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THEMA:   Narrenumzug

 10 Antwort(en).

schorsch begann die Diskussion am 03.03.02 (14:40) mit folgendem Beitrag:

Gehts dem einen und der anderen unter euch auch mal so?:

Immer öfter gucke ich hinter mich und mache die Entdeckung, dass das Leben ein Narrenumzug sei. Früher trottete ich selber, mit einem Clownkostüm bekleidet und einen ewig lachenden Mund aufgemalt, in diesem Umzug mit. Irgendeinmal ist es mir verleidet; ich lief aus der Kolonne und stellte mich an den Wegrand, wo ich seither, immer noch maskiert, den Umzug betrachte. Manchmal klatsche ich, manchmal runzle ich die Stirn. Aber keiner im Umzug nimmt Notiz davon - weder vom Beifall klatschen, noch vom Stierne runzeln. Denn alle sind vollauf damit beschäftigt, sich im Umzug von der besten Seite zu zeigen und den Nachbarn vorn, hinten, links und rechts mit seinem Narrenkostüm und seinen Possen auszustechen.

Schorsch


Brigitte antwortete am 03.03.02 (16:01):

.......und vielleicht beobachten wir vom Wegrand aus zu sehr die Kolonne und übersehen so die anderen die auch abseits stehen?


Barbara antwortete am 03.03.02 (17:21):

Hallo Schorsch,

mir ist es oft so ergangen, dass ich das Gefühl hatte, auf der total falschen Veranstaltung zu sein. Den einen interessieren Diätpläne, Farbtypen, Make-up, Schönheitsoperationen, Urlaubsparadiese mit tollem Frühstücksbüfett, Kreuzfahrten mit captain�s-diner, den anderen interessieren Politik, Bergwandern, Möglichkeiten der Problembewältigung, zwischenmenschliche Beziehungen, etc.
Wichtig ist es, die für den einzelnen richtige Kolonne herauszufinden, damit man nicht auf einmal merkt, das man jahrelang bei den falschen mitmarschiert ist.

Andererseits finde ich es immer wieder faszinierend, dass bei Menschen einer bestimmten Ausrichtung (z.B. im Sport) auch viele andere Interessen übereinstimmen.

Eine Meldung, die ich eben im Radio hörte, fällt mir zu Deinem Narrenzug ein: ein Zwanzigjähriger wurde auf dem Heimweg von der Disco gezwungen, sämtliche Marken-Klamotten auszuziehen und dem Täter zu übergeben. Lediglich seine Unterhose hat man ihm gelassen, mit der er bei zwei Grad minus nach Haus gelaufen ist. Dieses "Abziehen" ist für manche Leute inzwischen regelrecht zum Sport geworden. "Marken-Klamotten" sind derart begehrenswert, dass junge Leute straffällig werden, um sie zu besitzen.
Gut, dass meine Kinder nie Wert auf Marken gelegt haben.

Gruß Barbara


WANDA antwortete am 04.03.02 (12:44):

Einmal das Kostüm ausziehen und die Maske fallen lassen, dann lohnt es sich auch für die anderen hinzugucken !
WANDA


schorsch antwortete am 04.03.02 (17:36):

"Einmal das Kostüm ausziehen und die Maske fallen lassen, dann lohnt es sich auch für die anderen hinzugucken !
WANDA"

Nicht immer! Mich erschreckt oft das Gesicht mehr als die Maske!

Schorsch


schorsch antwortete am 05.03.02 (08:36):

Nanana, liebe Wanda, wo würdest Du den hingucken ? (;--))))))

Schorsch


Hortensie antwortete am 05.03.02 (15:15):

Lieber Schorsch,

wie recht Du hast! Auch ich war bisher bei manchen Dingen im Narrenkleid unterwegs. Nun habe ich es ausgezogen und hoffe, daß ich selbstkritisch genug bleibe um es nie mehr anzuziehen.


Dingo antwortete am 06.03.02 (00:50):

Deswegen sehe ich nicht mehr in den Spiegel


WANDA antwortete am 06.03.02 (09:05):

Lieber Schorsch, wer sich maskiert, schlüpft oft auch in eine Rolle. Im Laufe des Lebens müssen wir viele Rollen übernehmen, ich nenne hier nur die privaten, wie Liebhaber,Ehemann.und Vater. Im Rentenalter spielen wir alle keine so grosse Rolle mehr, d.h. wir müssen uns mehr mit unserem wahren Ich beschäftigen. Ich will Dir nicht zu nahe treten, denke aber doch, dass Du ohne Maske (und vielleicht auch ohne Schutz?) ehrlicher und dadurch liebenswerter bist.
WANDA


alima antwortete am 06.03.02 (09:57):

Ich habe da ein Gedicht, es wurde mal für mich geschrieben, wurde behauptet, wenn ich es finde setze ich es hier rein. Bis dann alima


schorsch, alias Georg von Signau antwortete am 06.03.02 (12:13):

Bis dann mal erst dieses hier, das ich schon mal unter "Gedichte" eingefügt hatte und weitläufig noch zum Thema passt:

Der Dichter

Vom Dichter, weil er sei entartet,
wird meistens Un-Sinn nur erwartet
und dass, weil er nun eben spinne,
er seinen Unfug zumeist ersinne,
um vor den sogenannt Normalen,
sehr provozierend damit zu prahlen.
Ich, liebe Leute, lass `s euch glauben;
will nicht eure Illusionen rauben.
Doch frag` ich euch, was wär das Leben,
tät`s da nicht ein paar Spinner geben,
die in der Welt, der öden, kalten,
euch mit Geschichten unterhalten?
Bedenkt auch bitte: manche Narren
führen auf ihrem Narrenkarren
nen Spiegel mit, der still und heimlich
mal in Prosa, mal auch reimlich,
gar nichts anderes führt im Schild
als euch zeigen euer Spiegelbild.
Doch lasst euch bitte nicht beirren
denn auch Narrenspiegel können irren,
und der Spiegel in des Narren Tatze
zeigt ihm vielleicht die eigene Fratze?!

Mai 1996 Schorsch