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THEMA:   Gedichte Kapitel 14

 120 Antwort(en).

Heidi begann die Diskussion am 22.06.01 (22:17) mit folgendem Beitrag:

S o m m e r

Der Abend naht, die Felder ruhn,
Des Bächleins Murmeln hört man nun,
Das sonst im Taglärm untergeht.
Die Wiesen schlafen halb gemäht,
Das Lied der Sense ist verweht.

Des Schnitters Ruf, der Hunde Laut -
Verklungen, bis der Morgen graut.
Der Erntetag im Juniheu
Verging und wird erst morgen neu.

Da strömt ein Duft ins Tal hinunter
Von wildem Thymian und Holunder.
Von Minze und von Heckenrosen
Will uns ein sanfter Hauch umkosen.

Am Horizont in klarer Ferne,
Da blinken schon die ersten Sterne.
Bald kommt der Mond auf leisen Schuh'n -
Der Abend naht, die Felder ruhn.

Matthew Arnold


admin/seniorentreff antwortete am 22.06.01 (22:58):

Kapitel 13 wurde archiviert und kann unter
/seniorentreff/de/diskussion/archiv4/a132.html
nachgelesen werden

(Internet-Tipp: /seniorentreff/de/diskussion/archiv4/a132.html)


Heidi antwortete am 23.06.01 (00:01):

Graslied

Sie hatte ihr Zimmer mit Gras besät,
den ganzen Fußboden voll
Sie gab ihre Sehnsucht, die weiße hinein
und bunte Lieder in moll.

Und der Mond in der Nacht
hat heimlich gelacht
und Sonnenwendträume dazugepackt.

Da lief sie barfuß, und jeder Halm
schenkte ihr eine Handvoll Tau.
Sie tauchte voll Lust in das Grün hinab
und fühlte sich himmelblau.

Doch dann kam er, trat mit festem Schritt
auf die grünblauen Flügel ein.
Er konnte den Teppich aus Gras nicht sehn,
blieb taub für sein Wispern und Schrei'n.

Doch Tautropfen fing sie auf, sie spürt',
die waren weich wie die Haut,
die er trug, wenn er schlief in den Armen der Nacht ;
In der Nacht war er ihr vertraut.

Sie hatte ihr Zimmer mit Gras besät,
den ganzen Fußboden voll.
Sie gab ihre Sehnsucht, die weiße, hinein
und bunte Lieder in moll.

Und der Mond in der Nacht
hat heimlich gelacht
und Sonnenwendträume dazugepackt

von Ramona Jakob

(Internet-Tipp: https://www.gedichte.de/gedichte/autoren/raj.htm)


sieghard antwortete am 23.06.01 (12:54):


Beim Himmel, dieses Kind ist schön!
So etwas hab ich nie gesehn.
Sie ist so sitt- und tugendreich,
Und etwas schnippisch doch zugleich.
Der Lippe Rot, der Wange Licht,
Die Tage der Welt vergess ich's nicht!
Wie sie die Augen niederschlägt,
Hat tief sich in mein Herz geprägt;
Wie sie kurz angebunden war,
Das ist nun zum Entzücken gar!


Goethe, Faust I, 2609ff

.


:-)) antwortete am 23.06.01 (13:43):

Goethe: Faust I, 1093-1151

Schwindet, ihr dunkeln
Wölbungen droben!
Reizender schaue
Freundlich der blaue
Aether herein!
Wären die dunkeln
Wolken zeronnen!
Sternelein funkeln,
Mildere Sonnen
scheinen darein.
Himmlischer Söhne
Geistige Schöne,
Schwankende Beugung
Schwebet vorüber.
Sehnende Neigung
Folget hinüber;
Und der Gewänder
Flatternde Bänder
Decken die Länder,
Decken die Laube,
Wo sich fürs Leben,
Tief in Gedanken,
Liebende geben.
Laube bei Laube!
Sprossende Ranken!
Lastende Traube
stürzt ins Behälter
Drängender Kelter,
Stürzen in Bächen
Schäumende Weine,
Rieseln durch reine,
Edle Gesteine,
Lassen die Höhen
Hinter sich liegen,
Breiten zu Seen
Sich ums Genügen
Grünender Hügel.
Und das Geflügel
Schlürfet sich Wonne,
Flieget der Sonne,
Flieget den hellen
Inseln entgegen,
Die sich auf Wellen
Gaukelnd bewegen;
Wo wir in Chören
Jauchzende hören,
Über den Auen
Tanzende schauen,
Die sich im Freien
Alle zerstreuen.
Einige klimmen
Über die Höhen,
Andere schwimmen
Über die Seen,
Andere schweben;
Alle zum Leben,
Alle zur Ferne
Liebender Sterne,
Seliger Huld.


sylvia antwortete am 23.06.01 (22:06):

Liebe Heidi, Rosmarie und Waltraut!
Da ich gestern nicht zu Hause war, habe ich erst heute Gelegenheit, die gestrigen Beiträge zu lesen. Ich bin einigermassen konsterniert darüber, dass es nicht erlaubt sein soll, sich zu Gedichten, die im Forum erscheinen zu äussern, bloss weil es um Politik geht. Da waren doch auch schon Bemerkungen und Stellungnahmen in Prosa zu lesen zu anderen Themen. Warum wollt Ihr politische ausschliessen? Mit ebensoviel Grund könntet Ihr darauf verwiesen werden, dass es eine Rubrik "über die Liebe" gibt, wo all die Liebesgedichte plaziert werden könnten. In "Gedichte", meine ich, soll jedes Thema Platz haben. Das Leben und die Liebe (auch die der Vöglein und der Lämmlein..,) haben nun mal auch ihre Schattenseiten. Die dürfen auch zum Ausdruck kommen, auch diskutiert werden.
Herzlich grüsst Euch Sylvia


Rosmarie S antwortete am 23.06.01 (22:48):

Liebe Sylvia,

an sich bin ich der selben Meinung wie du.
Was mich an der Kritik oben sehr gestört hat, war ihr vorwurfsvoller Ton. Hier wurde meiner Meinung nach in harten Worten beanstandet, dass solche ideologisch gefärbten Gedichte ins Forum gesetzt wurden. DAS hat mich gestört!

Ich finde jedes Gedicht, was - aus Gründen auch immer - jemanden tief anspricht, sollte auch geduldet werden. Wenn darin eine politische Richtung zum Ausdruck kommt, die einem nicht liegt, so kann man das ruhig sagen. Aber in einem Gedichtforum solch deutliche Vorhaltungen wegen zweier Gedichte zu machen, die durchaus aus ihrer Zeit heraus zu verstehen waren, das halte ich nicht für angemessen.

Herzliche Grüße
Rosmarie


sylvia antwortete am 23.06.01 (23:31):

Liebe Rosmarie!

Du hörst einen vorwurfsvollen Ton in Hans-Jürgens Stellungnahme. Er schreibt lediglich, dass er entsetzt ist. Ist bins auch. Das ist seine Meinung, das ist meine Meinung. Es ist das "ewig Gestrige", das da mitschwingt. Da läuft's mir kalt über den Rücken. Es gibt noch manches Gedicht, das aus seiner Zeit heraus zu verstehen wäre und trotzdem besser nicht mehr zitiert wird. Das, Rosmarie, ist auch einfach meine Meinung!
Um zu verdeutlichen, was ich meine, will ich ein Gedicht einfügen, das aus seiner Zeit heraus auch verstanden werden könnte. Trotzdem wird mir speiübel, wenn ich das lese und dran denke, dass wir das als Schulkinder - weiss Gott warum - mit Inbrunst gesungen haben.

Sempacherlied

Laßt hören aus alter Zeit
Von kühner Ahnen Heldenstreit,
Von Speerwucht und wildem Schwertkampf,
Von Schlachtstaub und heißem Blutdampf!
Wir singen heut' ein heilig Lied;
Es gilt dem Helden Winkelried.
Bei Sempach der kleinen Stadt
Manch Ritter wohl gespottet hat.
Der Heertroß zerstampft das Kornfeld;
Doch warnend ruft dort ein Kriegsheld:
"In kurzem bringt euch blutig roth
Ein Eidgenoß das Morgenbrod."

Man ziehet ins Schlachtgewühl
Zum heißen Kampf; der Tag war schwül.
Im Stahlkleid gar grausig furchtbar,
Stand �streichs geübte Kriegsschaar..
Doch kühlt der Tod bald ihren Muth,
In unserm Land wallt Schweizerblut.
Sie stürzen mit freier Brust,
Im Herzen Muth uns Siegeslust,
Zum Kampfplatz, wo man in Schlachtwuth
Dumpf brüllend sich wälzt im Herzblut.
Es trotzt das Heer, die Noth wird groß,
Und man stirbt vom Speeresstoß.
"Erhaltet mir Weib und Kind,
Die eurer Hut empfohlen sind!"
Ruft Struthan, umfaßt mit Mannskraft,
Drückt nieder der langen Speerschaft,
Gräbt's in die weite Heldenbrust,
Mit Gott der Freiheit sich bewußt.

Und über die Leiche tritt
Das Heldenvolk in Sturmesschritt.
Der Schwertschlag erblitzet furchtbar,
Im Helmglanz erbleicht die Mordschaar;
Und ertönt von Berg zu Thal
Der freien Nachwelt Siegeshall.

Ich wünsche Dir eine gute Nacht und einen schönen Sonntag.


Heidi antwortete am 24.06.01 (00:02):

Wilhelm Tell

Wenn rohe Kräfte feindlich sich entzweien
Und blinde Wuth die Kriegesflamme schürt;
Wenn sich im Kampfe tobender Parteien
Die Stimme der Gerechtigkeit verliert;
Wenn alle Laster schamlos sich befreien,
Wenn freche Willkür an das Heil'ge rührt,
Den Anker löst, an dem die Staaten hängen:
- Da ist kein Stoff zu freudigen Gesängen.

Doch wenn ein Volk, das fromm die Heerden weidet,
Sich selbst genug, nicht fremden Guts begehrt,
Den Zwang abwirft, den es unwürdig leidet,
Doch selbst im Zorn die Menschlichkeit noch ehrt,
Zum Glücke selbst, im Siege sich bescheidet:

- Das ist unsterblich und des Liedes werth.
Und solch ein Bild darf ich dir freudig zeigen,
Du kennst's, denn alles Große ist dein eigen.


Schiller

:-)) In diesem Sinne.. Gute Nacht an alle


sieghard antwortete am 24.06.01 (07:16):


GRETCHEN:

Meine Ruh ist hin,
Mein Herz ist schwer;
Ich finde sie nimmer
und nimmermehr.

Wo ich ihn nicht hab,
Ist mir das Grab,
Die ganze Welt
Ist mir vergällt.

Mein armer Kopf
Ist mir verrückt,
Meiner armer Sinn
Ist mir zerstückt.

Meine Ruh ist hin,
Mein Herz ist schwer,
Ich finde sie nimmer
und nimmermehr.

Nach ihm nur schau ich
Zum Fenster hinaus,
Nach ihm nur geh ich
Aus dem Haus.

Sein hoher Gang,
Sein edle Gestalt,
Seines Mundes Lächeln,
Seiner Augen Gewalt,

Und seiner Rede
Zauberfluss,
Sein Händedruck,
Und ach! sein Kuss!

Meine Ruh ist hin,
Mein Herz ist schwer,
Ich finde sie nimmer
und nimmermehr.

Mein Busen drängt
Sich nach ihm hin,
Ach dürft ich fassen
Und halten ihn,

Und küssen ihn,
So wie ich wollt,
An seinen Küssen
Vergehen sollt!


[Goethe, Faust I, 3374ff]

.


sieghard antwortete am 24.06.01 (07:58):


mit dem Brecht-Gedicht

Deutschland überfiel die SU vor
60 Jahren am 21. 6. 1941.
Dazu machte Bertold Brecht
dieses Gedicht:
"Und was bekam des Soldaten Weib...

hatte ich unbewusst am 22.6. noch in Gedichte
13 die darauf folgende Diskussion in Gang ge-
bracht. Foren sind auch zum Diskutieren da.
Indes "In Gedichte...." ist es besser, es stehen
primär Gedichte drin. Was mich an Brecht in
erster Linie interessiert, ist seine hervorragende
Sprache und Dichtkunst, die gemäß Kenner-
urteilen zum Besten des 20. Jh. gehören. Politik
etc. ist in diesem Zusammenhang für mich we-
niger wichtig.

Danke für euer Interesse und beste Sonntags-
grüße

.


Brita antwortete am 24.06.01 (08:05):

Neue Liebe - Neues Leben

Herz, mein Herz, was soll das geben?
Was bedränget dich so sehr?
Welch ein fremdes, neues Leben!
Ich erkenne dich nicht mehr.
Weg ist alles, was du liebtest,
Weg, warum, du dich betrübtest,
Weg dein Fleiß und deine Ruh -
Ach, wie kamst du nur dazu!

Fesselt dich die Jugendblüte,
Diese liebliche Gestalt,
Dieser Blick von Treu und Güte
Mit unendlicher Gewalt?
Will ich rasch mich ihr entziehen,
Mich ermannen, ihr entfliehen,
Führet mich im Augenblick,
Ach, mein Weg zu ihr zurück.

Und an diesem Zauberfädchen,
Das sich nicht zerreißen läßt,
Hält das liebe, lose Mädchen
Mich so wider Willen fest;
Muss in ihrem Zauberkreise
Leben nun auf ihre Weise.
Die Veränderung, ach, wie groß!
Liebe! Liebe! laß mich los!

Goethe


Rosmarie S antwortete am 24.06.01 (08:38):

Liebe Sylvia,

deine Argumente überzeugen mich. In meinen Augen hast du recht!

Aber an deiner Art zu diskutieren kann man auch sehen, dass es ohne schroffe Zurechtweisung des Gegenübers geht. Die besseren Argumente sind halt die besseren Argumente... :-)))

Danke und dir einen schönen Sonntag - und allen anderen natürlich auch!

Rosmarie


Karl antwortete am 24.06.01 (09:09):

Nun noch ein Beitrag in Prosa. Sylvia sagt, dass ihr speiübel wird, wenn sie das von ihr zitierte Gedicht liest. Das geht uns wohl allen so. Der Anlass der Diskussion war u.a. aber folgendes Gedicht von Matthias Claudius, dass Stephan so kritisiert hat - und da sehe ich von der inhaltlichen Seite keine Probleme. Wer immer und von welcher Gruppe es instrumentalisiert wurde, sei mir egal, inhaltlich kann ich dazu voll stehen und finde es eine sehr schöne Distanzierung eines Individuums von einem Krieg, an dessen Zustandekommen es keinen Anteil hat, ihn aber erleiden muss.

Kriegslied

von Matthias Claudius

S`ist Krieg!S`ist Krieg!O Gottes Engel wehre
und rede du darein!
S`ist leider Krieg - und ich begehre
nicht schuld daran zu sein!

Was sollt` ich machen,wenn im Schlaf mit Grämen
und blutig,bleich und blaß
die Geister der Erschlagenen zu mir kämen
und vor mir weinten,was?

Wenn wackre Männer,die sich Ehre suchten,
verstümmelt und halb tot
im Staub sich vor mir wälzten und mir fluchten
in ihrer Todesnot?

Wenn tausend,tausend Väter,Mütter,Bräute,
so glücklich vor dem Krieg,
nun alle elend,alle arme Leute,
wehklagten über mich?

Wenn Hunger,böse Seuch` und ihre Nöten
Freund,Freund und Feind ins Grab
versammelten und mir zur Ehre krähten
von einer Leich herab?

Was hülf mir Kron und Land und Gold und Ehre?
Die könnten mich nicht freun!
S`ist leider Krieg - und ich begehre
nicht schuld daran zu sein!


MfG Karl


Herbertkarl Huether antwortete am 24.06.01 (11:17):


vielleicht

wer schon des duerren tages fruechte sammelte
eh der herbst der dicken zeit
sein laub dem leben gab
so sag ich vielleicht
dass kein grund in der vielzahl der welten
dem einen grund ein beispiel geben darf
das ohne erklaerung sich selber beweisst

lasse wirken das wogen des gestundeten lebens
wenn graue luefte den ton angeben
nach durchzechten stunden
eines abgelaufenen chronometers


stille schreie nach lebendigkeit
versuchen ein ohr zu erhaschen
bevor sie den gang in die heimatlosigkeit
der verhaerteten herzen antreten

schreiendes papier endet in bunten Punkten
macht kleckse ins gesicht
das farbloser nicht werden kann

hkh


Heidi antwortete am 24.06.01 (12:36):

Liebe Sylvia,
in diesem Forum kann jeder alles schreiben, sofern es nicht gegen die www-üblichen Kriterien verstösst.

Bedenken solltest Du aber, dass die Themenüberschrift "Gedichte" heisst und dass es sehr viele stille Leser gibt, die hier Gedichte lesen wollen, bestenfalls noch Kommentare zu Gedichtsinhalten oder zu den Autoren aber keine politischen Diskussionen die sich vom eigentlichen Gedicht entfernen (seien sie auch noch so interessant). Daher mein Vorschlag, die Diskussion im geeigneten Politik-Forum weiter zu führen.

Wie gesagt, ein Vorschlag, ganz privat von mir. Niemand "erlaubt" oder "verbietet" hier und die Thematik der einzelnen Gedichtsbeiträge ist jedem selbst überlassen.

Herzlichen Gruss... Heidi


Heidi antwortete am 24.06.01 (13:57):

auch wenn es schon Mittag ist :-):

Die Morgenpredigt

Die Felder lagen still und schwer,
Der Sommer brachte Segen.
Wir gingen kreuz und gingen quer
Und kamen von den Wegen.

Es stand ein roter Mohn im Korn
Und eine weiße Winde,
Es hing ein kleines Nest im Dorn,
Aus Halmen und aus Rinde.

Ein Sonntag war's, das Dorf versteckt
In Andacht und in Frieden,
Und wir, von Wall und Busch umheckt
Von allen abgeschieden.

Dort fiel nun wohl vom Kanzelbord
In die erbaute Menge
Gar manches gute Liebeswort
Und manches Wort der Strenge.

Hier ward uns eine Predigt rings
Aus Sonne und aus Stille,
Das Leuchten eines Schmetterlings,
Das Zirpen einer Grille.

Und hier und da ein Liebeswort
So abseits von den Wegen.
Die �hren wogten leise fort,
Der Sommer brachte Segen.

(Gustav Falke)


Burlala antwortete am 24.06.01 (15:47):

Ohne Trost auf der Welt
Der Nachttopf sprach zur Blumenvase:
�Madam, wie haben sie es gut,
bei mir rümpft jeder gleich die Nase,
Sie ahnen nicht, wie weh das tut.�
Die Vase sprach mein liebes Töpfchen,
man zwang Sie doch zu ihrem Los;
zermartern Sie drob nicht ihr Köpfchen,
das ruiniert die Nerven bloß.

Ich muss es ihnen frei gestehen,
mit mir ist neulich kurzer Hand,
genau das Nämliche geschehen.
Weil man Sie nicht im Zimmer fand
hab' ich die Rolle übernommen
man muss ja alles mal probier'n.
Im Leben kann es komisch kommen,
da kann uns Gottweißwas passieren.�

Das Töpfen sagte dennoch triste:
�Das ist kein Trost der mir gefällt,
ich glaube, dass sich keiner findet,
der einmal in mich Blumen stellt.

Ein Gedicht von Robert T. Odeman


eva antwortete am 24.06.01 (16:47):

Für JUSTUS, gefallen Nov. 1944, gerade 21-jährig


Du starbst viel zu früh; die wenigen Spuren,
die nach dir blieben, sie sind schon schon lange verweht.
Keine Witwe trauert um Dich, es trägt kein Kind deinen
Namen,
du bautest kein Haus, du pflanztest auch nicht einen Baum.
Das Elternhaus ist verbrannt, die Stätten der Kindheit
verwüstet,
die Heimat ist fremd und zerstört, die Freunde verstreut
in der Welt.
Die einst um dich weinten, sie sind ja längst auch
entschlafen -
so schlafe auch du. - Kein Grab, keine Tafel
kündet von dir; vielleicht einst ein birkenes Kreuz,
das längst schon vermorscht. - Aber die Erde,
so fremd sie auch sei, wird mütterlich dich umfangen,
im Winter deckt dich der Schnee, im Sommer das wogende Gras.
Und roter Mohn erinnert vergossenes Blut. Ja, schlafe nur,
schlafe.
Zuweilen jedoch, am trüben Novemberabend, läßt eine alte
Frau
mit müden Augen und grauem Haar vergilbte Fotografien
durch ihre Hände gleiten und sucht das vergessne Gesicht.
In der Erinnerung der kleinen Schwester von einst
lebst du noch als blasser Schatten, bis auch ihr Leben
erlischt.


eKr

Mein - wie immer verspäteter - Beitrag zum Andenken an den
Krieg im Osten. - Zum Einwand von Hans Jürgen hätte ich
ihm persönlich gerne etwas gesagt, kenne aber seine e-mail-
Adresse nicht. Vielleicht meldest Du Dich bei mir ? eva


Luzia antwortete am 24.06.01 (22:53):



Überlaß es der Zeit

Theodor Fontane

Erscheint dir etwas unerhört,
bist du tiefsten Herzens empört,
bäume nicht auf,versuchs nicht mit Streit,
berühr es nicht,überlaß es der Zeit.
Am ersten Tag wirst du feige dich schelten,
am zweiten läßt du dein Schweigen schon gelten,
am dritten hast du`s überwunden;
alles ist wichtig nur auf Stunden,
�rger ist Zehrer und Lebensvergifter,
Zeit ist Balsam und Friedensstifter.


Hans-Jürgen antwortete am 25.06.01 (00:25):

An Eva

Ich hab' Dir privat gemailt und grüße Dich,
Hans-Jürgen.


Heidi antwortete am 25.06.01 (08:24):

Morgenlied

Wir rufen die Erde,
die durch die Maisähre dargestellt wird.
Sie hat während der Nacht geschlafen und geruht.
Wir bitten sie,
aufzuwachen,
sich zu bewegen,
sich zu erheben,
denn im Osten sieht man die Zeichen der Morgendämmerung,
und der Atem des neuen Lebens ist hier...

Mutter Erde ist die erste,
die gerufen wird,
um aufzuwachen,
damit sie den Atem des neuen Tages empfangen kann.
Mutter Erde hört den Ruf;
sie bewegt sich,
sie erwacht,
sie erhebt sich,
sie fühlt den Atem der neugeborenen
Morgendämmerung.
Die Blätter und Gräser rühren sich,
alle Dinge bewegen sich mit dem Hauch des
neuen Tages.
Überall wird das Leben erneuert.

(Morgenlied des Kurabus, Pawnee)
aus Indianischer Sonnengesang, Rolf Kaiser, Herder-Verlag

Ich wünsche allen einen guten Tag :-)


Dietlinde antwortete am 25.06.01 (09:05):



Hallo liebe Heidi,

danke für Dein schönes "Morgenlied" aus dem Indianischen Sonnengesang. Es ist wunderschön!

Ich wünsche allen Freundinnen und Freunden des Seniorentreffs einen sonnigen Montag!

Liebe Grüße
Dietlinde


sieghard antwortete am 25.06.01 (09:29):


Ingeborg Bachmann
hätte heute 75. Geburtstag


FRÜHLING 1946

Holde Anemone,
Bist du wieder da
Und erscheinst mit heller Krone
Mir Geschundenem zum Lohne
Wie Nausikaa?

Windbewegtes Bücken,
Woge, Schaum und Licht!
Ach, welch sphärisches Entzücken
Nahm dem staubgebeugten Rücken
Endlich sein Gewicht?

Aus dem Reich der Kröte
Steige ich empor,
Unterm Lid noch Plutons Röte
Und des Totenführers Flöte
Gräßlich noch im Ohr.

Sah in Gorgos Auge
Eisenharten Glanz,
Ausgesprühte Lügenlauge
Hört ich flüstern, daß sie tauge,
Mich zu töten ganz.

Anemone! Küssen
Laß mich dein Gesicht:
Ungespiegelt von den Flüssen
Styx und Lethe, ohne Wissen
Um das Nein und Nicht.

Ohne zu verführen,
Lebst und bist du da,
Still mein Herz zu rühren,
Ohne es zu schüren -
Kind Nausikaa!

.


Luzia antwortete am 25.06.01 (11:25):

Einige Gedanken von Wilhelm Busch(1832 - 1908)

Reicht den Becher in die Runde!
Freudig preisen wir die Stunde,
wo wir uns aus fernen Landen
brüderlich zusammenfanden
zu dem schönsten Jugendbunde.

Alter Neid, der uns verblieben,
alter Haß, er sei vertrieben.
Wer da haßt, der lebt vergebens,
denn die Summe unsres Lebens
sind die Stunden, die wir lieben.

Wo wir irren, wo wir fehlen,
wollen wir uns nicht verhehlen;
aber heimlich und im Rücken
der Verleumdung Dolch zu zücken,
bleibe den gemeinen Seelen.

Was wir denken, was wir streben,
was wir lieben und erleben,
sei vereint in diesen Stunden
doppelt schön von uns empfunden,
unsre Herzen zu erheben.

Dieser Geist, der uns durchdrungen,
lebe frisch und ungezwungen
immer fort in diesen Hallen,
wenn wir längst in Staub zerfallen
und dies Lied schon längst verklungen.


Heidi antwortete am 26.06.01 (09:08):

Weil so viele tagtäglich achtlos an den ganz alten Menschen vorbei gehen:

Alte Frau

Alte Frau auf dem Feld,
tief gebückt, unbewegt,
still.
Welche Gedanken leben
hinter diesen traurigen schwarzen Augen?
Wie nahe du der Erde bist,
wie tief du dich gebückt hast!
In den Schatten, die länger werden,
scheinst du ein Stein zu sein
zum kahlen Horizont.
Und die strahlende Sonne deiner Jugend
ist langsam hinter dir untergegangen.
Alte Frau,
ich weiß, wer du bist.
Ich weiß,
dieses karge unfruchtbare Land,
auf dem ich stehe,
war einst ein Wald.
Und du,
alte Frau,
hattest Leben und Schönheit,
Kraft und Leidenschaft,
Liebe und Überfluß,
Freiheit und die Nähe der Götter.
Birken riefen dir zu:
"Nimm meine Rinde,
so daß du schläfst in meinen Armen."
Und die großen Tiere der Wälder
liehen dir ihr Fell
und sagten:
"Laß meine Wärme deine Wärme sein,
mach dir ein Kissen für den Kopf."
Und Vögel schwebten herab
und legten dir ihre schönsten Federn zu Füßen
und baten dich,
sie zu tragen.
Denn du warst ihr Kind,
ihr goldbraunes Kind,
das ihnen Loblieder sang
und ihre Tänze tanzte.

Welche Gedanken hast du,
welches ist dein letztes Wort,
bevor du deine Seele
der Ewigkeit anvertraust?

(Duke Redbird, Ojibwa) in Indianischer Sonnengesang (s.o.)


Luzia antwortete am 26.06.01 (09:50):

Heidi,Du hast recht,aber ich glaube,daß die meisten nur aus Gleichgültigkeit an den sehr Alten vorbeigehen.
Dazu habe ich folgendes gefunden:

Weltlauf

von Eugen Roth

Ein Mensch, erst zwanzig Jahre alt,
beurteilt Greise zimlich kalt
und hält sie für verkalkte Deppen,
die zwecklos sich durchs Leben schleppen.
Der Mensch, der junge, wird nicht jünger:
Nun, was wuchs denn auf seinem Dünger?
Auch er sieht, daß trotz Sturm und Drang,
was er erstrebt, zumeist mißlang,
daß auf der Welt als Mensch und Christ
zu leben, nicht ganz einfach ist,
hingegen leicht, an Herrn mit Titeln
und Würden schnöd herumzukritteln.
Der Mensch, nunmehr bedeutend älter,
beurteilt jetzt die Jugend kälter,
vergessend früheres Sich-Erdreisten:
"Die Rotzer sollen erst was leisten!"
Die Jugend wiedrum hält..........
Genug--- das ist der Lauf der Welt.


Heidi antwortete am 26.06.01 (21:06):

Lassen wir die nordamerikanischen Indianer weiter sprechen:

Jeden Tag,
da ich nach draußen gehe
und Dank sage,
sehe ich auf die weißen Regenwolken,
die Bergzüge,
die Bäume und Kakteen.

Da ich die heilige Luft einatme,
die mir Leben gibt -
da ich auf der Erde stehe,
vor der ich Achtung habe -
da ich die kleinen Kinder sehe,
wie sie spielen:

Da weiß ich,
daß alles der Mühe wert ist,
daß jeder Atemzug der Mühe wert ist.

(Danny Lopez, Papago) in Indianischer Sonnengesang..


sieghard antwortete am 26.06.01 (22:08):

.
.
.
ein sonniger tag
blauer himmel überall
grünen und blühen
.
.
.


Heidi antwortete am 26.06.01 (22:44):

Ein letztes Lied aus dem Buch der Indianer

Wenn ich das letzte Lied singe

Laß es schön sein,
Wenn ich das letzte Lied singe.
Laß es Tag sein,
Wenn ich das letzte Lied singe.

Ich möchte auf meinen beiden Füßen stehen,
Wenn ich das letzte Lied singe.

Ich möchte mit meinen Augen hochblicken,
Wenn ich das letzte Lied singe.

Ich möchte,
Daß die Winde meinen Körper umschließen,
Wenn ich das letzte Lied singe.

Ich möchte,
Daß die Sonne auf meinen Körper scheint,
Wenn ich das letzte Lied singe.

Laß es schön sein,
Wenn ich das letzte Lied singe.
Laß es Tag sein,
Wenn ich das letzte Lied singe.

(Indianisches Sterbelied)..


Gisa Ruf antwortete am 27.06.01 (11:12):

Juninacht folgte leichtgläubig dem ersten Hahnenschrei,
die Eichen halten dem Haus keine Laubreden mehr;
jetzt ist blaue Windstille ausgegossen,
der Teich trägt die Siegel der Wasserosenblätter.

Gestern sammelten sich dort die Sterne:
Orion verharrte am Ufer, den Fröschen entfuhr
knarrend der Große Wagen.

Dem Klostergarten entströmt Vergangenheit,
Jasminschwaden treibt am staubigen Feldweg entlang.
Die Kühe sind ganz vertieft in die Blütezeit.

Immer wieder verfallen die Augen dem Horizont,
der mit flüchtiger Waldgebärde
das grüne Fest der buschigen Ebene segnet.

C.Guesmer


Dora/Mille antwortete am 27.06.01 (17:36):

Für Dina und Kurt

Eure Liebe

Eure Liebe ist wie die Sonne,
die strahlend und wärmend
die Welt um Euch erhellt.
Die Stube ist dunkel, Ihr tretet ein,
und schon ist es wie ein Sonnenschein
so lieblich und hell.

Fort sind die dunklen Gedanken,
weg der Seelenschmerz
Ich möcht Euch hier mal danken
weit öffnet sich mein Herz.

Mit Eurem fröhlichen Wesen
verscheucht Ihr alle Pein.
Wie wenn sie nie gewesen,
Die Sorgen werden klein

Wenn doch mal dunkle Wolken
sich zeigen am Himmelszelt,
dann wisst, ein herzliches Lachen
erobert die ganze Welt !

Drum bleibt genau so, wie Ihr seid,
seid fröhlich, guten Muts!
Bedenket, dass die Fröhlichkeit
viel Leid verscheuchen tut.

Ich wünsch euch nun zu Eurem Feste
und für das Leben zu zweit
vom allem Guten nur das Beste,
und Gott behüt� vor allem Leid!


Dora/Mille antwortete am 27.06.01 (18:20):

Crony, wo bist Du?

Ach Crony, lieber kleiner Wicht,
Bist heut� bei Andern, statt bei mir !
Ich komm nicht weiter,es reimt sich nicht !
Euch bitt ich darum, helfet mir!

Wie kann ich es nur schöner bringen,
das Gedicht, das die Liebe besingt ?
Genau so, wie ich es empfinde,
wenn die Beiden bei mir sind ?

Muss es sich denn immer reimen,
oder kann es auch mal ohne gehn ?
Ich weiss es nicht und ich will meinen,
besser als ich könnt Ihr es verstehn !

Der 4. August ist der grosse Tag,
an dem sie sich vereinen,
der Kurt und die Dina, und jeder mag
seinen Beitrag dazu reimen.

Ich werd� ein Heftchen daraus machen
für ihre Hoche Zeit.
Schreibt dazu auch mal was zum Lachen !
sowas kriegt niemand, weit und breit!

Ich möcht Euch schon zum Voraus danken ,
vergesst die Mailadresse nicht,
so können sie sich auch bedanken
und Ihr dankt dann dem kleinen Wicht !

Dora/Mille


Heidi antwortete am 28.06.01 (01:07):

DER GEWITTERABEND

O die roten Abendstunden!
Flimmernd schwankt am offnen Fenster
Weinlaub wirr ins Blau gewunden,
Drinnen nisten Angstgespenster.

Staub tanzt im Gestank der Gossen.
Klirrend stößt der Wind in Scheiben.
Einen Zug von wilden Rossen
Blitze grelle Wolken treiben.

Laut zerspringt der Weiherspiegel.
Möven schrein am Fensterrahmen.
Feuerreiter sprengt vom Hügel
Und zerschellt im Tann zu Flammen.

Kranke kreischen im Spitale.
Bläulich schwirrt der Nacht Gefieder.
Glitzend braust mit einem Male
Regen auf die Dächer nieder.

Trakl

So ähnlich war es heute abend hier bei uns :-)


eva antwortete am 28.06.01 (08:09):


Sehnsucht

Es schienen so golden die Sterne,
Am Fenster ich einsam stand
Und hörte aus weiter Ferne
Das Posthorn im stillen Land.
Das Herz mir im Leibe entbrennte,
Da hab ich mir heimlich gedacht :
Ach, wer da mitreisen könnte
In der prächtigen Sommernacht !

Zwei junge Gesellen gingen
Vorüber am Bergeshang,
Ich hörte im Wandern sie singen
die stille Gegend entlang :
Von schwindelnden Felsenschlüften,
Wo die Wälder rauschen so sacht,
Von Quellen, die von den Klüften
Sich stürzen in die Waldesnacht.

Sie sangen von Marmorbildern,
Von Gärten, die überm Gestein
In dämmernden Lauben verwildern,
Palästen im Mondenschein,
Wo die Mädchen am Fenster lauschen,
Wenn der Lauten Klang erwacht,
Und die Brunnen verschlafen rauschen
In der prächtigen Sommernacht.

Eichendorff


Heidi antwortete am 28.06.01 (10:49):

Reiner Kunze

Noch dürfen wir nicht zurück zur erde, obwohl wir
an ihr haften

Noch ist das letzte ziel der kamera
nicht fotografiert

Die fliegende dämmerung überholen, das zielfoto
wird entscheiden

An der windschutzscheibe flügel
winziger erschlagener engel


Wolfgang antwortete am 28.06.01 (14:21):

Wie kommt es...

Wie kommt es, daß man heutzutag
sich auch dann und wann
noch einmal freuen kann?
Wie kommt es, daß man so etwas riskiert?
Wie kommt es, daß ein toter Baum
wieder Wurzeln schlägt,
vielleicht auch Blüten trägt?
Wie kommt es, daß er's überhaupt probiert?

Man stirbt ein paar Tage,
auf einmal bemerkt man,
die Nacht ist vorüber, das Gestern ist vorbei.
Wie kommt es, daß man eines Tags
wieder glauben kann
und sich erlauben kann,
zu singen, so als wär es plötzlich Mai?

Man lernt neue Lieder.
Man hofft noch.
Wie oft noch?
Man lacht überschwenglich und überlebensfroh.
Wie kommt es, daß man weiterdrängt
und vielleicht sogar wieder an Liebe denkt?
Wie kommt es? Und wie lange bleibt es so?

Ein Lied von der CD "Lola Blau" - Topsy Küppers, Georg Kreisler, Heinz Hruza (Klavier)

(Internet-Tipp: https://www.georgkreisler.de/)


:-) Heidi antwortete am 28.06.01 (14:58):

wie kommt es?

weil wir Menschen sind
gibt es immer wieder
einen Neubeginn

weil wir Menschen sind
gibt es immer wieder
einen neuen Sinn

weil wir Menschen sind
steh'n wir immer wieder auf
so ist des Menschenlebens Lauf

also freu dich und singe
und liebe auf's neu
und frage nicht
wann ist es vorbei

hl


Rosmarie S antwortete am 28.06.01 (14:58):

Lieber Wolfgang,

zwar freue ich mich täglich über die von euch übermittelten Gedichte. Auch heute hat mir außer deinem Text das Gedicht von Eichendorff und Trakl (vielen Dank an Eva und Heidi!) sehr gut gefallen. Aber dieser von dir eingesetzte Liedtext ist für mich etwas ganz Besonderes!
Er strahlt soviel Positives und Mutmachendes aus. Dabei orientiert er sich offensichtlich ja durchaus an dem, was ist...
Mich plagen heute Gliederschmerzen. Wenn�s dicke kommt, neige sogar ich zum Ohrenhängenlassen. Und dann dieses Lied! Ist es nicht herrlich, dass oft ganz von allein nach einem Durchhänger die Lebensfreude wieder erwacht und wächst und wächst und übersprudelt?

Vielen Dank an dich und allen einen wunderschönen Tag noch!

Rosmarie


Georg Segessenmann,alias Georg von antwortete am 28.06.01 (17:06):

Der Sinn des Lebens

*******************

Seit ich auf dieser Erde bin
frag` ich nach des Lebens Sinn;
erfrag` den Sinn von heute, morgen;
doch der Sinn bleibt mir verborgen.
Ich frage weiter nach dem Sinn,
solang ich auf der Erde bin!

****************

Schorsch


Georg Segessenmann,alias Georg von antwortete am 28.06.01 (17:27):

Bin kein Adonis,
Schwarzenegger;
keine Frau sagt:
�Legger, legger!�
Und schau ich mal
in meinen Spiegel,
bin ich mir selber
Rätsel mit Siegel.
Die Muskeln sind
zu wenig nütze
und im Kopf ist
wenig Grütze.
Muss mich mit
wenig halt bescheiden;
drum tu ich Parties
lieber meiden.
NAJA: hab zwar nicht
Adonis` Charme,
doch bin ich
trotzdem nicht arm.
Und ich möcht`
in meinem Leben
noch manchem
Herzen Wärme geben.

Juni 2001, Schorsch


Rosmarie S antwortete am 28.06.01 (19:46):



Lieber Schorsch,

dein Gedicht vom Sinn des Lebens hat mir so gut gefallen, dass ich einfach ein bisschen weiter dichten "musste". Hoffentlich ist dir das recht?

Danke und herzlichen Gruß
Rosmarie

> Seit ich auf dieser Erde bin
> frag` ich nach des Lebens Sinn;
> erfrag` den Sinn von heute, morgen;
> doch der Sinn bleibt mir verborgen.
> Ich frage weiter nach dem Sinn,
> solang ich auf der Erde bin!

****************
Und sinnend sitzt der Sinn vor mir
und sagt: He, ich entzieh mich dir!
Denn stets, wenn du �nen Zipfel greifst,
zum tiefen Wesen weise schweifst,
entschweb ich in die weiten Sphären
und lass nichts sehen, nichts mehr hören...

Euch kleinen Menschen sag ich bloß:
Für euch bin ich doch viel zu groß!
Es sei, ihr sucht mich ganz im Kleinen,
lasst täglich mich durch Güte scheinen.
Die Liebe zeigt mich immerfort
an jedem menschlich warmen Ort.

Frag du nur weiter nach dem Sinn.
Ich leis in deinen Taten bin!
Nach Sinn-Erkenntnis kannst du streben,
doch besser ist es, voll zu leben!


sieghard antwortete am 28.06.01 (21:46):


Der Pilgrim

Noch in meines Lebens Lenze
War ich, und ich wandert' aus,
Und der Jugend frohe Tänze
Ließ ich in des Vaters Haus.

All mein Erbtheil, meine Habe
Warf ich fröhlich glaubend hin,
Und am leichten Pilgerstabe
Zog ich fort mit Kindersinn.

Denn mich trieb ein mächtig Hoffen
Und ein dunkles Glaubenswort,
Wandle, rief's, der Weg ist offen,
Immer nach dem Aufgang fort.

Bis zu einer goldnen Pforten
Du gelangst, da gehst du ein,
Denn das Irdische wird dorten
Himmlisch, unvergänglich sein.

Abend ward's und wurde Morgen,
Nimmer, nimmer stand ich still;
Aber immer blieb's verborgen,
Was ich suche, was ich will.

Berge lagen mir im Wege,
Ströme hemmten meinen Fuß,
Über Schlünde baut' ich Stege,
Brücken durch den wilden Fluß.

Und zu eines Stroms Gestaden
Kam ich, der nach Morgen floß;
Froh vertrauen seinem Faden,
Werf' ich mich in seinen Schooß.

Hin zu einem großen Meere
Trieb mich seiner Wellen Spiel;
Vor mir liegt's in weiter Leere,
Näher bin ich nicht dem Ziel
.
Ach, kein Steg will dahin führen,
Ach, der Himmel über mir
Will die Erde nicht berühren,
Und das Dort ist niemals hier!

Friedrich Schiller 1759 - 1805
.


Heidi antwortete am 28.06.01 (22:00):

..
I am a pilgrim and a stranger
Traveling through this wearisome land
I've got a home in that yonder city, good Lord
And it's not (no Lord it's not) not made by hand.

..
Gospelsong (Verfasser unbekannt)


Ruth antwortete am 28.06.01 (23:42):

Alles Gute kommt von oben

Jakob auf der Himmelsleiter
stand erstarrt -- er kam nicht weiter
und so blickte er verdrossen
auf die vielen, vielen Sprossen,
die noch vor ihm auf der Tour.
Jakob denkt: "wie schaff ich's nur
auch noch diese zu erklimmen?"
Schon begann er zu ergrimmen.

Da sprach jemand ganz von oben:
"Jakob, he, ich muss dich loben.
Welch ein Stueck hast du geschafft!
Dies sogar aus eigner Kraft.
Steige weiter bis zur Spitze!
Dich bewahrt vor Sturz und Hitze
ich, dein Gott, der stets dir nah,
alles weiss, was ja geschah
und auch, was die Zukunft bringt.
Gerade dem, der ehrlich ringt.

Ich stuetze dich und helfe dir
sei getrost, komm rauf zu mir!
Halte durch und steige weiter
auf der langen Lebensleiter!
Nicht nach unten geh dein Blick,
nichts mehr zieht dich dann zurueck.
Ein Engel soll am Zopf dich krallen,
wenn du schwach wirst und willst fallen!

Verlass dich nicht zu sehr auf dich,
gib die Hand und halte mich.
Gleich hast du dein Ziel geschafft,
ich verleih dir neue Kraft,
denn ich möcht' dich hören loben
deinen Schöpfer, wenn du oben!


eva antwortete am 29.06.01 (08:36):

Philosophie schon am frühen Morgen ... aber die Fragen
nach dem Sinn des Lebens hat schon Heinrich HEINE gestellt:

Fragen

Am Meer, am wüsten, nächtlichen Meer
Steht ein Jüngling-Mann,
Die Brust voll Wehmut, das Haupt voll Zweifel,
Und mit düstern Lippen fragt er die Wogen :

"Oh, löst mir das Rätsel des Lebens,
Das qualvoll uralte Rätsel,
Worüber schon manche Häupter gegrübelt,
Häupter in Hyroglyphenmützen,
Häupter im Turban und schwarzem Barett,
Perückenhäupter und tausend andre
Arme, schwitzende Menschenhäupter -
Sagt mir, was bedeutet der Mensch ?
Woher ist er kommen ? Wo geht er hin ?
Wer wohnt dort oben auf goldenen Sternen ?"

Es murmeln die Wogen ihr ewges Gemurmel,
Es wehet der Wind, es fliehen die Wolken,
Es blinken die Sterne gleichgültig und kalt,
Und ein Narr wartet auf Antwort.


Heidi antwortete am 29.06.01 (09:20):

Der Narr

Er war nicht unbegabt. Die Geisteskräfte
Genügten für die laufenden Geschäfte.
Nur hatt' er die Marotte,
Er sei der Papst. Dies sagt' er oft und gern,
Für jedermann zum �rgernis und Spotte,
Bis sie zuletzt ins Narrenhaus ihn sperrn.
Ein guter Freund, der ihn daselbst besuchte,
Fand ihn höchst aufgeregt. Er fluchte:
�Zum Kuckuck, das ist doch zu dumm.
Ich soll ein Narr sein und weiß nicht warum.�
�Ja�, sprach der Freund, �so sind die Leute.
Man hat an einem Papst genug.
Du bist der zweite.
Das eben kann man nicht vertragen.
Hör zu, ich will dir mal was sagen:
Wer schweigt, ist klug.�
Der Narr verstummt, als ob er überlege.
Der gute Freund ging leise seiner Wege.
Und schau, nach vierzehn Tagen grade,
Da traf er ihn schon auf der Promenade.
�Ei�, rief der Freund, �wo kommst du her?
Bist du denn jetzt der Papst nicht mehr?�
�Freund�, sprach der Narr und lächelt schlau,
�Du scheinst zur Neugier sehr geneigt.
Das, was wir sind, weiß ich genau.
Wir alle haben unsern Sparren,
Doch sagen tun es nur die Narren.
Der Weise schweigt.�

Wilhelm Busch


Heidi antwortete am 29.06.01 (09:22):

Da wir hier nicht schweigen wollen, lasst uns also alle Narren sein ;-))

Einen schönen guten Morgen an Alle!


Heidi antwortete am 29.06.01 (09:34):

Weil die Liebe und unsere Träume dem Leben Sinn geben kann :-)

Had I heavens embroidered cloths,
enwrought with golden and silver light,
the blue and the dim die blauen,
and the dark cloths of night
and the light and the half-light.
I would spread the cloths under your feet.
But I -beeing poor,
have only my dreams.
I have spread my dreams under your feet.
Tread softly
because you tread on my dreams!
(W.B. Yeats)

Hätte ich des Himmels Wolkenschmuck
durchbrochen von Gold- und Silberschimmer,
die grauen und die dunklen Wolken der Nacht
und die lichten und die der Dämmerung,
ich würde diese Wolken unter deinen Füssen ausbreiten.
Aber ich bin arm,
habe nur meine Träume.
Ich habe meine Träume unter deinen Füßen ausgebreitet
geh' sanften Schrittes
denn du gehst auf meinen Träumen.

frei übersetzt von hl


Georg Segessenmann,alias Georg von antwortete am 29.06.01 (10:43):

Zum Thema "Narren" noch dies:

Freund lass` uns
doch herzlich lachen,
lachen bis dass
die Schwarten krachen.
Doch nur wer über
sich selber lacht,
der hat auch über
sich selber Macht !

Schorsch


eva antwortete am 29.06.01 (12:48):

... nach der Morgenphilosophie noch ein mittaglicher
Nachtrag, in banalen Knittelversen :

Fragen nach dem Sinn des Lebens
reimen stets sich auf - "vergebens".
Also bleibe schön bescheiden,
lerne leben , lieben, leiden,
nütz�die Zeit, eh sie vergeht -
morgen ist vielleicht - zu spät.


eva antwortete am 29.06.01 (18:17):

Großstadtsommer - es stöhnt die gequälte Erde
unter dem Pflaster, dem Teer, dem Asphalt.
Hitze brütet über den steinernen Schluchten,
dampfende Hitze, von keinem Luftzug durchweht.

Schlaff hängen und braun die früh verwelkenden Blätter
der Strassenkastanien, staubig sind die Allee�n,
nur der süsse Duft blühender Linden
überdeckt zuweilen betäubend den Dunst von Benzin.

Amseln, die scheuen Vögel der schattigen Wälder,
blicken schamlos und dreist aus rotumränderten Augen;
während die Tauben der Gosse mit perlmuttfarbigen Hälsen,
auf korallenen Krüppelfüssen, verhalten gurren.

Wenn der Abend sich senkt, bringt er keine Erquickung,
grau und klebrig hängt der Himmel über der Stadt;
kaum ein Stern kann diesen Brodem durchdringen,
Neonlampen ersetzen den Mondenschein.

Aus den offenen Fenstern der Häuser und Autos
plärrt die Musik. Ihr hämmernder Rhythmus
mischt sich ohne Erbarmen in das Geräusch
des ewigen, nie verstummenden Autoverkehrs.

An den Tischen vor den kleinen Lokalen
sitz man verschwitzt und ermüdet, bei einem Glas Bier,
während draussen, beim Heurigen in der Vorstadt,
Wasser und Wein durch durstige Kehlen rinnt.

Und alles wartet auf Regen, auf Regen ...
Wenn dann endlich aus bleiernem Himmel
schwere Tropfen auf dem Asphalt verdampfen,
wenn sich schliesslich die Schleusen der Wolken öffnen
und rauschend der Strom des Wassers sich reinigend
auf die Strassen ergiesst - auf atmet die Stadt
und der Großstadtsommer lässt sich leichter ertragen.

eKr


Brita antwortete am 29.06.01 (21:26):

Ich freue mich sehr an den vielfältigen und wunderschönen Beiträgen und habe aber eine Frage. Wie ist das mit der neuen Rechtschreibung in der Lyrik? Wenn ich ein Gedicht aus einem Buch abschreibe. Sollte ich es so übernehmen oder darf ich das Gedicht mit der neuen Rechtschreibung versehen? z. B. daß, dass.....


Heimweg

Inseln aus Gräsern säumen den weißen Weg;
zögernde Heimkehr zu Lampe und Buch, stillen Zeugen.
Schon fällt des Himmels Abendröte
in Pfützen gestrigen Regens, spiegelnde Wasser.
Der farbigen Dinge Zwiesprach störe ich so,
schreitend durch kalte und warme Luft.
Der Dinge Zwiesprach, wie oft gestört.

Klärt sich die Welt?
Des Atems sanft bewegter Baum
ersteht in der Brust.
Fremd überm Zaun
ist das Abendlos des duftenden Flieders
in verlassenem Garten.

Langsam reift die blaue Dolde des Worts.

Auf die metallene Scheibe der Nacht
schreib ich die Schrift meines Schweigens:
daß ich gewartet auf dich.

Rudolf Hartung


Heidi antwortete am 29.06.01 (21:33):

"..Wenn ich ein Gedicht aus einem Buch abschreibe. Sollte ich es so übernehmen oder darf ich das Gedicht mit der neuen Rechtschreibung versehen?.."

Es gibt hier kein "muss" oder "darf" Brita :-))). Schreib wie Du es für richtig hältst.


Heidi antwortete am 29.06.01 (21:37):

zu schnell geantwortet ;-)), bei fremden Texten mit Quellenangabe solltest Du den Text schon so übernehmen wie er in der Quelle steht.


Heidi antwortete am 30.06.01 (05:05):

Ein neuer Tag

Der Himmel
hat sein schwarzes Tuch abgelegt,
den blauen Morgenmantel angezogen,
er blinzelt und
reibt sich die Sterne aus den Augen.
Die Sonne wärmt den Morgencaf�,
ein neuer Tag beginnt:
ein neues Lied!

hl


Dietlinde antwortete am 30.06.01 (08:50):



Ja liebe Heidi,

ein neuer Tag, ein neues Glück! So sehe auch ich den heutigen Tag! Danke für Dein wunderschönes Gedicht!

Ich wünsche Dir und allen Feundinnen und Freunden des Seniorentreffs ein erholsames, harmonisches Wochenende!

Liebe Grüße

Dietlinde


Luzia antwortete am 30.06.01 (12:31):

Ja, liebe Heidi und Dietlinde,
heute ist ein wunderschöner Tag und inzwischen ist es schon Mittag geworden.Dazu ein Gedicht von Theodor Storm

Sommermittag

Nun ist es still um Hof und Scheuer,
und in der Mühle ruht der Stein;
der Birnenbaum mit blanken Blättern
steht regungslos im Sonnenschein.

Die Bienen summen so verschlafen;
und in der offenen Bodenluck`,
benebelt von dem Duft des Heues,
im grauen Röcklein nickt der Puck.

Der Müller schnarcht und das Gesinde,
und nur die Tochter wacht im Haus;
die lachet still und zieht sich heimlich
fürsichtig die Pantoffeln aus.

Sie geht und weckt den Müllerburschen,
der kaum den schweren Augen traut:
"Nun küsse mich,verliebter Junge;
doch sauber,sauber! nicht zu laut."


Heidi antwortete am 30.06.01 (14:47):

Hallo Dietlinde, ich schrieb:

..
ein neuer Tag beginnt:
ein neues Lied!

- nicht ein neues "Glück". Ein feiner, aber wichtiger Unterschied.

Trotzdem wünsche ich Euch allen "altes" und "neues" Glück und ein schönes Wochenende


Heidi antwortete am 01.07.01 (05:16):

Morgenständchen

In den Wipfeln frische Lüfte,
fern melod'scher Quellen Fall
durch die Einsamkeit der Klüfte,
Waldeslaut und Vogelschall.

Scheuer Träume Spielgenossen
steigen all beim Morgenschein,
auf des Weinlaubs schwanken Sprossen
dir zum Fenster aus und ein

und wir nahn noch halb in Träumen
und wir tun in Klängen kund
was da draußen in den Bäumen
singt der weite Frühlingsgrund,

Regt der Tag erst laut die Schwingen
sind wir Alle wieder weit
aber tief im Herzen klingen
lange nach noch Lust und Leid.

Josef Karl Benedikt von Eichendorff


Brita antwortete am 01.07.01 (07:31):

... da ich gerade Musik von Händel höre, hier ein Gedicht von Ricarda Huch

H�NDEL

Unersättlicher! Herrlicher! weil dir die Augen geschlossen,
Trauerst du, daß dir die sichtbare Welt, die schöne, entrückt ist.
Warst du nicht heimisch im Reiche der Geister? Das Unsichtbare
Hörst du, das dem entsiegelten Ohr allein sich verkündet.
Rauschten nicht heilige Eichen und Pappeln, rauschten nicht
Stürme
Ahnungsvollen Gesang in den Traum des erkorenen Kindes?
Und erklang dir nicht manches Mal in silbernen Nächten
Stolz wie Siegesmarsch der wandelnde Gang der Planeten?
Die von den höchsten, den fruchtbaren Namen umkreisenden
Sphären
Erdwärts tropfen, die fernen dämonischen Töne vernahmst du.
Mehr erträgt kein Sterblicher; an die zerbrechende Hülle
Brandet tödlich und selig das Meer der ewigen Liebe.

Ricarda Huch


Herbertkarl Hüther antwortete am 01.07.01 (13:55):


einst

gruen waren die auen eh ich sie schmaehlich verliess
in der absicht einmal etwas ganz anderes zu machen
und was ist daraus geworden
eine katastrophe einsamer gedanken
die mir langsam ihr kleines lied der
geborgenheit in mein verdunkeltes ohr singen

ein gesang an dich wesen das mir die wahrheit ansagte
bevor ich sprechen und denken gelernt

du warst mit mir zusammen vor allen zeiten
als da war weder sonne noch mond
dein augenzwinkerndes laecheln nehme ich
noch auf in der erinnerung der gewesenen gegenwart


frag mich nicht so vorwurfsvoll denn die antwort
kennen wir beide genau
gross war des tages dunkler morgen
als ich scheinbar aufgewacht bin
um an deiner brust des vergessens
die milch der nachsicht zu empfangen
augen so unendlich wie ozeane blicken ein
in mein herz
das zitternd versucht die liebe zu empfangen
die schon manchen zeriss
der staerker war als ich selbst

hkh


Heidi antwortete am 01.07.01 (20:03):

Drei Abendgedichte:



Wenn die Sonne weggegangen

Wenn die Sonne weggegangen,
kommt die Dunkelheit heran,
Abendrot hat goldne Wangen,
und die Nacht hat Trauer an.

Seit die Liebe weggegangen,
bin ich nun ein Mohrenkind,
und die roten frohen Wangen
dunkel und verloren sind.

Dunkelheit muß tief verschweigen
alles Wehe, alle Lust;
aber Mond und Sterne zeigen,
was mir wohnet in der Brust.

Wenn die Lippen dir verschweigen
meines Herzens stille Glut,
müssen Blick und Tränen zeigen,
wie die Liebe nimmer ruht.

Brentano

***

Der Abend.

Nach einem Gemälde.

Senke, strahlender Gott - die Fluren dürsten
Nach erquickendem Thau, der Mensch verschmachtet,
Matter ziehen die Rosse -
Senke den Wagen hinab!

Siehe, wer aus des Meers krystallner Woge
Lieblich lächelnd dir winkt! Erkennt dein Herz sie?
Rascher fliegen die Rosse,
Tethys, die göttliche, winkt.

Schnell vom Wagen herab in ihre Arme
Springt der Führer, den Zaum ergreift Cupido,
Stille halten die Rosse,
Trinken die kühlende Fluth.

An dem Himmel herauf mit leisen Schritten
Kommt die duftende Nacht; ihr folgt die süße
Liebe. Ruhet und liebet!
Phöbus, der liebende, ruht.


Schiller

***


Abendfrieden

Die Sonne hat ihre grauen Wolkenbetten
aufgeschlagen, sie will schlafen gehn
es wird Abend

Die Vögel fliegen und suchen eifrig
einen letzten Käfer, einen letzten Wurm
als Betthupferl

Die Blumen haben ihre großen Augen
verhüllt mit weichen Blütenblättern
sie schlafen schon

An ihrem Schreibtisch vor dem Bildschirm
sitzt die Dichterin und lächelt leise
sie wartet

hl


:-)) Einen schönen Frühsommersonntagabend wünsche ich


Brita antwortete am 01.07.01 (20:58):

... der lieben Dichterin am Schreibtisch
Nahrung für ihre Phantasie.....


Einsame Nixe

Oft, wenn es dunkelte, hob aus dem Teich sich die reizende
Nixe
Halben Leibs; es rieselte sacht von den schilfigen Haaren.
Mondengleich beschien ihre weiße Brust die Gebüsche,
Erlen und Weiden umher, sie leuchteten hell vor den andern,
Und es schimmerten feucht ihre Augen wie Perlen des Meeres.
Nichts bekümmerte sie, die alles von Anfang gesehen.
Wundersam nun erscholl ihre süße, kristallene Stimme
Leicht wie Luft. Und sie sang von den herrlichen Wundern der
Schöpfung,
Sang von des Schicksals Gewalt und dem dunklem Geheimnis
des Todes.
Bald wie Akkorde der Harfe ertönten die Zaubergesänge,
Bald, wie ihr zärtliches Lied die klagende Nachtigall flötet.
Aber niemand hörte die Einsame; träumerisch lauschte
Nur die heilige Nacht, es lauschten die ewigen Sterne.

Ricarda Huch


Visual Sonic antwortete am 02.07.01 (11:02):

(ohne Titel)
� 04. Oktober 2000, Torsten Bartneck

Ich war müde - wie betrunken
Wär ich doch in Schlaf versunken.
Sitze hier und kann's nicht glauben
Ewig willst du mich um Rast berauben?

So nah hast du vom Herzen mir erzählt
Was dich glücklich macht und quält.
Wie könnt ich jemals das vergessen
Von jedem Wort bin ich besessen!

Alte Seile und marode Ketten
Hoffnung, Schein und Trug
Trauerspiel, kaum mehr zu retten
Doch bin allein dir nicht genug.

Hab geredet und gedacht
Wenn man spricht ist's rumgebracht.
Wortgefüge Zug um Zug
Doch bin allein dir nicht genug.

Sanft und hart hab ich's probiert
Als hätt ich sowas mal studiert.
Doch all mein Tun und Wenden
Wollte nicht im Guten enden.

Ich wünscht du könntest glauben
Daß mir nicht ist dich zu berauben
Um deiner Dinge Hab und Lieb
Bitte seh mich nicht als Dieb!

Mein Gerede, meine Worte
Kamen samt von einem Orte.
Frei heraus und ohne Scherzen
Stammen alle mir vom Herzen.

Den rechten Platz hab ich gefunden
Doch Herz und Seele sind gebunden.
Drum bleibt mir nur der Abstand hier
Und all die guten Wünsche Dir.

(Internet-Tipp: https://www.suityou.de/anthologie/index.htm)


Visual Sonic antwortete am 02.07.01 (11:03):

Glück (Eugen Roth)

Wie das Dunkel Well um Well
In mein Zimmer mündet,
Schüchtern wird die Kerze hell,
Die ich angezündet.

Engel rauschen blau herein,
Kühl mit leisen Schwingen,
Tanzen um den goldnen Schein,
Heben an zu singen.

Und wir beide, ich und du,
Halten uns umgschlungen,
Schauen, horchen lächelnd zu,
Bis wir mitverklungen.

(Internet-Tipp: https://www.suityou.de/anthologie/index.htm)


Visual Sonic antwortete am 02.07.01 (16:00):

Lob der Schraube (Eugen Roth)

Ein Mensch, der selber nicht geschraubt,
hat auch sein Leben lang geglaubt,
daß eine Redensart wohl bloß,
' bei wem sei eine Schraube los'.

bis zu den feinsten Apparaten
im Nu aus ihrer Bahn geraten;
selbst Uhren, Mikroskope - kurz
wie in gewaltigem Höllensturz
der Menschheit klug durchdachte Werke
verlieren ihre Götterstärke.

Doch plötzlich mitten in der Nacht
hat tief er drüber nachgedacht.
Und Schrecken riß ihn aus dem Dösen:
wie, wenn sich alle Schrauben lösen?

Ist's nicht die Schraube, die die Welt
im Innersten zusammenhält
und in der Zeit der Technik jetzt
das geistige Band sogar ersetzt?
Und noch viel mehr muß ihn erschüttern,
wie ist's erst mit den Schraubenmüttern?

Der Mensch, in dies Problem verirrt,
wird selbst verschroben und verwirrt
und stellt sich vor in seinem Wahn,
wie Auto, Schiff und Eisenbahn,
Flugzeuge, ja selbst Flugzeughallen
mit einem Schlage jäh zerfallen,
wie alle Arten von Maschinen
von den gewaltigen Turbinen

Der Mensch, der Schrauben nie bezogen,
greift anderntags zu Katalogen,
darin er sieht, daß es unglaublich,
was alles hergestellt wird schraublich:

Sechskant-, Zylinder-, Kreuzschlitz-, Bügel-,
Paß-Schrauben, Linsensenk- und Flügel-;
der Hohlkopf selbst ist hier von Wert,
der niedre Kopf ist noch begehrt.

Der Mensch erkannt': es sieht der Blinde,
daß Windung alles überwinde
und daß, wer sonst 'Geschraubtes' haßt,
hoch lobt die Schraube, wenn sie paßt!

(Internet-Tipp: https://www.suityou.de/anthologie/eugen_roth3.htm)


Visual Sonic antwortete am 02.07.01 (16:03):

Gestillte Sehnsucht

In gold'nen Abendschein getauchet,
Wie feierlich die Wälder stehn!
In leise Stimmen der Vöglein hauchet
Des Abendwindes leises Weh'n.
Was lispeln die Winde, die Vögelein?
Sie lispeln die Welt in Schlummer ein.

Ihr Wünsche, die ihr stets euch reget
Im Herzen sonder Rast und Ruh!
Du Sehnen, das die Brust beweget,
Wann ruhest du, wann schlummerst du?
Beim Lispeln der Winde, der Vögelein,
Ihr sehnenden Wünsche, wann schlaft ihr ein?

Was kommt gezogen auf Traumesflügeln?
Was weht mich an so bang, so hold?
Es kommt gezogen von fernen Hügeln,
Es kommt auf bebendem Sonnengold.
Wohl lispeln die Winde, die Vögelein,
Das Sehnen, das Sehnen, es schläft nicht ein.

Ach, wenn nicht mehr in gold'ne Fernen
Mein Geist auf Traumgefieder eilt,
Nicht mehr an ewig fernen Sternen
Mit sehnendem Blick mein Auge weilt;
Dann lispeln die Winde, die Vögelein
Mit meinem Sehnen mein Leben ein.

Friedrich Rückert
am 16.5.1788 in Schweinfurt
am 31.1.1866 in Neuseß (bei Coburg)

(Internet-Tipp: https://www.suityou.de/anthologie/rueckert.htm)


Visual Sonic antwortete am 02.07.01 (16:09):

"Traumprinz" (31. Dezember 1999)
� Torsten Bartneck, geb. 23.12.1975

Der Tag geht vorbei und die Nacht ist gekommen,
Mein Schlaf ist nötig und der Traum hat begonnen.
Nun endlich steht er vor mir im edlen Gewand,
Sehnsüchtig wartend und reicht mir die Hand.

Sein Atem gleicht einem seichten Wind;
Wie sanft und süß doch seine Küsse sind.
Seine Anmut ist die Sinnlichkeit;
Und doch nur ein Trugbild für kurze Zeit.

Darum hör' endlich auf mich aufzuwühlen!
Mir die Hand zu reichen, ich soll mit Dir gehen.
Ich will Dich halten und endlich auch fühlen!
Und nicht nur während der Nächte sehen.

Es schließt mir die Augen und entfacht die Wut;
Es läßt mich erkalten und gefriert mir das Blut.
Es sticht mir ins Herz und auch in die Seele;
Es schmerzt mich wie das Eisen von hundert Pfähle.

Der Tag geht vorbei und die Nacht ist gekommen,
Ich habe verloren und der Traum hat gewonnen.
Ich will es gewähren was unser Herzen vereint,
Von vorn; bis das Morgenrot wieder erscheint.

(Internet-Tipp: https://www.suityou.de/profile/index.htm)


Heidi antwortete am 02.07.01 (21:23):

Manches
kann lächerlich sein
zum Beispiel
mein Telefon
zu küssen wenn ich
deine Stimme
in ihm gehört habe.

Noch lächerlicher
und trauriger
wäre es
mein Telefon
nicht zu küssen
wenn ich nicht dich
küssen kann.

Erich Fried


Heidi antwortete am 02.07.01 (21:50):

Abendlied

Der Abendwind singt mir
ein leises Lied
hat sanft die Wolken
in den Schlaf gewiegt

Der Himmel reibt
die Sterne blank
es gähnt der Mond
erhebt sich von der Bank

Die Erde ruht
Bald ist es Nacht
aus Silber und Gold
ist Himmels Kleid gemacht

Ach, Abendwind
Ach, silberne Sterne
Ach, goldener Mond
Ach, Himmels Pracht

es wird Nacht
es wird schon wieder Nacht..

hl


Luzia antwortete am 02.07.01 (22:56):

Mondnacht -- Josepf von Eichendorff

Es war, als hätt der Himmel
die Erde still geküßt,
Daß sie im Blütenschimmer
von ihm nun träumen müßt`.

Die Luft ging durch die Felder,
die �hren wogten sacht,
es rauschten leis die Wälder,
so sternklar war die Nacht.

Und meine Seele spannte
weit ihre Flügel aus,
flog durch die stillen Lande,
als flöge sie nach Haus.

Nach diesem schönen Tag wünsche ich allen eine "Gute Nacht"
Gruß Luzia


Ruth antwortete am 03.07.01 (02:08):

Für Schorsch (Georg S.)

Ich fühl mich richtig gut gebaut,
wenn Schorsch uns ein Gedichtchen braut.
Es hat Humor und Hintergrund,
es ist nicht schwarz-weiss, sondern bunt,
ich muss die Seele nicht zerknittern,
nicht vor erhobnem Finger zittern,
kann schmunzeln, lachen, Köpfe schütteln,
an festgezurrten Thesen rütteln
und glücklich sein, dass nicht nur ich
nicht alles sehe fürchterlich.

Reim weiter, Schorsch, mit Fuss und Hand,
denn deine Verse braucht das Land!


Heidi antwortete am 03.07.01 (05:31):

Morgenlied

Vorüber ist die dunkle Nacht,
Schon wird's im Osten licht!
Die liebe Sonne ist erwacht,
Scheint mir ins Angesicht.

Es regt sich rings die stille Welt,
Der Himmel bläuet klar.
Schon treibt der Schäfer in das Feld
Der Schäflein muntre Schar.

Die Vöglein loben Gott den Herrn
Mit frohem Lustgesang.
Ich stimme ein von Herzen gern
In ihren Jubelklang.

Georg Christian Dieffenbach


Guten Morgen :-))


Georg Segessenmann,alias Georg von antwortete am 03.07.01 (08:28):

Zwar ists offiziell Sommer. Wer wird es aber einem alten Träumer verwehren, zu jeder Jahreszeit ein Bisschen Frühlingsgefühle auszusenden!

Frühlingsahnen.


Es hat der Wind mein Lied geküsst,
ganz zärtlich, weich und sacht.
Er hat die Tage mir versüsst,
mir, der dies Lied gemacht.

Ein Schauer ging durch meine Brust
und ich atmete frei und tief.
Der Schauer weckte meine Lust,
die lang in mir schon schlief.

Die hat sodann mein Blut erhitzt,
mein Herz konnte nur noch staunen
und merkte, wer Phantasie besitzt,
der hört sogar die Erde raunen.

Es hat der Wind mein Lied geküsst,
ganz zärtlich, weich und sacht.
Ein neuer Frühling wieder grüsst
mit seiner stolzen Blumenpracht.


Januar 93 Schorsch


eva antwortete am 03.07.01 (08:48):

Der Nöck

Es tönt des Nöcken Harfenschall :
Da steht der wilde Wasserfall,
Umschwebt mit Schaum und Wogen
Den Nöck im Regenbogen :
Die Bäume neigen
Sich tief und schweigen,
Und atmend horcht die Nachtigall ! -

"O Nöck, was hilf das Singen dein ?
Du kannst ja doch nicht selig sein !
Wie kann dein Singen taugen ?"
Der Nöck erhebt die Augen :
Sieht an die Kleinen,
Beginnt zu weinen ...
Und senkt sich in die Flut hinein !

Da rauscht und braust der Wasserfall :
Hoch fliegt hinweg die Nachtigall !
Die Bäume heben mächig
Die Häupter, grün und prächtig !
O weh, es haben
Die wilden Knaben
Den Nöck betrübt im Wasserfall !

"Komm wieder Nöck,du singst so schön !
Wer singt, kann in den Himmel gehn !
Du wirst mit deinem Klingen
Zum Paradiese dringen !
O komm, es haben
Gescherzt die Knaben :
Komm wieder Nöck, und singe schön !"

Da tönt des Nöcken Harfenschall,
Und wieder steht der Wasserfall,
Umschwebt mit Schaum und Wogen
Den Nöck im Regenbogen :
Die Bäume neigen
Sich tief und schweigen,
Und atmend horcht die Nachtigall !

Es singt der Nöck und singt mit Macht
Vo Meer und Erd und Himmelpracht !
Mit Singen kann er lachen
Und selig weinen machen ! -
Der Wald erbebet,
Die Sonn entschwebet ...
Er singt bis in die Sternennacht.

August KOPISCH


sieghard antwortete am 03.07.01 (22:02):


Wilhelm Busch (1832-1908)

Die Tanten

Die erste alte Tante sprach:
Wir müssen nun daran denken,
Was wir zu ihrem Namenstag
Dem guten Sophiechen schenken.

Darauf sprach die zweite Tante kühn:
Ich schlage vor, wir entscheiden
Uns für ein Kleid in Erbsengrün,
Das mag Sophiechen nicht leiden.

Der dritten Tante war das recht:
Ja, sprach sie, mit gelben Ranken!
Ich weiß, sie ärgert sich nicht schlecht
Und muß sich auch noch bedanken.

.


Heidi antwortete am 04.07.01 (00:25):

*gg*

Will das Glück nach seinem Sinn

Will das Glück nach seinem Sinn
Dir was Gutes schenken,
Sage Dank und nimm es hin
Ohne viel Bedenken.
Jede Gabe sei begrüßt,
Doch vor allen Dingen:
Das worum du dich bemühst,
Möge dir gelingen.

Wilhelm Busch


waltraud antwortete am 04.07.01 (00:48):

Der neue Tag hat schon begonnen.
Mein gestriger war schwer und anstrengend.
Für heute nehme ich mir vor, den Atem des Lebens
in mich aufzunehmen und die folgenden
Worte von Mark Twain zu beherzigen:

Weine vor Freude und Trauer in derselben Lautstärke.

Allen einen freudvollen Tag
waltraud


Ruth antwortete am 04.07.01 (10:32):

Der alte Mann und der PC

Er war nicht weise - war nur weiss geworden,
im Herzen warm - die Füsse öfters kalt.
Er macht im Süden Urlaub - nie im Norden,
er sah sich selbst noch jung - doch war er alt.

"Mit 80 geht's ins Netz" las er da plötzlich,
"ich tu's, bin doch von 80 noch entfernt.
Bestimmt ist diese Sache sehr ergötzlich!"
So kauft er den PC - ganz ungelernt.

Natürlich kam der Handel ihm entgegen,
er wurde mutig, stockte auf, wo's ging.
Er war ein Held, war "in", wurde verwegen
und hielt den Rechner für ein harmlos Ding.
Er kämpfte sich durch Bits und feste Platten,
er klickte oft und lud gar manches down,
er schlief nicht mehr, denn nachts war er am chatten,
er wurde wie besessen - und ein Clown.

Man weiss es: alles hat einmal ein Ende
und Grenzen sind ja überall gebaut.
So gab es auch in diesem Fall die Wende,
ein Abend kam, da war der Spass versaut.

Bereits beim Starten wurd' der Bildschirm sauer,
Bits, Bikes und CDs machten Terror pur,
die Suchmaschinen spielten Klagemauer
und nichts bewegte mehr die Tastatur.

Verzweifelt rauft der User seine Mähne,
treibt seine letzten Haare in die Flucht.
Was macht er nur in seines Peches Strähne?
"Sei nicht verzagt, denn Hilfe kriegt, wer sucht".
So piepst es plötzlich von des Tisches Brettern
und weiter sagt die hochgestylte Maus:
"Ruf doch beim ST nach den PC-Rettern,
da bringt dich ganz bestimmt einer heraus!"

RL 07.01


Georg Segessenmann,alias Georg von antwortete am 04.07.01 (11:15):

Ja, liebe Ruth, so kann es halt passieren.
Auch mir wohl an die hundertmal.
Doch meine ich: Man muss`s trotzdem riskieren,
denn aufzugeben wäre höchst fatal!

Gruss und Kompliment

Schorsch


Brita antwortete am 04.07.01 (22:05):

LEIS AUF ZARTEN FÜSSEN NAHT ES,
vor dem Schlafen wie ein Fächeln:
Horch, o Seele, meines Rates,
laß dir Glück und Tröstung lächeln -:

Die in Liebe dir verbunden,
werden immer um dich bleiben,
werden klein und große Runden
treugesellt mit dir beschreiben.

Und sie werden an dir bauen,
unverwandt, wie du an ihnen, -
und, erwacht zu Einem Schauen,
werdet ihr wetteifernd dienen!

Christian Morgenstern


Luzia antwortete am 04.07.01 (23:37):

Hier noch einiges von Wilhelm Busch

1) Ich meine doch, so sprach er mal,
die Welt ist recht pläsierlich.
Das dumme Geschwätz von Schmerz und Qual
erscheint mir ganz ungebührlich.
Mit reinem kindlichen Gemüt
genieß ich, was mir beschieden,
und durch mein ganzes Wesen zieht
ein himmlischer Seelenfrieden.--
Kaum hat er diesen Spruch getan,
Aujau! so schreit er kläglich.
Der alte hohle Backenzahn
wird wieder mal unerträglich.

---

2) Wirklich, er war unentbehrlich!
Überall, wo was geschah
zu dem Wohle der Gemeinde,
er war tätig, er war da.
-
Schützenfest,Kasinobälle,
Pferderennen,Preisgericht,
Liedertafel, Spritzenprobe,
ohne ihn da ging es nicht.
--
Ohne ihn war nichts zu machen,
keine Stunde hatt` er frei.
Gestern, als sie ihn begruben,
war er richtig auch dabei.

----

3) Die Selbstkritik hat viel für sich.
Gesetzt den Fall, ich tadle mich,
so hab ich erstens den Gewinn,
daß ich so hübsch bescheiden bin;
zum zweiten denken sich die Leut,
der Mann ist lauter Redlichkeit;
auch schnapp ich drittens diesen Bissen
vorweg den andern Kritiküssen;
und viertens hoff ich außerdem
auf Widerspruch,der mir genehm.
So kommt es dann zuletzt heraus,
daß ich ein ganz famoses Haus.


Heidi antwortete am 05.07.01 (20:13):

Füttern verboten!

Das Leben ist schön,
sagte der Arbeiter,
ich darf rund um die Uhr arbeiten,
schlafen muss ich nicht mehr,
essen muss ich nur die kleinen Pillen
die Wasserflasche hängt an meinem Gürtel.
Ich kann ohne Unterbrechung arbeiten
bis ich umfalle
dann gibt es einen neuen Klon von mir.
Ich bin glücklich

Das Leben ist schön,
sagte der Soldat,
ich bekomme jeden Tag
meine Befehle
die ich befolgen darf,
um Leben zu vernichten.
Ich darf kämpfen
bis ich getötet werde,
dann gibt es einen neuen Klon von mir.
Ich bin glücklich

Das Leben ist schön,
sagte der Untertan,
ich bekomme ständig
neue Anweisungen
wie ich mich verhalten soll,
wie ich mich fühlen soll
bis ich alt bin,
dann tauscht man mich aus
gegen einen neuen Klon von mir.
Ich bin glücklich

Das Leben ist schön,
sagte der Mensch,
der Himmel ist blau,
die Sonne scheint,
meine Kinder spielen
auf der bunten Blumenwiese.
Aber, grübelte er,
warum gibt es diesen Maschenzaun
rund um unser Dorf?

Und warum
hängt außen, an dem verschlossenen Tor,
ein Schild auf dem steht:
"homo sapiens"
ausgestorben anno 2084
neu geklont für Forschungszwecke

Füttern verboten!

hl

(Internet-Tipp: /seniorentreff/de/diskussion/threads/thread498.html)


Hans-Jürgen antwortete am 05.07.01 (23:36):

Liebe Heidi,

bitter, Dein neues Gedicht, aber gut!

(Manchmal grüble ich darüber nach, was die Menschen in hundert Jahren über all' das denken werden, worüber wir uns jetzt die Köpfe heiß reden. Natürlich finde ich keine Antwort, hoffe aber, daß es dann immer noch welche gibt - nicht geklont!)

Herzlichst, Hans-Jürgen.


Heidi antwortete am 06.07.01 (22:04):

zum zweiten Mal, zum Wochenende und weil's so schön "diametral" ist ;-))

geträumt...

ich denk mir eine Welt
mit sanften Hügeln, grünen Wiesen
mit kleinen Holzhütten im großen Garten
mit kleinen Kindern, die Blumen gießen
die in der Sonne auf Regen warten
sie tun was ihnen gefällt

ich denk mir eine Welt
mit gelbem Sand am blauen Meer
mit bunten Fischen und weißen Muscheln
die Kinder kommen zum Spielen her
sie liegen im warmen Sand und kuscheln
sie spielen wie's ihnen gefällt

ich denk mir eine Welt
mit einem grünen kühlen Wald
mit kleinen Vöglein in buntem Kleid
der Kinder Gesang durch die Bäume hallt
keines von ihnen kennt das Wort Leid
sie singen was ihnen gefällt

ich denk mir eine Welt
auf der es nur Kinder gibt
in allen Farben und alle sind klein
keines von ihnen kennt das Wort Krieg
keines will je erwachsen sein
sie bleiben wie's ihnen gefällt

ich denk mir eine Welt
mit Hügeln, mit Gärten, mit Blumen und Bäumen
mit Wald, mit Meer, mit Vögeln und Wiese
mit kleinen und großen Menschen, die träumen
von Freude, von Liebe und vom Paradiese
sie leben wie's Gott gefällt

hl

Ein schönes Wochenende wünsche ich Allen :-)


Luzia antwortete am 07.07.01 (11:37):

Hier von mir zum Wochende ein Zitat von Phil Bosmans:

Eine Blume braucht Sonne,
um Blume zu werden.
Ein Mensch braucht Liebe,
um Mensch zu werden.

Ich wünsche allen ein "sonniges" Wochenende.
Liebe Grüße Luzia


Herbertkarl Hüther antwortete am 07.07.01 (23:27):


momente

kalt riecht es bei dir wenn du da sitzt
ohne nachzudenken ueber deinen wert
gib mir die aufgabe des vergessens
von nie wirklich gehabten einreden

ich bitte dich darum mir einmal ein klein wenig zuzuhoeren
damit wir die ganze sache endlich beiseite legen koennen

erzaehle mir nie wieder
die harten worte des vergangenen tages

schon zuviel sind deine ansprueche
die ich nicht in meinem zusammensein
zu sehen bereit bin

schal sind meine Empfindungen
dir gegen ueber und auch mir

der stolze hahn der zeit endlos vergessen

koennte doch dein verhaertetes herz einen sprung tun
in meine richtung
ich wuerde nicht ausweichen
sondern die ganze sache gelegentlich von unten besehen

hkh


sieghard antwortete am 08.07.01 (09:28):


Menschliches Elende

Was sind wir Menschen doch! ein Wonhauß grimmer Schmertzen?
Ein Baal des falschen Glücks / ein Irrliecht dieser Zeit /
Ein Schauplatz aller Angst / unnd Widerwertigkeit /
Ein bald verschmelzter Schnee / und abgebrante Kertzen /
Diß Leben fleucht darvon wie ein Geschwätz und Schertzen.
Die vor uns abgelegt des schwachen Leibes kleid /
Und in das Todten Buch der grossen Sterbligkeit
Längst eingeschrieben sind; find uns auß Sinn' und Hertzen:
Gleich wie ein eitel Traum leicht auß der acht hinfält /
Und wie ein Strom verfleust / den keine Macht auffhelt;
So muß auch unser Nahm / Lob / Ehr und Ruhm verschwinden.
Was itzund Athem holt; fält unversehns dahin;
Was nach uns kompt / wird auch der Todt ins Grab hinzihn /
So werden wir verjagt gleich wie ein Rauch von Winden.


[Andreas Gryphius 1616 - 1664]

.


Heidi antwortete am 08.07.01 (16:57):

Als ich zehn Jahre alt war,
sah ich mir das Land
und die Flüsse an,
den Himmel über mir
und die Tiere um mich herum,
und es entging mir nicht,
daß dieses alles
von einer großen Kraft geschaffen war.
Ich war so darauf bedacht,
diese Kraft zu verstehen,
daß ich die Bäume
und Büsche befragte.
Es schien mir,
als ob mich die Blumen anschauten,
und ich wollte sie fragen:
Wer hat euch gemacht?
Ich sah fragend auf die moosbedeckten Steine,
einige von ihnen schienen die Züge
eines menschlichen Gesichts zu haben,
aber sie konnten mir nicht antworten.
Dann hatte ich einen Traum,
und in meinem Traum
erschien mir einer
von diesen kleinen runden Steinen
und sagte zu mir,
daß der Schöpfer von allem
Wakan Tanka* sei
und daß ich seine Werke
in der Natur ehren müsse,
wenn ich ihn ehren wolle.

(Brave Buffalo, Sioux in Indianischer Sonnengesang,Rudolf Kaiser,Herder-Verlag, ISBN 3-451-04143-X,*Wakan Tanka=Sioux-Bezeichnung für das höhere Wesen, das die Quelle aller Dinge ist)

..auch der Mensch gehört zu seinen Werken


Wolfgang antwortete am 08.07.01 (23:31):

Abends

Warum duften die Levkoien so viel schöner bei der Nacht?
Warum brennen deine Lippen so viel röter bei der Nacht?
Warum ist in meinem Herzen so die Sehnsucht auferwacht,
Diese brennend roten Lippen zu küssen bei der Nacht?

(Theodor STORM)


Heidi antwortete am 09.07.01 (10:21):

:-) Fangen wir die Woche mit der Liebe an und wer kann sie besser beschreiben als Friedrich Rückert:

Ich liebe dich, weil ich dich lieben muß;
Ich liebe dich, weil ich nichts anders kann;
Ich liebe dich nach einem Himmelschluß;
Ich liebe dich durch einen Zauberbann.

Dich lieb' ich, wie die Rose ihren Strauch;
Dich lieb' ich, wie die Sonne ihren Schein;
Dich lieb' ich, weil du bist mein Lebenshauch;
Dich lieb' ich, weil dich lieben ist mein Sein.

Fr.Rückert


Heidi antwortete am 09.07.01 (10:28):

Dieses ist noch schöner ;-))

So wahr die Sonne scheinet,
So wahr die Wolke weinet,
So wahr die Flamme sprüht,
So wahr der Frühling blüht;
So wahr hab' ich empfunden,
Wie ich dich halt' umwunden:
Du liebst mich, wie ich dich,
Dich lieb' ich, wie du mich.

Die Sonne mag verscheinen,
Die Wolke nicht mehr weinen,
Die Flamme mag versprühn,
Der Frühling nicht mehr blüh'n!
Wir wollen uns umwinden
Und immer so empfinden:
Du liebst mich, wie ich dich;
Dich lieb ich, wie du mich.

Friedrich Rückert


Luzia antwortete am 09.07.01 (11:09):

Hier noch etwas zur Liebe von Friedrich Rückert

Ganz oder gar Nicht

Wer da will der Liebe leben,
muß sich ganz der Liebe geben,
sich nicht teilen, nicht zersplittern,
ganz im Kuß hinüberzittern;
muß des Herzens ganzes Drängen
auf des Mundes Spitze zwängen;
muß nicht denken,rechnen, klügeln,
sich nicht fesseln oder zügeln;
muß den Arm nicht ängstlich halten,
gilt es, Hüften zu umfalten;
nicht voll Scheu die Hand befühlen,
gilt`s, im seidnen Haar zu wühlen;
muß im seligen Versenktsein
unklar, ob er ist und denkt, sein.


Iris antwortete am 09.07.01 (14:51):

Thema Liebe, da muß ich mich natürlich beteiligen ;-))
Gedacht für einen besonders lieben Menschen...

Für D....

Ich liebe Dich, so wie du mich,
Am Abend und am Morgen,
Noch war kein Tag, wo du und ich
Nicht teilten unsre Sorgen.

Auch waren sie für dich und mich
Geteilt leicht zu ertragen;
Du tröstetest im Kummer mich,
Ich weint in deine Klagen.

Drum Gottes Segen über dir,
Du, meines Lebens Freude.
Gott schütze dich, erhalt dich mir,
Schütz und erhalt uns beide.

K.F.W.Herossee


eva antwortete am 09.07.01 (17:33):

Hier ist eines meiner Liebligsgedichte - aber ich habe den
Autor vergessen und zitiere aus dem Gedächtnis; ich bitte
daher allfällige Fehler (Interpunktion !) zu übersehen ...
und vielleicht findet sich jemand, der Bescheid weiss ?



Lösch aus dein Licht und schlaf. Das immer wache
Geplätscher nur vom nahen Brunnen tönt -
Doch wer einst Gast war unter meinem Dache
Hat bald sich stets an diesen Ton gewöhnt.

Zwar kann es einmal sein, wenn du schon mitten
Im Schlummer bist, das Unruh� geht ums Haus,
Der Kies am Brunnen knirscht von harten Tritten
Und das Geplätscher lässt auf einmal aus -

Und du erwachst : dann musst du nicht erschrecken,
Die Sterne stehn vollzählig überm Land,
Und nur ein Wandrer trat ans Wasserbecken
und schöpft vom Brunnen mit der hohlen Hand.

Er geht gleich weiter, und es rauscht wie immer.
O freue dich, du bist nicht einsam hier.
Viel Wandrer gehen noch im Sternenschimmer -
Und mancher noch ist auf dem Weg zu dir.


Lore antwortete am 09.07.01 (18:44):

Was es ist

Es ist Unsinn
sagt die Vernunft
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Es ist Unglück
sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz
sagt die Angst
Es ist aussichtslos
sagt die Einsicht
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Es ist lächerlich
sagt der Stolz
Es ist leichtsinnig
sagt die Vorsicht
Es ist unmöglich
sagt die Erfahrung
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Von Erich Fried


Brita antwortete am 09.07.01 (22:21):

.... ihr seid schon wieder bei der Liebe....

Lachens und Weinens Grund

Lachen und Weinen zu jeglicher Stunde
Ruht bei der Lieb auf so mancherlei Grunde.
Morgens lacht ich vor Lust;
Und warum ich nun weine
Bei des Abendes Scheine,
Ist mir selbst nicht bewußt.

Weinen und Lachen zu jeglicher Stunde
Ruht bei der Lieb auf so mancherlei Grunde.
Abends weint ich vor Schmerz;
Und warum du erwachen
Kannst am Morgen mit Lachen,
Muß ich dich fragen, o Herz.

Friedrich Rückert


sieghard antwortete am 09.07.01 (22:59):


Und ist ein Fest geworden,
kaum weiß man wie. Die
hohen Flammen flackten,
die Stimmen schwirrten,
wirre Lieder klirrten aus
Glas und Glanz, und end-
lich aus den reifgeword-
nen Takten: entsprang
der Tanz. Und alle riss er
hin. Das war ein Wellen-
schlagen in den Sälen,
ein Sich-Begegnen und
ein Sich-Erwählen, ein
Abschiednehmen und
ein Wiederfinden, ein
Glanzgenießen und ein
Lichterblinden und ein
Sich-Wiegen in den
Sommerwinden, die in
den Kleidern warmer
Frauen sind. Aus dunk-
lem Wein und tausend
Rosen rinnt die Stunde
rauschend in den Traum
der Nacht.


[aus Rilkes Cornet]

.


Heidi antwortete am 09.07.01 (23:47):

Abend


Der Abend wechselt langsam die Gewänder,
die ihm ein Rand von alten Bäumen hält;
du schaust: und von dir scheiden sich die Länder,
ein himmelfahrendes und eins, das fällt;

und lassen dich, zu keinem ganz gehörend,
nicht ganz so dunkel wie das Haus, das schweigt,
nicht ganz so sicher Ewiges beschwörend
wie das, was Stern wird jede Nacht und steigt -

und lassen dir (unsäglich zu entwirrn)
dein Leben bang und riesenhaft und reifend,
so dass es, bald begrenzt und bald begreifend,
abwechselnd Stein in dir wird und Gestirn.


Rainer Maria Rilke


Heidi antwortete am 09.07.01 (23:57):

Gestern hab ich im Traum gesehn


Gestern hab ich im Traum gesehn
einen Stern in der Stille stehn.
Und ich fühlte: Madonna sprach:
Diesem Stern in der Nacht blüh nach.

Und ich nahm alle Kraft zu Rat.
Grad und schlank aus des Hemdes Schnee
streckte ich mich. - Und das Blühen tat
mir auf einmal weh...


Rainer Maria Rilke


Heidi antwortete am 10.07.01 (00:01):

Manchmal geschieht es in tiefer Nacht


Manchmal geschieht es in tiefer Nacht,
dass der Wind wie ein Kind erwacht,
und er kommt die Alleen allein
leise, leise ins Dorf herein.

Und er tastet bis an den Teich,
und dann horcht er herum:
Und die Häuser sind alle bleich,
und die Eichen sind stumm...


Rainer Maria Rilke


Iris antwortete am 10.07.01 (00:46):

LIEBESGLÜCK

Geh ich von meinem Liebchen
Nach Haus in stiller Nacht
Und denk,wie ich so selig
Den Abend zugebracht,
Wie ich bei ihr gesessen
So traulich und so nah,
Und wie ihr schönes Auge
So freundlich zu mir sah:
Dann wogt in meinem Herzen
Unendlich süße Lust,
Die Welt möcht ich umarmen
Und drücken an die Brust
Und möchte laut es rufen
Hin in die stille Nacht,
Wie wonnig meine Liebe,
Wie reich sie mich gemacht.
Doch manchmal in dem Jubel,
Da fällt mir bange ein,
Der Glücklichen auf Erden,
Nicht viele sollen`s sein;
Dann bete ich verstohlen
Zum Sternenhimmel hin:
O werde mir nicht böse,
Daß ich so glücklich bin!

Franz von Kobell


Heidi antwortete am 10.07.01 (00:59):

:-) Fast vergessen, hier noch der Link für die Rilke-Seite:

https://bilux.onlinehome.de/rilke/index.html#MirzurFeier

(Internet-Tipp: https://bilux.onlinehome.de/rilke/index.html#MirzurFeier)


eva antwortete am 10.07.01 (08:52):

Ich bin zutiefst berührt von der liebevollen Anteilnahme
der Mitglieder unserer "Gedichtegemeinschaft" - sowohl was
den "Alten Brunnen" von Carossa betrifft (jetzt habe ich
den korrekten Text und den Autor !) als auch von der
Resonanz auf meine Gedichte. Ich kann hier nicht allen per-
sönlich danken; so muss ein pauschales "Danke schön"
genügen ... ich grüsse alle von Herzen, es tut gut, dass in
der heutigen Zeit noch solche geistigen Gemeinschaften
über die Landesgrenzen möglich sind. - Und nun ein
Gedicht von Christian MORGENSTERN, das mir in schweren
Zeiten oft geholfen hat :

Wein und Waffe

Verzicht, das ist der Wein, das ist die Waffe.
Von diesem Safte wirst du stark und still.
Und wenn der Wunsch sich nicht ergeben will,
sieh zu, dass dir dies Schwert den Frieden schaffe.

Mit diesem Wein im Kruge lebst du gut.
Mit dieser Waffe wirst du mächtig sein.
Verzicht - so sticht ein Stahl ins Herz hinein.
Verzicht - so löst den Krampf der Rebe Blut.


Rosmarie S antwortete am 10.07.01 (09:21):

Zu Rilkes "Abend"

Liebe Heidi,

ist es nicht immer wieder kaum zu begreifen, wie wunderbar ein wirklicher Dichter Gedanken und Gefühle in Worte zu fassen vermag? Danke!

Herzliche Grüße
Rosmarie


Ruth antwortete am 10.07.01 (11:50):

Wieder total unernst

Der Elefant bewegt sich kaum,
steht ganz versunken vor dem Baum
und weiss "für mich wär es das Beste,
ich säss da oben im Geäste."

Bis heut hat alles er geschafft,
er startet voll geballter Kraft
und kracht mit Vollgas in den Stamm,
ihm brummt der Schädel, schwillt der Kamm.

Das Mücklein sitzt im weichen Moos
und denkt "o je, was macht er bloss?"
Ist es auch winzig klein und schwach,
fliegts doch ganz leicht ins Blätterdach,
tut froh dem Elefanten winken,
den tief da unten es sieht hinken.

Und die Moral? Nicht Kraft allein
kann machen, was doch kaum darf sein.
Zum Höherkommen, Vorwärtsstreben
musst du dich von der Erde heben.
Es zählt hierbei nicht die Statur,
auch weder Geld noch Frohnatur.
Du musst aufs Ziel schaun -- nicht zurück!
Na ja, und zudem brauchst du Glück.

RL Juli 01


eva antwortete am 10.07.01 (19:29):

Ich komme eben von einer heiteren Heurigenrunde zurück, bin
übermütig und werde Euch mit etwas nonsens erfreuen :

Was es nicht alles gibt ...

Eine TAUBnessel (masculin), schwerst gehörbehindert,
verliebte sich in eine TAUBE -
ich glaube,
man sollte versuchen, es zu verstehen,
da ja auch sonst seltsame Dinge geschehen.
Wobei das gefiederte
Vieh
die Liebe nicht erwiderte.
Wie
sollte sie auch ?
Es ist nicht der Brauch,
dass Tauben und Nesseln sich lieben.
So ist die Taubnessel übrig geblieben.
Ich will niemand verstören -
aber sie konnte ihn einfach nicht erH�REN.
So steht nun das arme Kraut
an der Strasse allein im Staube,
während die Taube
sich gurrend
entfernt.
Ich habe murrend
daraus gelernt :
es ist mir nicht angenehm ,
aber dies ist ein weiteres,
garnicht so heiteres
ungelöstes Problem.

Und wen es irritiert -
das Leben
ist eben
höchst kompliziert.

eKr

P.S. Der Taubnessel haben sich schon K.H.Waggerl und
P.P. Althaus angenommen - das Thema wäre also ein Plagiat -
aber es ist so reizvoll und der Text ist auf meinem Mit
gewachsen ! Also allen einen schönen Abend und eine
Gute Nacht ! - eva


sylvia antwortete am 10.07.01 (20:25):

Fazit: Man sollte des öftern zum Heurigen gehn!....
"Taubnessel" ist wirklich höchst witzig geschrieben. Gratuliere!
Sylvia


Rosmarie S antwortete am 10.07.01 (21:09):

Liebe Eva,

deine Nessel tut mich fessel! Einfach köstlich! :-)))

Rosmarie


Georg Segessenmann,alias Georg von Signau antwortete am 11.07.01 (09:51):

Und hätte die Taube nicht
diese Taubnessel gekannt,
hätte sich sich vielleicht an
ner Brennnessel die Finger vebrannt!

Das meint der Schorsch,
der sein Messer gewetzt,
weil auch er sich schon
mal in die Nesseln gesetzt!

PS. Wer setzt sich so gern
in Grinzing zum Heurigen?
Alle Evas von Austria,
diese Tollen und Feurigen!

Schorsch


eva antwortete am 11.07.01 (13:53):

Christian Morgenstern hat nicht nur die heiter-skurrilen Palmström-Gedichte verfasst, sondern auch sehr ernste und
tiefe Werke geschaffen. Hier ist ein Gedicht, speziell für
MANFRED :

Durch manchen Herbst des Leidens
mußt du, Herz,
eh dich die letzte goldne Sichel mäht.
Schon späht
ihr blankes Erz
nach deinem dunklen Blut.
Wie bald, so ruht,
verströmend Gold,
es, Abendröten gleich,
in jenem Reich
des Ewigen Abends,
welcher Friede heißt !
O süßer Geist
der Nächte,
sei mir hold !


Iris antwortete am 11.07.01 (17:26):



Palmström legt des Nachts sein Chronometer,
um sein lästig Ticken nicht zu hören,
in ein Glas mit Opium oder �ther.

Morgens ist die Uhr dann ganz >herunter<.
Ihren Geist von neuem zu beschwören,
wäscht er sie mit schwarzem Mokka munter.

Christian Morgenstern


Luzia antwortete am 11.07.01 (17:49):

Die unmögliche Tatsache

Christian Morgenstern

Palmström, etwas schon an Jahren,
wird an einer Straßenbeuge
und von einem Kraftfahrzeuge
überfahren.

"Wie war" (spricht er, sich erhebend
und entschlossen weiterlebend)
"möglich, wie dies Unglück, ja-:
Daß es überhaupt geschah?

Ist die Staatskunst anzuklagen
in bezug auf Kraftfahrwagen?
Gab die Polizeivorschrift
hier dem Fahrer freie Trift?

Oder war vielmehr verboten,
hier Lebendige zu Toten
umzuwandeln, - kurz und schlicht:
Durfte hier der Kutscher nicht--?

Eingehüllt in feuchte Tücher,
prüft er die Gesetzesbücher
und ist alsobald im klaren:
Wagen durften hier nicht fahren!

Und er kommt zu dem Ergebnis:
Nur ein Traum war das Erlebnis.
Weil, so schließt er messerscharf,
nicht sein kann, was nicht sein darf.


Heidi antwortete am 11.07.01 (22:26):

Mondaufgang

In den Wipfeln des Walds,
die starr und schwarz
in den fahlen Dämmerhimmel
gespenstern,
hängt eine große,
glänzende Seifenblase. Langsam löst sie sich
aus dem Geäst
und schwebt hinauf
in den �ther. Unten im Dickicht
liegt Pan,
im Munde
ein langes Schilfrohr,
dran noch der Schaum
des nahen Teiches
verkrustet schillert. Blasen blies er,
der heitere Gott:
die meisten aber
platzten ihm tückisch. Nur eine
hielt sich tapfer
und flog hinaus
aus den Kronen. Da treibt sie schimmernd,
vom Winde getragen,
über die Lande.
Immer höher steigt
die zerbrechliche Kugel. Pan aber blickt
mit klopfendem Herzen -
verhaltenen Atems -
ihr nach.

Christian Morgenstern


Rosmarie S antwortete am 11.07.01 (23:47):

Hallo,

heute habe ich eine große Bitte an euch. Meine Freundin hat gerade erfahren, dass ihr Mann sehr schwer krank ist. Dies war vorher nicht zu erkennen.
In den letzten Wochen bat sie mich einmal, nach Gedichten Ausschau zu halten, in denen von Händen die Rede sei. Hände im Sinne von "dir meine Hand als Stütze reichen" oder "die Hand über dich halten". Es könnten auch Gebete sein. Ich kenne leider nur: "Ich trau auf deine Hand..."
In ihrer jetzigen Situation könnte solch ein Händegedicht ihr vielleicht etwas bedeuten.

Mit herzlichem Dank
Rosmarie


Lore antwortete am 12.07.01 (08:20):

ABER
Zuerst habe ich mich verliebt
in den Glanz deiner Augen
in dein Lachen
in deine Lebensfreude

Jetzt liebe ich auch dein Weinen
und deine Lebensangst
und die Hilflosigkeit
in deinen Augen

Aber gegen die Angst
will ich dir helfen
denn meine Lebensfreude
ist noch immer der Glanz deiner Augen

Erich Fried


eva antwortete am 12.07.01 (16:22):

Kennt ihr das Land, wo die Zitronen blühn�?
Dorthin werde ich mich demnächst verziehn. -
Ich werd�im nobelsten Albergo wohnen
(und abends gibt es Schinken mit Melonen !!!);
und zu dem köstlichen Serrano-Schinken
werde ich roten Montalcino trinken !
Ich werde unter den Akazien wandeln
und auf dem Markte um Prozente handeln;
ich werde mir die schönsten Schuhe kaufen
(wenn ich auch Mühe habe, drin zu laufen !).
Auf allen Feldern blüht der rote Mohn,
und abends - nun das sagte ich ja schon.
An jedem Morgen ist der Himmel blau
und abends ich .... in diesem Sinne Ciao !!!

eva


Dora/Mille antwortete am 12.07.01 (20:10):

Dora/Mille

Ja, liebes Evchen, und dann nachts ?
nichts steht da, was du dann machst !
Wenn nachts die Sterne scheinen,
erlaub ich mir zu meinen,

da fehlt doch was, meinst Du nicht auch ?
in Italy ist das so Brauch,
dass nachts man hat jemand` zum Küssen,
ohne dass es wär ein Müssen.

Aber schön wärs doch !


Heidi antwortete am 12.07.01 (23:35):

Lauschende Wolke über dem Wald


Lauschende Wolke über dem Wald.
Wie wir sie lieben lernten,
seit wir wissen, wie wunderbald
sie als weckender Regen prallt
an die träumenden Ernten.


Rainer Maria Rilke


Wie schön doch so ein sanfter Sommerregen sein kann.:-)


admin/Seniorentreff antwortete am 13.07.01 (00:05):

Kapitel 14 wandert nun ins Archiv.

Gedichte Kapitel 15 ist neu eröffnet!