trümmer, die wir gerade in älteren Jahren feststellen müssen.

Den Artikel können Sie lesen, wenn Sie auf die unten stehende URL doppelklicken. Am besten, Sie drucken ihn sich aus (2 Seiten A4).

(Internet-Tipp: https://www.szarchiv.de/REGIS_A10835654;internal&action=body.action)


Karl antwortete am 27.07.00 (17:04):

Hallo Jo,


der Artikel in der Süddeutschen Zeitung ist interessant, aber er reizt mich an verschiedenen Stellen zum Widerspruch, z.B. bei der Bemerkung zum Inzest.

Es ist zwar richtig, dass es durchaus Gesellschaften oder gesellschaftliche Kreise gegeben hat (Pharaonen, europäischer Hochadel), wo der Inzest Methode war, aber generell ist das Inzest-Verbot ein sehr sinnvolles, da dadurch die Häufigkeit von Missbildungen reduziert wird. Verwandte Personen sind mit hoher Wahrscheinlichkeit beide Träger der gleichen rezessiven Mutationen, die gemeinsamen Nachkommen tragen damit das Risiko einer Erbkrankheit (Beispiel: Die Häufigkeit der Bluterkrankheit im europäischen Hochadel).

Eigentlich ist das jedoch ein Nebenproblem des Artikels, es geht um die Sinnhaftigkeit der Ehe als Institution. Inwieweit kann eine Gesellschaft Interesse an stabilen partnerschaftlichen Beziehungen haben und diese positiv prämieren?
Meines Erachtens gibt es bei dieser Problematik verschiedene Ebenen. Die private: Hier würde ich die Meinung vertreten, dass jeder selbst seines Glückes Schmied ist, ich würde da niemandem reinreden wollen, solange er andere nicht schädigt.
Auf der gesellschaftlichen Ebene halte ich es weiterhin für sehr sinnvoll stabile Partnerschaften zu fördern, da sie m.E. am besten den Schutzraum gewähren, den Kinder zur Entwicklung benötigen. Der Säugling als Tragling benötigt z.B. stabile und nicht ständig wechselnde Bezugspersonen, um Vertrauen aufzubauen. Nur in der Familie entsteht die lebenslange Bindung an Vater und Mutter, die manchen vielleicht zur Belastung, im allgemeinen jedoch eine lebenslange Hilfe ist. Wie eine solche öffentliche Förderung stabiler Familienbeziehungen (nicht nur rein biologischer) optimiert werden könnte, darüber kann man ja diskutieren. Ob neben der Ehe auch andere Lebensgemeinschaften den Schutz geniessen sollten, den die Ehe hat - ich will mir nicht anmassen, das auszuschliessen.

Der Artikel in der Süddeutschen Zeitung ist mir persönlich zu ideologisierend abgefasst (fast schon an meine '68er Erfahrungen erinnernd) und wenig von Weisheit, mehr von Frust geprägt. Ich bin sicher, eine grosse Anzahl von Ehepaaren wäre in der Lage, negativen Scheidungserlebnissen sehr positive Eheschilderungen entgegenzusetzen. Auch wenn diese eher belächelt werden, da keine progressive Lebensweise signalisierend, sind sie auch Lebenswirklichkeit und glücklicherweise auch in unserer Gesellschaft noch möglich.


Edith v.Bomhard antwortete am 27.07.00 (17:34):

Lieber Johannes,
irgendwas muss ich da falsch verstanden haben. Die staatliche Institution Ehe ist doch kein "Muss" und jeder Partnerschaft steht es frei, eine erwünschte gegenseitige Absicherung per Privatvertrag zu regeln. Und die gegenseitige Treue wird weder innerhalb der Institution Ehe noch in freier Partnerschaft "geregelt" oder "abgesichert".
Ob die Institution Ehe überholt ist oder nicht, kann nicht der Staat oder das Staatsinteresse entscheiden. Das entscheiden die Menschen selbst, indem sie entweder heiraten oder es lassen. Im Interesse des Staates muss es liegen, dass Menschen sich zusammenschliessen, sei es nun in einer reinen Zweckgemeinschaft oder einer Liebesgemeinschaft. Umso mehr, wenn Kinder geboren werden (das lässt Rainer Stephan ganz beiseite). Es ist eben dann eine gegenseitige Verpflichtung eingegangen worden, füreinander dazusein, sich zu helfen und nicht zuletzt, die Verantwortung für die Kinder zu tragen.
Man kann doch der Institution Ehe nicht die Verantwortung zuschieben, wenn viele Ehen (und Partnerschaften) schiefgehen.
Wie würde denn Dein Modell der Zukunft aussehen?
Liebe Grüsse, Edith


Richard und Ruth Dammann antwortete am 27.07.00 (18:57):

Die Ehe ist ein heiliger Krieg....
Es ist ein Abenteuer, jeden Tag wieder neu.:-)))))))
Wir hoffen, sie wird nicht verboten!


Michalowsky antwortete am 28.07.00 (07:11):

An der Diskussion werde ich wohl besser nicht teilnehmen, gebranntes Kind usw...,
dennoch muss die Ehe etwas Mystisches an sich haben, warum würden sonst
manche Menschen (z.B. Liz Taylor) 7 Mal heiraten?????

(Absendername ist mir bekannt)


Ilse antwortete am 28.07.00 (15:25):

Vielleicht wegen der publicity?


Christl antwortete am 30.07.00 (19:34):

Genuss ohne Treue, was hat diese Überschrift mit der Abschaffung der Ehe zu tun?
Ich bin erst jetzt dazugekommen, mir den Artikel auszudrucken, aber obige Frage drängte sich sofort auf. Um treu zu sein, bedarf es der Ehe nicht; Genuß kann ich aber auch in aufrechter Ehe haben.
Jeder Mensch soll das Recht haben in seinem Sinn die Form des Zusammenlebens zu wählen und für die Ehe spricht noch immer sehr viel, aber auch einiges dagegen und darum soll jeder selbst entscheiden.
Ob Homosexuelle heiraten dürfen, wurde ja schon in einem anderen Forum diskutiert, ich persönlich sage dazu "ja", denn wenn Menschen glauben, daß sie Ihre Zusammengehörigkeit auch amtlich oder sogar kirchlich dokumentieren müssen, warum nicht? Bei der Frage "Kinderadoption" traue ich mir kein Urteil abzugeben, das wird wahrscheinlich sehr individuell zu sehen sein.
Ich war sehr jung, wie ich geheiratet habe, noch nicht 20 Jahre alt und mein Mann war über 1 Jahr mein Vormund und ich finde es noch heute lustig, daß er mit seinen Mündel ins Bett stieg, es nicht nur legitim war, sondern geradezu
verpflichtend.
Seither sind fast 34 Jahre vergangen und wir stehen noch immer zu unserem JA, das wir uns zwar nicht in der Kirche, aber vor dem Standesbeamten gegeben haben und wir nehmen auch das Treuegelübde sehr ernst (nicht mangels Gelegenheit,
soviel Ausstrahlung haben wir schon noch). Für uns war und ist die Ehe der richtige Weg.
Wenn Kinder kommen, die uns leider versagt blieben, glaube ich, daß die Ehe auch für die anderen wichtig sein müßte, obwohl heute wenigstens die ärgsten finanziellen Engpässe durch Sozialgesetze halbwegs geregelt sind.

Ich selbst bin ohne Vater aufgewachsen aber schöner ist es natürlich in einer harmonischen Familie (aber auch dies setzt nicht unbedingt eine Heirat voraus), ich bewundere aber die Paare die es auch schaffen, wenn sie getrennt leben, den Kindern die notwendige Liebe, den Respekt und die Toleranz mit auf ihren Lebensweg zu geben, was heute
leider nicht so selbstverständlich ist.

Zusammenfassend die Ehe hat seine Berechtigung, man mag dies sentimental nennen, jeder muß dies selbst einscheiden
welcher Weg der richtige ist.

Gleich wie Ihr Euch entschieden habt, ich wünsche Euch viel Glück und Erfolg!


Ursula Trautmann antwortete am 31.07.00 (00:07):

ich denke, daß es ganz egal ist,ob ich den Trauschein habe oder nicht. Das Zusammenleben will gestaltet werden, mit oder ohne Trauschein. Um festes Vertrauen zueinander zu behalten, müßen beide Partner freiwillig treu sein, mit oder ohne Trauschein. Sich verlassen können , unbedingtes Vertrauen haben, zueinandergehören was auch kommen mag, das sind doch die Dinge ,die die Liebe einer langen Beziehung ausmachen, mit oder ohne Trauschein.Ich halte es für falsch, das die Ehe an sich schon steuerlich begünstigt wird, auch wenn noch keine Kinder da sind. Ich denke erst mit der Geburt des ersten Kindes sollte der Steuervorteil der Ehegatten beginnen,


Pierre Helmer antwortete am 02.08.00 (21:58):

Vielleicht können wir heute die Ehe so sehen wie sie sich bisher entwickelte: Eine von den Religionen unterstützte, vom Staat geförderte Institution, die wohl in den meisten Fällen nur noch wenig zu tun hat mit dem Wunsch zweier Menschen mit einander glücklich zu sein, eine Weile, eine lange Zeit oder ein ganzes Leben.

Mit der Emanzipation der Frau, die ich befürworte und wo ich kann Unterstütze, kamen die Schwierigkeiten für Beide, mit neuen Denk- und Tatansätzen umzugehen. Es ist ein Märchen, wenn gesagt wird dass Männer öfter die Ehe brechen denn die Frauen, neueste Genuntersuchungen zeigen, dass 10 bis 20 % der Kinder nicht vom Ehemann oder festen Partner abstammen.

Damit meine Partnerin treu ist, muß ich etwas dazu tun und umgekehrt...

Mit Zwang gleich welcher Art lässt heute sich keine Partnerschaft leben.

Alles Liebe Pierre


Bruno Peters antwortete am 12.08.00 (22:03):

irgendwas hat die Institution ehe, was die freie Entscheidung für den anderen, jeden Tag neu, kaputtmacht.
Es gibt viele Paare. die schon lange ohne Trauschein zusammenleben, und dann irgendwann sage - jetzt heiraten wir. Oft auch ganz unaufwendig - nur zum Standesamt, basta. ist ja nur ein Trauschein. Aber danach hat sich irgendwas verändert. Pflicht, Ansprüche,m und seien sie auch nur phantasiert, .
Ich habe viele solcher paare gesehen - ich war lange zeit Paar- und Familientherapeut. Aber ich bin noch nicht dahinter gekommen, was dieser Trauschein in der Psyche bewirkt. meistens jedenfalls nichts gutes.
Bruno


Trudi antwortete am 12.08.00 (23:56):

Meine Güte, ist das deprimierend! Der Trauschein hat also meistens nichts Gutes bewirkt?! Liegt es nicht einzig und allein an diesen beiden Menschen, die sich entschließen, sich das "Stückchen Papier" zu holen, was sie aus ihrer Beziehung machen?
Wenn ich den Worten von Bruno glaube, müssten jetzt insgesamt rund 12.900 Tage meines Lebens kaputt gemacht worden sein durch die Institution der Ehe. Mann, bin ich ein kaputter Typ! Dabei komme ich mir gar nicht so vor - im Gegenteil, ich freue mich jeden Morgen, wenn ich meinen Mann wieder sehe, freue mich, wenn er mich im Büro anruft, wenn ich nachmittags nach Hause komme, und er mir auf der Einfahrt entgegen kommt, wenn ich von der Garage komme. Wenn ich einen kleinen Zettel mit ein paar lieben Worten auf dem Frühstückstisch vorfinde, und, und, und. Und ihm scheint es ebenso zu gehen. Für manche klingt das wahrscheinlich kitschig, aber genaus so ist es.
Ich würde ihn jederzeit wieder heiraten, aber das habe ich schon vor 35 Jahren getan.
Und wie ist das mit den Pflichten und Ansprüchen? Gibt es die nicht in einer Beziehung ohne Trauschein? Wenn das so ist, machen es sich die beiden "Partner", die dann keine sind, wohl doch zu einfach. Partnerschaft, ob mit oder ohne Trauschein, beinhaltet immer auch Pflichten, Verantwortung und Ansprüche jeden Partners. Und wer etwas anderes erzählt, den halte ich schlicht für einen Egoisten, der nicht bereit ist, den Partner eben als einen solchen anzusehen. Eine Partnerschaft kann meiner Meinung nach nur gelingen, wenn jedeer der beiden bereit ist, den anderen als ein Induviduum mit eigenen Wünschen und Vorstellungen, auch dem Wunsch nach Freiraum zu akzepeptieren und ihn nicht nach den eigenen Vorstellungen formen zu wollen. Ich kann ihn nicht vereinnahmen, denn ich will auch nicht vereinnahmt werden.
Treue ist für mich Achtung vor dem und Akzeptanz des Partners, und beides ist für das Miteinander unverzichtbar -ob mit oder ohne Trauschein.


Pierre Helmer antwortete am 13.08.00 (11:16):

Hallo Trudi und Bruno,

Grundsätzlich gebe ich Trudi recht, ich lebe seit 22 Jahren in einer faszinierenden Partnerschaft. Aber als Antwort zu Bruno: Der Schein verwandelt das "Ich will" bei vielen in ein "Ich muss". das ist das Problem.

liebe Grüße Pierre