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THEMA:   Späte Freiheiten

 17 Antwort(en).

Bruno Peters begann die Diskussion am 15.10.00 (21:26) mit folgendem Beitrag:

Die Kinder sind aus dem Haus, die Silberhochzeit ist
gefeiert, der Beruf und das Engagement dafür geht
dem Ende zu, ob man will oder nicht, der Renten-
bescheid ist da.
Oder....die partnerschaft ist schon länger vorbei.
Wie auch immer.
Was kommt?
Ich frage mal alle Interessierte, was ihr euch unter
"Späten Freiheiten" vorstellt, welche Gedanken und
Visionen ihr dazu habt.

Ich denke, daß das Alter ab 50 geradezu geschaffen
für späte Freiheiten ist. Gerne würde ich ein Buch
darüber schreiben.
Herzlichst
Bruno


Anita antwortete am 16.10.00 (17:06):

Ich denke, späte Freiheit besteht in erster Linie aus viel Zeit oder besser freier Zeiteinteilung, das ist viel! Man hat die Möglichkeit, Neues zu lernen ohne perfekt werden zu müssen. Alles was man anfängt kann hobby bleiben, es muß kein Nutzen herausspringen. Frei ist man nun auch von der großen oft drückenden Verantwortung für die Kinder . Niemand kann mich jetzt noch zu etwas zwingen, endlich gehört mein Leben ganz mir!
Anita


Marianne Otto antwortete am 18.10.00 (09:38):

Zu den Freiheiten im späteren Lebensabschnitt gehört für mich auch, daß ich toleranter und gelassener sein kann. Daß ich mir Zeit nehme, anderen zuzuhören, andere wichtig zu nehmen. Nicht sofort Ratschläge parat zu haben, offen zu sein für Begegnungen mit anderen Menschen. Das kann ich nun auch hier im SeniorenTreff. Im Moment habe ich wieder einmal Besuch von einem Menschen, den ich vorher nur durch's NET kannte. Was für eine Bereicherung, wenn man dann so viele Übereinstimmungen entdeckt. Die Freiheit unbefangen auf andere zuzugehen aus der Sicherheit heraus, Situationen schon gut einschätzen zu können. Ich genieße es.
Paula


Gerlinde antwortete am 18.10.00 (18:02):

Soweit wie möglich ohne Zwänge zu leben. Das Urteil der anderen ist nicht mehr so wichtig. Die Jahreszeiten besser zu genießen, weil man endlich die Zeit zu Spaziergängen hat. Das ist Freiheit für mich. Auch mal NEIN zu sagen, ohne Angst man könnte kränken. Einfach bewusster leben. Für die Kinder Berater sein, wenn Rat erwünscht ist aber nicht mehr für sie Verantwortung tragen müssen. Ich bin gerne älter. Es hat jedes Lebensalter schöne Seiten.
Gerlinde


Peter Glinka antwortete am 19.10.00 (16:30):

Leben, solange die Brust sich hebt, genießen, was rundum blüht,
hin und wieder etwas Gutes tun, weil auch das ein Genuß ist,
arbeiten, damit man genießen und wirken könne.
Dem hat der Herrgott ein Geheimnis eröffnet, der das tut und weiter nichts.
Freiheit, ein eigenes Haus und Weib, meine drei Wünsche, die ich mir beim
Auf- und Untergang der Sonne wiederhole.

Das hat Heinrich von Kleist an seine Braut geschrieben.
Ich finde, danach kann man auch als Jungsenior sehr gut leben


Trudi antwortete am 20.10.00 (11:38):

Mich stört ein wenig das "spät". Sind es wirklich späte Freiheiten oder sind es nicht vielmehr andere Freiheiten als früher. Sicherlich konnten wir nicht immer so über unsere Zeit verfügen, aber haben wir nicht - zumindest in den meisten Fällen - selbst entschieden, wie wir leben
wollten, z.B. ob mit oder ohne Partner, ob mit oder ohne Kinder? Natürlich waren wir in dieser Lebensphase zeitweise Zwängen unterworfen, vor allem auch beruflich. Aber machen wir uns doch nichts vor, auch heute gibt es Zwänge, denen wir nicht ausweichen können. Und ist es nicht so, dass wir manche Freiheiten nur haben, solange wir gesund (geistig und körperlich) und auch finanziell so abgesichert sind, dass wir sie uns auch "leisten" können? Es ist richtig, dass es vielleicht mit zunehmendem Alter besser gelingt, toleranter und geduldiger zu sein. Aber auch das können wir nur dann, wenn wir in jungen Jahren den Grundstock dafür gelegt haben. Ich kann nur dann tolerant und geduldig sein, wenn ich es als junger Mensch gelernt und selbst erfahren habe.
Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich als "Jungsenior" oder "Altsenior" (gibt es diesen Unterschied eigentlich?) diese Freiheiten wirklich noch so genießen kann, wenn ich nicht im Hintergrund die Familie weiß, den Partner oder die Partnerin, die mir diese Freiheiten gönnen und sich mit mir
daran freuen. Denn wenn ich sowieso alleine bin und mich nicht mehr austauschen kann über die Freude an Erlebtem, dann ist das, was ich tue, keine späte Freiheit mehr, sondern es ist mein Leben, über das ich so oder so entscheiden kann - es fragt ehr keiner danach, ob ich es als
Freiheit oder als Zwang empfinde.
Es ist gut, wenn wir uns vornehmen, alles bewusster wahrzunehmen und zu genießen - und vielleicht auch unseren Kindern, die diese späten Freiheiten noch nicht haben, den Tipp geben, Schönes auch schon in jüngeren Jahren bewusst wahrzunehmen. Ich habe das immer versucht, und mich auch schon als Mutter, Partnerin und berufstätige Hausfrau an schönen Dingen freuen können, Jahreszeiten bewusst wahrgenommen und versucht, neben all dem auch Zeit für mich
selbst zu finden bzw. sie mir zu nehmen und dem anderen das gleiche Recht einzuräumen. Es war nicht immer ganz leicht, so zu leben, aber es hat sich bis heute gelohnt.
Und ich hatte und habe das offensichtlich seltene Glück, einen Partner zu haben, der mich immer darin unterstützt hat und das auch heute tut.
Wir wollten und wollen nicht auf die "späten Freiheiten" warten. Keiner von uns weiß, ob er überhaupt je in die Lage kommen wird, sie (später irgendwann) zu erleben.


Anna Helfenstein antwortete am 24.10.00 (23:10):

Für mich, so lehrt mich meine lange und schwere Erfahrung, ist Freiheit das Freisein von Ansprüchen, Bindungen und Erwartungen, die Einsicht in die Nichtigkeit allen Strebens. Streben nach Gütern aller Art, nicht nur der materialistischen führt uns zu Neid, Rechthaberei, Ehr- und Gefallsucht, Misstrauen. Wo der Börsenindex die Hostie des Mammongottesdienstes, wo der Börsenbericht Gottesdienst ist, wo die Wirtschaft zu Gott erklärt ist, da herrscht keine Freiheit, da herrscht Versklavung. Wo ich gefallen will, wo ich noch etwas erreichen will, da herrscht keine Freiheit, da herrscht Sklaverei. Späte Freiheit heisst also, Loslassen von all diesen Nichtigkeiten und den Jungen vorleben Genügsamkeit, Schlichtheit und Friedfertigkeit. Das wäre das schönste, das wir ihnen vererben können. Alte, die nicht daran denken, dass sie endlich und sterblich sind und bald einmal nicht sein werden, sind doch lächerliche Figuren. Wer das verstehen kann, der verstehe. Wenn ich das verstehe und es akzeptieren und mich dennoch freuen kann und lieben, dann ist mein Lebensziel erreicht. Für mich hoffe ich, dass ich dies noch schaffe.

(Internet-Tipp: https://home.sunrise.ch/anna.hel)


Angelina antwortete am 26.10.00 (22:31):

Hallo Bruno,
auch ich als jüngerer Mensch (noch unter 50) möchte mich zu Deinem Thema kurz äußeren. Noch vor einem halben Jahr habe ich gesagt: Wenn ich einmal in Rente gehe, dann mache ich ganz viel (studieren, verreisen etc). Seitdem ich aber in einem Hospiz(Sterbebegleitung) ehrenamtlich mitarbeite, muß ich Dir sagen, ist dieser Satz aus meinem Leben verschwunden. Was heißt "spätere Freiheiten". Wenn man diese später haben möchte, muß man schon eine große Überzeugung davon haben, dass ich auch noch so lange lebe, um diese Freiheiten zu genießen. Solange ich arbeite, gebe ich Dir recht, bin ich täglich 8 Stunden nicht frei. Aber in meiner Freizeit kann ich alles das erleben, was mich innerlich frei und glücklich macht.
ich wünsche Dir alles Gute für Dein Buch und hoffe, dass Du diesbezüglich noch viele geistige Anregungen von anderen bekommst.


Ursula antwortete am 28.10.00 (15:35):

Der Ausdruck "späte Freiheiten" gefällt mir, sehe ich ihn doch eher als einen Vorgang der Veränderung in mir selbst. Ich denke, dass man sich "späte Freiheiten" weniger nimmt, als dass man sie geschenkt bekommt. Das Wesentliche an ihnen scheint mir der veränderte Blickwinkel zu sein, der mich Menschen und Dinge anders erleben lässt als früher, folglich ändern sich die Schwerpunkte. Ich nehme mir die Freiheit, gelassen zu sein, nicht handeln und eingreifen zu müssen, nicht in Aktivitäten zu ersticken und Geduld zu haben (und Geduld haben heißt Zeit haben) -- mit einem Wort: Abstand zu gewinnen.

Setzt mein Körper auch Grenzen, ich sprenge sie, weil nicht mehr das Was, sondern das Wie entscheidend ist. Und so werden auch die Einschränkungen und das Loslassen zu Freiheiten -- zu "späten Freiheiten".

Irgendwann vielleicht werden mir diese "späten Freiheiten" genommen und ich erlebe mich als zurückgeworfen auf mich selbst, gefangen in meinem alten, schwachen Körper. -- Ob es mir dann gelingt, die "letzten Freiheiten" zu gewinnen? Ich weiß es nicht, aber immerhin, ich kann sie mir heute vorstellen.


Friedgard antwortete am 29.10.00 (10:31):

Späte Freiheiten - da bin ich derselben Meinung wie Ursula - sind vor allem geistige Freiheiten.
Persönlich habe ich es so erlebt, daß ich durch das �lterwerden unabhängiger geworden bin von
allgemeinen Modeströmungen, Modegedanken, von �ngsten, die mich früher plagten.
Ich glaube, ich bin innerlich freier geworden. Und das scheint mir die wirkliche Freiheit zu sein.


Ilse W. antwortete am 29.10.00 (11:52):

Exakt!


Günter peltz antwortete am 04.11.00 (12:00):

Späte Freiheiten? Wie schon von VorrednerInnen gesagt, hast Du sie nur bei entsprechendem Einkommen, aber nicht im Altersheim! Denn dann bist du "vogelfrei" der Behörden- oder Heimmwillkür ausgeliefert, es sei denn, Du blechst pro Monat DM 5000,-- aufwärts! Ich (jetzt 70) werde nie in ein Heim gehen! So wie ich das sehe, baue ich erst körperlich ab und bleibe länger geistig rege. Zu gegebener Zeit nehme ich mir die Freiheit, selbst den großen Schalter umzulegen.
Erbitte Kommentar, auch Diskussion! gruß Günter


Bruno Peters antwortete am 04.11.00 (18:06):

Ja, günter, das ist auch meine letzte "späte Freiheit", die Freiheit, selbst den großen Schalter umzulegen. Wenn es zeit wird zu gehen, werde ich selber entscheiden. Das will ja vorbereitet sein.
Zum thema Heim: Da verblödet man nur. Selbst in guten Heimen wirst du weitgehend fremdbestimmt.
Das ist einer der Gründe - bei weitem nicht der einzigste -
warum viele Menschen das Thema "Gemeinsam wohnen im Alter" diskutieren und da initiativ werden. Sie wollen alle selbstbestimmt leben und sterben. Inzwischen gibt es über 500 (fünfhundert) Wohninitiativen in der Republuk. Ein rasch wachsender Markt. Und die Interessenten werden immer jünger, zur Zeit so ab 50 J.
Nach dem Motto gehandelt: "Früher haben wir für unsere Kinder Kinderläden organisiert, in den frühen 70er, um eine Erziehung nach unseren Vorstellungen zu gewährleisten.
heute organsisieren wir einfach unser Alter selbst."
Oder, provokanter:"Hilf dir selbst, sonst hilft Dir ein Sozialarbeiter".
Hier jedenfalls ist unsere "Wahlfamilie" angewachsen auf 30 Menschen, es kommen immer mehr, die ersten Ehepaare sind dabei. Und im nächsten jahre fangen wir an, ein haus mit 15 Wohnungen zu bauen, sofern wir einen Investor finden. Und da verhandeln wir gerade.
Ist doch was, oder?
bruno


wewe antwortete am 04.11.00 (18:09):

Bin vollkommen Deiner Meinung, beschäftige mich schon seit Jahren mit diesem Thema. Wer kann einen Rat geben, wie man das (vielleicht schon in hilflosem Zustand) bewerkstelligt? Die oft propagierte Patientenverfügung wird ja leider noch immer mißachtet. Ich möchte in Würde sterben!


elke antwortete am 10.11.00 (00:29):

ich weiss, solange ich nicht frei bin, kann ich auch nicht
bedingungslos lieben!


Louise Ludwig antwortete am 16.11.00 (14:35):

Und noch etwas: die Schatten zu überspringen, die Dich von Dir selbst trennen.


Rosmarie Vancura antwortete am 02.12.00 (15:21):

Sich freimachen heisst auch, Nein zu sagen, da wo man früher hätte ja sagen müssen.Sich frei das eben so richten, wie man es leben möchte und sich dann gut fühlen, sodass man einem anderen Menschen den Weg in die Freiheit zeigen kann.
Freisein heisst auch, zu seinen Gefühlen zu stehen, die man, unfrei noch, so oft in der untersten Schublade verssteckt hat. Rosmarie Vancura


Mechtild Threin antwortete am 07.12.00 (21:42):

"Freiheit heißt die Einsicht in die Notwendigkeit" Dieser Satz war immer richtig, doch heute wo ich älter bin und auch schon das eine oder andere erlebt habe, fällt es mir einfacher die Einsicht in die Notwendigkeit zu akzeptieren und meine Freiheit zu geniesen. Ich muß nicht mehr dies und das und jenes, sondern kann, wenn ich will dies und das geniesen und mich an vielen kleinen Dingen freuen, die ich als ich jung war gar nicht gesehen habe.