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THEMA:   Einsamkeit

 19 Antwort(en).

Richard Eickstädt begann die Diskussion am 12.08.01 (16:17) mit folgendem Beitrag:

Jeder Mensch wird anders mit der Einsamkeit fertig,
der eine nimmt es leicht, der andere schwer.
Ich habe zwei solcher Charaktere gefunden, die mich zum Nachdenken brachten.

Mut zur Einsamkeit
Anna Enders-Dix

Hast du den Mut,
den göttlichen Mut zur Einsamkeit?
Kraftvoll entzweit mit der stumpfen Welt,
wandelst du den verlassenen Pfad,
unvergänglichen Spuren
einsam ringender Größe nach.

In freiatmender Brust trägst du geheimen Lebens
köstlichen Schatz: Perlen,
in der Unendlichkeit leuchtender Tiefe langsam gereift.
Nicht des Thrones bedarfs, König zu sein.
Siehe: ein Fürst, schreitest du unerkannt,
durch des eigenen Reichs Gebiet.

In des entblößten Hauptes sturmzerwühltem Gelock
birgst du den goldenen Reif.
Nur der heiligen Sehnsucht Auge
grüßet mit Frageblick deiner Stirne verborgenen Glanz.
Ihr in die tastende Hand neigest du, lächelnd,
deiner Perlen ewigen Wert.

Hast du den Mut,
den göttlichen Mut zur Einsamkeit?
Kraftvoll entzweit mit der stumpfen Welt.
wandelst du den verlassenen Pfad,
unvergänglichen Spuren
einsam ringender Größe nach.



Glück der Einsamkeit
Wilhelm Busch

Wer einsam ist, der hat es gut,
weil keiner da, der ihm was tut.
Ihn stört in seinem Lustrevier
kein Tier, kein Mensch und kein Klavier,
und niemand gibt ihm weise Lehren,
die gut gemeint und bös zu hören.

Der Welt entronnen, geht er still
in Filzpantoffeln, wann er will.
Sogar im Schlafrock wandelt er
bequem den ganzen Tag umher.
Er kennt kein weibliches Verbot,
drum raucht und dampft er wie ein Schlot.
Geschützt vor fremden Späherblicken,
kann er sich selbst die Hose flicken.

Liebt er Musik, so darf er flöten,
um angenehm die Zeit zu töten,
und laut und kräftig darf er prusten,
und ohne Rücksicht darf er husten,
und allgemein vergisst man seiner.
Nur allerhöchstens fragt mal einer:
Was, lebt er noch? Ei schwerenot
ich dachte längst, er wäre tot.

Kurz, abgesehn vom Steuerzahlen,
lässt sich das Glück nicht schöner malen.
Worauf denn auch der Satz beruht:
Wer einsam ist, der hat es gut.


Rosmaire Vancura antwortete am 12.08.01 (19:30):


Vom Glück allein zu sein.

Jedes Glück muß man erringen,
selbst das Glück der Einsamkeit;
nimm dir drum vor allen Dingen
dazu immer wieder Zeit.

Um sich selber zu erkennen,
braucht es manchmal den Entschluß,
daß man sich von vielem trennen
und mit sich allein sein muß.


Tu's jedoch schon deinetwegen
ohne Groll und Larmoyanz
und, bewusst und überlegen,
mit der nötigen Distanz.

Auch die Einsamkeit hat Gecken,
und sie spielen im Verlauf,
nur um Mitleid zu erwecken,
meist als Märtyrer sich auf.

Laß von ihnen dich nicht blenden,
speziell und allgemein,
sondern es dabei bewenden,
glücklich und allein zu sein.

Fridolin Tschudi




Georg Segessenmann antwortete am 12.08.01 (19:31):

Lieber Richard

Man kann einsam sein und sich doch nicht alleine fühlen.
Man kann aber auch unter vielen Menschen sein und sich trotzdem einsam fühlen. Meist stellen wir die Weichzen zum einen und zum anderen selber.

Schorsch


Richard Eickstädt antwortete am 16.08.01 (16:59):

Einsamkeit

Silke Budweg

Einsamkeit ist ein inneres Gefängnis,
aus dem es auszubrechen gilt.
Der Sprengstoff zum Durchbrechen der Mauern
sind unsere Ideen.
Der Schlüssel zur Freiheit ist
der Kontakt zu anderen Menschen

Entdeckt von mir in dem Lyrik-Band
von Silke Budweg: �Federleicht�


Heidi antwortete am 16.08.01 (17:12):

Er hat sehr viel über die Einsamkeit geschrieben, der Michel Houellebecq, da wir jetzt Ferienzeit haben etwas über die Einsamkeit in den:

Ferien

Eine tote Zeit. Ein weißes Loch macht sich im Leben breit.
Sonnenstrahlen trudeln auf den Fliesen.
Die Sonne schläft; der Nachmittag steht still.
Metallische Reflexe irren über dem Sand.

In brummelnder feuchter, fas regloser Luft
Hört man die Insektenweibchen schwirren.
Ich habe Lust, mich umzubringen, einer Sekte beizutreten;
Ich habe Lust, mich zu bewegen, doch das wäre ohne Sinn.

In fünf Stunden spätestens wird der Himmel finster sein;
Ich werde auf den Morgen warten und unterdessen Fliegen töten.
Die Dunkelheit zuckt wie kleine Münder;
Dann kommt wieder der Morgen, schroff und weiß, hoffnungslos.

Michel Houellebecq "Suche nach Glück" DuMont Verlag, übertragen von Hinrich Schmidt-Henkel


hl antwortete am 17.08.01 (22:24):

abende

flackernder bildschirm
verkleidet die leere
leise musik
im hintergrund
dämpft die stille
pc wird zum ansprechpartner
ohne zu antworten
manche abende
sind einsam

hl


KarinD antwortete am 18.08.01 (15:05):

Leider nicht von mir, sondern der Text eines Liedes von den "PUHDYS" - kennt Ihr sicher, die Gruppe:

Weit vor den Straßen weiß ich einen See.
Weit vor den Straßen ich mein Bild beseh.
Ich leg die Kleider ab und bin allein.
Schau die Sonne an und schwimm so weit.
Einsamkeit, Einsamkeit, brauche ich für kurze Zeit.
Einsamkeit, Einsamkeit.

Weit vor den Straßen weiß ich einen See.
Weit vor den Straßen will ich mein Bild beseh.
Leg die Verkleidung an und bin allein.
Schau mir ins Gesicht und suche mich.
Einsamkeit, Einsamkeit, ich brauche dich für kurze Zeit.
Einsamkeit, Einsamkeit.
Einsamkeit, Einsamkeit, brauche ich für kurze Zeit.
Einsamkeit, Einsamkeit, brauche ich für kurze Zeit.
Einsamkeit, Einsamkeit, brauche ich für kurze Zeit.
Einsamkeit, Einsamkeit.

O D E R

vielleicht den Leitspruch eines Sportvereins?

Sport stärkt Arme, Rumpf und Beine
kürzt die öde Zeit,
und er schützt uns durch Vereine
vor der Einsamkeit.
(Joachim Ringelnatz)
-----------------
Außerdem sagt Ringelnatz:
"Einsamkeit ist die Treppe zum Gedankenkeller".


So, jetzt genug der Einsamkeit.
Gruß, Karin.


Gerlinde antwortete am 20.08.01 (21:16):

Man darf sich auch hin und wieder
gehenlassen, wenn man einsam ist, und muß
nichts mehr von sich verlangen.

Manchmal ist es gut, wenn man der
Müdigkeit den Raum läßt, den sie braucht.
Manchmal ist es gut, wenn man auch dem
Zorn den Raum läßt, den er braucht.
Manchmal ist es gut, einfach auf die
zurückgebliebene Seele zu warten, bis sie
sich anschickt, uns wieder einzuholen und
wieder für uns dazusein.


einsam antwortete am 26.08.01 (22:35):

Abendgebet

Bitte, lieber Gott
schick mir doch ein liebes Wort
aus dem Mund eines Mitmenschen
auch wenn es nur ein geschriebenes ist
eines, das vielleicht mit "Liebes" anfängt
und mit "Dein .." aufhört.

oder vielleicht, lieber Gott,
wenn das nicht möglich ist
nimm mir doch dieses elende
Gefühl aus meinem Herzen
das man Liebe nennt
es tut so weh

wenn auch das nicht möglich ist,
lieber Gott, dann
schau doch mal nach, ob ich wirklich
noch weiter leben muss?
Ich fühle mich so schrecklich
einsam


Gudrun antwortete am 31.08.01 (18:43):

An Einsam:


Danke für deinen Beitrag!
Gudrun


MaikeW. antwortete am 04.09.01 (22:49):

An Einsam: Leider lese ich deinen Beitrag erst heute - er hat mir die Tränen in die Augen getrieben. Gefühle, die ich nur zu gut kenne; Fragen, die in manchem Moment genau so auftauchen. Aber: du musst ja nicht weiter leben, sondern du darfst, und nur, weil es heute so viel gibt, was so schrecklich weh tut, gibt es auch irgendwann wieder etwas, was dich ganz, ganz froh macht! Gefühle haben - wie alles im Leben, zwei Seiten, und nur, wer tief unglücklich sein kann, wird auch großes Glück fühlen können!!!


Gerlinde antwortete am 05.09.01 (22:10):

Hallo Einsam, ich weiß zwar nicht ob du m oder w bist und kann dich auch deshalb nicht besser anreden aber dein Gebet hat mich tief bewegt. Viele von uns werden so oder so ähnlich schon einmal gebetet haben.
Aber das Leben ist lebenswert, trotz aller Hoch und Tiefs!!!!
Alles Liebe, Gerlinde


einsam antwortete am 05.09.01 (22:50):

Danke! Es war eine ...Momentaufnahme.


Richard antwortete am 06.09.01 (07:59):

Guten Morgen!
Vielleicht standen diese Zeilen schon mal in einer der Seiten. Bei so viel Vorrat.....
aber auch ein guter Beitrag von Karin,
ich war so frei es in dieses Themen-Gebiet aufzunehmen.

Im Nebel

Seltsam, im Nebel zu wandern!
Einsam ist jeder Busch und Stein,
Kein Baum sieht den andern,
Jeder ist allein.

Voll von Freunden war mir die Welt,
Als noch mein Leben licht war;
Nun, da der Nebel faellt,
Ist keiner mehr sichtbar.

Wahrlich, keiner ist weise,
Der nicht das Dunkel kennt,
Das unentrinnbar und leise
Von allen ihn trennt.

Seltsam, im Nebel zu wandern!
Leben ist Einsamsein.
Kein Mensch kennt den andern,
Jeder ist allein.

(Hermann Hesse)

------------------------------------------------------

(Internet-Tipp: https://home.feierabend.com/burlala)


KarinD antwortete am 06.09.01 (13:53):

Hallo, Richard!

Sehe eben, daß Du meinen Beitrag verschoben hast. Ja, hier gehört er her.
Damit er nicht doppelt ist, kann "man" ihn ja vielleicht in der Gedichte-Seite löschen, oder??

Gruß, Karin.


KarinD antwortete am 09.09.01 (11:26):

Hier noch eines meiner Lieblingsgedichte zum Thema:

Einsamkeit

Mondesglanz auf feuchten Wiesen,
Auf dem stillen Nebelsee,
Bäume ragen, dunkle Riesen,
Wo ich einsam sinnend steh!

Vogelruf aus tauigen Feldern,
Wasserrauschen fern im Grund,
Tiefes Schweigen in den Wäldern,
Sternenflimmer hoch im Rund.

Und mein Blut geht hin und wieder,
Und vorüber rinnt die Zeit,
Schauer senkt sich auf mich nieder
Vor dem Hauch der Einsamkeit.

(von Heinrich Seidel 1842-1906)


Richard antwortete am 09.10.01 (20:53):

Kästner schrieb im Herbst 1947 für �Die Schaubude�
fogendes Gedicht:

Kleines Solo

Einsam bist du sehr alleine.
Aus der Wanduhr tropft die Zeit.
Stehst am Fenster. Starrst auf Steine.
Kennst das Leben. Weißt Bescheid.
Einsam bist du sehr alleine --------

und am schlimmsten ist Einsamkeit zu zweit.

Wünsche gehen auf die Freite.
Glück ist ein verhexter Ort.
Kommt dir nahe. Weicht zur Seite.
Sucht vor Suchenden das Weite.

Ist nie hier. Ist immer dort.
Stehst am Fenster. Starrst auf Steine.
Sehnsucht krallt sich in dein Kleid.
Einsam bist du sehr alleine ------

und am schlimmsten ist die Einsamkeit zu zweit.

Schenkst dich hin. Mit Haut und Haaren.
Magst nicht bleiben, wer du bist.
Liebe treibt die Welt zu Paaren.
Wirst getrieben. Musst erfahren,
dass es nicht die Liebe ist ..........
Bist sogar im Kuss alleine.
Aus der Wanduhr tropft die Zeit.
Gehst ans Fenster. Starrst auf Steine.
Brauchtest Liebe. Findest keine.
Träumst von Glück. Und lebst im Leid.
Einsam bist du sehr alleine -----

und am schlimmsten ist die Einsamkeit zu zweit.


KarinD antwortete am 11.10.01 (13:30):

Wer sich der Einsamkeit ergibt

�Wer sich der Einsamkeit ergibt,
Ach der ist bald allein;
Ein jeder lebt, ein jeder liebt
Und läßt ihn seiner Pein.�

Wer sich dem Weltgewühl ergibt,
Der ist zwar nie allein.
Doch was er lebt und was er liebt,
Es wird wohl nimmer sein.

Nur wer der Muse hin sich gibt,
Der weilet gern allein,
Er ahnt, daß sie ihn wieder liebt,
Von ihm geliebt will sein.

Sie kränzt den Becher und Altar,
Vergöttlicht Lust und Pein.
Was sie ihm gibt, es ist so wahr,
Gewährt ein ewig Sein.

Es blühet hell in seiner Brust
Der Lebensflamme Schein.
Im Himmlischen ist ihm bewußt
Das reine irdsche Sein.

Bettina von Arnim (1785-1859)


sabine antwortete am 19.10.01 (10:27):

Einsamkeit

Die Einsamkeit ist wie ein Regen.
Sie steigt vom Meer den Abenden entgegen;
von Ebenen, die fern sind und entlegen,
geht sie zum Himmel, der sie immer hat.
Und erst vom Himmel fällt sie auf die Stadt.

Regnet hernieder in den Zwitterstunden,
wenn sich nach Morgen wenden alle Gassen
und wenn die Leiber, welche nichts gefunden,
enttäuscht und traurig von einander lassen;
und wenn die Menschen, die einander hassen,
in einem Bett zusammen schlafen müssen:

dann geht die Einsamkeit mit den Flüssen...

Rainer Maria Rilke

(Internet-Tipp: https://www.rilke.de)


sabine antwortete am 19.10.01 (10:37):

und gleich noch eins ...


Nachts auf hoher See

Nachts, wenn das Meer mich wiegt
Und bleicher Sternenglanz
Auf seinen weiten Wellen liegt,
Dann löse ich mich ganz
Von allem Tun und aller Liebe los
Und stehe still und atme bloß
Allein, allein vom Meer gewiegt,
Das still und kalt mit tausend Lichtern liegt.

Dann muß ich meiner Freunde denken
Und meinen Blick in ihre Blicke senken,
Und frage jeden still allein:
"Bist du noch mein?
Ist dir mein Leid ein Leid, mein Tod ein Tod?
Fühlst du von meiner Liebe, meiner Not
Nur einen Hauch, nur einen Widerhall?"

Und ruhig blickt und schweigt das Meer
Und lächelt: Nein.
Und nirgendwo kommt Gruß und Antwort her.

Hermann Hesse