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THEMA:   Schule - Schulerfahrungen

 26 Antwort(en).

Anton Stephan Reyntjes begann die Diskussion am 16.01.02 (11:17) mit folgendem Beitrag:

Ein altes Gedicht über Schulerfahrungen beginnt so:

Da rinnt der Schule lange Angst und Zeit,
mit Warten hin, mit lauter dumpfen Dingen.
....
Wer kennt den Autor, die Fortsetzung..?
Ich bin auch interessiert an Schulerfahrungen (positiv oder negativ), ob in Gedichten oder Geschichten...

(Internet-Tipp: https://www.reyntjes.de)


schorsch antwortete am 16.01.02 (11:24):

"Ich bin auch interessiert an Schulerfahrungen (positiv oder negativ), ob in Gedichten oder Geschichten..."

Da könnte ich Dir ein Buch empfehlen - aber dann müsste ich ja Eigenwerbung machen.....

Schorsch


Gila antwortete am 16.01.02 (14:06):

Kindheit

Da rinnt der Schule lange Angst und Zeit
mit Warten hin, mit lauter dumpfen Dingen.
O Einsamkeit, o schweres Zeitverbringen...
Und dann hinaus: die Straßen sprühn und klingen
und auf den Plätzen die Fontänen springen
und in den Gärten wird die Welt so weit -.
Und durch das alles gehn im kleinen Kleid,
ganz anders als die andern gehn und gingen -:
O wunderliche Zeit, o Zeitverbringen,
o Einsamkeit.

Und in das alles fern hinauszuschauen:
Männer und Frauen; Männer, Männer, Frauen
und Kinder, welche anders sind und bunt;
und da ein Haus und dann und wann ein Hund
und Schrecken lautlos wechselnd mit Vertrauen -:
O Trauer ohne Sinn, o Traum, o Grauen,
o Tiefe ohne Grund.

Und so zu spielen: Ball und Ring und Reifen
in einem Garten, welcher sanft verblaßt,
und manchmal die Erwachsenen zu streifen,
blind und verwildert in des Haschens Hast,
aber am Abend still, mit kleinen steifen
Schritten nachhaus zu gehn, fest angefaßt -:
O immer mehr entweichendes Begreifen,
o Angst, o Last.

Und stundenlang am großen grauen Teiche
mit einem kleinen Segelschiff zu knien;
es zu vergessen, weil noch andre, gleiche
und schönere Segel durch die Ringe ziehn,
und denken müssen an das kleine bleiche
Gesicht, das sinkend aus dem Teiche schien -:
O Kindheit, o entgleitende Vergleiche.
Wohin? Wohin?


Aus: "Das Buch der Bilder" von Rainer Maria Rilke


Zu den Schulerfahrungen melde ich mich später mal. Zur Zeit stecke ich nämlich mittenmang drin (Grundschulzeugnisse schreiben!!!). Auf diese Erfahrung könnte ich gerne verzichten *g*.

Gila


Barbara antwortete am 17.01.02 (16:19):

Nu wat in plattdüütsch:

Hermann Claudius:

Backen bleven

Och - lütt Hein mag nich mehr leven.
He is wedder backen bleven.
Scheef sien Böker ünner'n Arm
steiht he mank den Kinnerswarm:
Backen bleven!

Swaar dat Hatt, so swaar de Truern
slickt he lurig lang de Muern,
sett he langsam Been vör Been,
fangt he meist al an to ween'n.

Man mit eenmal mutt he denken:
Vadder wull em en Trummel schenken,
Trummel un en Scheetgewehr
---- wenn he röverkamen weer.

Mudder köff em wull en Säbel.
Un in siene Kremperstevel
as so'n richtigen Suldat
exerzeer he lang de Straat!

Jungedi! Wat weer't en Leven ---
weer he blots, weer he blots
nich backen bleven ----------


Auf hochdeutsch:

Ach - der kleine Hein mag nicht mehr leben,
er ist wieder sitzen geblieben.
Schief seine Bücher unter dem Arm
steht er mitten im Kinderschwarm:
Sitzen geblieben!

Schwer das Herz, so schwer die Trauer
schleicht er langsam entlang der Mauer,
setzt er langsam Bein vor Bein,
fängt beinahe an zu weinen.

Da, mit einmal muss er denken:
Vater wollte ihm eine Trommel schenken,
eine Trommel und ein Schießgewehr
- - - wenn er rübergekommen wär!

Mutter kaufte ihm wohl einen Säbel.
Und in seinen Krempelstiefeln
wie ein richtiger Soldat
exerzierte er entlang der Straße!

Junge, Junge! Wär das ein Leben - - -
wär er bloß, wär er bloß
nicht sitzen geblieben - - - !

Liebe Grüße von
Barbara


Reyntjes antwortete am 19.01.02 (00:35):

Ja, danke den Mitspielern, die ihre Erinnerung aktivierten... Ich bin weiter an ollen Kamellen, schlimmen Geschichten, tollen Storys - Schule betreffend - interessiert...

Liebe Grüße von Stephan Rey.

(Internet-Tipp: https://www.reyntjes.de)


Hans-Jürgen antwortete am 19.01.02 (10:52):

Ein Lehrer hat außer dem Privileg, das, was er selber weiß, was er schätzt und was ihn bewegt, an andere weiterzugeben, auch den Vorteil, bei seiner Arbeit mit *Kindern* zusammenzusein: mit fröhlichen, manchmal auch traurigen, aufgeschlossenen, munteren, dicken und dünnen, dunkelhaarigen und blonden, stupsnasigen, sommersprossigen, auch apart aussehenden Kindern. Wenn sie ihm interessiert zuhören, sich an dem, was er ihnen beibringt, mit Fragen und Antworten beteiligen und dabei einen ganz bestimmten Gesichtsausdruck annehmen, hat er allen Grund zur Freude. Wenn sie in den Pausen auf dem Schulhof herumrennen und -hopsen, Hand in Hand zu zweit gehend sich offenbar Wichtiges zu erzählen haben oder zu mehreren ein selbst ausgedachtes (oder traditionelles) Spiel spielen, bis es wieder zur Stunde läutet, dann erfreut ihn selbst die Pausenaufsicht, auch bei Regen und schlechtem Wetter. Immer, den ganzen Vormittag, oft auch nachmittags, hat er, der Lehrer, das junge Volk um sich, das auch ihn jung erhält.

Wenn die Kinder heranwachsen und zu jungen Mädchen und Männern werden, gibt es unter ihnen immer wieder welche, die einen besonderen Charme ausstrahlen. Doch muß man, als Lehrer, *vorsichtig* sein. Vor langer Zeit notierte ich einmal für mich:

Kein Lehrer hat � was wär', er hätt' es? �
das Recht, etwas Bewundernd-Nettes
zu einer Schülerin zu sagen,
das auf ihr Äuß'res sich bezieht,
auf Kleidung, Haar, Figur, Gesicht
und wie sie lacht und geht und spricht,
daß er sich freut, wenn er sie sieht �
drum will auch ich 's nicht wagen.

Es mag sein, daß manche Lehrer sich hieran nicht halten; das kann dann leicht zu Mißhelligkeiten und unangenehmen Komplikationen führen. (Nebenbei: meine beiden Fächer waren Mathematik und Physik.)

Mit besten Grüßen in die Runde,
Hans-Jürgen.


schorsch antwortete am 19.01.02 (12:03):

Lehrer sind diejenigen Menschen, die die folgenden Jahrzehnte der Welt formen und bestimmen. Würde sich jeder Lehrer und jede Lehrerin dessen bewusst sein, würde mancher und manche sich einiges mehr überlegen, wenn sie Wissen weiter geben.....

Zu unserer Zeit waren die Lehrer zumeist nur Einpauker von Grundwissen. Heute wird von ihnen einiges mehr abverlangt - und nicht alle sind dieser Rolle gewachsen - leider.

Schorsch, ein Spätleidender


Barbara antwortete am 19.01.02 (13:18):

Schule, bei diesem Wort steigt das Grauen in mir hoch.
Ich selbst hatte keine Schulprobleme, konnte daher einfach nicht verstehen, dass mein Sohn trotz größter Bemühungen nicht Lesen und Schreiben lernen konnte. Da ich stets über Probleme geredet habe, fragte mich eines Tages die Mutter einer Klassenkameradin, ob ich zu einem "Legasthenie-Vortrag" mitkäme. Ich hatte dieses Wort noch nie gehört, ging also mit. Dort fiel es mir wie Schuppen von den Augen: es gab offenbar noch mehr Kinder mit diesen Schwierigkeiten!

Dem "Bundesverband Legasthenie e.V." verdanken wir, dass meine drei Kinder an ihrem Schicksal nicht verzweifeln mussten. Ich habe mich sofort diesem Elternselbsthilfe-Verband angeschlossen und dort Fachwissen und Aufklärung über Literatur und Schulerlasse zu diesem Thema erhalten. Bis auf wenige gute Pädagogen, die mich und meine Kinder gestärkt haben, sich für ihr Recht auf Bildung einzusetzen, haben wir leider fast nur schlimme Erfahrungen machen müssen.

Der Grundschullehrer meines Sohnes meinte, es wäre mein Problem, dass ich mich damit nicht abfinden könne, dass mein Sohn "minderbegabt" sei: "Ein paar Handwerker muss es ja auch geben!"

Auf einem Elternabend meiner Tochter wurde vom ersten Diktat gesprochen. Die Lehrerin sagte: "Ich habe das Diktat mit den Kindern wochenlang geübt. 18 Kinder schrieben null Fehler, 4 Kinder einen Fehler, 5 Kinder zwei Fehler und eine hat es doch tatsächlich fertiggebracht, von 18 Worten 17 falsch zu schreiben!" Die Eltern und die Lehrerin wollten sich darüber kaputtlachen, ich erstarrte. Man deutete auf die ersten kleinen Aufsätze, die an den Wänden des Klassenraumes aufgehängt waren, und ich betrachtete das Werk meiner Tochter. Andere hatten es ebenfalls entdeckt: nein, wie witzig, so etwas Unmögliches hatte man ja noch nie gesehen! Ich stellte mir vor, wie meine Tochter diesen Horror täglich erlebte. Die meiste Zeit lag sie mit Migräne-Anfällen bei der Schulsekretärin, sie erbrach fast täglich. Ich beantragte eine Schrägversetzung in eine Parallel-Klasse: abgelehnt! Ich bekam es schriftlich: "Ihre Tochter ist ein fröhliches Kind, das seine Klassenlehrerin liebt. Es ist allein Ihr Problem, dass sie sich nicht mit Ihrem Versagen abfinden wollen!"

Achtzehn Jahre Schulkampf liegen hinter uns. Ein Höhepunkt, über den wir heute lachen können: Im Zwischenzeugnis der 10. Klasse Gymnasium wurde uns mitgeteilt, dass aufgrund der schlechten Leistungen in den Sprachfächern eine Versetzung in die Oberstufe für meinen Sohn ausgeschlossen wurde. Mein Protest über das Kultusministerium erbrachte nichts, ich wurde nur ständig vertröstet. Eine gute Freundin riet mir zur Klage. Vollkommen am Ende wählte ich diesen Weg. Plötzlich sprach eine Lehrerin nach der anderen mit meinem Sohn: nein, von ihr habe er nichts zu befürchten. Er wurde in die Oberstufe versetzt, machte sein Abitur und studierte anschließend Informatik. Sein Diplom machte er mit der Note 1,0. Seine Deutschlehrerin hängte ihren Beruf an den Nagel und betreibt heute ein Hotel in Frankreich . . . .

Alle drei Kinder haben ihr Abitur geschafft, zwei ihr Studium inzwischen abgeschlossen. Meine Tochter befindet sich noch im Studium, ihr Abitur war das zweitbeste des Jahrganges.

Meine Kinder stehen voll zu ihrer Schwäche. Sie nahmen an Kongressen des Bundesverbandes Legasthenie e.V. teil, um anderen Betroffenen und deren Eltern Mut zu machen, für ihr Recht auf Bildung einzutreten. Man spricht von ca. zehn Prozent, die mit dieser Schwäche leben müssen.

Gruß Barbara


schorsch antwortete am 20.01.02 (10:41):

Als Stiefvater von zwei Kindern mit einer Schreib- und Leseschwäche kann ich da auch ein Liedchen mitsingen: Als Erstes war mir schon vor ihrer Einschulung aufgefallen, dass sie nie ein Liedchen oder eine Melodie sangen. Oder wenn sie es probierten, kam das so grundfalsch heraus, dass es einem musikbegabten Menschen in den Ohren weh tat. Da merkte ich, dass auch der Grossvater der Kinder und die Mutter (meine Frau)nicht singen konnten. Der Grossvater pfiff stets eine Kombination von Melodiesegmenten - immer die gleichen - und so grundfalsch.... aber siehe oben.
Als die Kinder dann in die Schule gingen, hatten sie mit der "Ordograffi" die grösste Mühe und wurden - besonders vom einen Lehrer - oft vor den anderen Kindern blossgestellt. Wir konnten mit ihnen ein Diktat zuhause noch und noch üben, bis es fast zu null Fehlern kam. Aber wenn sie eine Woche später die gleichen Wörter schreiben mussten, machten sie wieder die gleichen Schreibfehler wie eh und jeh.
Was aus den beiden geworden ist? Der "Bub" ist heute Lehrlingsausbildner und örtlicher Feuerwehrkommandant. Bis dato kam er zu mir, wenn es etwas "Amtliches" zu schreiben gab. Aber jetzt ist sein älterer Sohn bereits in der 2. Klasse des Gymnasiums und kann mich entlasten. Und das "Mädchen" hat seit Jahren einen eigenen Frisörladen. Leider hat ihr einziges Kind diese Schwäche auch wieder geerbt. Aber wir gehen mit Geduld und Verständnis darüber hinweg im Bewusstsein, dass es nicht die Gescheitesten sind, die es im Leben zu ETWAS bringen, sondern die Zähesten!

Schorsch


Barbara antwortete am 20.01.02 (14:28):

Lieber Schorsch,

Legasthenie ist eine TEIL-leistungsstörung. Darum möchte ich auf folgende Aussage von Dir näher eingehen:

"dass es nicht die Gescheitesten sind, die es im Leben zu ETWAS bringen, sondern die Zähesten"

Du und Deine Frau haben das Wichtigste für diese Kinder geleistet, was man überhaupt leisten kann: ihr habt in den Jahren schulischer Demütigungen aufgrund der Schwäche dafür gesorgt, dass die Kinder ihr Selbstvertrauen nicht verloren haben. Nur dann kann ein Mensch sein Leben trotzdem erfolgreich leben.

Allerdings besagt Legasthenie überhaupt nicht, dass diese Kinder nicht gescheit sind. Einstein, Edison und andere berühmte Naturwissenschaftler litten ebenfalls unter dieser Schwäche. Edisons Mutter konnte die Qual ihres Sohnes in der Schule nicht mit ansehen, meldete ihn von der Schule ab und unterrichtete ihn selbst. Er wurde zu einem der größten Erfinder aller Zeiten!

Die Frage ist, ob unsere Gesellschaft es sich überhaupt leisten kann, auf diese oft großen naturwissenschaftlichen Begabungen zu verzichten. Außerdem zerbrechen viele dieser Kinder an ihrem Handicap, wenn sie bei ihren Eltern und Lehrern nicht auf das notwendige Verständnis treffen. Es gibt wissenschaftliche Untersuchungen, die aufzeigen, dass in den Gefängnissen ein großer Teil lese-rechtschreibschwacher Menschen anzutreffen ist. Sie haben ihre Energie in falsche Bahnen gelenkt und sind gescheitert.

Schule ist dazu da, die BEGABUNGEN der Kinder zu fördern. Daran sollten Lehrer und Eltern denken, wenn sie diese Kinder auf ihr Versagen reduzieren und ihnen ständig ihre Fehler vorhalten.

Das Gehirn von Legasthenikern ist anders "gepolt", so dass sie in einem Lebensabschnitt Lesen und Schreiben lernen sollen, in dem es ihnen nicht möglich ist. Sie lernen es trotzdem, jedoch ca. zwei Jahre später. Was macht das schon aus, wenn man von einer Lebenserwartung von ca. 70 Jahren ausgeht?

Leider erleben diese Kinder gerade die ersten zwei Jahre ihrer Schullaufbahn aufgrund ihres Versagens die Schule als reinsten Horror. In diesen ersten Jahren laufen sie Gefahr, sich aufzugeben. Gegen dieses Schicksal laufe ich heute noch Sturm, denn gute Pädagogen können das verhindern, wenn entsprechende Erlasse Notenschutz in sämtlichen schriftlichen Arbeiten ermöglichen.

Gruß Barbara

































Antonius Reyntjes antwortete am 25.01.02 (17:08):

Dank für die Schulerfahrungen, die mich immer wieder interessieren, nicht nur zu PISA-Zeiten...(wo die Kinder mies gemacht werden für blödsinnige Dinge, Werbung (als Glaubensersatz) und Idiotie und Inaktivität produzierende Blabla-Medien, an denen geldgeile Aktionäre und Diktatoren verdienen.... - Als Gruß und zur Abwechslung ein Gedicht zum Selber-Denken...:

Günter Bruno Fuchs:
Schularbeiten

Der Fortschritt
hat keene Lust, sich
zu kümmern um
mir. Und wat mir anjeht, habick
keene Lust, mir
um den Fortschritt

zu kümmern. Denn
unsereins
war ja
als Mensch
wohl zuerst da.

So, mein Kind, das
schreibste
in dein Schulheft
rein.

(Internet-Tipp: https://www.reyntjes.de)


gruxn antwortete am 29.01.02 (21:26):

Oh je,

bei all den kritischen Diskussionen zur Zeit über Schule, Schulleistungen unserer Kinder etc wird alles und jeder Beteiligte beschuldigt, Fehler gemacht zu haben.

Hat jemand schon einmal darüber nachgedacht, daß die Schule, wie wir sie kennen, im letzten Jahrhundert entstanden ist - angefangen von den Fächern (z.B. "Deutsch"), über die Unterrichtsstunden (vormittags im 3/4stundenrhythmus),Ferien ("Kartoffelferien" im Herbst) bis hin zur Verwaltungsstruktur mit einem unbeweglichen Beamtenapparat? - Dazu abhängig von der mehr oder weniger gutwilligen Finanzzuteilung nach der jeweiligen Wirtschaftslage??

Wie soll dieses Konstrukt weiterhin Kinder für die Anforderungen des 21. Jahrhunderts ausbilden können, wenn weder grundsätzliche Überlegungen zu den neuen maßgeblichen Inhalten und Kulturtechniken, noch zu den sozialen und finanziellen Gegebenheiten angestellt werden?

Noch weitere 10 Jahre mit kleinen Korrekturen hier, Unterrichtsmodellen und sporadischen Finanzspritzen durch Sponsoren dort, und dabei einem völlig überforderten Lehrkörper, können wir uns nicht mehr leisten: Noch mehr Kinder und Jugendliche, die aus dem Berg der statistischen Normalverteilung herausfallen, werden glattgebügelt werden und ins soziale Abseits getrieben.

Ein grundsätzlich neues Denken braucht das Land, ein revolutionäres brainstorming von Fachleuten, Eltern, Sozialwissenschaftlern, Wirtschaft und Lehrern, ein breites, offenes Angebot für Schüler aller Altersstufen. Und: Muß das alles staatlich sein? -

So weit - und so utopisch, aber dennoch möglich.

Dies schreibt eine, die seit 35 Jahren an verschiedenen Gymnasien Naturwissenschaften unterrichtet, und viele ihrer ehemals vielversprechenden Schüler als Taxifahrer wiedergetroffen hat.

gruxn.


schorsch antwortete am 30.01.02 (10:21):

Ich sehe auch dies positiv: Taxi-Erfahrung ist besser als kein Taxi um zu fahren. Schlimm ist ja nur, wenn einen die ehemalige wohlgeneigte Professorin dabei erwischt (;--))))

Schorsch


Barbara antwortete am 30.01.02 (13:03):

Hallo gruxn,

Zu Deinem Text:

"Ein grundsätzlich neues Denken braucht das Land, ein revolutionäres brainstorming von Fachleuten, Eltern, Sozialwissenschaftlern, Wirtschaft und Lehrern, ein breites, offenes Angebot für Schüler aller Altersstufen. Und: Muß das alles staatlich sein? -"

Dieses Denken geht ja im Moment wie ein riesengroßer Ruck durch unser Land. Leider sehe ich dabei nur, dass jeder in eine andere Richtung strebt. Es sind die alten Grabenkämpfe wieder entfacht; es werden Schuldzuweisungen erteilt und jeder meint, die Lösung genau zu kennen. Dabei ist es schwierig, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Zu Deiner Frage, ob das alles staatlich sein muss, kann ich nur entgegnen: Das ist doch schon heute längst nicht mehr der Fall. Wer Geld hat, gibt sein Kind spätestens bei auftretenden Schwierigkeiten in eine Privatschule. Von Chancengleichheit kann daher heute keine Rede mehr sein. Man muss nur in die Zeitungen schauen, um die wachsenden Internatsangebote zu verfolgen. Diese Entwicklung spaltet unsere Gesellschaft immer mehr. Findest Du das gut?

Gruß Barbara


gruxn antwortete am 31.01.02 (11:32):

Hallo Barbara,

ich bin eben nicht der Meinung, daß ein "Ruck" durchs Land geht, was sich hier abspielt ist ein oberflächliches Basteln an Symptomen.
Die postulierte Chancengleichheit der letzten dreißig Jahre war m.E. insgesamt gesehen ein Mißerfolg und eine Katastrophe für alle Beteiligten. Daher befürworte ich durchaus mehr private Bildungsansätze, in Konkurrenz zu selbstständig agierenden, profilierten und an Schwerpunketen engagierten öffentlichen Schulen.

Und Schorsch, Taxi fahren ist prima, ich laß mir vor dem Einsteigen immer erst das Hochschuldiplom zeigen, es gibt nichts spannenderes als sich auf dem Weg zum Flughafen die Funktionsweise der Gelelktrophorese oder die Bedeutung des Wortstammes bluome im hochmittelalterlichen Minnesang reinzuziehen. Nich???

:)))gruxn


schorsch antwortete am 31.01.02 (17:55):

Da könnte ich nicht mithalten und wäre total überfordert. Offenbar reichts bei mir nicht mal zum Taxifahrer (;--)))))
Naja; den Führerschein habe ich trotzdem gemacht - habe mir halt Bildchen zeigen lassen und geraten!

Schorsch


Gila antwortete am 01.02.02 (00:15):

Oh gruxn,

köstlich dein launiger Beitrag über die Taxifahrt. Ich hab ja schon Mühe, "Gelelktrophorese" stotterfrei zu lesen. *g*

Aber im Ernst, mit deiner Sicht der Situation an unseren Schulen sprichst du mir aus der Seele. >> was sich hier abspielt ist ein oberflächliches Basteln an Symptomen<< - genau so ist es! Vor allem, wenn ich mir die überstürzten, geradezu kopflosen Reaktionen unserer Politiker auf die Piss-Studie ansehe. Wer darf das wieder ausbaden? Die Kinder und die Lehrer!

Gila


Gila antwortete am 01.02.02 (00:19):

Ach du Schreck! Ich meine natürlich die Pisa-Studie.
s und a liegen halt so nahe auf der Tastatur, dass ich wohl abgerutscht bin.

Ob das eine freudsche Fehlleistung war? *g*

Gila


barbara antwortete am 01.02.02 (20:58):

Hallo Gila,

wie findest Du den Rat aus Österreich:

"Seid doch ein bissl schlamperter, vielleicht wird's dann besser."

Das passt doch auch zu Deiner freudschen Fehlleistung, nicht wahr? :-)))

Gruß Barbara

(Internet-Tipp: https://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,180109,00.html)


Gruxn antwortete am 01.02.02 (22:28):

Danke für die Antworten, und "Freudsche Fehlleistungen" - her damit!!!!

Vielleicht können wir dann ehrlicher mit diesem Propanz an "Wissenschaftlichkeit" in allen Bereichen umgehen?
Nu hab ich selbst ein Problem: was heißt eigentlich Propanz???

gruxn


Gila antwortete am 02.02.02 (12:46):

Hallo Barbara,
stimmt! Dein Link ist übrigens interessant. Besonders der Vergleich mit dem aufgeregten Gegacker im Hühnerstall hat mir gefallen. Finde ich sehr passend.

Hallo gruxn,

falls es sich deinerseits um einen Tippfehler handelt und du Popanz meinst, so bietet mein Thesaurus folgende Synonyme: Schreckgespenst, Schreckgestalt, Teufel, Geist, Spuk, Schreckbild, Ungeheuer. Passt alles zu Pisa, oder? *g*

Falls du mit Absicht Propanz mit r geschrieben hast, so fällt mir dazu nur folgendes ein:

Pro-panz = für das Kind
Panz, Pänz = Kind, Kinder op "kölsch"

Gruß Gila ;-)))


Antonius Reyntjes antwortete am 02.02.02 (13:34):

Piss-PISA-Studie

Zwei wichtige Ergebnisse:

1. Unsere Mädchen im Gymnasium sind spitze im "Verstehen, Erkennen" (Selber was Leisten war ja nicht gefragt; kein Text, keine soziale oder kognitive Darstellung konnte bei der Abfragerei berücksichtigt werden; darüber sind wohl alle Fachleute, teure Bildungsforscher "froh"..! Ist aber geistige Verkrüppelei.

2. Der bei uns in Gesamthauptschölen öntergebrachte Sözialschrött (pardön: die Möhrhoit der zö buildenden Schöler önd Mödelchen) hat die Aufgaben nicht verstanden; sie nöcht röchtög beöntwörten könn'n. (Sie waren teils in schlechtem Deutsch formuliert...)

Fazit?

1. Jungs in Erziehungs- pardon: Arbeitslager nacherziehen; pradon: ich meinte, deren Eltern und Lehrer...

2. Die 3/4 der Schüler nur noch in Pidgin-Englisch unterrichten; mehr braucht's nicht - für die Lach- und Schuldenmacher-Konsumenten von C & A und rtl und Bahn-AG reicht's ja! - Deutsch ist eh zu schwer...

Nana, persönlich bin ich nicht beleidigt...
Aber jede Gesellschaft hat die Blagen, die sie erzieht, für die sie Vorbild zu sein vermag - nachweisbar seit den babylonischen Tagen (siehe deren Tontäfelchen) sind die Privigelierten nur an Steuersparen interessiert - und daran, den Nachwuchs zu diskretieren; ihn in ihrem gefühlsmäßigen und materiellen Geiz zu strangulieren...
Trotzdem, jeden, der Kinder lieb hat und von Schülern ausnahmsweise auch mal positiv spricht, grüße ich in Empathie und Solidarität...

Antonius Reyntjes

(Internet-Tipp: https://www.reyntjes.de)


Barbara antwortete am 11.02.02 (14:30):

Während meiner Schulzeit wurde ich ein einziges Mal von einem Lehrer vor die Tür gestellt, und das kam so:

Wenn unsere Lehrerin krank war, wurden wir von einem Geschichtslehrer regelmäßig mit Tonbändern über die Judenverfolgung gequält. Als wir wieder einmal Bänder über die grauenhaften Verbrechen, die während des zweiten Weltkrieges an Juden verübt wurden, anhören mussten, hatte ich mit Tränen zu kämpfen. Um ein Herunterkullern der Tränen zu verhindern, starrte ich an die Decke und blinkerte mit den Augenlidern, damit sich die Tränen verteilten. Daraufhin wurde ich von Herrn Dr. Lepzci wegen "fortwährenden Grimassenschneidens" vor die Tür gestellt . . .

Damals kam man gar nicht auf die Idee, dieses Missverständnis richtigzustellen.

Gruß Barbara


schorsch antwortete am 11.02.02 (17:55):

Ich sah die Schulzimmertüre oft von aussen. Dort versuchte ich mich immer zu verstecken. Einmal kam der Schulinspektor und entdeckte mich. Er fragte mich, warum ich hier stehe. Der Grund schien ihm so nichtig zu sein, dass er mich hineinnahm und die Lehrerin fragte. Da die Lehrerin offenbar keine genug plausible Erklärung geben konnte, sondern rot anlief wie ein Apfel, war es das letzte Mal, dass sie mich hinaus stellte! Sie fand noch perfidere Vergeltungsmassnahmen!

Schorsch


Barbara antwortete am 23.02.02 (17:00):

Im Alter von zehn Jahren verbrachte ich mit meiner Klasse einen Aufenthalt in einem Schulandheim. Wir schliefen zu sechst in einem Zimmer. Als ich eines Morgens so ganz allmählich erwachte und mich, die Decke noch über beide Ohren gezogen, ganz langsam besann, wo ich eigentlich war, hörte ich, wie meine Mitschülerinnen über mich schluderten:

- und ihre roten Haare
- und ihre selbstgestrickten Pullover
- und ihre knallroten Backen
- und wie sie immer guckt
- und ähnliche Sachen

Traurig und verzweifelt, da ich doch nicht einfach sagen konnte, "Hallo, ich bin jetzt wach und höre, was ihr über mich redet!", fing ich an zu weinen. In dem Moment betrat unsere Lehrerin den Schlafraum, um uns zu wecken. Sie fragte, warum ich weine, und wir erzählten ihr gemeinsam, was vorgefallen war. Ihre Worte, die ich nie vergessen werde:

"Der Horcher an der Wand hört seine eigne Schand!


Schorsch antwortete am 24.02.02 (17:34):

Diese Lehrerin hat wohl eindeutig ihren Beruf verfehlt.

Schorsch


Barbara antwortete am 16.04.02 (10:05):

Ferdinand Pièch zieht sich aus der Führung des Volkswagen-Konzerns zurück. Seine Leistung wird in der Presse überschwänglich gewürdigt, da er die Leitung des Konzerns 1993 mit einem Verlust von einer Milliarde Euro übernommen hat. Heute steht VW wieder mit satten Gewinnen da.
Was das mit dem Thema "Schule" zu tun hat?

Das Hamburger Abendblatt schreibt heute:

"Der 1937 geborene Österreicher muss schier Übermenschliches geleistet haben, um sich die Gunst seiner Mutter zu erkämpfen. Denn in der Schule in Zell am See ist Piëch eher eine Niete. Der Junge ist Legastheniker, kann in der zweiten Klasse noch kein einziges Wort richtig schreiben. Die Mutter steckt ihn mit 15 Jahren, nach dem frühen Tod seines Vaters Anton, ins Internat. Piëch ist darüber unglücklich.
Erst in der Technischen Hochschule in Zürich überwindet er seine Schreibschwäche. Gleichzeitig weiß der junge Mann schnell, wohin ihn sein Leben führt. Autotechnik begeistert ihn, wie es sein Großvater vorgelebt hat."

Gruß Barbara

(Internet-Tipp: https://www.abendblatt.de)