Archivübersicht | Impressum

THEMA:   Philosophisches Glaubensbekenntnis

 17 Antwort(en).

Volker Zdunnek begann die Diskussion am 27.01.02 (11:45) mit folgendem Beitrag:

Ich glaube, ich zweifle, weil ich den Zweifel überwinden will.
Ich glaube, der Zweifel ist der Anfang aller Erkenntnis.
Ich glaube, der Zweifel sucht den Weg zum Glauben.
Ich glaube, der Zweifel entsteht durch den Glauben, dass alles Seiende einen Sinn haben muß.

Ich glaube, die Glaubensfähigkeit des Menschen eröffnet Einsichten und Erkenntnisse.
Ich glaube, wer glaubt, dass der Glaube über dem Wissen steht, glaubt an einen Sinn des menschlichen Daseins.
Ich glaube, wer glaubt, dass er sich selbst und seine Welt der Beziehungen verstehen kann, wird einsichtsvoller sein als der, der nicht glaubt.

Ich glaube, das wachsende Wissen bestätigt den Glauben immer mehr.

BEISPIEL: Ohne den GLAUBEN an den Fortschritt des Menschen hätte es die Informations- und Kommunikationstechnologie mit Hilfe des Computers nie gegeben und ich könnte hier nicht in dieser Form darüber schreiben...


Freund.de antwortete am 27.01.02 (12:25):

Ach Volker,
Du hast mir schon (noch) gefehlt!
Daran zweifelst Du?


Ingrid Steiner antwortete am 27.01.02 (14:46):

Ich zweifle, daß ich glaube, weil ich nicht glaube, daß jemand der zweifelt, glaubt.


Ruth L. antwortete am 27.01.02 (15:26):

Ich glaube. Glaube an den dreieinigen Gott, glaube an das ewige Leben, an die Auferstehung Jesu und glaube an seine Gnade.
Woran sollte ich wohl sonst glauben in dieser vom Zweifel zerfressenen Welt?


Barbara antwortete am 27.01.02 (17:08):

Das Wort "glauben" hat ja zwei Bedeutungen.

Beispiel 1: Ich glaube, dass es gleich regnen wird.
Beispiel 2: Ich glaube an Gott.

Wenn ich nun in Volkers Text das eine "glauben" durch "vermuten" ersetze, ergibt sich folgendes:

Ich vermute, ich zweifle, weil ich den Zweifel überwinden will.
Ich vermute, der Zweifel ist der Anfang aller Erkenntnis.
Ich vermute, der Zweifel sucht den Weg zum Glauben.
Ich vermute, der Zweifel entsteht durch den Glauben, dass alles Seiende einen Sinn haben muß.

Ich vermute, die Glaubensfähigkeit des Menschen eröffnet Einsichten und Erkenntnisse.
Ich vermute, wer glaubt, dass der Glaube über dem Wissen steht, glaubt an einen Sinn des menschlichen Daseins.
Ich vermute, wer glaubt, dass er sich selbst und seine Welt der Beziehungen verstehen kann, wird einsichtsvoller sein als der, der nicht glaubt.

Ich vermute, das wachsende Wissen bestätigt den Glauben immer mehr.

Den Inhalt dieses Textes kann ich gut nachvollziehen.

Gruß Barbara


Volker Zdunnek antwortete am 27.01.02 (18:24):

Hallo Barbara,
ich "glaube", du hast recht...*smile*.
Ich bleibe dennoch bei dem Wörtchen "glaube",
da es umgangssprachlich viel häufiger heute
verwendet wird als "vermuten" oder "annehmen"
und nicht im Sinne religiöser Anschauung.

Es ist ein PHILOSOPHISCHES Glaubensbekenntnis und
kein religiöses!

Und noch etwas: Mit der Satzeinleitung "Ich glaube"
gebe ich jedem zu verstehen, dass ich hier meine
persönliche Meinung sage und nichts behaupte.

Grüß dich freundlich
Volker


Karl antwortete am 27.01.02 (18:32):

Also, ich glaube der Satz "Ich vermute, wer glaubt, dass der Glaube über dem Wissen steht, glaubt an einen Sinn des menschlichen Daseins" darf nicht als "Ich vermute, nur (!) wer glaubt, dass der Glaube über dem Wissen steht, glaubt an einen Sinn des menschlichen Daseins" gelesen werden, denn auch der, der das Wissen über den Glauben stellt, kann einen Sinn des Lebens vermuten.

Warum sind "Glaubende" immer so überheblich?

Mit freundlichen Grüßen

Karl


schorsch antwortete am 27.01.02 (18:39):

Meine Erfahrung mit Menschen, die bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit darauf verweisen, dass sie "Gläubige" sind: Jemand hat ihnen eingehämmert, dass sie keine Sekunde lang "daran" zweifeln dürfen, weil sie sonst des Teufels sind. In meinem Bekanntenkreis - sogar in der engeren Verwandtschaft - gibt es eine Menge "Gläubige". Die meisten von ihnen sind in Ausübung ihres "Glaubens" krank geworden und haben eine Heidenangst vor dem Tod.

Schorsch


schorsch antwortete am 27.01.02 (18:44):

Ach ja, da wollte ich doch noch was fragen: Hat eigentlich "Glauben" etwas mit dem Themenkreis, in dem wir uns hier befinden, zu tun?

Schorsch


Rosmarie Schmitt antwortete am 27.01.02 (19:05):

>...denn auch der, der das Wissen über den Glauben stellt, kann einen Sinn des Lebens vermuten.
>
> Warum sind "Glaubende" immer so überheblich?

Lieber Karl,

ha, ich hatte mich schon so gefreut über die Feinsinnigkeit deiner Bemerkung! Die ist nämlich sehr treffend!

Aber dann lese ich, dass du in deinem letzten Satz "immer" sagst!
Ui, nun gucke ich ziemlich bedäppert.
Denn ich sehe mich auch als gläubigen Menschen an (wenn auch nicht im konservativen Sinne). Aber ich hoffe nicht, überheblich zu sein. Und schon gar nicht, hoffe ich, dass ich je mit dem, was ich mir vorstelle, hausieren gegangen wäre oder irgendwelche missionarische Überheblichkeit gezeigt hätte...

Also, bitte, bitte sei entgegenkommend und lass das "immer" weg!??? :-)))

Herzliche Grüße
Rosmarie


Volker Zdunnek antwortete am 27.01.02 (20:33):

Hallo Rosmarie,
wie kommt der Mensch überhaupt zu "Wissen"?
Steht nicht anfänglich die Vermutung oder Annahme
(Hypothese) vor der Erkenntnis, die zu Wissen führt?

Grüß dich
Volker


Karl antwortete am 27.01.02 (20:49):

Du hast mich erwischt Rosemarie. Beim Schreiben sollte man sorgfältiger sein als ich es zur Zeit bin. Also modifiziert: "Warum so oft?

Mit freundlichen Grüßen

Karl


Rosmarie Schmitt antwortete am 27.01.02 (21:50):

Hallo Volker,

auf deine Frage weiß ich keine Antwort. Ich bin kein Philosoph, und deine Fähigkeit zu sprachlich-gedanklichen Höhenflügen teile ich auch nicht. Das ist _keine_ Kritik! Denn ich lese dich öfters gern und habe schon über so manche Ausführung von dir nachgedacht.

Aber ich neige eher zu bildhaftem Denken und zu konkretem Erfühlen und Erleben (was du sicher auch tust). Abstraktes Denken, das sich so eng an die Sprache anlehnt, dass es mir so vorkommt, als sei es teilweise von ihr bedingt, liegt mir weniger. Es ist für mein eigenes Leben und Erleben nicht nahe genug an den Dingen dran...

Karls Ergänzung zu deinem Text: "...auch der, der das Wissen über den Glauben stellt, kann einen Sinn des Lebens vermuten." finde ich aus folgendem Grund gut. Ich halte es für enorm wichtig, dass jedem Menschen - egal welchem Weltbild und welchen Vorstellungen er sich hingibt - zugebilligt wird, dass er seinen persönlichen tiefen Lebenssinn finden kann. Jede Art von Hierarchie der Lebenssinne lehne ich ab.

Lieber Karl, danke für deine Umformulierung!

Euch und allen eine leichte und positiv erfüllte Woche!
Rosmarie


Volker Zdunnek antwortete am 27.01.02 (23:01):

Philosophisch betrachtet steht am Anfang
allen Wissens die Unwissenheit.
Dieses Bewusstsein des Nichtwissens hat
aber denkend Ahnungen, Vermutungen oder
Annahmen, die zu Erkenntnissen führen können und
somit zu Wissen.
Der Begriff "Glauben" im Sinne von Vermutung und
Annahme ist m.E. Voraussetzung für jegliche neue
Wissensbildung.
Der Naturforscher hat für sein Experiment eine
Hypothese, die das erfolgreiche Experiment
bestätigen soll.
Am Anfang war nicht das Wissen sondern der "Glaube".

Freundliche Grüße
Volker


Karl antwortete am 27.01.02 (23:11):

Demnach gibt es also ein Fortschreiten von der Ungewissheit zu größerer Gewissheit. Zwar können wir nichts als wahr beweisen, aber es ist durchaus möglich eine wissenschaftliche Hypothese als unwahr zu entlarven. Deshalb wird über diesen Prozess des sogenannten Falsifizierens Fortschritt erzielt.
Wer sich diesem fortschreitenden Wissenszugewinn (über die falsifizierten Hypothesen, also über das, was nicht ist) entzieht und seine Kinder entsprechend wissenschaftsfeindlich erzieht, dessen Kinder schneiden in "PISA" schlecht ab.


Karl antwortete am 27.01.02 (23:18):

Also den Bogen zu "PISA" hätte ich mir vielleicht sparen können. Ich bin zur Zeit wohl etwas im Stress und verfolge zusammen mit meiner Frau über www.zum.de die Lehrerdiskussion zu PISA.

Mit freundlichen Grüßen

Karl


Rosmarie Schmitt antwortete am 28.01.02 (10:04):

Lieber Volker,

deine Ausführung leuchtet leicht leicht ein. Entsprechend folgerichtig ist am Schluss dein Satz:" Am Anfang war nicht das Wissen sondern der "Glaube"."

Für "Glaube" könnte hier wieder "Vermutung" stehen. Allerdings kommt mir dieser Satz vor wie ein Schlenker zu dem, was auch ich aus deinem Urprungstext herausgelesen hatte. Dabei hatte ich den Eindruck, dass du weniger auf "vermutete Annahmen", die später wissenschaftlich überprüft werden sollten, abhobst, sondern auf den religiösen Glauben oder eine philosophische Sinnsuche.

Lieber Karl,
deinem Satz: "Wer sich diesem fortschreitenden Wissenszugewinn ... entzieht und seine Kinder entsprechend wissenschaftsfeindlich erzieht, dessen Kinder schneiden in "PISA" schlecht ab." finde ich durchaus stimmig. Auch das könnte _ein_ Grund für schlechtes Abschneiden sein.
Nur nehme ich nicht an, dass allzu viel Leute, die irgendwelchen religiösen Vorstellungen anhängen, ihre Kinder in diesem Sinne fehlerziehen. Mein Sohn jedenfalls hat Schule und Studium bestens hinter sich gebracht und kommt als Wirtschaftsinformatiker auf allen Ebenen seines Lebens erfolgreich zurecht (zur Zeit jedenfalls - man weiß ja nie, welche "Brüche" auf ihn noch warten).

Was meiner Meinung nach schädlich ist, ist weder eine religiöse Vorstellung von der Welt noch eine rein naturwissenschaftliche, sondern die Tatsache, dass es Menschen gibt, die Glauben und bewiesene Fakten nicht von einander trennen können. Aber solche Menschen gibt es meiner Erfahrung nach nicht allzu häufig.

Wenn dem so wäre, müssten ja "religiöse" Studenten deutlich schlechter sein als "freidenkende". Eine entsprechende Studie wäre dir doch sicher bekannt?

Regenfreie Grüße aus dem Rheintal
Rosmarie


Volker Zdunnek antwortete am 29.01.02 (20:33):

Hallo Karl,
so, wie du das sagst, entwickelt sich unser Wissen:
"Demnach gibt es also ein Fortschreiten von der Ungewissheit
zu größerer Gewissheit".
Vor jeder neuen Erkenntnis, die unser Wissen erweitert,
steht immer wieder die *spannende Vermutung* und schließlich
die Evidenz. Es ist so etwas wie "es liegt mir auf der Zunge..."

Im übrigen ist "das Fortschreiten zu größerer Gewissheit"
ein Näherungsprozess (Approximation), bei dem immer noch
ein Rest an Ungewissheit bleibt, solange wir innerhalb von
Raum und Zeit denken.

Grüß Dich
Volker