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THEMA:   psychosomatisch

 14 Antwort(en).

WANDA begann die Diskussion am 19.03.03 (17:21) mit folgendem Beitrag:

mir ist seit heute morgen hundeelend, ich fröstele und fühle mich durch und durch koddrig.
Kann es sein, dass das mit dem nun doch nicht zu vermeidendem Krieg zusammenhängt?
Ich bin Kriegskind mit mehreren grossen Angriffen auf Magdeburg und der Flucht aus Schlesien.
Geht es jemandem von Euch genauso?


Ursula J. antwortete am 19.03.03 (17:37):

Hallo Wanda,

bei mir macht es sich nicht physisch gemerkbar, sondern eher psyschisch. Es macht sich eine Verzweiflung und Hilflosigkeit breit, auch Hoffnungslosigkeit, nach dem Motto hat eh alles keinen Sinn, der Stärkere macht doch was er will. Zum Glück spüre ich auch gleichzeit Wut darüber, dass es so ist und dass es immer noch Menschen gibt, die diesen Krieg befürworten. Ich habe unseren Krieg "nur" unbewusst mit erlebt (1943 geboren). Aber geträumt habe ich davon jahrzehntelang.


Karl antwortete am 20.03.03 (11:17):

Zum mutlos sein besteht kein Anlass! Immerhin haben die Agressoren moralisch den Krieg schon bei Beginn verloren. Weltweit ist ein einmaliges Zusammengehörigkeitsgefühl durch den Gleichklang der Meinungen entstanden. Die UNO hat ihren Stolz behalten können, da die Völker ihren Regierungen den Rücken gestärkt haben und diese nicht käuflich waren.

Allerdings ist der amerikanische Traum gestorben, der Traum von demokratie in Freiheit und Rechtsstaatlichkeit. Es wird viele Opfer geben, aber am Ende wird die Stärke des Rechts siegen und PolitikerInnen, die dem Krieg das Wort reden, werden hoffentlich abgewählt.


Rosmarie S antwortete am 20.03.03 (12:57):

Karls Ausführungen schließe ich mich voll an. Und dennoch... Auch mir ist elend zumute!


Ernst antwortete am 20.03.03 (18:47):

@Wanda
Auch ich bin Schlesier. In den letzten 3 Nächten habe ich viele Stunden wachgelegen, was ich eigentlich bisher nicht kannte. Meine Gedanken fahren dann Karussell und kreisen um fast vergessen geglaubte Erlebnisse der letzten Kriegstage 1945.

Zum Beispiel:
das Gesicht des ersten verwundet sterbenden Soldaten, den ich als Schuljunge sah und den Mutter und große Schwester zum letzten langen und schweren Todeskampf aus dem Straßenstaub holten, ihn auf eine Parkbank betteten, ihm einen Stapel Handtücher unter den Kopf packten und bei ihm blieben, bis er es geschafft hatte.
Die abgeschossene Hand, die unser während der Straßenkämpfe streunender Hund, in den Luftschutzkeller geschleppt brachte. Sie steckte noch in einem Lederhandschuh.
Die im Rinnstein liegende, mit Blut und Hirnsubstanz bespritzte Schädeldecke, an der sich lange dunkle Frauenhaare und eine noch aufgesetzte Schwesternhaube befanden.

In der etwa 200 m von uns entfernt gelegenen Kaserne glaubten Irre, Führer und Vaterland bis zum letzten Mann verteidigen zu müssen. Unser Haus war von den Amis bereits eingenommen. Sie holten mich aus dem Keller nach oben, wo sie ein Maschinengewehr auf dem großen eichenen Ausziehtisch am Fenster plaziert hatten. Meine Aufgabe war, im Hintergrund Programmrollen in ein elektrisches Klavier einzulegen, wofür sie mich mit Schokolade und Jam entschädigten. Zu den Klängen von �Dichter und Bauer�, �Schwarzwaldmädel� oder dem �Zigeunerbaron� sah ich zu, wie ihre Maschinengewehrsalven alles niedermetzelten, was sich bewegte. Ein Panzer schoß später ein zwischen uns und der Kaserne gelegenes Haus, in dessen Keller sich Menschen befanden, in Klump und Asche, um das Schußfeld zur Kaserne frei zu bekommen. In der Kaserne starben 134 Soldaten. Ich werde nie vergessen, in welchem bejammernswerten Zustand die Überlebenden mit erhobenen Händen dort herauskrochen, sofern sie überhaupt noch kriechen konnten.

Viele Väter kamen nie zurück. Meiner kehrte gelähmt vorfristig heim, was wir als großes Glück (!) empfanden. Nach Kriegsende Abzug der Amis und russische Besetzung, Hunger, Betteln, Frieren, Vergewaltigungen, Klassenkameraden mit schwersten Verletzungen durch Fundmunition (Panzerfäuste, Handgranaten ....) ...

All die schrecklichen Dinge passieren gerade eben wieder. Es schnürt mir die Kehle zu. Vielleicht ist das auch nötig, damit ich nicht erlahme, gegen den heutigen Irrsinn anzustinken.


WANDA antwortete am 21.03.03 (08:13):

@ernst, natürlich habe ich ähnliches erlebt. Wir betteten zwei hilflos im Graben liegende Soldaten in unseren Planwagen, was dazu führte, dass wir wenige Stunden vor dem Angriff auf Dresden - 13.2.45 - einen Achsenbruch erlitten.
Später meinte meine Mutter, dass nur dieser Achsenbruch, also das Liegenbleiben unmittelbar vor Dresden uns das Leben gerettet hat.


Medea. antwortete am 22.03.03 (16:17):

q Wanda
@ Ernst

Als Kind habe ich die flüchtenden deutschen Soldaten, zum Teil schwer verwundet, in's "Bömische" erlebt, sie mußten durch unser Städtchen, die einzige Paßstraße durchs Gebirge führte da hindurch, kurz danach den Einmarsch der Roten Armee in Niederschlesien. Ich erinnere mích an junge Soldaten, die in den Bäumen hingen, hingerichtet als Deserteure, an die Jagd der Russen auf Frauen und Mädchen, an die brüllenden Rinder, die nicht gemolken werden konnten und deren Euter zu platzen drohten, an die geschundenen Pferde, die die Geschütze ziehen mußten und auf die brutal eingeschlagen wurde, an die große Angst, die wir alle hatten, an den Hunger.
Nach fast 58 Jahren kommt dieses Grauen daran wieder hoch,
ausgelöst durch den Krieg im Irak. Und ich reagiere mit Schlafstörungen in den drei letzten Nächten, ich schließe zwar meine Augen, aber der ersehnte Schlaf will und will sich nicht einstellen, eine große innere Unruhe hält mich wach. Eine typische psychosomatische Reaktion, vermute ich.
Nie wieder Krieg ! - wieso hören die Verantwortlichen in der Welt diesen Schrei nicht?

Medea.


schorsch antwortete am 22.03.03 (17:43):

Ich danke einem gütigen Schicksal, das mich all das oben Beschriebene nicht hat erleben lassen. Und ich danke dem Schicksal, dass es mir trotzdem die Fähigkeit gegeben hat, das Schicksal anderer Menschen zu verstehen und mit ihnen zu fühlen.....


Ernst antwortete am 22.03.03 (20:01):

Mein Jüngster, 24, der mir über die Schulter schaute, sagte: "Vati hör auf, das ist ja ekelhaft". Vielleicht hat er ja Recht - ich habe mich also gebremst. Aber ich wünschte, Herr DoubleJuh hätte nur einen Bruchteil davon am eigenen Leibe erfahren, dann wäre ihm genauso zum Kotzen wie uns.

Dieses Thema "psychosomatisch" erhellt mir:
Wir sollten nicht jedes (psycho-) körperliche Unbehagen niederknüppeln wollen, sondern es aushalten. Es ist ein Signal, das uns zu Aktionen anstachelt - gewissermaßen der Alarm, den wir als Kinder nur allzuoft hören mußten und der jetzt irgendwie wieder bei uns anklopft. Unser Instinkt weiß, warum er das mit uns macht. Was könnten wir denn schon anderes tun, um uns gegenüber nachfolgenden Generationen etwas anständiger zu fühlen? Und es gibt gottseidank viele, die, wie Schorsch auch ohne eigenes Erleben gleiches empfinden!
Ernst


Gitti antwortete am 22.03.03 (21:07):

Ich wünschte Herr DoubleJuh waere mit an der Front mitten
im Geschehen. Heute hab ich gehoert erschaut sich nicht mal die Nachrichten im Fernsehen an :-(
Gruessle Gitti


Ernst antwortete am 23.03.03 (05:57):

@Gitti

Warum sollte sich Mister DoubleJuh auch seine Nachrichten im Fernsehen anschauen, wo er doch am besten weiß, daß sein zu 2/3 noch verdummtes Volk diese Nachrichten nur gefiltert und verdreht vorgesetzt bekommt? Er hat bessere Informationsquellen, als den staatlich manipulierten Journalismus.

Ernst


WANDA antwortete am 23.03.03 (08:15):

Gestern war der Tag, an dem Hildesheim vor 58 Jahren in Schutt und Asche fiel. Die gesamte Innenstadt wurde in Brand gesetzt.
Ich war damals noch Kind und lebt in Schlesien, d.h. wir waren schon auf der Flucht. Mein erster Mann befand sich im Krieg, er bekam für drei Tage Fronturlaub um die Leichen seiner Familie zu identifizieren. Grossmutter, Mutter, Schwester, Cousinen, durh Phosphorbomben teilweise total geschrumpft. Er war damals 20 Jahre alt und nach diesen drei Tagen musste er wieder an die Front. Das muss man sich mal vorstellen!!! Bei der gestrigen Gedenkfeier waren viele Menschen, auch junge Menschen. Es erfüllt mich mit Befriedigung, dass dieser vielen Opfer jährlich gedacht wird und natürlich wurden in alle Gebete auch die neuen Opfer des jetzigen Krieges mit einbezogen.


Rosmarie S antwortete am 23.03.03 (08:48):

Ernst:
> Warum sollte sich Mister DoubleJuh auch seine Nachrichten im Fernsehen anschauen, wo er doch am besten weiß, daß sein ... Volk diese Nachrichten nur gefiltert und verdreht vorgesetzt bekommt? Er hat bessere Informationsquellen, als den staatlich manipulierten Journalismus.

Auweia, ich fürchte, du triffst den Nagel auf den Kopf!

Ich hörte eine Amerikanerin dazu frustriert-spöttisch bemerken: "Bush schaut keine Nachrichten - Er macht sie!"


Rena antwortete am 12.04.03 (22:31):

Liebe Wanda, ich wohne in der Nähe von Eschede. Als das dortige Unglück mit dem ICE geschah, wurden besonders Menschen, die an Krieg und Flucht erinnert wurden, erneut aufgewühlt. Sie erlebten schlaflose Nächte, somatisierten unterschiedlich und brauchten zum Teil monatelang therapeutische Hilfe, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Frühere Erfahrungen hinterlasssen Spuren, die bei entsprechenden aktuellen Ereignissen einfach "angetriggert" werden. Herzlichen Gruß Rena

Internet-Tipp: https://www.ambulante-regressionstherapie.de


Marianne Schmitt antwortete am 13.05.03 (17:26):

Ayurveda. Da ich schon fast 2 Jahre an nicht geklärten Gangstörungen leide, interessiert es mich jemanden zu hören, Der über "Ayurveda"" Bescheid weiß. Man will ja nichts unversucht lassen und da wurde mir vorhin empfohlen. Hat jemand Erfahrung damit? Vielen Dank Marianne SchmittM