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THEMA:   Zur Debatte um die Embryonenforschung

 81 Antwort(en).

Werner Gans begann die Diskussion am 09.06.01 (10:39) mit folgendem Beitrag:

Mir ist aufgefallen, dass in dieser heftig geführten Diskussion, von einigen so argumentiert wird, als sei "Behinderung" ein schützenswertes Gut. Mir scheint es, dass dies doch eine sehr platte Gleichsetzung von "behinderten Menschen" mit ihrer Behinderung ist.

Selbstverständlich ist ein behinderter Mensch schützens- und liebenswert.

Selbstverständlich muss alles getan werden, um die Behinderung als solche zu bekämpfen. Wenn Frauen in Zukunft die Möglichkeit haben, gesunde Kinder zu gebären, darf man dies doch nicht verteufeln. Ich halte das schlichtweg für pervers.

Ich verstehe Behindertenverbände nicht, die sich gegen die neuen Möglichkeiten in der Genforschung wenden. Sie können doch nicht wollen, dass die Behinderungen nicht möglichst vermieden werden. Es kann doch nicht sein, dass Behinderungen gewollt werden, nach dem Motto: Geht es mir nicht gut, darf es Dir auch nicht gut gehen.

Ich höre "Wie stehen Eltern mit behinderten Kindern da, wenn die frühen diagnostischen Möglichkeiten und die Selektion gesunder befruchteter Eizellen erlaubt werden?". Abgesehen davon, dass ich die Hingabe, mit der sich solche Eltern um ihre Kinder kümmern, bewundere, kann ich doch nicht wollen, dass, damit diese sich wohlfühlen, kranke statt gesunde Kinder geboren werden. Ich finde diese Argumentation wirklich schlimm.

Gruß, Werner


Werner antwortete am 09.06.01 (10:54):

Korrektur meiner E-Mailadresse


Ricardo antwortete am 10.06.01 (08:49):

Ich habe schon an anderer Stelle gesagt, daß ich die Forschung an embryonalen Stammzellen Unterstütze, ebenso wie die Diagnostik bei künstlicher Befruchtung der Mutter.

Es sind schon ermutigende Ergebnisse bei MS an Mäusen erzielt worden, diese Forschung birgt gerade für Nervenleiden große Hoffnungen.
Die"Zeit" schreibt zum Thema:
.....Inzwischen hat die Embryonenforschung, begleitet von öffentlichen Debatten und Gesetzgebungsverfahren, in weiten Teilen Europas Tritt gefasst. "Selbst Frankreich macht nun die Wende zum therapeutischen Klonen", spottet Bartram(Universität Bonn). Auf einmal stehe Deutschland "ziemlich einsam da". Für jahrelange Erörterungen fehlt nun die Zeit. "Wenn man was verpasst hat", rät der Genetiker den Volksvertretern, bleibe leider nur noch eins: "Denkt schneller, Genossen.".....


Debra antwortete am 10.06.01 (11:03):

Ich befürworte die Embryonenforschung und kann die Argumentation der Behindertenverbände nicht verstehen. Ich verstehe nicht, wie Eltern behinderter Kinder dadurch diffamiert werden sollen. Zu verhindern, dass behinderte Kinder geboren werden hat nichts damit zu tun, wie man mit den lebenden Behinderten umgeht. Zukünftige Eltern sollen in den allerersten Schwangerschaftswochen entscheiden können, ob die Frau ein voraussichtlich behindertes Kind zur Welt bringen will/kann oder nicht. Nicht alle haben die Kraft, ein solches aufzuziehen, und die Sorge bleibt immer: Was passiert mit ihm, wenn die Eltern einmal tot sind? Ich persönlich würde mich gegen den behinderten Fötus entscheiden, nicht nur aus meiner Sicht, sondern auch aus der des Kindes: Viele behinderten Kinder leiden sehr, wenn sie erst einmal merken, dass sie nicht so sind wie die anderen. -- Das so genannte "Designen" von Babies hingegen, in dem z.B. bestimmte Körpermerkmale oder Intelligenz "gezüchtet" werden sollen, finde ich ethisch völlig inakzeptabel. Aber da in der Wissenschaft alles, was möglich ist, irgend einmal gemacht wird, wird es in (hoffentlich fernster) Zukunft dazu kommen; der Schuss könnte aber gehörig nach hinten losgehen.

Debra


Wolfgang antwortete am 10.06.01 (13:30):

Das stand auch in der ZEIT (in der Ausgabe 23/2001)... Ein Essay über Erzählungen des russischen Schriftstellers Michail BULGAKOW, die dieser vor langer Zeit schrieb: Hundeherz (1925) und Die verhängnisvollen Eier (1924).

In den Geschichten (wie im wirklichen Leben) Unterstützen die Mächtigen die eher skurrilen Forscher. Denn sie sind interessiert am "Neuen Menschen": Gesund, arbeitsfähig, mit brauchbarer Intelligenz ausgestattet, ansonsten von mässigem Verstand... Die Forscher spielen ihr Spiel - so glauben sie - zum wissenschaftlichen Interesse und zum Wohle der Menschheit. - BULGAKOW kritisierte eine Wissenschaft und vor allem ihre Wissenschaftler, die meinen, sie würden frei in ihren Labors forschen. Dabei sind sie eingebettet in ein industrielles und autoritäres Gesellschaftssystem, das ausschliesslich auf Naturzerstörung, Wachstum der Warenberge und Effizienz setzt. Menschen, wie die Natur sie schuf, stören da nur.

Der Verfasser des Essays - Jens JESSEN - kommt zu einem schrecklichen Fazit: "Als was [...] die genmanipulierten Menschenwesen eingeschätzt werden sollen, ist noch nicht annähernd begriffen. Nur eines ist schon jetzt unabweisbar: Es werden keine Menschen in unserem Sinne mehr sein, nicht im Entferntesten."

Der Rote Strahl
Prometheus bedroht die Schöpfung: Was der russische Schriftsteller Michail Bulgakow über die Konsequenzen der Biotechnik zu sagen wusste
Von Jens Jessen
https://www.zeit.de/2001/23/Politik/200123_embr.schutz.html

(Internet-Tipp: https://www.zeit.de/2001/23/Politik/200123_embr.schutz.html)


Karl antwortete am 10.06.01 (14:19):

Lieber Wolfgang,


du fürchtest dich vor einem "Gesellschaftssystem, das ausschliesslich auf Naturzerstörung, Wachstum der Warenberg und Effizienz setzt". Das kann ich nicht nachvollziehen.

1.) Welche Gruppe in unserer Gesellschaft hat Naturzerstörung als explizites Ziel auf ihre Fahnen geschrieben?

2.) Welche Gruppe in unserer Gesellschaft hat "Wachstum der Warenberge" als Ziel auf ihre Fahnen geschrieben?

3.) Was verstehst Du unter Effizienz?

Widerspricht 3 nicht 2?

Die Welt ist nicht so einfach in die Guten und in die Bösen einzuteilen.

Das Schreckensszenario von Jens Jessen ist, auf die aktuelle Diskussion bezogen, völlig unangebracht.


Wolfgang antwortete am 10.06.01 (15:12):

Das fragst Du ernsthaft, Karl... Das in der Welt dominierende industrielle kapitalistische Wirtschaftssystem setzt auf Naturzerstörung, Wachstum der Warenberge und Effizienz. Konkrete Beispiele dafür kannst Du hundertfach um Dich herum beobachten oder auch (sogar in vielen Themen unserer Foren) nachlesen.

So unterscheiden sich die Sichtweisen... Du hälst die Sichtweise des Essayisten für "völlig unangebracht". Ich halte sie für völlig angebracht. ;-) - Übrigens: Niemand teilt die Welt ein in Gut und Böse. Allerdings muss es erlaubt bleiben, auf die schrecklichen Folgen aufmerksam zu machen, die zwangsläufig eintreten werden, wenn man die BiotechnikerInnen von der Leine lässt.

Zur Effizienz... Warenberge sind ein Ausfluss der unglaublich effizienten (also wirksamen, wirkungsvollen, kostengünstigen) kapitalistischen Volkswirtschaften. Warenberge und Effizienz widersprechen sich also gerade nicht, sondern das Eine ist die Bedingung für das Andere. Was bislang fehlte in diesem Spiel sind effizient erzeugte und noch effizienter verwertbare Menschen. Aber dafür stehen die BiotechnikerInnen doch schon Gewehr bei Fuss und manchen von ihnen kann es gar nicht schnell genug gehen beim Menschenzüchten.


Karl antwortete am 10.06.01 (20:44):

Hallo Wolfgang,

es ist einfach nicht richtig zu behaupten, Naturzerstörung sei eine Zielsetzung des kapitalistischen Systems. Ich lasse mit mir streiten, ob Naturzerstörung das in Kauf genommene Nebenprodukt des herrschenden Wirtschaftssystems ist. Dafür gibt es sicherlich tausende von Einzelbelegen. In keinem einzigen Fall wird jedoch die Naturzerstörung das primäre Ziel gewesen sein, dieses ist der Profit. Das Problem ist, dass die Kostenrechnungen für Umweltzerstörung in die Profitrechnungen nicht richtig einbezogen werden, aber selbst dies ist kein prinzipielles Problem des kapitalistischen Systems, es könnte im Prinzip über die richtige Gesetzgebung gelöst werden.

Ich wehre mich deshalb gegen die Rundumschläge, die Du austeilst. Wenn wir alle schon heute die Folgen kennen würden, die "zwangsläufig eintreten werden", wenn man das eine oder das andere täte, dann wären die Entscheidungen nicht so schwierig.

In der aktuellen Debatte gibt es ehrenwerte Argumente auf beiden Seiten. Das solltest Du auch anerkennen. Ich neige zur Haltung von Werner. An anderer Stelle habe ich das Hauptproblem festgemacht, an dem sich unsere Bewertungen unterscheiden. Du stellst die befruchteten Eizellen, selbst diejenigen, die "von der Natur" abgetrieben werden oder nach künstlicher Befruchtung "übrigbleiben", auf eine Stufe mit geborenen Menschen. Ich bin der Meinung, dass diese rein ideologisch begründete Haltung zu unethischen Entscheidungen führen muss, nämlich zur Verweigerung der Hilfe für kranke Menschen.


MThrein antwortete am 11.06.01 (17:29):

Sicher sind Rundumschläge nie sinnvoll, aber eine gesunde Skeptisch der Wissenschaft und der Industrie entgegen zu bringen ist sicher notwendig. Man muss nicht alles machen, was wissenschaftlich möglich ist. Man verweigert damit auch nicht die Hilfe für kranke Menschen, nur weil man genau nachfragt. Es ist sicher genauso verwerflich kranken Menschen Heilung zu versprechen, wenn neue wirksame Medikamente noch in weiter Ferne sind.
Aufgabe der Wissenschaft ist es zu forschen. Aber die Politik und die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen haben die Aufgabe der Wissenschaft zu sagen in welche Richtung sie forschen soll, die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Forschung zu schaffen und öffentliche Gelder dafür zur Verfügung zu stellen. Die Diskussion hier soll zur Meinungsbildung beitragen. Ich bin erst dann bereit, meine Zustimmung zur �nderung von Gesetzen zu geben, wenn ich genau weiß, was geändert werden soll, was erlaubt werden soll und welche Ergebnisse zu erwarten sind. Zur Zeit ist mir die Diskussion noch zu emotional. Es geht nicht nur um die Hilfe für kranke Menschen, es geht auch um einen großen neuen Markt, wo jeder Angst hat der andere nimmt ihm den Profit weg, weil er schneller ist.


Wolfgang antwortete am 12.06.01 (13:56):

Ich teile keine Rundumschläge aus. Es wäre schön, Karl, wenn Du solche Kampfbegriffe aus der Diskussion raus liessest.

Ich möchte die Gedanken des Philosophen Prof. Dr. Robert SPAEMANN in diese Diskussion einbringen. In einem Gespräch - vor einiger Zeit gesendet vom Bayerischen Rundfunk (BR) - sagte SPAEMANN:

"[...] Es ist nämlich nicht mehr so, dass es auf der einen Seite die Wissenschaft und auf der anderen Seite die Technik als Anwendung der Wissenschaft gibt. Stattdessen ist es heute so, dass die Technik darüber entscheidet, was wissenschaftlich möglich ist. Zu diesen Techniken gehören aber zum Teil Techniken, die wir nicht verantworten können. Das betrifft z. B. das Experimentieren mit Embryonen. Denken Sie nur: Die KZ-�rzte haben ja auch im Dienst der Wissenschaft gehandelt. Sie haben mit Häftlingen Unterkühlungsversuche gemacht und dann gesagt, dass das der Menschheit nützen würde, weil man dabei bestimmte Erkenntnisse gewinnen konnte. Das stimmte auch. Aber diese Erkenntnisse wurden gewonnen um einen Preis, den wir nicht zu zahlen bereit sein dürfen. Das heißt, die Vorstellung, dass die Wissenschaft alles darf, um zu weiteren Erkenntnissen zu kommen, ist eine verhängnisvolle Vorstellung. [...] Ich denke daher, dass wir endlich an den Punkt kommen müssten, an dem wir bestimmte Dinge nicht mehr tun: aber nicht deshalb, weil das die Wissenschaft verbieten würde. Denn die Wissenschaft verbietet gar nichts. Stattdessen müssen wir deshalb damit aufhören, weil wir das als Menschen nicht wollen. Wir müssen wieder den Mut haben zu sagen, dass wir bestimmte Dinge nicht haben wollen. [...]"

Das ganze Gespräch kann hier nachgelesen werden:

https://www.br-online.de/alpha/forum/vor0012/20001222_i.html

(Internet-Tipp: https://www.br-online.de/alpha/forum/vor0012/20001222_i.html)


Karl antwortete am 12.06.01 (16:13):

Lieber Wolfgang,


also, keine Kampfbegriffe, einverstanden, dann aber bitte auch Befürworter der PID nicht einmal in die Nähe der Nazi-�rzte rücken.

MfG Karl


Wolfgang antwortete am 12.06.01 (17:38):

Ich wüsste nicht, Karl, dass ich das getan habe... Ich würde nie BefürworterInnen der PID mit Nazi-�rzten vergleichen. - Ich hoffe, es ist deutlich geworden, dass es sich in meinem Beitrag um ein Zitat des Philosophen SPAEMANN handelt. Der rückt aber auch nicht die BefürworterInnen der PID, oder allgemeiner, der Gentechnik in die Nähe der Nazi-�rzte. Er weist nur darauf hin, dass alle möglichen Leute - auch die Nazi-�rzte - immer damit argumentierten, dass alles zum Wohle der Menschheit geschehe. Er will anhand dieses Beispiels etwas deutlich machen: Dass wir nicht um jeden Preis wissenschaftliche Erkenntnisse gewinnen dürfen, selbst dann nicht, wenn sie tatsächlich den Menschen nützen würden.

Bei der "verbrauchenden" embryonalen Stammzellenforschung werden Embryonen - also menschliches Leben - getötet. Die ForscherInnen sagen zwar, dass diese Embryonen ja eh' getötet würden, weil sie ein "Abfallprodukt" und schon da seien. Ich glaube ihnen das aber nicht. Über kurz oder lang wird der Bedarf an Embryonen steigen und man wird sie ausschliesslich zu Forschungszwecken herstellen und mit ihnen Handel treiben. Dieser Preis ist vielen zu hoch. Mir auch.


Johannes Mchalowsky antwortete am 23.06.01 (12:13):

Der Aussage von MThrein

Aber die Politik und die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen haben die Aufgabe der Wissenschaft zu sagen in welche Richtung sie forschen soll

möchte ich widersprechen.

Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, Artikel 5, Absatz 3 steht zu lesen:

Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Treue zur Verfassung ist nicht gleichzusetzen mit politisch, gesellschaftlich oder wirtschaftlich induzierter Auftragsforschung, wie Herr oder Frau Mthrein fordert. Man denke zum Beispiel: Wäre die Unterwerfung von Forschung und Wissenschaft ein absolutes Prinzip, dann hätte z.B. Galilei das getan, was zu seiner Zeit politisch opportun oder erwünscht war und sich damit eine Verurteilung erspart. Anpassung an wirtschaftlich politisch motivierte Interessen ist mit freier Wissenschaft unvereinbar. Sie ist höchstens in diktatorischen Systemen durchsetzbar.

(Internet-Tipp: https://www.rewi.hu-berlin.de/Datenschutz/Gesetze/gg.html)


Heidi antwortete am 23.06.01 (13:50):

Verfassung/Grundgesetz?

"Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt."

Grundgesetz Artikel 1


Johannes Michalowsky antwortete am 23.06.01 (19:52):

Die Menschenwürde einerseits und Freiheit der Wissenschaft und Forschung andererseits sind kein Gegensatz. Es ging mir um einen Einspruch zu der Aussage, daß die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen die Aufgabe hätten, der Wissenschaft zu sagen, in welche Richtung sie forschen soll (wer denn eigentlich: die Gewerkschaften, die Kirchen, die politischen Parteien, die politische Führung?).

Das Ergebnis von Forschungsarbeiten, die zweifellos von gesellschaftlichen Gruppen initiiert wurden, sind u.a. Atombomben, chemische und bakteriologische Waffen und Raketen, Cruise Missiles und Tretminen. Des weiteren wurden z.B. in der Nazizeit von einer gesellschaftlichen Gruppe, so kriminell sie auch gewesen ist, Forschungsarbeiten veranlasst, deren Methoden und Ergebnisse z.B. in der Gedenkstätte des KZ Dachau zu besichtigen sind. Ich möchte doch wenigstens hoffen, daß bei freier Verantwortung der Aktiven für ihr Tun damals weniger Leid und Grausamkeit über viele Menschen gebracht worden wäre.

Ich war bei einem Besuch in Dachau besonders betroffen, weil einige der dort abgebildeten Akteure dieselbe Uniform trugen wie mein Vater, auf die ich als Junge stolz gewesen war.

(Internet-Tipp: https://www.kz-gedenkstaette-dachau.de/gedenkstaette/index.html)


Ricardo antwortete am 25.06.01 (11:50):

Blicken wir über den Bauchnabel hinaus!
Das meint Kathrin Meier-Rust in der Weltwoche (21.6.01) Sie schreibt u.a.:"

.. Vor ..Entscheidungen stehen wir bereits heute. Wollen wir wirklich ein Fortpflanzungsmedizingesetz, das uns zwingt, Embryonen, die bei der In-vitro-Befruchtung übrig bleiben, ungebraucht zu vernichten? Und uns damit �welche Heuchelei � zum Import von embryonalen Stammzellen zwingt, die anderswo aus ungebrauchten Embryonen gezüchtet werden? Das Gesetz, gerade in Kraft getreten, ist schon überholt. Angesichts dieser rasanten Entwicklung brauchen wir neue Ideen. ...
Überhaupt: Warum nicht mehr Interesse für andere Forschungskulturen? Man stelle sich eine Diskussion über Stammzellenforschung vor: mit einem Vertreter des pragmatischen Frankreichs; einem Amerikaner, in dessen Land die Ethik des Heilens so mächtig ist, dass trotz reichlich vorhandenem Fundamentalismus (etwa in der Abtreibungsfrage)
Protest gegen medizinische Forschung kaum Widerhall findet; dazu ein Israeli, für den nach jüdischer Auffassung das schützenswerte menschliche Leben nicht mit der Befruchtung und schon gar nicht im Labor, sondern erst am 42. Tag im Mutterleib beginnt. Die altbekannten Fronten gerieten heilsam durcheinander."

Vor allem der Standpunkt aus Israel hat mich beeindruckt.
Der jüdische Glaube ist bei aller Strenge und Konsequenz einfach vernünftiger als der Unsrige.
Der unverwüstliche Optimismus nach all den Katastrophen ihrer Geschichte liegt in einem Satz begründet:
"Und Gott sah alles was er gemacht hatte, und siehe es war sehr gut !" (Genesis 1,31)


Wolfgang antwortete am 26.06.01 (02:28):

Wann beginnt menschliches Leben? - Mit der Verschmelzung von Ei und Samen... Und weil das so ist, gibt es in Deutschland das Embryonenschutzgesetz, das, wie der Name sagt, menschliches Leben im ganz frühem Stadium schützt. Geschützt werden Embryonen vor allzu forschen ForscherInnen. Die Freiheit der Forschung - das eine Rechtsgut - wird eingeschränkt zugunsten des höher stehenden Rechtsgutes.

So ist die Rechtslage... All die "schönen" Sachen, die sich ForscherInnen vorstellen, tun zu können, sind in Deutschland verboten und mit hohen Gefängnisstrafen bewehrt. Kein Wunder, dass viele jetzt den gesetzlichen Schutz menschlicher Embryonen weghaben wollen. Aber noch gilt das Embryonenschutzgesetz... Wegkriegen oder aufweichen werden sie das Gesetz so schnell nicht. Und das ist gut so. :-)))


Karl antwortete am 26.06.01 (08:36):

Hallo Wolfgang,


ich weiß, wir sind hier anderer Meinung. Meine ist, dass das jetzige Embryonenschutzgesetz ein schlechtes Gesetz ist, da es nicht Embryonen und Föten schützt, die dürfen weiter abgetrieben werden, sondern Zellhaufen. Diese Zellhaufen per definitionem als "Menschen" zu bezeichnen und im Wert gleichzusetzen ist falsch und unbarmherzig den Menschen gegenüber. Das jetzige Gesetz wird langfristig keinen Bestand haben können, da es nicht den Fakten entspricht, sondern einer Ideologie. Ein Mensch ist mehr als seine potentielle Anlage.

Richard hat recht, die Regelung im Judentum ist "einfach vernünftiger".


Georg Segessenmann,alias Georg von antwortete am 26.06.01 (09:25):

Würden wir Menschen uns nicht als das oberste aller Geschöpfe sehen, würden wir es leichter haben, über geborenes und ungeborenes Leben zu diskutieren.
Wir Menschen betrachten es als unser sebverständliches Recht, jene Geschöpfe zu manipulieren, unfruchtbar zu machen, zu kastrieren, die - laut Bibel - uns untertan sind. Wenn es uns aber unser Verstand eingibt, dass es mit Kinder auf die Welt setzen nicht mehr so weiter gehen könne - weil jeder Mensch, der zuviel auf der Erde ist, den Bestand der Mitgeschöpfe gefährdet - dann gelten nicht mehr die Gesetze der Natur. Diese versteht es nämlich ohne darüber zu diskutieren und zu polemisieren, den Bestand ihrer Geschöpfe im Gleichgewicht zu halten. Fazit: Der Mensch ist auf dieser Welt überflüssig und schädlich!

Schorsch


Heidi antwortete am 26.06.01 (10:05):

"Der Mensch ist auf dieser Welt überflüssig und schädlich!"

Aber Schorsch!, "der Mensch" - das sind wir, Du und ich und viele andere.

Hätten meine Eltern die heutigen Möglichkeiten der medizinischen Forschung nutzen können, würde es mich vermutlich nicht geben. Das wäre sicher auch kein großer Verlust für die Welt ;-).

Aber ich bin doch (meistens) recht froh, auf dieser Welt zu sein und wer gibt uns das Recht,zu sagen "das ist nur ein Zellhaufen" und damit zu bestimmen, wer auf die Welt kommen soll und wer nicht?

Ich weiß, unsachlich und unwissenschaftlich :-) - wie immer sehr emotional - grüsst Euch ..Heidi


Karl antwortete am 26.06.01 (11:03):

Liebe Heidi,


das Argument, ich wäre nicht wenn ..., ist ein schwieriges. Dass es uns überhaupt gibt, ist überhaupt das Unwahrscheinlichste überhaupt. Wenn mein Ururururgroßvater damals nicht zufällig ..., etc.

Ich habe neulich eine Sendung über Gentechnik im Fernsehen gesehen, in der sich eine Kranke (auf heilung hoffend) und ein Behinderter gegenüber saßen. Letzterer hat ebenso argumentiert, es gäbe mich nicht, wenn... Das macht betroffen, aber auch nachdenklich. Ist dieses Argument wirklich ein gutes? Ist es tabu zu denken, ja aber dann gäbe es vielleicht nicht nur ein, sondern vielleicht sogar zwei oder mehr gesunde Geschwister?

Diese Thematik ist enorm schwierig und wird meist sehr emotional geführt. Verantwortliche Entscheidungen kann man aber nicht im Nachhinein, sondern nur im Vorhinein, in einem Moment, in dem die Zukunft noch offen ist, treffen. Nur dann sind die potentiellen Schicksale Ungeborener noch gleichwertig. Ich bleibe dabei, die Gleichsetzung von einem Zellhaufen mit einem Menschen ist unbarmherzig und das jetzige Embryonenschutzgesetz schützt nicht, sondern verhindert die Geburt gesunder Kinder, sowohl direkt als auch durch die Entmutigung potentieller Eltern.


Johannes Michalowsky antwortete am 26.06.01 (14:55):

Wenn schon Zellhaufen als potentiell lebende Menschen akzeptiert werden, dann sollte man doch auch überlegen, überhaupt jedes potentiell mögliche Leben tatsächlich zu zeugen, also schon vor den Zellhaufen anzusetzen. Vorschlag für eine Grundgesetzänderung:

Jede Frau ist verpflichtet, ihren physischen Fähigkeiten entsprechend eine angemessene Anzahl von Kindern in die Welt zu setzen. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz (dann brauchen die Verfassungsgeber nicht so viel nachzudenken).

In diesem Gesetz könnte ich mir die Zahl 20 vorstellen (vielleicht sogar mehr, da wir ja nun gelernt haben, daß bis zum Alter 62 eine ganze Menge möglich ist), mit Ausnahmeregeln selbstverständlich, aber auch Strafvorschriften.

Der Dank des Vaterlandes wäre diesen Frauen / Eltern gewiss, wie man an der gerade beendeten Diskussion über stolze 30 Mark Kindergelderhöhung gesehen hat (lumpige darf ich nicht sagen, das hat mir Tadel eingetragen).

Man denke an Johann Sebastian und Anna Magdalena Bach � 20 Kinder, davon 11 Söhne, nur fünf der Söhne (Mädchen zählen nicht) haben ihren Vater überlebt, darunter vier Musiker, die die Welt reich beschenkt haben. Wie wäre das heute? 20 Kinder, alle überleben die Eltern, jedes Geschöpf ein Unikat und Geschenk für die Welt, ein faszinierender Gedanke.

Ich habe nur zwei Kinder und hätte doch den Grundstein zu so viel mehr Zellhaufen legen können � muß ich (und meine Frau) mich jetzt, da es zu spät ist, an die Brust schlagen?

Die Naturgesetze gelten dennoch weiter � auch die menschliche Denkfähigkeit gehört dazu, ebenso wie Mathematik und Statistik, die zwangsläufig zu einer Gleichgewichtsregulierung von Erdenwürmern und Ressourcen auf diesem Planeten führen werden.

(Internet-Tipp: /seniorentreff/de/my/)


Ricardo antwortete am 26.06.01 (17:29):

Die Annahme des Gesetzes in der Bundesrepublik, daß menschliches Leben mit der Vereinigung von Samen und Eizelle beginnt, gründet auf einer religiösen Überzeugung und nicht auf Wissenschaft.
Aber auch als Christ bin ich nicht verpflichtet, das zu glauben, da dieser Satz im Kanon des Glaubens nicht enthalten ist. Der anerkannte Kirchenlehrer Thomas von Aquin hat seinerzeit den Beginn menschlicher Existenz bei Knaben auf 8 Wochen, bei Mädchen auf 12 Wochen festgelegt.(Das Kostbarere braucht bekanntlich etwas länger RD)
Also war man im Mittelalter großzügiger als heute.

Soviel mir bekannt, zählt der Mensch auch zur Schöpfung ebenso wie die meisten seiner Erfindungen.
Sie sind also auch "Natur"
Ich hoffe in diesem Fall wie in anderen auf eine internationale Regelung im Interesse einer vereinten Welt und nicht auf ein ein nationales Gesetz.


Georg Segessenmann,alias Georg von antwortete am 26.06.01 (17:58):

Meine Eltern hatten 7 Kinder - nein, eigentlich wärens ja ein paar mehr gewesen wenn.....
Ich möchte keins missen meiner Geschwister. Aber aus diesen 7 Kindern sind insgesamt nur 8 Kindeskinder entstanden. Zufall? Oder ob da wohl alle 7 das Gefühl gehabt haben: "Irgendwie sind wir doch zu kurz gekommen in unserer Jugend - wir wollens anders machen, nämlich so, dass unser einziges oder unsere zwei Kinder nicht gehänselt werden wie wir, die sogar von den Behörden uns hämische Bemerkungen haben gefallen lassen müssen der grossen Kinderschar wegen und weil die Gemeinde uns kurzzeitig hat die Milch und das Brot bezahlen müssen - was wir aber beim Ableben unseres Vaters mit Zins und Zinseszinsen haben zurückzahlen müssen!"
Wo und wann beginnt denn Leben? war in dieser Diskussion eine Frage. Ich denke, Leben soll dort beginnen dürfen, wo für dieses Leben die Grundlagen vorhanden sind, und nicht dort, wo gerade ein Samentierchen zufällig auf ein zeugungsbereites Ei stösst!

Weiter oben habe ich die These aufgestellt, dass es ohne uns Menschen auf dieser Erde besser bestellt wäre. Ich bleibe dabei. Und ich denke: Könnten die Tiere und Pflanzen entscheiden - ein tragisches Ende wäre uns Menschen beschieden!

Schorsch


Wolfgang antwortete am 26.06.01 (19:05):

Genau so ist es, Ricardo... Der Mensch zählt zur Schöpfung, er ist Teil der Natur. Leider ist er nicht nur Natur, sondern er erhebt sich über diese. Das macht den modernen Menschen so gefährlich für sich und für die Natur, soweit sie ihn trägt. Seine Erfindungen sind nicht Natur. Sie sind das Gegenteil davon: Sie sind Kultur. Zur Kultur - also zu den von Menschen gemachten Dingen - gehören aber nicht nur das Wahre, Schöne, Gute... Zur Kultur gehört auch die gesamte naturzerstörende Maschinerie, die zur Zeit auf Hochtouren arbeitet, um ihr Zerstörungswerk zu vollenden.

Ihre Ideologen bestreiten es aus gutem Grunde... Aber doch ist es so: Unserer Zivilisation insgesamt, der modernen Naturwissenschaft im besonderen - besonders krass und deutlich sichtbar an den Biotechniken, über die wir hier reden - liegt eine bestimmte Ideologie zugrunde. Es ist die Ideologie der Naturbeherrschung. Es ist eine ausbeuterische, gewalttätige, für die Natur und für die Menschen todbringende Ideologie. Es ist eine recht junge Ideologie, endgültig zur Macht gekommen vor kaum 200 Jahren. Ihre Ideologen missachten die Prinzipien der Nachhaltigkeit. Mit hinreichender Sicherheit können wir deshalb heute sagen: Sie wird auch nicht sehr alt werden... :-)))

Dr. Michael SCHMIDT-SALOMON:
Was ist Nachhaltigkeit?
https://home.t-online.de/home/M.S.Salomon/vernach.htm

(Internet-Tipp: https://home.t-online.de/home/M.S.Salomon/vernach.htm)


elena antwortete am 26.06.01 (19:47):

Denken wir doch einmal daran, was früher als Tabu galt, inzwischen aber durch Forscherwillen und -drang zur Normalität gelangt ist.

Fast jeder von uns erinnert sich an die erste Herztransplantation, ein Aufschrei ging quer durch alle Reihen, heute gehört es zur alltäglichen Behandlung herzkranker Menschen und niemanden stört es mehr, ganz im Gegenteil, viele Menschen sind froh, dass es diese Möglichkeit inzwischen überall gibt.

Wir sind immer schnell dabei den Teufel an die Wand zu malen. Bei einer Diskussion hörte ich neulich: dann werden wir eben embryonale Zellen zur Forschung importieren müssen, denn da hat der Gesetzgeber eine Lücke gelassen.

(Internet-Tipp: /seniorentreff/de/hp/kluge/)


Karl antwortete am 26.06.01 (21:21):

Lieber Wolfgang,

ohne Naturbeherrschung wird die Menschheit nicht mehr überleben können. Ohne Naturbeherrschung wäre es nicht möglich heute 6 Milliarden und morgen vielleicht 12 Milliarden Menschen zu ernähren.

Erst mit der Naturbeherrschung hat der Mensch seinen Siegeszug, der hoffentlich kein Pyrrussieg werden wird, antreten können. "Macht Euch die Erde untertan", ist dies nicht bereits ein sehr altes Vermächtnis der Menschheit und wesentlich älter als 200 Jahre?

Nicht die Naturbeherrschung per se ist böse, auch nicht die Tatsache, dass der Mensch gelernt hat, in die eigene Evolution einzugreifen. Offensichtlich ist das ja möglich und wieso eigentlich ist es pervers, mit Vernunft und Verstand blinden Zufall zu ersetzen? Immer weniger sehen d a s als pervers an.

Trotzdem muss m.E. auch bei der Gentechnik und wegen ihrer Brisanz gerade hier, sorgfältig diskutiert werden, was möglich sein soll und was nicht. Ich bin keineswegs ein Befürworter von blindem Aktionismus. Es muss versucht werden, einen gesellschaftlichen Konsenz herzustellen. Dies erfordert einen langen und - für viele - einen schmerzhaften Diskussionsprozess, denn ohne Umdenken wird es nicht gehen.

Die Menschheit steht plötzlich da und erkennt, dass sie selbst für ihre zukünftige Evolution verantwortlich ist. Ein Schock!

(Internet-Tipp: https://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/0262025027/derseniorentimin/)


Wolfgang antwortete am 28.06.01 (12:38):

Es ist so, Karl... Das grösste, auf Dauer unlösbare Problem, ist das Überleben der in wahnsinnigem Tempo wachsenden Menschheit. Wir wissen, dass die Population einer Spezies nur so weit wächst, als die Umweltbedingungungen ihres Lebenssystems dies erlauben. Wir wissen auch, dass sich die moderne Naturwissenschaft und die sich auf ihr gründenden modernen Techniken ständig bemühen, diese Umweltbedingungen zu Gunsten der Menschen zu verändern, ja, die Natur und den Menschen selbst zu verändern. Das meint man, wenn man den Begriff "Technischer Fortschritt" verwendet.

Die FortschrittsideologInnen suggerieren nun, dass das Überleben der Menschheit nur gesichert sei, wenn weiter und verstärkt auf noch mehr Naturverbrauch, auf High-Tech, auf Selektion (also auf Tötung und Züchtung), auf Eingriffe in die natürliche Evolution... gesetzt wird. Diese IdeologInnen verschweigen aber aus gutem Grund das Entscheidende: Es waren die sogenannten "Erkenntnisse" der modernen Naturwissenschaft und ihre massenhafte Umsetzung in technische Verfahren und Produkte, die die Katastrophe erst verursacht haben, vor der sie uns jetzt mit den gleichen Mitteln retten wollen.

Hatten die alten Priester den Menschen noch auf ein jenseitiges, besseres Leben nach ihrem Tod vertröstet, versprechen die neuen Priester - die Fortschrittsfanatiker und Wissenschaftsbesessenen - ihren Anhängern den Himmel auf Erden. Aber, mittlerweile ist aus dem versprochenen Himmel auf der Erde für die meisten Menschen eine Hölle geworden. - So gründlich gescheitert ist bislang noch keine Philosophie. Sag' mir einen Grund, Karl, warum man also den wiederum süssen Versprechungen der Menschenselektierer dieses Mal glauben sollte?


Ricardo antwortete am 29.06.01 (09:56):

Ernste Frage

Drei Mäuse stellten die ernste Frage:
Was tun gegen die Menschenplage?
Wie wärs?
Wie wäre es mit einer Menschenfalle?
Na jaaaa.....
Aber damit fangen wir wohl nicht alle!


Heidi antwortete am 29.06.01 (10:06):

Ein Beispiel für die Menschenverachtung mancher Wissenschaftler, Ricardo?


Georg Segessenmann antwortete am 29.06.01 (11:36):

An Ricardo

Die Mäuse brauchen uns gar keine Fallen zu stellen - wir fangen uns ja selber in unseren eigenen!

Schorsch


Ricardo antwortete am 01.07.01 (16:04):

Die Betroffenen melden sich ..

Auf einem Kongress für Biotechnik in Lyon haben sich Patienten zu Wort gemeldet.
Menschen mit seltenen Erbkrankheiten haben sich zu einer internationalen Allianz zusammengeschlossen, um die Genforschung voranzutreiben. Sie wollen sogar Patente anmelden, damit ihre vernachlässigten und wenig lukrativen Krankheiten nicht unter die Räder der freien Marktwirtschaft kommen.
Es gibt schließlich auch bei schweren Hirnschäden Hoffnung, daß die Forschung Mittel zur Milderung der Symptome findet.
Für viele ist die neue Technik also offenbar nicht nur Grund zur Sorge, wie man nach der Lektüre der Diskussion hier vermuten könnte.
Siehe auch Weltwoche Nr 9, 1.3.01 S.47, Artikel von Matthias Welti


Wolfgang antwortete am 01.07.01 (17:21):

Dann will ich auch etwas zur Diskussion beisteuern aus der WELTWOCHE (Ausgabe Nr. 38/99, v. 23.9.99)... Ein Essay von Ludwig HASLER. Es geht um die Meinung des Philosophen Peter SLOTERDIJK. Der hat in seiner berühmt-berüchtigten Rede - REGELN FÜR DEN MENSCHENPARK - das Scheitern des Humanismus und der Ideen von der menschlichen Vernunft festgestellt. Helfen könne jetzt keine Philosophie mehr, sondern nur noch die massenhafte Züchtung von genetisch verbesserten Menschen. Zu dieser Rede äussert sich kritisch Ludwig HASLER in der Weltwoche... Sein Fazit: "Die scheinbare Unerschütterlichkeit dieser Fakten [gemeint ist der von SLOTERDIJK festgestellte Zwang, die Menschen mittels Gentechnik aufzurüsten, um ihn dadurch zu zähmen und zu sozialisieren, W. M.] verdankt sich doch ganz bestimmten Interessen. Sie müssten wir besichtigen, bevor wir uns � im Namen der philosophischen Vernunft � ihrer Macht beugen."

Warum nicht?
Peter Sloterdijk will den Gentechnikern das Gesetz der Menschenoptimierung diktieren. Eine verzeifelte Form von Kapitulation. Eine sehr zeitgeisttypische.
https://www.weltwoche.ch/inframe.html?ref=https://www.weltwoche.ch/3899/38.99.ku_sloterdijk.html

Wer die recht schwer zu verstehende Rede des Peter SLOTERDIJK nachlesen will, sei auf folgende Seite verwiesen:
https://menschenpark.tripod.com/

(Internet-Tipp: https://www.weltwoche.ch/inframe.html?ref=https://www.weltwoche.ch/3899/38.99.ku_sloterdijk.html)


holzwurm antwortete am 03.07.01 (18:47):

zu Rico und elena ihr habt recht
die ganze Diskussion steckt voller Heuchelei welcher
Abgeornete der jetzt über gut und böse entscheiden soll
hat doch vor 2 jahren noch nicht gewußt ,daß es so etwas
gibt und und von den zu erwartenden Möglichkeiten nicht mal geträumt. Soll aber hier und heute über Dinge entscheiden von denen er schlicht gesagt von Tuten und blasen keine Ahnung hat
was gab es für ein Geschrei Herztransplantation "die Natur werde vergewaltigt und heute???
wie war es noch vor einigen Jahren beim Pflegegesetz
Hirngeschädigt waren in diesen Gesetz gar nicht vorgesehen
und warum : weil bei der Beratung kein politisch Verantwortlicher in seinem direkten Umfeld davon betroffen
war oder es sich leisten Konnte die pflege selbst zu bezahlen.
ich bin der Überzeugung wenn auch nur einer der Gegner
der Embrionen Forschung in seinem privaten Umfeld davon
von einer Krankheit geheilt werden Könnte der würde im
Bundestag auf Knien rutschen und laut ja rufen
ich bin für ordentliche Staatliche Kontrolle aber nicht
für heuchleriche politische Diskussionen nur weil
ein Mensch im fernen Rom das so will.
der kann die Kranken am wenigsten helfen und Sicherheit
würde er sich Zellen spritzen lassen um gesund zu bleiben
denkt keiner an die mio Diabetiker denen geholfen werden könnte?


Wolfgang antwortete am 04.07.01 (18:54):

Ich finde, in solch einer Diskussion sollte man nicht um den heissen Brei herumreden: Die Entnahme von Zellen aus menschlichen Embryonen, die gentechnische Manipulation dieser Zellen und die Züchtung gentechnisch manipulierter Menschen aus diesen Zellen... das sind die Visionen der Gen-Konzerne und ihrer Gen-ForscherInnen. Und einige sagen es auch schon, noch etwas versteckt und durch die Blume: Es geht ihnen beileibe nicht nur um die Züchtung von Menschen mit bestimmten körperlichen Merkmalen, sondern ebensosehr auch um die Züchtung bestimmter geistiger oder gefühlsmässiger Potentiale.

In dieser Deutlichkeit streiten sie vieles heute noch ab. Ich glaube ihnen kein Wort. Jeden Tag fallen bisher geltende Grenzen. Was gestern noch als Tabu galt, steht heute zur Diskussion und wird morgen gemacht. Menschen sollen gezüchtet werden. Im Labor produzierte und patentierte und veräusserbare Menschen sind ihr eigentliches Ziel. Die Gen-Industrie startet durch in die gewinnträchtige Menschenzucht...

SPIEGEL online
Das entschlüsselte Genom. Menschen nach Mass
https://www.spiegel.de/spiegel/21jh/0,1518,72239,00.html

(Internet-Tipp: https://www.spiegel.de/spiegel/21jh/0,1518,72239,00.html)


Heidi antwortete am 04.07.01 (19:18):

Ich habe nur zwei Sätze aus dem vorgenannten Spiegel-Artikel herausgepickt ..

>>...Schon jetzt hat er 6500 Patente auf menschliche Gene beantragt. ...<<

Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. - Mir wird übel dabei.


>>...Und der Biophysiker Gregory Stock prophezeit gar: "In nicht allzu ferner Zukunft wird man Leute, die Kinder durch normale Empfängnis bekommen, als Dummköpfe betrachten." ..<<

Diese Prophezeiung möchte ich noch erweitern:

Man wird es nicht mehr erlauben!

Die genmanipulierte Elitegesellschaft der Zukunft wird den "Zufalls-Menschen" nicht mehr zulassen. Die, die sich "teure Gene" nicht leisten können, werden "Gebrauchs-Gene" zugewiesen bekommen, "Arbeiter-Gene", "Soldaten-Gene" "Untertanen-Gene" der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Science fiction?


Karl antwortete am 04.07.01 (21:43):

Hallo Heidi,

auch negative Phantasie ist wichtig. Wenn eine Gefahr durchdacht ist, kann man sich davor hüten. Trotzdem ist mir positive Phantasie lieber. Wir sollten die Chancen nicht deshalb vertun, weil wir vor dem Missbrauch Angst haben. Im übrigen können wir uns vor dem Missbrauch nur dann schützen, wenn wir die Forschung im öffentlichen Bereich und unter öffentlicher Aufsicht fördern.

Gentechnik und Fortpflanzungsbiologie sind sehr einfach. Mit sehr geringen Mitteln kann jeder, der die Kenntnis hat, aktiv werden. Mit anderen Worten, die Gentechnologie und die Erkenntnisse der Fortpflanzungsbiologie sind nicht mehr rückholbar, bestenfalls in einer religiös gefärbten Diktatur kurzfristig unterdrückbar. Der Weg fundamentaler Verbote wird nicht erfolgreich sein.

"Arbeiter-Gene", "Soldaten-Gene" "Untertanen-Gene", Heidi Du malst Gespenster an die Wand, die auch mich erschrecken. Dies zeigt wie wichtig es ist, dass sich die Demokratie weltweit durchsetzt. In einer demokratischen Staatsform kann ich mir nicht vorstellen, dass obige Konstrukte gezüchtet würden. Zudem glaube ich nicht, dass die Umwandlung unserer Gesellschaft in einen Ameisenstaat mit Kastenwesen wirklich erfolgreich wäre. Ich glaube eher, dass die Gesellschaften um Eigenschaften konkurrieren werden, die sich mit Kreativität, Intelligenz, Gesundheit umschreiben lassen. Dies jedoch ist auch wieder "science fiction".


Heidi antwortete am 04.07.01 (22:05):

Lieber Karl,

glauben ist eine Sache - die Realität unserer heutigen Gesellschaft sehen ist eine andere...

Was ich tatsächlich glaube ist, dass Du es Dir nicht so einfach machst wie Cynthia Kenyon. -- Ich komme morgen noch einmal auf Deine Antwort zurück

So einfach ist es für die kalifornische Genforscherin Cynthia Kenyon (Ein weiterer Auszug aus einem anderen Spiegelartikel ):

>>...So, wie die Anti-Baby-Pille würde es eine Anti-Todes-Pille geben - entwickelt von Kenyon, versteht sich: Die Genforscherin ist gerade dabei, eine kleine Pharmafirma zu gründen. "Die Gesellschaft muss entscheiden, wie so was dann eingesetzt wird." Ein paar Leute, die länger als gewöhnlich auf dem Planeten Erde herumlaufen, meint sie, veränderten schließlich nicht viel an dem Problem der Überbevölkerung. Und schließlich könne man deren Fruchtbarkeit im Zweifel ja auch hormonell kontrollieren. ...<<

https://www.spiegel.de/spiegel/21jh/0,1518,74051,00.html

(Internet-Tipp: https://www.spiegel.de/spiegel/21jh/0,1518,74051,00.html)


Wolfgang antwortete am 04.07.01 (22:21):

Nein, Karl, es geht nicht um den Missbrauch der Gentechniken, es geht um deren ganz normalen Gebrauch... Die Intentionen und Visionen der GentechnikerInnen sind geradezu furchterregend, mühsam verbrämt als Dienst am Menschen. Das wäre noch nicht weiter schlimm, wenn da nicht eine auf Produktivität, Effizienz, Wachstum, Gewinn, Dynamik... ausgerichtete kapitalistische High-Tech-Wirtschaft dahinter steckte. Die braucht solche "Innovationen" und vor allem "Visionäre", die sich vor nichts mehr fürchten und vor nichts mehr Respekt haben.

Es wird der ganz normale Gebrauch der Gentechniken sein, der das menschliche Leben missbrauchen wird.

SPIEGEL online
Eingriff in die Keimbahn
Der amerikanische Molekularbiologe Lee SILVER über den Fortschritt der Gentechnik und die Zukunft der Menschheit.
https://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,66158,00.html

(Internet-Tipp: https://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,66158,00.html)


Karl antwortete am 05.07.01 (16:32):

Hallo Wolfgang,

Du siehst nur das Furchterregende und nicht die positven Möglichkeiten. Ich bin da wohl anders gebaut. Ich freue mich, dass die Zukunft offen und spannend und nicht notgedrungen so schrecklich sein muss wie die Vergangenheit.

Du sagst "Es wird der ganz normale Gebrauch der Gentechniken sein, der das menschliche Leben missbrauchen wird." Das ist eine anmassende Behauptung. Das sehen viele völlig anders. Warum bringst Du Deine Überzeugungen immer so rigide zum Ausdruck? Hast Du nicht auch schon einmal eine Spur von Zweifel rechtzuhaben?

Die Zukunft hat schon immer furchterregende Möglichkeiten gehabt, Hungersnöte, Pest, Krieg. Die Gentechnik könnte für (auch mich erschreckende) furchterregende Dinge missbraucht werden. Die Gentechnik könnte aber auch gebraucht werden, um Hunger und Krankheit zu besiegen und das Leben insgesamt wesentlich angenehmer zu gestalten. Es liegt doch an uns selbst wie sie benutzt wird. Dass viele Kreise, insbesondere die Kirchen, nicht dafür sind, dass sich die Menschen selber helfen, ist mir klar, denn sie leben ganz gut vom Elend auf dieser Erde.


Heidi antwortete am 05.07.01 (17:20):

Hallo Karl,

zu Deiner Antwort vom 04.07.01 - 21:43

"Die Menschheit steht plötzlich da und erkennt, dass sie selbst für ihre zukünftige Evolution verantwortlich ist. Ein Schock!"

Deine Worte vom 26.6.01, Karl, Du hast in diesem Beitrag schon auf die gesellschaftlichen Zusammenhänge hingewiesen. Wie sieht es denn aus mit unserer heutigen westlichen Gesellschaft ? Sie ist faul und träge geworden, weil das Leben, z.Zt., ja so schön ist. Kaum einer will sich noch engagieren, kaum einer bemüht sich noch nachzudenken, das Denken haben doch längst die "Medien" für uns übernommen, per Fernsehbildschirm direkt an den Sessel gebracht oder via Internet auf den PC-Bildschirm. Bist Du wirklich davon überzeugt, dass diese Gesellschaft darüber wachen wird, dass mit der von Wirtschaftsunternehmen finanzierten Genforschung kein Mißbrauch betrieben wird?

Du sagst weiter, ".. Im übrigen können wir uns vor dem Missbrauch nur dann schützen, wenn wir die Forschung im öffentlichen Bereich und unter öffentlicher Aufsicht fördern..." Wie öffentlich ist öffentlich? Die Allgemeinheit bekommt doch nur wohldosierte Häppchen von öffentlichen Mitteilungen die noch dazu hübsch verpackt sind, damit es geschluckt wird. Und wer soll denn diese Forschung finanzieren? Der Staat, sprich, der Steuerzahler? Es fehlt doch das Geld schon für die notwendigsten Dinge.
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"..- die Gentechnologie und die Erkenntnisse der Fortpflanzungsbiologie sind nicht mehr rückholbar .." - richtig, genau wie die Atombombe und deren Nachfolger , die Atomkraftwerke und der Atom-Müll...

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"..Dies zeigt wie wichtig es ist, dass sich die Demokratie weltweit durchsetzt. .." :-) Ja, wir haben eine demokratische Staatsform. Haben wir auch demokratische Bürger? - Sieh Dir doch mal das Wählerverhalten an, die Wahlbeteiligungen der letzten Jahre.

..... die fernere Zukunft wird zeigen, ob "die Menschheit" und deren Wissenschafler tatsächlich ihre Verantwortung begriffen hat.


Wolfgang antwortete am 05.07.01 (23:25):

Hallo, Karl... meine Meinung zu diesem Thema mag Dir rigide vorkommen. Ich finde, sie ist konsequent. Ich will das erklären: Es gibt Techniken, Heidi hat schon darauf hingewiesen, da braucht es kein Unglück oder einen Missbrauch, die sind durch ihren normalen Gebrauch gefährlich, ja in ihren üblichen Folgen unbeherrschbar. Die Nutzung der Atomkraft und noch mehr die der Gentechniken verändern die Gesellschaft, vor allem ihre Machtstrukturen, in einem ungeheuren und nicht mehr akzeptablem Ausmass. So, wie es keine friedliche Nutzung der Atomkraft geben kann, so wird es keine segensreiche Nutzung der Gentechniken geben. Das mag anmassend in Deinen Ohren klingen. Aber bedenke: Du bist Partei. Du bist Teil der boomenden Maschinerie, die sich um die Gentechniken herum aufgebaut hat.

Ich bin wie Du auch nicht der Meinung, dass die Zukunft zwangsläufig schlechter sein muss, als es die Vergangenheit war. Wenn es den Kirchen und den anderen KritikerInnen gelingt, dem Treiben der GentechnikerInnen und der Gen-Industrie einen Riegel vorzuschieben, dann wäre die Zukunft mit Sicherheit lebens- und liebenswerter... :-)


Wolfgang antwortete am 05.07.01 (23:43):

Noch ein Link zu einem aktuellen Artikel von SPIEGEL online, der vielleicht nachdenklich macht:

Spermawaage. Mädchen auf Bestellung
Das Geschlecht eines Neugeborenen muss nicht unbedingt Glückssache sein. Forscher wollen eine Methode entwickelt haben, mit der Mädchen oder Jungen je nach Wunsch geliefert werden können.

https://www.spiegel.de/wissenschaft/0,1518,143513,00.html

(Internet-Tipp: https://www.spiegel.de/wissenschaft/0,1518,143513,00.html)


Karl antwortete am 06.07.01 (08:17):

Hallo Wolfgang,


ich sollte wohl richtig stellen, dass ich vielleicht Partei bin (aus Überzeugung), aber keinesfalls Profiteur der Biotechnologie. Ich habe eine feste beamtete Stelle an der Uni und bin in keinem und für kein Unternehmen der Biotechnologie tätig. Ich selber beschäftige mich mit den molekularen Mechanismen des Nervenwachstums (und mein Labor etwas zufällig in letzter Zeit auch mit der Entwicklung von Muskeln) am Modellsystem der Fruchtfliege Drosophila. Wir setzen seit vielen Jahren gentechnische Hilfsmittel bei den Forschungsarbeiten ein. Diese sind aus der Entwicklungsbiologie generell nicht mehr wegzudenken. Die genetische Arbeitsweise ist absolut notwendig, wenn die wundersame Entwicklung eines befruchteten Eis zum fertigen Organismus nicht nur beschrieben, sondern auch kausal verstanden werden soll. Letzteres ist notwendig, wenn man z.B. wissen will, warum noch beim Frosch Regeneration des Zentralnervensystems stattfindet, viele Menschen mit Querschnittslähmung bisher aber praktisch keine Hoffnung haben konnten, geheilt zu werden. Sobald die Bedingungen für Nervenwachstum erforscht sind, kann die Medizin den Heilungsprozess gezielt Unterstützen und fördern.
Unsere Arbeiten mit einer Fliege leisten einen winzigen Beitrag zum Gesamtwissen über Nervenwachstum. Es mag interessieren, wenn ich festhalte, dass es fast zu allen Genen, die hierfür bei Fliegen wichtig sind, Entsprechungen beim Menschen gibt. Die Ergebnisse am Fliegenmodell sind also eine konzeptionelle Hilfe beim Verständnis der Vorgänge bei der Entwicklung oder Heilung eines Menschen.

Der tägliche Umgang mit gentechnologischen Methoden im Labor lässt Deinen Satz "So, wie es keine friedliche Nutzung der Atomkraft geben kann, so wird es keine segensreiche Nutzung der Gentechniken geben" als ziemlich irreal erscheinen.

Ich hoffe zumindest, dass Du Dich selber freuen würdest, wenn Du hier falsch liegst.

(P.S.: Anbei eine Webseite zum Fliegengehirn - leider mit englischen Texten, die Bilder sind auf jedenfall lohnend).

(Internet-Tipp: https://www.flybrain.org)


Wolfgang antwortete am 08.07.01 (15:18):

Morgen wird es in der aktuellen Ausgabe des SPIEGEL stehen: An der Universität Bonn formiert sich der Widerstand gegen die Forschung mit menschlichen Embryonen und deren embryonalen Stammzellen (ES). - Einer der Widerständler ist Prof. Dr. Volker HERZOG, Direktor des dortigen Instituts für Zellbiologie: "Wir sagen NEIN zur Forschung an menschlichen embryonalen Stammzellen." Und er sagt weiter: "Ich habe Angst, dass man aus ES-Zellen einen genmanipulierten Menschen zusammenbasteln könnte."

Prominente und renommierte (Fach-)WissenschaftlerInnen ziehen ihre Konsequenzen aus den gefährlichen Gentechniken und den Experimenten mit menschlichem Leben. Sie sagen es jetzt deutlich... nicht mehr nur unter KollegInnen und hinter verschlossenen Türen, sondern in aller �ffentlichkeit. Die bisher ziemlich geschlossenen Front der WissenschaftlerInnen im staatlichen Gentechnik-Betrieb wackelt... :-)))

SPIEGEL ONLINE
Widerstand in der Wissenschaft gegen Experimente mit embryonalen Stammzellen
https://www.spiegel.de/spiegel/vorab/0,1518,143971,00.html

(Internet-Tipp: https://www.spiegel.de/spiegel/vorab/0,1518,143971,00.html)


Iris antwortete am 08.07.01 (17:35):

Wissenschaftler,Fachwissenschaftler,noch wissenschaftlicherere
Gentechniker, viele dieser "Größen" habt Ihr nun hier zitiert...
Mich habt Ihr fragend...auch ein wenig kopfschüttelnd zurückgelassen...

Meine Frage an Wolfgang:

Was wäre wenn???

Was wäre...wenn Dein Sohn...
morgen... durch schreckliches, tragisches Geschick...nicht mehr zu den aktiven, normallebenden Kindern gehören würde??
Wenn er teilnamslos, hilflos, mehr tot als lebendig...sein zukünftiges Leben fristen müßte??

Was wäre...wenn es die Hoffnung...wenn es für dieses Kind wieder eine Zukunft...ein "Leben"...geben könnte???
Möglich aber nur durch Genforschung, durch embryonale Stammzellen???

Wie Du entscheiden würdest, kann ich nicht wissen.
Ich weiß nur, wie ich mich entscheiden würde...
Meine Entscheidung würde von Gefühlen...von meinem Herzen...bestimmt.
Nicht nur vom Verstand geleitet, nein das schafft eine Mutter nicht !!!

Und bin ich etwa die einzige Mutter...die Hilfe für ihr Kind will?
Und bin ich vielleicht die einzige Tochter... die Hilfe für Ihre Eltern möchte?
Und bin ich vielleicht ein einzelner Mensch...der Hilfe für die Kranken, die Hilflosen, die Rollstuhlgefesselten, die Beatmeten, die endlos Leidenden...ja, der für all diese Menschen Hilfe erstrebt..???
Nein...bestimmt nicht...denn viele schauen...genau wie ich...positiv und voller Optimismus in die Zukunft...immer mit der Hoffnung auf "Gentechnichen Fortschritt" der sich dem "Guten" zuwendet...

Obwohl mir vollkommen bewußt ist...wie schnell Mißbrauch betrieben werden kann...gehöre ich weiterhin zu denjenigen..."die auch heute noch einen Apfelbaum pflanzen würden..." selbst wenn morgen die Welt unterginge...
Schwarzmalerei zählt für mich nicht.


Heidi antwortete am 08.07.01 (18:47):

Iris, Du hast Kinder, evtl. auch Enkel.

Was wäre wenn.. Deine Urenkel eines Tages zu den "Genmanipulierten" gehören würden, Gen-selektiert für bestimmte Zwecke und Aufgaben, bar jeder individuellen Zufälligkeit?

Schwarzmalerei? - Nein, die Grundlagen für den genmanipulierten Menschen sind bereits geschaffen und ich bezweifle, dass "die Menschheit" für dieses Wissen reif genug ist.


Wolfgang antwortete am 08.07.01 (18:52):

Hier ist es wieder: Das Totschlagargument der Schwarzmalerei, des Pessimismus... Immer wieder wird dieses Totschlagargument aus der Trickkiste herausgeholt und verwendet gegen jene, die sich gegen den Ausverkauf des Lebens wenden, die Respekt äussern vor der menschlichen Würde, die auf Gefahren hinweisen, die sich engagieren im Kampf gegen Geschäftemacherei mit Embryonen, die keine Menschenzucht wollen... Guter Diskussionsstil ist das nicht.

Ich persönlich ziehe es vor, weniger zu hoffen und weniger zu glauben, und mehr auf die Vernunft und das Nachdenken zu setzen. Macht man das so, ist man nicht so schnell Optimist oder Pessimist, dafür oft Realist... :-)

Ich möchte noch einmal auf den Aufruf gegen die Embryonenforschung der Bonner WissenschaftlerInnen hinweisen:

SPIEGEL ONLINE
Widerstand in der Wissenschaft gegen Experimente mit embryonalen Stammzellen

(Internet-Tipp: https://www.spiegel.de/spiegel/vorab/0,1518,143971,00.html)


Wolfgang antwortete am 11.07.01 (20:25):

Schade, dass die Diskussion stockt... Vielleicht hat es ja dem einen oder der anderen die Sprache verschlagen. Dabei gibt es so viel Neues zu diskutieren.

Menschenzüchter vom Jones Institute for Reproductive Medicine in Norfolk in Virginia (USA) haben jetzt zugegeben, dass sie Embryonen eigens zu Forschungszwecken erzeugt haben. Bislang machte man der �ffentlichkeit weis, dass menschliche Embryonen nicht extra für Experimente erzeugt würden, sondern nur als "Abfallprodukte" bei der künstlichen Befruchtung von Frauen anfallen. Bevor man sie wegwerfe, wolle man die Embryonen sinnvoll nutzen - so die offiziösen Darstellungen. Und jetzt die Züchtung von menschlichem Leben ausschliesslich zum Zwecke der wissenschaftlichen, technischen und geschäftlichen Verwertung... Ein weiteres Tabu ist damit gefallen.

SPIEGEL ONLINE
US-Institut bricht das Tabu
In den USA hat ein Institut erstmals öffentlich erklärt, menschliche Embryonen allein zu Forschungszwecken produziert zu haben. Kritiker des umstrittenen Verfahrens reagierten mit Empörung.
https://www.spiegel.de/wissenschaft/0,1518,144560,00.html

(Internet-Tipp: https://www.spiegel.de/wissenschaft/0,1518,144560,00.html)


Heidi antwortete am 15.07.01 (11:00):

seltsam:

>>...stehen die einschlägigen Unternehmen bereits in den Startlöchern, nicht nur Gene oder Gensequenzen zu patentieren, sondern auch Stammzellen. <<

beruhigend:

>>...In �1 der vorgeschlagenen nationalen Richtlinie heißt es, dass "der menschliche Körper sowie die bloße Entdeckung seiner Bestandteile keine patentierbaren Erfindungen" sind, ..<<

aber:

>>... um allerdings in � 2 dessen "isolierte Bestandteile" - also auch die multifunktionalen Gene - für durchaus patentierbar zu erklären...<<


gelesen in: https://www.freitag.de/2001/29/01291102.php


Vielleicht sollte ich ein Patent auf meinen eigenen Körper anmelden - bevor es ein anderer tut?

(Internet-Tipp: https://www.freitag.de/2001/29/01291102.php)


Heidi antwortete am 15.07.01 (11:41):

vom 2.7.01 aber immer noch lesenswert:

>>...die Gesellschaft hat vermutlich vor ihm und seinesgleichen keine Angst. Sie hat Angst vor sich selbst. Weil sie weiß, dass sie das Wissen, das hier entsteht, missbrauchen wird....<<


https://www.sueddeutsche.de/index.php?url=/kultur/themen/15237/index.p

(Internet-Tipp: https://www.sueddeutsche.de/index.php?url=/kultur/themen/15237/index.p)


Karl antwortete am 15.07.01 (12:04):

Liebe Heidi,

Patente auf Deinen eigenen Körper wirst Du niemals genehmigt bekommen, wozu auch? Leider ist die Debatte um "Patente auf Leben" durch ziemlich viel Desinformation und Verkürzungen geprägt, ich finde sie auch in dem von Dir zitierten Artikel.

Bei der Debatte um Patente sollte man folgendes Wissen:

1. Patente sichern die Verwertbarkeit von technisch neuen Verfahren.

2. Nur der Patentschutz rechtfertigt es, wenn verantwortlich handelnde Firmenvorstände Millionen von DM, Euros oder Dollar in die Ausarbeitung von Verfahren investieren, sonst würden sie die Pleite ihres Unternehmens riskieren, d.h.

3. ohne Patente würde es keinen technologischen Fortschritt geben (na prima, höre ich jetzt schon viele rufen) und

4. unsere Gesellschaft würde zu funktionieren aufhören.

Patente auf Leben gibt es nicht. Niemand wird Hasen patentieren können und dann von allen Hasenhaltern Tandiemen verlangen können. Niemand wird Embryonen patentieren können und dann alle werdende Mütter zur Kasse bitten. Wer solches behauptet, ist selber auf Panikmache reingefallen.

Patente, Urheberschutz sind ganz wesentliche Pfeiler unseres Wirtschaftssystems und keineswegs vom Teufel erfunden. Ohne Patente und Urheberschutz würde die Motivation für Neuerungen wegfallen, es gäbe nur noch Stillstand und Zerfall wie z.B. in Zeiten der DDR.

(Internet-Tipp: https://www.isi.fhg.de/)


Wolfgang antwortete am 15.07.01 (14:07):

"Patente auf Leben gibt es nicht." - Das sind Deine Worte, Karl. Schwer zu glauben, dass Du nicht weisst, dass diese Aussage so absolut nicht stimmt. - Alle geklonten Lebewesen sind patentiert... Bei dem Schaf DOLLY war das schon so. Die WissenschaftlerInnen der University of Edinburgh hatten sich damals europaweit das Patent zum Klonen gesichert. Jeder Klon - nicht nur das Verfahren selbst -, der auf diese bestimmte technische Art und Weise erzeugt wird, ist seither patentiert. So erzeugtes Leben ist damit über die blosse Veräusserung hinaus handelbar.

Dies gilt auch für die in den USA geklonten menschlichen Embryonen. Sie sind patentiert. Diese so erzeugten Embryonen können von Interessierten gekauft werden... Wissenschaftliche Erkenntnisse egal von wem, gewonnen mit Hilfe dieser Klone, fallen dank Patent aber automatisch dem Patentinhaber der Klone zu. - Ich bin mir sicher: Sind erst einmal geklonte Menschen in Umlauf, dann werden auch diese patentiert werden. Du hast allerdings vollkommen recht mit Deiner Aussage, dass ohne Patente die Motivation für all diese Machenschaften wegfallen würden. Denn die Basteleien mit menschlichem Leben und mit Menschen haben letztlich nur einen einzigen Grund: Geschäftemachen...

Die Dämme brechen, Karl, und was gestern noch ein Tabu war, das menschliche Leben, wird heute gentechnisch manipuliert und erzeugt und das so erzeugte Leben morgen rechtstechnisch abgesichert... Was mich so betroffen macht, Karl: Dass Du versuchst zu entkräften die Warnungen vor den ungeheuren Risiken und Gefahren, die Du doch kennst, wie kein anderer in dieser Diskussionsrunde.

Harald Neuber:
Wie weit darf die Kommerzialisierung des menschlichen Lebens gehen?
https://www.ct.heise.de/tp/deutsch/special/leb/7950/1.html

(Internet-Tipp: https://www.ct.heise.de/tp/deutsch/special/leb/7950/1.html)


Karl antwortete am 15.07.01 (16:00):

Lieber Wolfgang,

in Deiner Quelle lese ich z.B.:
"Pünktlich zu der Debatte im Bundestag meldete aber auch die Umweltschutzorganisation Greenpeace ihren Protest gegen die Erteilung des Patentes auf ein Brustkrebs-Gen durch das Europäische Patentamt (EPA) an. Damit sei man der Privatisierung menschlichen Lebens ein Stück näher gekommen, heißt es in einer Erklärung der Organisation."

Das ist genau das unerträgliche Missverständnis gegen das ich als Genetiker ankämpfe. Der Mensch ist doch mehr als seine Gene - muss wirklich ich es sein, der diese Selbstverständlichkeit betonen muss? Wenn Gene patentiert werden, bedeutet das doch nicht, dass Menschen patentiert werden. Dies ist so furchtbar grotesk falsch, dass ich mir die Haare raufe.

Ein Gen ist sowenig ein Mensch wie eine Schraube eine Raumstation! Punkt!

In einer Diskussion, in der sich Leute vor einem Fischgen in der Tomate ekelten, musste ich einmal "klarmachen", dass ein Fischgen nicht nach Fisch stinkt.

Die Unaufgeklärtheit der Bevölkerung in Bezug auf biologisches und genetisches Grundwissen ist so miserabel schlecht, dass Journalisten und Politiker bzw. Organisationen, die auf der Welle gut leben, mit bewusst unscharfen Formulierungen (oder sind sie so unaufgeklärt?) ständig �ngste schüren, die mit der Wirklichkeit absolut nichts zu tun haben. Nirgendwo sonst in der westlichen Welt gibt es soviele Menschen, die angeblich "niemals Gene essen" wie bei uns.

Ebenso unaufgeklärt ist m.E. die ständige Verteufelung des "Geschäftemachens". Ich behaupte, dauerhaft können Geschäfte nicht an den Bedürfnissen der Menschen vorbeigemacht werden, im Gegenteil, die besten Geschäfte macht immer derjenige, der die Bedürfnisse der Menschen am besten befriedigt.

Warum versprechen sich Firmen von der Biotechnologie Geschäfte? Weil in ihnen Menschen arbeiten, die überzeugt sind, dass es ein großes Bedürfnis nach der Verbannung von Krankheit und Hunger und nach Wohlbefinden gibt. Nur diejenigen Firmen, die hierbei erfolgreich sind, werden Geschäfte machen.

Hoffen wir, dass es viele sind!

Mit freundlichen Grüßen, Karl


Wolfgang antwortete am 15.07.01 (18:28):

Und, Karl, was ist mit Deiner Aussage, dass Leben nicht patentierbar sei? - Sämtliche Klone, die es zur Zeit auf der Welt gibt, sind patentiert. Paradebeispiel ist das geklonte Schaf DOLLY. Auch die von amerikanischen Instituten geklonten menschlichen Embryonen sind patentiert... Noch einmal: Wenn mit Hilfe eines patentierten gentechnischen Verfahrens ein Klon hergestellt wird, dann ist nach amerikanischem und europäischen Recht nicht nur das Verfahren patentiert, sondern auch das Produkt, das aus ihm folgt, also der Klon selbst.

Vor mir auf dem Schreibtisch liegt das berüchtigte Patent EP 695 351, das das Europäische Patentamt Ende 1999 erteilt hat. Du wirst es sicher kennen. Es geht dabei um die Gewinnung von tierischen Zellen zur Züchtung von Embryonen. Ich zitiere aus der Patentschrift, was alles unter "tierische Zellen" fällt: ""In Zusammenhang mit dieser Erfindung soll der Begriff tierische Zelle alle Zellen von Tieren, insbesondere von Säugetieren, einschließlich des Menschen, bedeuten." Die so gewonnenen Zellen, also ausdrücklich auch menschliche Zellen, sind patentiert. Ich könnte Dir Dutzende von ähnlichen Patenten beischaffen. Alle haben sie zum Ziel, Leben... Pflanzen, Tiere und Menschen marktfähig zu machen.

Zellen, DOLLY, die namenlosen geklonten menschlichen Embryos sind Leben... Das Schaf Dolly ist sogar ein fertiges Lebewesen. Alle sind sie patentiert... Was soll also Deine Aussage: "Patente auf Leben gibt es nicht."? - Die Aussage stimmt doch ganz offensichtlich nicht...


Karl antwortete am 15.07.01 (19:28):

Lieber Wolfgang,


aus der europäischen Richtlinie für Biopatente, die gerade jetzt im Bundestag beraten wurde:

"Artikel 4
(1) Nicht patentierbar sind
a) Pflanzensorten und Tierrassen,
b) im wesentlichen biologische Verfahren zur Zuechtung von Pflanzen oder Tieren.
(2) Erfindungen, deren Gegenstand Pflanzen oder Tiere sind, können patentiert werden, wenn die Ausführungen der Erfindung technisch nicht auf eine bestimmte Pflanzensorte oder Tierrasse beschränkt ist.
(3) Absatz 1 Buchstabe b) berührt nicht die Patentierbarkeit von Erfindungen, die ein mikrobiologisches oder sonstiges technisches Verfahren oder ein durch diese Verfahren gewonnenes Erzeugnis zum Gegenstand haben."

Es ist völlig unangebracht, �ngste zu schüren, ein individueller Mensch könnte patentierbar sein. Man muss den Unterschied zwischen menschlichen Genen, menschlichen Zellen und Menschen ernst nehmen. Dieser Unterschied wird in der Vorlage gemacht, nur von den vielen Kommentatoren nicht verstanden und Bundestagsabgeordnete sind z.T. wohl auch überfordert.

Mit freundlichen Grüßen, Karl


Wolfgang antwortete am 15.07.01 (20:11):

Karl, lies bitte ganz genau den Text, besonders den Absatz (3)... Der hat es nämlich in sich und darüber geht der ganze Streit. Dieser Absatz (3) besagt nichts anderes, als dass Leben nach wie vor - wie bisher - patentierbar bleibt. Dieser Absatz macht den so schön klingenden Absatz (1) nämlich zunichte... Raffiniert sind sie schon, die Macher der Richtlinie.

Eines haben Gene, Zellen, Embryonen, Föten, Menschen gemeinsam... Es ist Leben. Leben, das jetzt in grossem Stil verändert, neu erzeugt, industriell hergestellt und vermarket werden soll. Du meinst, Leute wie ich würden �ngste schüren. Tun wir aber nicht... Die �ngste entstehen durch das verantwortungslose Treiben von WissenschaftlerInnen, die nicht einmal vor dem menschlichen Leben Respekt haben. Die �ngste entstehen auch durch hemmungslose Geschäftemacher, die mit dem menschlichen Leben Profit erwirtschaften wollen. Die �ngste nehmen zu. Nicht ohne Grund... Ich bin mir ganz sicher: In Kürze werden die ersten geklonten und patentierten und damit veräusserbaren Menschen herumlaufen.


Karl antwortete am 15.07.01 (21:03):

Lieber Wolfgang,


die �ngste kann ich Dir nehmen:

"Artikel 5
(1) Der menschliche Körper in den einzelnen Phasen seiner Entstehung und Entwicklung sowie die blosse Entdeckung eines
seiner Bestandteile, einschließlich der Sequenz oder Teilsequenz eines Gens, können keine patentierbaren Erfindungen darstellen.
(2) Ein isolierter Bestandteil des menschlichen Körpers oder ein auf andere Weise durch ein technisches Verfahren gewonnener Bestandteil, einschließlich der Sequenz oder Teilsequenz eines Gens, kann eine patentierbare Erfindung sein, selbst wenn der Aufbau dieses Bestandteils mit dem Aufbau eines natürlichen Bestandteils identisch ist. (3) Die gewerbliche Anwendbarkeit einer Sequenz oder Teilsequenz eines Gens muß in der Patentanmeldung konkret beschrieben werden."

Zudem gibt es unser Grundgesetz, Art. 1

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder
menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

Natürlich wird kein Patent dazu führen dürfen, dass später einmal ein Herr Mayer oder eine Frau Schmidt im B e s i t z einer Firma sein wird. Die Slaverei ist abgeschafft und soll abgeschafft bleiben, ich glaube in diesem Punkt sind wir uns einig.

Die Patentregelungen so auszulegen, als wolle man die Slaverei wieder einführen, ist nonsense. Die Unterstellung dieser Absicht ist m.E. aufs höchste unfair. Einigen wir uns aber darauf, dass Formulierungen gefunden werden müssen, die solche Missverständnisse auch für die Allgemeinheit eindeutig ausschließbar machen. In diesem Sinne benötigt die Vorlage im Bundestags vielleicht wirklich noch Nachbesserungen.

Mit freundlichen Grüßen,

Karl

(Internet-Tipp: https://www.rewi.hu-berlin.de/Datenschutz/Gesetze/gg.html)


Heidi antwortete am 15.07.01 (21:41):

Lieber Karl, lieber Wolfgang,(:-)alphabetische Reihenfolge)

habe mich gerade durch Eure Texte gearbeitet. Zu meinem Erstaunen entdecke ich zwei identische Aussagen darin

Wolfgang:
"..nicht nur das Verfahren patentiert, sondern auch das Produkt, das aus ihm folgt .."


Karl:
"..Absatz 1 Buchstabe b) berührt nicht die Patentierbarkeit von Erfindungen, die ein mikrobiologisches oder sonstiges technisches Verfahren oder >>ein durch diese Verfahren gewonnenes Erzeugnis zum Gegenstand haben<< ..."

Das durch ein gentechnisches Verfahren gewonnene Produkt oder Erzeugnis ist also wohl doch patentierbar. Oder?


Karl antwortete am 16.07.01 (00:02):

Hallo Heidi,

ja dieser Absatz 1 Buchstabe b) bedeutet, dass eine Arznei oder auch eine gentechnisch veränderte Maus patentiert werden kann. Mein Satz "Es gibt kein Patent auf Leben" war so gesehen also falsch. Richtig ist er aber insofern, als ein Patent auf eine Gensequenz nicht bedeutet, dass ein natürlicher Organismus mit dieser Sequenz, also z.B. Du oder ich, dem Patenthalter gehören, auch das geht aus den zitierten Paragraphen eindeutig hervor.

Wolfgangs Satz "Ich bin mir ganz sicher: In Kürze werden die ersten geklonten und patentierten und damit veräusserbaren Menschen herumlaufen." ist, bitte entschuldige Wolfgang, Blödsinn. Falls ein Kampf dagegen notwendig wäre, was ich n i c h t (!) kommen sehe, wäre ich auf Eurer Seite.

Mit freundlichen Grüßen,

Karl


Wolfgang antwortete am 16.07.01 (00:43):

Nein, Karl, das Wort "Blödsinn" entschuldige ich nicht... Ich erkläre mir diesen Tiefschlag damit, dass Dir die Argumente ausgegangen sind. Du weisst ganz genau, dass zur Zeit Forscherteams dabei sind, Menschen zu klonen. Du weisst auch, dass sämtliche Gentechniken samt ihrer Produkte bisher patentiert wurden. Nicht nur eine Maus, sondern auch das Schaf DOLLY und die kürzlich geklonten menschlichen Embryonen wurden patentiert. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann es die ersten geklonten Menschen geben wird. Bis dahin soll die Rechtsordnung so hingebogen werden, dass aus ehemals verbrecherischem dann legales Tun wird.

Du wirst nie an unserer Seite kämpfen. Den Grund nennst Du selbst: Du siehst nicht die Gefahr, besser gesagt, Du willst sie nicht sehen... Nein, Karl, Du wirst nie an unserer Seite kämpfen, denn für jeden Tabubruch hattest Du bisher die passende Rechtfertigung geliefert oder bist gar nicht erst darauf eingegangen. Wenn der erste geklonte Mensch da ist, da bin ich mir auch sicher, wird eine weitere Rechtfertigung kommen, oder Du wirst dazu schweigen...

Das wird auch mein letzter Beitrag hier zum Thema sein. Ab jetzt bist Du sicher vor meinem "Blödsinn".


Wolfgang antwortete am 16.07.01 (01:25):

Vielleicht zum Schluss noch ein wichtiger Link... Der schottische Forscher Ian WILMUT - das ist einer aus dem mit dem Schaf DOLLY berühmt gewordenen schottischen Klon-Team - warnt eindringlich seine amerikanischen und italienischen Kollegen, die zur Zeit am Neuen Menschen basteln. WILMUT ist kein Gegner des Klonens an sich (wie ich es bin). Er unterscheidet zwischen dem sogenannten "therapeutischen" Klonen und dem Klonen von Menschen. Selbst er sieht, wohin die Reise geht... Was ihm hoch anzurechnen ist: Er ist einer der wenigen aus der Branche der GentechnikerInnen, der rechtzeitig warnt. Ob seine Warnung an entscheidender Stelle aber auch gehört und beherzigt wird, bezweifle ich:

"Lasst das Klonen von Menschen sein"
Atemprobleme, Immunstörungen, Nierenversagen: Der schottische Forscher Ian Wilmut, Schöpfer des Klonschafs Dolly, zieht eine düstere Bilanz der Klontechnik - und warnt vor Versuchen an Menschen.

https://www.spiegel.de/wissenschaft/0,1518,125564,00.html

(Internet-Tipp: https://www.spiegel.de/wissenschaft/0,1518,125564,00.html)


Karl antwortete am 16.07.01 (09:32):

Hallo Wolfgang,

Wilmut kennt die Materie gut und ich teile seine Meinung voll:
"Alles spreche dafür, dass "menschliche Klonexperimente die gleiche hohe Fehlerrate haben werden wie die Laborversuche zum Klonen von Tieren", heißt es in "Science". Allerdings unterscheiden Wilmut und Jaenisch ausdrücklich zwischen dem Klonen von Menschen und dem Klonen menschlicher Stammzellen zur Behandlung von Parkinson- und Alzheimer-Patienten, von Herzleiden und vielen Verschleißkrankheiten. "Der potenzielle Nutzen therapeutischen Klonens wird ungeheuerlich sein, und diese Forschung darf nicht mit dem Klonen von Menschen verwechselt werden", schreiben die beiden Experten.

Alles in einen Topf werfen und umrühren bis zur Unkenntlichkeit ist Desinformation.

(Internet-Tipp: https://www.spiegel.de/wissenschaft/0,1518,125564,00.html)


Heidi antwortete am 18.07.01 (19:33):

Ohne Link und ohne Kommentar:

Die neuen Verbündeten
Von der Arbeit mit Embryonen distanzieren sich auch GrundlagenforscherInnen.
Sie können helfen, die Fragmente der bioethischen Debatte zusammenzufügen
Dass ausgerechnet die Pläne, mit menschlichen embryonalen Stammzellen zu forschen, in der Bundesrepublik eine bislang beispiellos intensive bioethische Debatte ausgelöst haben, ist in mancherlei Hinsicht überraschend. Denn die wissenschaftlichen Modelle, die den geplanten Experimenten zugrunde liegen, sind komplex und für naturwissenschaftliche Laien kaum nachzuvollziehen. Die Experimente sind Grundlagenforschung - es wird noch lange dauern, bis auf ihrer Grundlage Therapien entstehen können. Außerdem fordert in der Bundesrepublik kaum jemand ernsthaft einen absoluten Lebensschutz für den menschlichen Embryo.

Dennoch macht es Sinn, dass ausgerechnet die Stammzellforschung den Anlass für eine grundlegende Kontroverse über die Methoden und Grenzen der Forschung liefert, in deren Zentrum der Streit über die Instrumentalisierung von menschlichem Leben für menschliches Leben steht. Eine besondere Bedeutung hat dabei das Argument, dass die Regulierung der Forschung Not leidenden Patienten die Aussicht auf Heilung verwehrt. Verhilft dieses Argument der Arbeit mit Stammzellen zum Durchbruch, kann es künftig alles legitimieren.

Denn Stammzellforschung ist nicht nur Grundlagenforschung mit vagen Erfolgsaussichten, sondern eng verknüpft mit dem Klonieren und der Schaffung von Lebewesen, die Gene in sich tragen, die ihrem Organismus fremd sind. Das Klonen und solche "transgenen Lebewesen" gelten mit Blick auf den Menschen noch allgemein als Tabu. Das aber könnte durchbrochen werden, würde die Arbeit mit menschlichen embryonalen Stammzellen zum Laboralltag. Außerdem gibt es zu den Experimenten mit menschlichen embryonalen Zellen Alternativen. Deren Perspektiven sind zwar ebenfalls ungewiss, keinesfalls aber schlechter. Der Zeitdruck, der in der öffentlichen Debatte produziert wird, hat also Gründe außerhalb der Wissenschaft: Es geht um das Image von Deutschland als Forschungsstandort, und es geht um gute Plätze für deutsche Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen beim Run auf die internationalen Patente für ihre "Erfindungen".

Das Erfreuliche an der gegenwärtigen Auseinandersetzung um Forschung mit menschlichen embryonalen Stammzellen ist, dass dabei die forschungsökonomischen und forschungspolitischen Zusammenhänge deutlicher werden. Auch die wissenschaftlichen Probleme dieser Forschung sind dabei wenigstens ansatzweise thematisiert worden - beispielsweise dass selbst vieles, was in den Stammzelllinien der Mäuse geschieht, beobachtet werden kann, sich aber oft der Wiederholung und meistens dem Verständnis entzieht. Der genaue Blick auf die Experimente vermeidet, dass die öffentliche Auseinandersetzung in einer Ethik-Debatte erstarrt, in der die Auflistung von Werten, die man teilen oder nicht teilen kann, zum entscheidenden Bezugspunkt wird. In dieser Debatte erscheint der konkrete Gegenstand der Kontroverse nämlich rasch bedeutungslos. Wenn sich aber beispielsweise erweisen sollte, dass embryonale Stammzellen von Primaten und vor allem von Menschen länger totipotent sind, also sich zu vollständigen Lebewesen entwickeln können, als es die Experimente mit Mäusen nahe legen, schafft das andere Möglichkeiten für die Forschung mit menschlichen embryonalen Stammzellen als bislang angenommen.

Damit gewinnen aber auch die Bedenken gegen sie an Substanz. Insofern ist es außerordentlich wichtig, dass in den letzten Wochen auch Wissenschaftler aus den Instituten, in denen entwicklungsbiologische und biochemische Grundlagenforschung betrieben wird, sich öffentlich kritisch zu den Projekten zur Forschung mit humanen embryonalen Stammzellen geäußert haben. Dass die kritischen Stimmen bislang noch recht vereinzelt klingen, ist nachvollziehbar. Die "scientific community" hat ihre eigenen Regulationsmechanismen, und die Gefahr ist groß, als Kritiker zum Außenseiter abgestempelt zu werden, der dann schnell Zugriffsmöglichkeiten auf Fördergelder und damit die Möglichkeiten verlieren kann, wissenschaftlich zu arbeiten.

Die biowissenschaftliche Intelligenz muss sich also überlegen, wo sie ihren Platz in der Gesellschaft sieht. Will sie als Elite im gesellschaftlichen Off arbeiten, abhängig nur von sprudelnden Geldquellen und der Aussicht, mit einem großen Durchbruch alle Probleme hinter sich zu lassen? Oder begreift sie sich als gestaltender Teil der Gesellschaft - und akzeptiert damit auch die Notwendigkeit, die eigene Arbeit und ihre Bedingungen öffentlich kontrovers zu verhandeln und regulieren zu lassen? Denn die ethischen Konflikte, die mit ihrer Forschung einhergehen, werden auch in Zukunft nicht geringer, sondern größer.

Das Beispiel gentechnisch hergestellten Humaninsulins zeigt: Selbst wenn sich einzelne, lange Zeit umstrittene Methoden und Verfahren durchsetzen und industrieller Alltag werden können, führt ein solcher vereinzelter Erfolg der Biowissenschaften nicht dazu, dass andere Projekte ihre Legitimation automatisch erreichen.

Das gilt vor allem, wenn die Hoffnungen auf baldige nebenwirkungsarme Therapien sich nicht erfüllen und sich sogar schwere Zwischenfälle ereignen, wie der Tod von Patienten bei gentherapeutischen Experimenten.

Auch für KritikerInnen der Biowissenschaften und der ihr zugrunde liegenden pragmatischen Ethik ändern die gegenwärtige Debatte und die wenn auch bislang nur ansatzweise öffentlich gewordene Kritik aus den eigenen Reihen am Vorpreschen mancher Grundlagenforscher aber etwas. Es zeigt sich, dass eine längerfristige Kooperation mit WissenschaftlerInnen möglich werden und sinnvoll sein kann. An einer sich ausgegrenzt fühlenden Gemeinschaft, die durch einen "Esprit de Labor" und die Überzeugung, Gutes zu tun, zusammengeschweißt wird, kann keiner ein Interesse haben.

Und auch den Hoffnungen, die seitens weiter Teile der Gesellschaft in den Fortschritt der Biowissenschaften gesetzt werden, lässt sich, wie sich zeigt, schlecht mit einem kategorischen "Nein!" begegnen. Dagegen spricht nicht nur, dass das Grundgesetz die Freiheit der Forschung festschreibt und damit der Regulierung von Forschung Grenzen gezogen sind. Wichtiger ist, dass die Biowissenschaften das Bild prägen, dass die Menschheit sich vom Menschen macht: sowohl mit ihren Erfolgen als auch, was meist ausgeblendet wird, in ihrem Scheitern.

Die Ergebnisse, die in den Labors gewonnen werden, haben aber, ohne dass sich Wissenschaftler und �ffentlichkeit das stets bewusst machten, lediglich fragmentarischen Charakter.

Um das Bild komplex und facettenreich zu erhalten, ist es nötig, die Vielzahl der Fragmente zusammenzufügen und ihre Bedeutung zu interpretieren - mit Blick auf den gesellschaftlichen Kontext, in dem die Forschung stattfindet. Das ist aber weder von innen noch von außen alleine zu leisten. OLIVER TOLMEIN

taz Nr. 6499 vom 18.7.2001, Seite 11, 241 Kommentar, OLIVER TOLMEIN, taz-Debatte


Wolfgang antwortete am 01.08.01 (07:14):

Es geschehen noch Wunder: Heute hat das Repräsentantenhaus der USA das Klonen von menschlichen Embryonen verboten. Wer trotzdem klont, begeht ein schweres Verbrechen und kann aufgrund des neuen Gesetzes mit Gefängnis von bis zu zehn Jahren bestraft werden. Das Gesetz bedarf noch der Zustimmung des Senats der USA.

Das Repräsentantenhaus hat damit den Schutz des menschlichen Lebens über die Freiheit der Forschung, über die Vermarktungsinteressen einer boomenden Branche und über den Wunsch von Kranken nach Heilung gestellt. Ich freue mich über die Entscheidung für das Leben... :-)))

SPIEGEL ONLINE
Repräsentantenhaus stimmt für Klon-Verbot
https://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,147996,00.html

(Internet-Tipp: https://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,147996,00.html)


Karl antwortete am 01.08.01 (07:56):

Lieber Wolfgang,

Du schreibst: "Das Repräsentantenhaus hat damit den Schutz des menschlichen Lebens über die Freiheit der Forschung, über die Vermarktungsinteressen einer boomenden Branche und über den Wunsch von Kranken nach Heilung gestellt."

Wenn das mal nicht in vielen Ohren zynisch klingt. Ich halte es da mehr mit dieser Stimme: "Wir dürfen Millionen von kranken oder verletzten Menschen nicht sagen, nur zu, geht und sterbt und bleibt gelähmt, weil wir glauben, dass ein Haufen Zellen wichtiger ist, als ihr es seid", sagte der demokratische Abgeordnete Jerrold Nadler.

Neue Generationen werden zudem immer wieder neu entscheiden und die Gesetze ihrer Väter überarbeiten.


MfG Karl


Karl antwortete am 01.08.01 (08:00):

Noch ein Nachtrag, in der zitierten Meldung von Wolfgang heißt es auch:

"Bush erwägt die Zulassung von Bundesmitteln für die Forschung an embryonalen Stammzellen. Ein Klonverbot würde diese Forschung nicht betreffen."

Die Amerikaner können offenbar differenzieren.


Wolfgang antwortete am 07.08.01 (17:15):

Demnächst soll es losgehen: Der erste geklonte Mensch soll im November im Labor prduziert und irgendwann Mitte 2002 geboren werden. Der italienische Arzt Severino ANTINORI treibt mit Macht das Projekt voran. Im Hintergrund liegt schon eine ganze Industrie auf der Lauer. Falls das Experiment glückt, sollen im grossen Stil Klone in Serie gehen und vermarktet werden. - Vermutlich lassen dann die Fortschrittler die Sektkorken knallen... zum Beginn der Schönen Neuen Welt.

SPIEGEL ONLINE
Auftritt der Klon-Pioniere
https://www.spiegel.de/wissenschaft/0,1518,148922,00.html

(Internet-Tipp: https://www.spiegel.de/wissenschaft/0,1518,148922,00.html)


Heidi antwortete am 07.08.01 (21:40):

Brave New World
"Alles in allem sieht es ganz so aus, als wäre uns Utopia viel näher, als irgend jemand es sich vor nur fünfzehn Jahren hätte vorstellen können. Damals verlegte ich diese Utopie sechshundert Jahre in die Zukunft. Heute scheint es durchaus möglich, daß uns dieser Schrecken binnen eines einzigen Jahrhunderts auf den Hals kommt; das heißt, wenn wir in der Zwischenzeit davon absehen, einander zu Staub zu zersprengen."
Aldous Huxley

Auszug:
Ein grauer gedrungener Bau, nur vierunddreißig Stockwerke hoch. Über dem Haupteingang die Worte: BRUT- UND NORMZENTRALE BERLIN-DAHLEM. Darunter, auf einer Tafel, der Wahlspruch des Weltstaats: GEMEINSCHAFTLICHKEIT, EINHEITLICHKEIT, BEST�NDIGKEIT. Der riesige Saal zu ebener Erde ging nach Norden. Durch die Fenster drang spärlich Licht, kalt und hart trotz dem Sommer jenseits der Scheiben und der tropischen Hitze in dem Raum selbst, und suchte gierig irgendeine drapierte Gliederpuppe, den blassen Umriß eines fröstelnden Modells, fand aber nur das Glas und Nickel und frostig glänzende Porzellan eines Laboratoriums. Kälte stieß auf Kälte. Die Arbeiter trugen weiße Kittel, ihre Hände steckten in blassen, leichenfarbenen Gummihandschuhen. Das Licht war kalt, tot, gespenstisch. Nur von den gelben Tuben der Mikroskope lieh es sich eine gewisse lebendige Fülle und lag wie Butter auf den blanken Zylindern, ein satter Streif nach dem anderen, die endlose Reihe der Arbeitstische entlang. �Und dies�, sagte der Direktor, die Tür öffnend, �ist der Befruchtungsraum.� Dreihundert Befruchter standen über ihre Instrumente gebeugt, als der Brut- und Normdirektor den Saal betrat. ..


Buchtipp:

Schöne neue Welt

von Aldous Huxley
Preis: DM 14,90/EUR 7,62
Taschenbuch - Fischer-TB.-Vlg.,Ffm
Erscheinungsdatum: 1981
ISBN: 3596200261

(Internet-Tipp: https://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3596200261/o/qid=997212860/)


Ricardo antwortete am 07.08.01 (22:04):

Es gibt auch gute Nachrichten zum Thema: Gentechnik
Herzklopfen im Reagenzglas
Israelische Forscher haben es zum ersten Mal geschafft, aus menschlichen embryonalen Stammzellen Herzzellen zu züchten Während in Deutschland noch vor allem über moralische Grundsatzfragen debattiert
wird, melden israelische Wissenschaftler wieder einen praktischen Erfolg: Ihnen ist es nun erstmals gelungen, im Labor aus embryonalen Stammzellen Herzzellen zu züchten.
Das gezüchtete Herzgewebe sei in der Lage, spontan zu schlagen und habe die elektrischen Eigenschaften und die mechanische Charakteristik junger Herzzellen. An der Studie beteiligt waren Izhak Kehat und Lior Gepstein von der Medizinischen Fakultät am Technion in Haifa sowie ein Team des Rambam Medical Center in Haifa unter Leitung des Gynäkogen Joseph Itskovitz-Eldor. Itskovitz-Eldor hatte schon einmal für
Aufregung gesorgt. 1998, als er zusammen mit dem Amerikaner James A. Thomson die ersten embryonalen Stammzellen gezüchtet hat.(Kerstin Kohlenberg)


Heidi antwortete am 08.08.01 (16:45):

Zukunftsdialoge:

"Mama, Mama!"
"Ja, mein Kind?"
"Der Willi hat gesagt, ich dürfte nicht mehr in die Schule gehen, ich wäre ja gar kein Mensch ich wäre ein Klon *schluchz* und die Schule wäre nur für Menschen!"

"Liebling?"
"Ja, mein Schatz?"
"Willst Du mich heiraten?"
" Wie gerne würde ich das, mein Schatz, aber Klone dürfen nicht heiraten!"

" Und so verkünde ich folgendes Urteil:
Das Vermögen des Herrn 25478y32Hongkong fällt an den Hersteller desselben zurück.
Begründung: Herr 25478y32Hongkong ist keine natürliche Person. Er ist ein Klon!"


Wolfgang antwortete am 08.08.01 (18:38):

Ja, liebe Heidi, das wird problematisch; rechtlich gesehen erfüllt ein Klon ja nicht die Voraussetzung ein neuer Mensch zu sein, denn er ist nicht das Kind ZWEIER Personen, sondern eben nur ein Duplikat EINER Person. Möglicherweise gibt es dann die Regelung, dass solch ein "Mensch" geführt wird unter dem Namen desjenigen Ur-Menschen, von dem er geklont wurde (vielleicht mit dem Zusatz Klon I, Klon II usw.).

Es ist ja auch denkbar, dass du mit deinem Klon nicht zufrieden bist. Vielleicht hat er irgendwelche Mängel, die du nicht hast, oder er verhält sich nicht so, wie du ihn bestellt hast. Für solche Fälle müsste es dann Regelungen bezüglich der Kaufpreisminderung oder der Mängelhaftung geben. Die Produkthaftung muss geklärt werden. Eine Qualitätskontrolle muss her, die Beschwerden standhält... - Es gibt viel zu tun. Heute bin ich einmal optimistisch: Das werden sie schon irgendwie hinkriegen; denn JuristInnen und PolitikerInnen waren schon immer erfinderisch, wenn es darum ging, den Fakten nachträglich das Recht zu verschaffen... :-)

Die Zeit
Babytest im Labor
https://www.zeit.de/2001/32/Wissen/200132_pid.html

(Internet-Tipp: https://www.zeit.de/2001/32/Wissen/200132_pid.html)


Karl antwortete am 08.08.01 (22:41):

Darf man wirklich moeglichen Missbrauch als Todschlagargument gegen neue Techniken anfuehren? Es ist absolut legitim moeglichen Missbrauch zu benennen und davor zu warnen - damit er verhindert wird. Aber ist es legitim nur ueber Missbrauch zu reden? Ich habe hier in Brasilien soeben an einer Konferenz ueber Postgenomics teilgenommen und auch von den Hoffnungen gehoert, die die moderne Genetik in begruendeter Weise weckt. Es ist kein Pappenstil, wenn die Moeglichkeit besteht, die schlimmsten Krankheiten der Menschheit wie Krebs und Kreislauferkrankungen in wirklich absehbarer Zeit zu besiegen, um nur die wichtigsten zu nennen. Genetik ist nicht nur Menschenklonen. Dieses halte auch ich zum jetzigen Zeitpunkt, da das Wissen hierzu noch unzureichend ist, fuer absolut unverantwortlich.
Also, es ist gut sich ueber Gefahren zu informieren, aber bitte informiert Euch auch ueber die Chancen. Gefahren neuer Techniken haben wir bisher meistens in den Griff bekommen, Voraussetzung dafuer ist, Gefahrenquellen zu analysieren und zu kennen. Wir duerfen aber doch nicht in fahrlaessigerweise die Chancen verpassen, die sich aus neuen Techniken ergeben, nur weil wir in Pessimismus erstarren.
Meine Meinung, es gruesst Euch ein optimistischer Karl (aus Brasilien).


Heidi antwortete am 09.08.01 (04:05):

Hallo, Karl :-)
die derzeitigen Schlagzeilen lassen nicht erkennen, dass die Chancen, die Gefahren der neuen Techniken in Griff zu bekommen, sehr hoch sind.

Da "droht" jemand, der anscheinend über das nötige Wissen verfügt, in internationalen Gewässern weiter zu arbeiten, wenn die derzeitige Rechtslage, das "Klonen" nicht erlaubt.Und offensichtlich gibt es Kapital im Hintergrund zum Finanzieren dieser illegalen "Tätigkeit".

Pessimismus? - Nein :-)


Georg Segessenmann antwortete am 10.08.01 (08:28):

Hallo Karl do Brazil,

findest Du es richtig und gerecht, dass in ein paar Jahrzehnten (wir beide werden nicht mehr dabei sein!), tausend Wohlbetuchte tausend Jahre gesund alt werden, während 10 Milliarden "Gewöhnliche Sterbliche" weiterhin leiden und an Altersschwäche sterben müssen?

Gruss

Schorsch


Dr. Dietrich V. Wilke antwortete am 10.08.01 (12:39):

Gesellschaft am Scheideweg: Die Instrumentalisierung menschlichen Lebens durch die Empfehlungen der Deutschen Forschungsgemeinschaft - DFG - zur Stammzellenforschung



In ihren Empfehlungen spricht sich die DFG für die verbrauchende Forschung an importierten Stammzellen sowie die Gewinnung embryonaler Stammzellen aus 'überzähligen', 'totgeweihten' Embryonen aus. Sie knüpft große Hoffnungen an die Stammzellenforschung insbesondere zur Heilung bisher unheilbarer Krankheiten. Neben einer Reihe vager therapeutischer und überzogener Erwartungen, vor denen neben anderen international renommierten Biowissenschaftlern der DFG-Präsident selber warnt, ist in einer mehr und mehr utilitaristisch orientierten Erfolgs- und Leistungsgesellschaft, die danach trachtet, sich im 'Menschenmachen' einen neuen lukrativen Zukunftsmarkt zu erschließen, ein großes Missbrauchs-Potential gentherapeutischer Eingriffe zu erahnen, für das auch die embryonale Stammzellenforschung als Türöffner genutzt werden kann.

Die DFG hebt in ihren Begründungen - den Diskurs ethischer Fragestellungen in ein Hintergrund-Kapitel stellend - ausschließlich auf die existierende positive Rechtslage in Deutschland ab, in der durch das Embryonenschutzgesetz der Import pluripotenter Stammzellen - also der Zellen, von denen man die Züchtung bestimmter Organgewebe erhofft - nicht geregelt ist. Von blindem Forschungsinteresse geleitet, unterläßt sie es, nach dem potentiellen Willen des Gesetzgebers zu fragen, hätte er den heutigen wissenschaftlichen Kenntnisstand gehabt, und kommt zu dem Schluß, dass der Import dieser Stammzellen unter bestimmten Bedingungen aus dem Ausland rechtlich auch dann erlaubt sei, wenn dadurch Embryonen außerhalb des deutschen Rechtsraumes vernichtet werden, was dem Geist des Ebryonenschutzgesetzes unzweifelhaft widerspricht. Indem sie die Forschung an den so entnommenen Stammzellen empfiehlt, gibt die DFG der Vernichtung menschlichen Lebens für Forschungszwecke ex post ihr wissenschaftsethisches Plazet.

Der Gesetzgeber hat sich im Embryonenschutzgesetz von 1990 mit den sog. 'überzähligen' bzw. 'totgeweihten' Embryonen, nicht befasst, die bei der künstlichen Befruchtung dann anfallen, wenn das betreffende Paar seine Reimplantation in die Gebärmutter nicht mehr will oder sie durch den zwischenzeitlichen Tod bzw. eine Erkrankung der Mutter nicht mehr möglich oder mit einem Risiko behaftet ist. Die dadurch entstandene Rechtslücke ist um so bedauerlicher, als dass der Gesetzgeber diese potentielle Konfliktlage trotz der Auflage, dass nur so viele Embryonen 'hergestellt' werden dürfen, wie unmittelbar zur Implantation kommen, hätte bei Verabschiedung des Gesetzes erkennen können. Der Bundestag hat mit seiner Zustimmung zu dieser Lücke der Medizin und der Gesellschaft ein ethisch schwerwiegendes Dilemma überantwortet, das jetzt für weitere Dammbrüche ethisch genutzt werden soll.

Auch dieses zweite rechtliche Vakuum versucht nun die DFG-Stellungnahme zu nutzen, um der Stammzellenforschung ein menschliches Forschungsreservoir zu eröffnen, indem sie für diese Embryonen den verfassungsmäßigen Rechtsanspruch auf Achtung der Menschenwürde in Frage stellt, weil ihnen keine Lebenszukunft gegeben sei. Man kann nach allen Erfahrungen medizinischer Praxis von einer kaum quantifizierbaren Dunkelziffer ausgehen, wenngleich die Quantität für den prinzipiellen ethischen Diskurs ohne Belang ist. Kenner der Szene sprechen von einem 'embryonalen Holocaust' hinter den verschlossen Türen unserer Kliniken und Arztpraxen, der sich dort ohne Kenntnis der Gesellschaft tagtäglich abspielt.

Recht ist eine zu einem bestimmten Zeitpunkt für eine bestimmte Region kodifizierte Ethik oder - wie es auch genannt wird - 'geronnene' Ethik. Ethik läßt sich im Unterschied zu Gesetzen und Rechtsprechung nicht von nationaler Grenzziehung aufhalten, wie es die DFG in ihrer Stellungnahme für die deutsche Forschung reklamiert. Bundespräsident Rau hat in seiner Rede vom 18. 5. 2001 festgestellt, dass es in fundamentalen ethischen Fragen "keine Geografie des Erlaubten oder des Unerlaubten" gibt. Die DFG aber rechtfertigt den Verbrauch von embryonalen Stammzellen aus dem Respekt vor den abweichenden Rechtslagen anderer Länder, die "nicht per se anstößig sind" und leitet daraus ab, dass "Handlungen im Ausland, abgesehen von jenen Fällen weltweit geächteten Unrechts, an den jeweils dort geltenden Rechtsvorstellungen zu messen" seien. Konkret: Es geht um den Respekt vor den Rechtssystemen der USA, Israels, Russlands, Englands und ..., die es zulassen, dass Embryonen für die Forschung vernichtet werden.

Von dem prinzipiellen DFG-Postulat, ausländisches Recht zu respektieren, wird von ihr 'weltweit geächtetes Unrecht' ausgenommen. Wer aber entscheidet darüber, was 'weltweit geächtetes Unrecht' ist? Der DFG-Senat etwa? Dann muss er sich fragen lassen, warum das, was die katholische Kirche mit ihrer eine Milliarde Mitgliedern weltweit als Unrecht ächtet, wie zum Beispiel die Preisgabe des Schutzes ungeborenen Lebens, nicht darunter zu fassen ist.

Die DFG gibt an dieser Stelle jede ethische Argumentation auf, um den Zielen der embryonlaen Stammzellenforschung zur Realisierung zu verhelfen und ist sich nicht zu schade, dafür rechtliche Schlupflöcher auszunutzen, statt sich aus der Enge der 'geronnenen' Vorschriften in die diskursive Weite wissenschaftsethischer Verantwortung zu begeben. Selbst rechtlich ist die DFG-Empfehlung, Stammzellen zu importieren, über einen Analogieschluss aus den aufgeführten Tatbeständen zu beanstanden, die dem Geist des Embryonenschutzgesetzes, den Embryo zu schützen, zuwiderlaufen; wissenschaftsethisch erscheint sie unverantwortlich.

Für den DFG-Präsidenten Prof. Winnacker, der noch vor einem Jahr die Auffassung vertreten hat, dass man einen potentiellen Menschen nicht für die Produktion von Stammzellen opfern und damit zur Sache degradieren dürfe, ist der eigentliche ethische Dammbruch durch bestimmte Verfahren der Schwangerschaftsverhütung, die Abtreibungsrealität wie auch durch die Praxis der künstlichen In vitro-Befruchtung, die 'überflüssige' Embryonen zur Folge hat, sowie durch die selektierende Pränatal-Diagnostik in unserer Gesellschaft längst Realität. Die embryonale Stammzellenforschung, die im Dienste der Gesundheit erfolgen soll und nur jene Embryonen verwendet, denen ohnehin eine Lebenszukunft verschlossen ist, hält die DFG-Stellungnahme nicht nur für ethisch unbedenklich sondern gar für empfehlenswert. Es entbehrt jeder rationalen Nachvollziehbarkeit, wie Forschungsfortschritte dafür sorgen können sollen, dass menschliches Leben zu einer Sache bzw. zu einem 'Zellhaufen' degradiert wird. Im Übrigen ist es unzulässig, aus einer ethisch verwerflichen Prämisse eine ethisch unbedenkliche Folge abzuleiten, ohne den Stellenwert der Prämisse selbst in die ethische Abwägung einzubeziehen.

In der Begründung für die 'verbrauchende Embryonenforschung' wird ihr erhoffter Beitrag zur Heilung Schwerstkranker angeführt. Jede ethisch unzweifelhaft gebotene Hilfe für Schwerstkranke darf jedoch nie die fundamentalethische Frage nach dem embryonalen Lebensrecht relativierend in den Hintergrund der mit der Vernichtung avisierten therapeutischen Heilshoffnungen verdrängen. Weil dieses Recht existentiell ist, hat es primäre unbedingte Bedeutung. Was hier als wissenschaftlicher und ethischer Differenzierungsdiskurs erscheinen soll, vernebelt diese schlichte fundamentale Sicht auf das menschliche Leben und sein unantastbares Recht auf die Unverletzlichkeit seiner Würde, wie es in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz die abendländisch-christliche Wertekultur gebietet. Denn diese Wertekultur kennt keine Heilung auf Kosten des Lebensrechts unschuldiger Dritter.

Um ihre Intention auch begrifflich zu stützen, nutzt die DFG-Stellungnahme bedauerliche sprachliche Verharmlosungen, wenn sie beispielsweise formuliert "Bei lebenden Embryonen führt diese [Zell-] Entnahme nach gegenwärtigem Stand notwendigerweise dazu, dass der betreffende Embryo abstirbt..." Gliedmaßen und Pflanzen sterben ab, Menschen sterben. Embryonen werden sprachlich zu Körperteil- bzw. Pflanzen ähnlichen Objekten herabgestuft, um heranwachsendem Leben so auf subtile Weise für die anschließende Abwägung mit dem Rechtsgut der Forschungsfreiheit einen niedrigeren ethischen Status zuweisen zu können. Mit Hilfe dieses semantischen Tricks gelingt es ihr, in der 'Güter'-Abwägung zwischen dem "Lebensschutz des Embryos" auf der einen Seite und dem "hochrangigen" Ziel der Forschungsfreiheit auf der anderen Seite das fundamentale menschliche Existenzrecht auf eine Stufe ethischer Vergleichbarkeit mit einem Berufsethos herunter zu stufen.

Selbst wenn man sich auf die Ebene 'geronnener' Verfassungsethik begeben will, dokumentiert auch diese eine eindeutige Rangfolge der abzuwägenden 'Rechtsgüter': Im Grundgesetz steht die Achtung der Menschenwürde, die das Existenzrecht umfasst, in Artikel 1, und das 'Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit' in Artikel 2, danach erst folgt drei Artikel später in Artikel 5 Abs. 3 das Gebot der Forschungsfreiheit. Diese eindeutig vom Gesetzgeber vorgegebene Rangfolge bemüht sich nun die DFG argumentativ umzukehren, um wissenschaftliche und ökonomische Interessen auf Kosten Dritter durchzusetzen. Der derzeitige verfassungsrechtliche Schlingerkurs des Embryonenschutzes wird dabei als Argumentationshilfe zu einem Abstecher in die Forschungslandschaft genutzt. Hier missachtet die DFG auf das Gröbste den von ihr selbst vorgegebenen wissenschaftsethischen Imperativ des 'Lege artis'.

Die medizinischen Experimente an KZ-Insassen hatten im Nationalsozialismus das Ziel, dem Fortschritt der Gesundheitsforschung zu dienen. Eine 'prima vice' unter dem ausschließlichen Aspekt der Forschungsförderung überzeugende Intention, die jedoch dazu führte, dass Menschen mit 'niederrangigem Lebensrecht' für die Forschung instrumentalisiert und geopfert worden sind. Medizinethischen Bedenken hatte ein skrupelloser politischer Totalitarismus den Boden entzogen. Hier bekommt der ethische Kursschwenk der DFG eine brisante Note: An der Aufklärung der Verwicklungen der DFG in die von nationalsozialistischer Ideologie beeinflußte Menschen instrumentalisierende Forschung während der dreißiger und vierziger Jahre wird derzeit gearbeitet. Dass diese DFG nun nach 70 Jahren - also eine Generation später - ohne sich in den Ergebnissen der noch ausstehenden Untersuchung gespiegelt zu haben, mit dem Ziel des medizinischen Fortschritts eine Forschung empfiehlt, die - medizinethische Bedenken erneut außer Acht lassend - embryonales menschliches Leben für behauptete "hochrangige" Forschungsziele instrumentalisieren will, kann nur blankes Entsetzen auslösen. Ist diese Haltung nicht zugleich bitterer Ausdruck dafür, dass eine Generation schon ausreicht für den ethischen Gedächtnisverlust einer Gesellschaft, die allen Anspruch darauf hat, vor der Skrupellosigkeit eines sich anbahnenden neuen Totalitarismus wissenschaftlicher Provenienz geschützt zu werden?

Winnacker und sein Präsidium hätten eine große Chance gehabt, aus Anlass der wissenschaftsethischen Reflexion der Embryonenforschung statt dem - richtig konstatierten - ethischen Dammbruch in der Embryonenbehandlung einen weiteren hinzuzufügen, an seiner Reparatur mitzuwirken, indem sie darauf hingewirkt hätten, im Rahmen ihrer Möglichkeiten der Forschungsförderung die Praxis der künstlichen Befruchtung dahingehend zu beeinflussen, dass es in Zukunft keine 'überzähligen' bzw. 'überflüssigen' Embryonen mehr gibt, statt diese in ihren Empfehlungen als Materialreservoir für die Forschung zu beanspruchen.

Dass die DFG die Abtreibungspraxis ohne Umschweife als ethischen 'Dammbruch' charakterisiert hat, ist unzweifelhaft ihr rhetorisches Verdienst, wenngleich sie dieses auch verfassungsrechtlich umstrittene Dilemma nur zur Unterstützung der eigenen Argumentationslinie einsetzt. Die Ableitung der ethischen Unbedenklichkeit der eigenen Interessen aus vorangegangenen Fehlern anderer, hat jedoch eine fatale Konsequenz: Jeder weitere Dammbruch lässt den Ethik überschwemmenden Flutungspegel in unserer Gesellschaft weiter ansteigen und ist - um es mit den Worten des Bundespräsidenten zu sagen - Ausdruck 'ethischer Kapitulation'.

Hinter der wissenschaftsethischen Kehrtwende der DFG stehen offensichtlich neben therapeutischen auch ökonomische und arbeitsmarktpolitische Intentionen. Ohne Frage geht es um einen lukrativen biomedizinischen Markt mit einem großen Potenzial zukunftsträchtiger Arbeitsplätze. Da der Arbeitsmarkt kurz- und mittelfristig hohe politische Priorität genießt, deren Maßnahmen im Gegensatz zur Ethik statistisch evaluierbar sind, besteht die berechtigte Sorge, dass diesem Handlungsziel die weniger fassbare und nicht in Legislaturperioden evaluierbare politische Ethik nur als nachrangige Arabeske an die Seite gestellt werden soll. Die Zusammensetzung des nationalen Ethikrates, die jetzt schon deutliche Mehrheits-Voten für die Stammzellenforschung und für die PID erwarten lässt, kann als empirischer Beleg für diese Vermutung gelten.

Die Empfehlungen der DFG zeigen einmal mehr, dass wissenschaftliche Reputation und ethische Gesinnung - wie es schon Einstein, Max Planck und andere Naturwissenschaftler klar gesehen haben - zwei verschiedene Dinge sind. Sie werden in der aktuellen Debatte um die Embryonenforschung von der DFG gekreuzt, um die substantielle Aufgabe ethischer Verantwortlichkeit hinter einschränkenden Bedingungen, engen Grenzziehungen und Vorbehalten verbal zu verbergen. Damit soll - ebenso wie mit der Instrumentalisierung des Nationalen Ethikrates - der Eindruck weitreichender Berücksichtigung ethischer Kriterien erweckt werden. Die Relativierung des embryonal-menschlichen Lebensrechts stößt auf Widerstand, weil ein Gremium von wissenschaftlichem Ansehen in einem eklektischen Schlingerkurs zwischen Rechtsprechung, Verfassung und Ethik das unbedingte Existenzrecht völlig hilfloser Embryonen zur wissenschaftlichen Disposition empfiehlt und die negativen Auswirkungen ihrer Instrumentalisierung auf das menschliche Leben die Gesellschaft in ihrem Selbstbild abgrundtief herausfordert. Hier wird - unter beschwichtigenden Hinweisen auf ausländische Beispiele ethischer Skrupellosigkeit und vorangegangene Fehlentscheidungen - für unsere Wertekultur ein Menschenbild eingeläutet, das sich vom abendländisch-christlichen weit entfernt, weil es die Heilungsabsicht auf Kosten des Lebensrechts unschuldiger Dritter anstrebt, die - anders als bei der Organspende - nicht einmal die Fähigkeit besitzen, dazu ihre Zustimmung zu verweigern und deswegen besonderes staatlichen, rechtlichen und gesellschaftlichen Schutzes bedürfen. Die darin liegende gesamtgesellschaftliche Brisanz der Instrumentalisierung menschlichen Lebens wird der �ffentlichkeit langsam bewusst und - so ist zu hoffen - nicht ohne Resonanz und Konsequenzen bleiben. Wo sich die Gesellschaft in ihrem Nerv getroffen sieht, haben sich Wissenschaft und Forschung ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung in ganz besonderer Weise zu stellen.

Zusätzlich belastet werden die Empfehlungen durch das aktuelle Eingeständnis der DFG, dass der Antragsteller des Förderprojektes zur embryonalen Stammzellenforschung Brüstle selbst maßgeblich an ihrer Formulierung mitgewirkt hat. In Börsenkreisen sind sogenannte Insidergeschäfte strafbar. Ist dieses Eingeständtnis, das offenkundig auch die ethische Bewertung der Stammzellenforschung im erwünschten Sinne präjudiziert hat, nicht Ausdruck fehlender wissenschaftsethischer Sensibilität?

Aber die DFG teilt uns mit ihren Empfehlungen zur Stammzellenforschung auch - wenngleich unbeabsichtigt - ein indirektes Indiz ihres eigenen Selbstzweifels mit, dass Anlass zur Hoffnung gibt: Ihre Stellungnahme ist im Senat einstimmig verabschiedet worden. Dieser Konsens soll nach außen den Eindruck einer geschlossenen, zweifelsfreien wissenschaftsethischen Überzeugung dokumentieren, doch hat uns Politik immer schon gezeigt, dass Einstimmigkeit als Ausdruck eines selbstbestärkenden gegenseitigen Haltgebens letztlich Verunsicherung offenbart.

Wird die embryonale Stammzellenforschung ermöglicht, ist in Kürze zu erwarten, dass auch das - derzeit noch einhellig abgelehnte - sog. 'Therapeutische Klonen' eingeführt wird, da mit ihm das Problem der Gewebeabstoßung überwunden werden kann, das die Implantation von Geweben aus embryonalen Stammzellkulturen begleitet. Therapeutisches Klonen' heißt, es werden unter Verwendung von Patienten-Zellkernen Embryonen 'hergestellt', die anschließend für die Gewinnung abstoßungsfreier Zellimplantate vernichtet werden. Auch hier dient eine geschickte Wortwahl dazu, dem Unkundigen die positive Botschaft einer therapeutischen Forschung zu übermitteln, und dabei zu verschweigen, dass eine solche Therapie mit der Instrumentalisierung des Lebens eines anderen bezahlt wird.

Die derzeit noch betonte Ablehnung dieser Forschung dient vermutlich dem Versuch einer behutsamen Eingewöhnung in die Absenkung des ethischen Pegels unserer Gesellschaft, denn wenn die embryonale Stammzellenforschung ermöglicht ist, ist der Schritt zum todbringenden Klonen ohne ethische Zusatzbelastung gehbar, weil die Inkaufnahme der Tötung bereits mit der embryonalen Stammzellenforschung eingeführt wäre. Unter Berücksichtigung des Kursschwenkes der DFG von der adulten zur embryonalen Stammzellenforschung ist ein neuerlicher Schwenk ins Klonen so sicher zu erwarten wie das Amen in der Kirche. Die FAZ hält in Ihrer Ausgabe vom 6. Juli 2001 die derzeitige DFG-Position deshalb für "heuchlerisch" und stellt die Frage, wer die Bürger vor einer solchen DFG schützt.

Diese erschreckende 'Perspektive' der embryonalen Stammzellenforschung sollte jetzt - unter Berücksichtigung des Ausmaßes der in der �ffentlichkeit weitgehend unbekannten Realität der pränatalen Selektions-Diagnostik und der aktiven Sterbehilfe sowie in Anbetracht würdeloser Diskussionsbeiträge über die Abstufung der Menschenwürde - in einen Aufstand des Gewissens gegen den Wahn einer neuen Hybris münden, in der sich der Mensch zum Herrn über Leben und Tod erhebt. Nach dem Philosophen Robert Spaemann gibt sie "Anlass zu schlimmen Befürchtungen...für das Leben Tausender von Menschen."


Wolfgang antwortete am 10.08.01 (14:46):

Die Behauptung stimmt nicht: Das Klonen von Menschen sei Missbrauch in einer ansonsten ethisch sauberen Wissenschaft... - Der Genetiker und Träger des Nobelpreises für Medizin Joshua LEDERBERG forderte bereits 1962 auf dem berühmt-berüchtigten Ciba-Symposium in London die genetische Veränderung der gesamten Konstitution des Menschen. Hermann J. MULLER forderte dort unwidersprochen auch eine genetische Steuerung der Geburten vor allem durch Samenwahl, aber auch durch Klonen.

Von Anfang an steuerte die physikalisch-chemisch orientierte molekulare Biologie diesen verhängnisvollen Kurs: Nicht nur Beschreibung und Untersuchung ihrer Wissenschaftsobjekte, sondern Optimierung bestehender, ja Konstruktion neuer Lebewesen war ihr Wissenschaftsprogramm. Von Anfang an war auch menschliches Leben Ziel der forschen ForscherInnen. Ihr Ungeist war es, der jetzt zum Klonen von Menschen führt. Der furchtbare Arzt Severino ANTINORI ist nur die Spitze des Eisbergs...


Karl antwortete am 10.08.01 (14:52):

Lieber Schorch,


bisher sind die Fortschritte der Medizin, wenn auch in unterschiedlichem Ausmass, allen Menschen zugute gekommen. Gibt es einen Grund dafuer anzunehmen, dass dies in Zukunft anders sein wird?

Herzliche Gruesse, Karl


Wolfgang antwortete am 12.08.01 (10:51):

Der vorläufig traurige Höhepunkt der Gentechnik - das Projekt, Menschen zu klonen - ist natürlich kein Missbrauch. Der Arzt Severino ANTINORI ist konsequentester Vertreter des Ungeistes der Molekularbiologie. Deren Wissenschaftsprogramm ist der Angriff auf das durch natürliche Evolution entstandene Leben.

Alle Aktivitäten der GentechnikerInnen haben eines gemeinsam: Es geht um viel Geld. Hinter den GentechnikerInnen steht eine boomende Industrie. 'Life science industries' nennt man sie. Viele grosse und global agierende Konzerne erschliessen zur Zeit Geschäftsfelder, die satte Profite versprechen: Die Vermarktung von gentechnisch manipulierten Pflanzen, Tieren und Menschen. - Während viele Menschen sich Gedanken machen um Moral oder Ethik , geht es den Fortschrittlern um handfestere Sachen... Von 'Fortschritt' reden sie und meinen doch nur wirtschaftliches Wachstum. Um das System zu erhalten, reden sie den Nutzen hoch und die Risiken klein. So wird die Lüge zur notwendigen Selbstverständlichkeit.

Gen-ethischer Informationsdienst (GID): "Geld und Genome"
https://www.gen-ethisches-netzwerk.de/gid/TEXTE/ARCHIV/PRESSEDIENST_GID140/SCHWERPUNKT/SCHWERPUNKT.HTM

(Internet-Tipp: https://www.gen-ethisches-netzwerk.de/gid/TEXTE/ARCHIV/PRESSEDIENST_GID140/SCHWERPUNKT/SCHWERPUNKT.HTM)


Wolfgang antwortete am 12.08.01 (12:00):

Ich möchte noch auf eine Website von GREENPEACE aufmerksam machen... Es ist eine Geschichte der Gentechnik und der GentechnikerInnen, von der Jahrhundertwende an - 1899/1900 - bis heute, und von deren Wissenschaftsprogramm, die Natur neu zu konstruieren, insbesondere den Neuen Menschen zu züchten:

Schöne Neue Welt
Geschichten aus dem Reich der Gentechnik (Teil 1-6)
https://www.greenpeace.de/GP_DOK_3P/GENETIX/SEITEN/XINFO21.HTM

"[...] Vonwegen: die Gedanken sind frei. Die gehören eingesperrt. Dafür stehen uns schließlich genügend Zellen zur Verfügung. Unser Denken ist künftig in diesem System verhaftet. - Und wenn wir die Gedanken verhaften, können wir das Gewissen gleich mit verhaften. Das nennt sich in der Wissenschaft: Gewissenhaft. Wenn wir das Gewissen verhaftet haben, sind wir endlich das Gewissen los. Dann können wir endlich eine gewissenlose Wissenschaft schaffen. Und eine gewissenlose Wissenschaft schafft eben ein gewisses Wissen, was uns schafft. Möglicherweise sogar ab." (aus dem Programm "Neues aus dem Mutantenstadl" des Kabarettisten Martin BUCHHOLZ)

(Internet-Tipp: https://www.greenpeace.de/GP_DOK_3P/GENETIX/SEITEN/XINFO21.HTM)


Karl antwortete am 15.08.01 (00:09):

Hallo Wolfgang,

es ist gut das es Meinungsfreiheit gibt. Deine Kampagne gegen Genetiker darf hier stehen bleiben, auch wenn es m.E. an die pauschale Denunziation eines ganzen Berufsstandes grenzt. Ich muss es aber nicht unwidersprochen lassen. Damit es klar ist: Ich bin kein Befürworter des Vorhabens der �rzte, die jetzt Menschen klonen wollen. Das ist nach allem was wir heute wissen, nicht zu verantworten.

Ich bin jedoch der entschiedenen Meinung, dass die Erkenntnisse der Genetik ein Ergebnis des Evolutionsprozesses sind, nämlich in dem Sinne, dass wir Menschen mit all unseren Fähigkeit und auch mit der Wissenschaft ein Teil der Natur sind.

Im Menschen ist sich die Evolution erstmals bewusst geworden und dies wird selbstverständlich Auswirkungen auch auf die Evolution selbst haben.

Übrigens ist die Gentechnik nur eine der Entwicklungen, die uns zur Zeit den Atem rauben. In Kombination mit der Explosion der Computerentwicklung im 21. Jahrhundert kann heute niemand ernsthaft behaupten, er wisse wie die Welt in 100 Jahren aussehen wird.

Mir persönlich fällt es schwerer als Dir, die Welt in Gute und Böse einzuteilen. Ich finde, die Herausforderungen der sich zuspitzenden Entwicklungen (die keineswegs von den bösen Genetikern verursacht sind) sind so komplex, dass auch Du nicht wissen kannst, was die richtigen Entscheidungen für die Zukunft sind, zumindest solltest auch Du schon einmal Selbstzweifel haben.

Einer dogmatischen Ethik, die durch Absolutsetzungen extrem unmenschliche Entscheidungen treffen kann (z.B. Ablehnung der PID), würde ich eine mehr pragmatische Ethik vorziehen, die zumindest versucht, Entscheidungen an dem optimierten Wohl aller auszurichten. Dogmatismus hat in unserer Vergangenheit sehr viel Elend angerichtet und zum Verbrennen von Ketzern geführt.

Anstatt zu sagen, die Erde ist flach, segelt nicht hinaus, bin ich für eine sorgfältige Überprüfung dieser Hypothese. Es könnte sich herausstellen, dass die Erde rund ist und sich das segeln lohnt.

Ich möchte nicht zu den Dogmatikern gehören, die die Weltumsegler unserer Zeit unter Hausarrest stellen.

Mit freundlichen Grüßen,

Karl


Heidi antwortete am 15.08.01 (13:03):

Testeintrag -- wird wieder gelöscht