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THEMA:   Wer liegt hier falsch?

 14 Antwort(en).

elsabe begann die Diskussion am 27.03.02 (09:03) mit folgendem Beitrag:

Bezogen auf das aufgehobene Urteil in Nigeria, eine Frau wegen angeblichen Ehebruchs zu Tode zu steinigen, stand gestern folgendes in der Tageszeitung:

> Bundesaußenminister Joschka Fischer begrüßte den Freispruch. Dieser sei ein "Sieg des Rechts über die Menschlichkeit," sagte er. <

Wer liegt hier falsch?
Ich, der ich einen Denkfehler mache?
Fischer, der einen Denkfehler ausspricht?
Die Zeitung, die wieder einmal alles verdreht?

(Internet-Tipp: https://www.haz.de)


baerliner antwortete am 27.03.02 (09:25):

Der Link sollte sicher taz.de heißen.

Aber ich kann den Artikel nicht mit den Suchbegriffen
Fischer & Menschlichkeit z.B. finden.

Ich denke mal, Fischer wollte damit ausdrücken, daß die Richter nur aus rein formalrechtlichen Gründen für Freispruch votierten, weil das Delikt vor Inkrafttreten der
Sharia lag. Das beweist ja auch, daß eine andere Nigerianerin aus demselben Grund verurteilt worden ist,
nur daß sie ihr Delikt nach Inkrafttreten der Sharia beging. Fischer begrüßt also den Freispruch, aber nicht die
Begründung (meine Interpretation)


elsabe antwortete am 27.03.02 (09:45):

Hallo baerliner,
der Link stimmt schon: "Hannoversche Allgemeine Zeitung".

Ich hätte gemeint: das Urteil ist ein Sieg der Menschlichkeit über das Recht (Gesetz).


Geli antwortete am 27.03.02 (11:00):

Hallo Elsabe, natürlich hast Du recht !
Man fragt sich ja häufig wirklich, wie manche Zeitungsmeldungen zustandekommen. Daß viele Zeitungs- (auch Fernseh-)schreiber mit der deutschen Rechtschreibung und Grammatik (alt oder neu - egal) auf Kriegsfuß stehen, ist ja bekannt. Aber oftmals scheinen sie auch das Denkorgan ausgeschaltet zu haben. Es muß alles schnell, schnell gehen - und den Rest erledigt der Computer: abgesehen von abenteuerlichen Silbentrennungen, findet man auch häufig durch Hin- und Herkopieren und -verschieben verstümmelte Sätze. Vielleicht ist ja dieser Satz auch so entstanden ;-)
Scheinbar wurden die Korrektoren inzwischen eingespart.
Viele (hoffentlich richtig geschriebene) Grüße
Geli


Wolfgang antwortete am 27.03.02 (14:14):

Der Bundesaussenminister J. Fischer erklärte am 25. 3. 2002 in einer Pressemitteilung des Auswärtigen Amtes:

(Zitatanfang)Die Bundesregierung begrüßt die Entscheidung des Berufungsgerichts im nigerianischen Sokoto, das im Oktober 2001 gegen Safiya Hussaini gefällte Urteil zum Tod durch Steinigung aufzuheben. Der heute erfolgte Freispruch ist ein Sieg des Rechts und der Menschlichkeit.(Zitatende)

Das macht Sinn... Denn Menschlichkeit gibt es nicht OHNE Recht und Recht nicht OHNE Menschlichkeit. Beides gehört zusammen.


Doris Routliffe antwortete am 28.03.02 (02:55):

Nein, Wolfgang, das macht keinen Sinn. Es sieht zwar so aus als ob es der Sieg der Menschlichkeit war, aber es ist entschieden wahrscheinlicher, daß es der Druck von außen gewesen ist, wie z.B. die Petition an den nigerianischen Präsidenten via dessen Botschafter in Rom, (zu der ich u.a. beigetragen habe)der zu dem Umsturz des Urteils geführt hat.


hedwig antwortete am 28.03.02 (08:42):

Joschka�s gute Worte...in diesem Fall glaube ich auch, wie Doris schreibt,
daß nur der Druck von außen das Urteil der Befreiung bewirkte.
Doris, ich habe es versäumt, mitzumachen, obwohl es mich
sehr bewegte.


baerliner antwortete am 28.03.02 (16:20):

Doris und Hedwig,

ai (amnesty internatioal) hat die email-Aktionen gar nicht gern gesehen! Da haben leider Freunde von Kettenbriefaktionen Euch für einen vermeintlich guten Zweck
mißbraucht.

Wie ich oben geschrieben habe, ist der Freispruch einzig und allein aus formaljuristischen Gründen erfolgt. Und wenn Joschka es anders formuliert, dann ist das die Sprache der Diplomaten.


Ilse Wedelstaedt antwortete am 28.03.02 (18:29):

Ich vermute wie Geli, daß es sich hier, wie so oft, um Schlamperei handelt. Ein gewissenhafter Redakteur hätte besser recherchiert.


Hans-Jürgen antwortete am 28.03.02 (19:13):

Baerliner greift eine Idee zu kurz, wenn er nur auf eventuelle E-Mai-Kettenbriefaktionen anspielt und von "mißbraucht werden" schreibt.

Es gab auch Leute, zu denen ich gehörte, die von solchen Aktionen nichts wußten und von sich aus an den nigerianischen Botschafter mailten mit der Bitte, sich für das Leben der jungen Mutter einzusetzen.

Ich kann auch nicht verstehen, warum AI gegen solche Interventionen (gleich welcher Art) gewesen sein sollte und warum der Zweck nur als "ein vermeintlich guter" bezeichnet wird. Auch würde es mich interessieren, wodurch die ablehnende Haltung von AI *belegt* werden kann.


baerliner / Rainer Schulze antwortete am 28.03.02 (19:24):

Hans-Jürgen,

hier Zitat aus dem Newsletter von gmx.de, daß sich auf eine
Rückfrage bei ai bezieht:

II. Nachgefragt: Protest gegen Todesurteil in Nigeria
=======================================================================
Wieder einmal sorgt eine Kettenbrief-Aktion in der Internet-Gemeide für
Aufruhr. Es geht dabei um den Aufruf, schriftlich Protest gegen die Ver-
urteilung der 30-jährigen Nigerianerin Safiya, die nach geltendem
islamischen Recht zum Tod durch Steinigung verurteilt wurde, einzulegen.

Auch in unserer Redaktionsmailbox ist dieser Kettenbrief zigfach
eingetroffen - meist verbunden mit der Bitte, ihn doch möglichst an
alle unsere Mitglieder weiterzuleiten.

Nun gibt es zwar durchaus Fälle von Menschenrechtsverletzungen, in denen
eine international angelegte Massen-Protestaktion sinnvoll und
erfolgversprechend ist, sogar Leben retten kann. Die Einschätzung, ob
ein
Fall in diese Kategorie gehört, hängt aber von vielen - für den Laien
nicht
ersichtlichen und schon gar nicht beurteilbaren - Faktoren ab, und
sollte
deshalb Experten vorbehalten bleiben.

Experten, wie sie beispielsweise bei Amnesty International, der wohl
größten
und bekanntesten international agierenden Menschenrechtsorganisation, zu

finden sind. Auf unsere Nachfrage bei ai wurde uns mitgeteilt, dass eine
Ver-
breitung des Protestaufrufs in dem genannten Fall eher nachteilige als
positive
Auswirkungen haben würde. Sabine Höhn, Nigeria-Expertin bei ai
Deutschland:

"Die Verurteilung zur Steinigung ist noch nicht endgültig, das
Verfahren dauert noch an und ist mittlerweile in der 2. Berufung.
In Anbetracht des laufenden Verfahrens und mit dem Wissen, dass eine
allzu große Medien-/ Öffentlichkeitsresonanz (v.a. in westlichen
Ländern) die
Erfolgsaussichten auf eine letzte Verhandlung vor dem Obersten Ge-
richtshof in Nigeria (der kein Sharia-Gericht ist, und deshalb Safiya
Yakubu Hussaini aufgrund der Sachlage nicht zum Tode verurteilen wird)
eher mindern als fördern wird, hat sich ai vorerst gegen eine breit
angeleg-
te Aktion entschieden."

Kettenbrief also bitte nicht weiterleiten, Protestbrief nicht
abschicken.
Andererseits: Der Fall von Safiya ist kein Einzelfall. Wenn Sie sich
sinnvoll und zielgerichtet für den Schutz der Menschenrechte engagieren
möchten, dann informieren Sie sich am besten direkt auf der Homepage von

Amnesty International - die jeweils aktuellen Aufrufe zu Protestaktionen

finden Sie in den Rubriken "urgent actions" und "Appellfälle".

https://www.amnesty.de


(zitiert aus dem neuesten Newsletter von GMX)

(Internet-Tipp: https://www.amnesty.de)


Hans-Jürgen antwortete am 28.03.02 (19:55):

Danke, Rainer, für das ausführliche Zitat. Nun weiß ich Bescheid und denke mir mein Teil. Übrigens fiel mir nach Absendung meines obigen Beitrags ein, daß ich nicht an den Botschafter *mailte*, sondern ihm ein Fax schickte.


schorsch antwortete am 02.04.02 (09:01):

Ich denke kaum, dass sich totalitäre Regimes von Kettenbriefen in ihrer Unfehlbarkeit stören lassen werden. Hier hilft nur direkter Eingriff der einigen UNO-Staaten. In jedem UNO-Land müssen die Vertreter dieser Regierungen zum Oberhaupt des betreffenden UNO-Landes zitiert und abgekanzelt werden. Die Büsbüs-Politik versagt hier gänzlich. Wer es gewohnt ist, mit Gewalt zu herrschen, der versteht nur die Sprache der Gewalt. Alles andere führt bei denen nur zu einem Grinsen!

Schorsch


Juttam antwortete am 02.04.02 (09:39):

Aha,
da soll eine Frau zu Tode gesteinigt werden, weil sie
Ehebruch beging!
Gluecklicherweise aber, ist die Sache bei Weitem noch nicht entschieden - bereits in der 2. Instanz!! Hurrah!
Auch ist die arme Frau kein Einzelfall..........isn't she the lucky one?

Ich sag's nochmal:
EINE FRAU SOLL ZU TODE GESTEINIGT WERDEN!!!!

Und alles was hier diskutiert wird sind Rechtschreibungs-
fehler und die Vor- und Nachteile eines Kettenbriefes????

Das naechste Mal wo man sich ueber "unschuldige" Kriegsopfer
aufregt, und ueber die Werte und Nettigkeiten des Islamischen Glaubens (von der Sicht einer Frau gesehen)
werd ich Euch mal dran erinnern!

Tschuldigung! Kein Rassismus - lediglich Tatsachen!

Nicht zu fassen!

Schorsch hat recht: die lachen sich kaputt ueber kettenbriefe und Rechtschreibungsfehler und ueberhaupt
ueber westliches Denken!

Juttam


Geli antwortete am 02.04.02 (16:41):

Nicht die Rechtschreibfehler an sich sind das Entscheidende, sondern was daraus für absurde, verfälschte (oder verfälschende) Meldungen entstehen - das Gegenteil von dem, was man vermutlich sagen wollte. Ganz abgesehen davon, was hinter einer solchen Anklage und einem solchen Urteil steht! Daß das eine Ungeheuerlichkeit an sich ist, daran besteht ja wohl kein Zweifel !
Geli