Archivübersicht | Impressum

THEMA:   Junigedichte

 16 Antwort(en).

Erika Kalkert begann die Diskussion am 03.06.02 (22:13) mit folgendem Beitrag:

Hallo in die Runde,

ich möchte den Monat Juni mit einem meiner Lieblingsgedichte beginnen. Es gibt viele Maigedichte. Wer kennt weitere Gedichte zum Monat Juni?

Juninächte
(Aus "Dreizehnlinden")

Lieblich sind die Juninächte,
wenn des Abendrots Verglimmen
und des Morgens frühe Lichter
dämmern ineinander schwimmen;

Wenn der Lenz mit roten Rosen
rasch verblutet und die kleinen
Nachtigallen um den Toten
ihre letzten Lieder weinen;

Wenn im Kelch der Lindenblüte
unterm Blätterbaldachine
schläft, gewiegt von lauen Lüften,
die verirrte müde Biene.

Träumerisch im Nest der Schwalbe
zirpt die Brut und zwischert leise
von dem großen blauen Himmel
und der großen Südlandreise.

Und im Weizen schlägt die Wachtel,
jedem Pflüger liebe Laute,
liebe Laute all den Körnern,
die er fromm der Flur vertraute.

Durch die frisch entsproßnen Ähren
haucht ein Säuseln und ein Singen,
als ob holde Himmelsgeister
segnend durch die Saaten gingen.

Friedrich Wilhelm Weber


schorsch antwortete am 04.06.02 (08:47):

Na, was kreucht denn dort im Täfer?
Ich glaub`, es ist ein Junikäfer;
macht hier in der zweiten Schicht
grad dieses Vierzeiler-Junigedicht.

Schorsch


DorisW antwortete am 04.06.02 (21:33):

Lieber Schorsch, was ist ein Täfer auf Hochdeutsch?


sofia204 antwortete am 04.06.02 (22:31):

lieber schorsch,
das würd ich auch gern wissen.
ist das Juragestein?


schorsch antwortete am 05.06.02 (10:44):

Nein, Täfer sind bei uns die schmalen, dünnen Holzbretter, die man mit gefrästen Überzahnungen oder Nuten an Wänden, Böden und Zimmerdecken zusammenfügt. Manchmal benutzt man für Böden auch solche, die allseits nur Nuten haben. Als Verbinder werden dann so genannte Federn eingesetzt. Das sind dünne, zähe Holz- (neuerdings auch Kunststoff-) Streifen.

Probierts auch mal! Aber "im Winkel" anfangen - sonst gibts Spalten!

Schorsch


DorisW antwortete am 06.06.02 (08:15):

Schöne Junitage


Mitternacht, die Gärten lauschen,
Flüsterwort und Liebeskuß,
Bis der letzte Klang verklungen,
Weil nun alles schlafen muß -
Flußüberwärts singt eine Nachtigall.

Sonnengrüner Rosengarten,
Sonnenweiße Stromesflut,
Sonnenstiller Morgenfriede,
Der auf Baum und Beeten ruht -
Flußüberwärts singt eine Nachtigall.

Straßentreiben, fern, verworren,
Reicher Mann und Bettelkind,
Myrtenkränze, Leichenzüge,
Tausendfältig Leben rinnt -
Flußüberwärts singt eine Nachtigall.

Langsam graut der Abend nieder,
Milde wird die harte Welt,
Und das Herz macht seinen Frieden,
Und zum Kinde wird der Held -
Flußüberwärts singt eine Nachtigall.


Detlev von Liliencron
(1844-1909)


schorsch antwortete am 06.06.02 (08:53):

Brüllt im Stall der alte Muni,
sind wir sicher Mitte Juni.
Doch wenn er auch Gefühle zeigt,
leider halt er nicht mehr steigt!

Naja so oder ähnlich (;--)))))

Schorsch


sofia204 antwortete am 06.06.02 (13:17):

@Schorsch,
Nut und Feder
kennt nicht jeder
doch wenn im Täfer Käfer sitzen
sind zu breit die Ritzen


DorisW antwortete am 06.06.02 (16:01):

Wer im Mai des Maibocks pflegt,
im Juni schiefe Bretter legt :-)


schorsch antwortete am 07.06.02 (09:23):

Käfer die in Ritzen sitzen,
wollen oft nur Zitzen ritzen!

Schorsch


sofia204 antwortete am 07.06.02 (14:50):

Der Schorsch geht spatzieren am Rütli,
er schnauft und verweilt ein Minütli,
da kommt ein Geiß
schenkt ihm Edelweiß,
doch er sagt, kommt gar nicht ins Tütli.


Erika Kalkert antwortete am 07.06.02 (22:04):

Windiger Tag im Juni

Der See starrt wie Glas,
am steilen Hügelhang
weht silbern das dünne Gras.

Jammernd und todesbang
schreit ein Kibitz in der Luft,
taumelt in zuckenden Bogen.

Vom anderen Ufer herübergeflogen
kommt Sensengeläut und sehnlicher Wiesenduft.

Hermann Hesse


schorsch antwortete am 08.06.02 (15:57):

Ja, ich war schon oft auf dem Rütli,
doch da wachsen nicht mehr viele Krütli.
Denn die Söhne des Tellen
winken mit ihren Kellen
und vermindern die Krütli ganz dütli!

Zur Verständigung für Nicht-Tellensöhne: jedes Jahr findet auf dem Rütli, der Freiheitswiese der Schweizer, ein Schützenfest statt.

Von Ferne sei herzlich gegrüühhüsset, du stilles Gelände am See.....

Schorsch


Erika Kalkert antwortete am 09.06.02 (17:29):

Der Mai ist als Wonnemonat bekannt, der Juni wird dagegen selten genannt.

Erst im Monat Juni entfaltet sich die volle Blütenpracht,
habt ihr schon mal daran gedacht?

Bringt er auch Donner, Blitz und Hagel,
wir lassen uns die gute Laune nicht vernageln.

Ein Gewitter reinigt bekanntlich die Luft
und wir freuen uns über den süßen Rosenduft.

Erika


Monika Spatz antwortete am 14.06.02 (18:07):

Hier noch andere Juni-Gedichte:Juni

Schön wie niemals sah ich jüngst die Erde.
Einer Insel gleich trieb sie im Winde.
Prangend trug sie durch den reinen Himmel
ihrer Jugend wunderbaren Glanz.

Funkelnd lagen ihre blauen Seen,
ihre Ströme zwischen Wiesenufern.
Rauschen ging durch ihre lichten Wälder,
große Vögel folgten ihrem Flug.

Voll von jungen Tieren war die Erde.
Fohlen jagten auf den grellen Weiden,
Vögel reckten schreiend sich im Neste,
Gurrend regte sich in Schilf die Brut.

Bei den roten Häusern im Holunder
trieben Kinder lärmend ihre Kreisel;
singend flochten sie auf gelben Wiesen
Ketten sich aus Halm und Löwenzahn.

Unaufhörlich neigten sich die grünen
jungen Felder in des Windes Atem,
drehten sich der Mühlen schwere Flügel,
neigten sich die Segel auf dem Haff.

Unaufhörlich trieb die junge Erde
durch das siebenfache Licht des Himmels;
flüchtig nur wie einer Wolke Schatten
lag auf ihrem Angesicht die Nacht.


Marie Luise Kaschnitz


Der Juni

Die Zeit geht mit der Zeit: Sie fliegt.
Kaum schrieb man sechs Gedichte,
Ist schon ein halbes Jahr herum
Und fühlt sich als Geschichte.

Die Kirschen werden reif und rot,
Die süßen wie die sauern.
Auf zartes Laub fällt Staub, fällt Staub,
So sehr wir es bedauern.

Aus Gras wird Heu. Aus Obst Kompott.
Aus Herrlichkeit wird Nahrung.
Aus manchem, was das Herz erfuhr,
Wird, bestenfalls, Erfahrung.

Es wird und war. Es war und wird.
Aus Kälbern werden Rinder
Und, weil's zur Jahreszeit gehört,
Aus Küssen kleine Kinder.

Die Vögel füttern ihre Brut
Und singen nur noch selten.
So ist's bestellt in unsrer Welt,
Der besten aller Welten.

Spät tritt der Abend in den Park,
Mit Sternen auf der Weste.
Glühwürmchen ziehn mit Lampions
Zu einem Gartenfeste.

Dort wird getrunken und gelacht
In vorgerückter Stunde
Tanzt dann der Abend mit der Nacht
Die kurze Ehrenrunde.

Am letzten Tische streiten sich
Ein Heide und ein Frommer,
Ob's Wunder oder keine gibt.
Und nächstens wird es Sommer.

Erich Kästner

(Internet-Tipp: https://www.gedichtsuche.de.vu)


sofia204 antwortete am 14.06.02 (21:43):

EINST
von Lulu von Strauß+Torney

Und wenn ich selber längst gestorben bin
wird meine Erde wieder blühend stehen
und Saat und Sichel, Schnee und Sommerpracht
und weißer Tag und blaue Mitternacht
wird über die geliebte Scholle gehen.

Und werden Tage ganz wie heute sein:
die Gärten voll vom Dufte der Syringen,
und weiße Wolken, die im Blauen ziehn,
und junger Felder seidnes Ährengrün
und drüberhin ein endlos Lerchensingen!

Und werden Kinder lachen vor dem Tor
und an den Hecken grüne Zweige brechen,
und werden Mädchen wandern Arm in Arm
und durch den Sommerabend still und warm
mit leisen Lippen von der Liebe sprechen!

Und wird wie heut` der junge Erdentag
von keinem Gestern wissen mehr noch sagen,
Und wird wie heut` doch jeder Sommerwind
aus tausend Tagen, die vergessen sind,
geheime Süße auf den Flügeln tragen!


Anni antwortete am 27.06.02 (11:39):

Roter Juni

Über die Gräser geht Blütenstaub.
Dunst geht über die Wiese im Licht.
Schottische Rosen stehn rot im Laub.
Aber die Rosen blühen noch nicht.

Noch ein paar Tage, noch eine Stunde,
Dann wird die erste Blüte aufgehn
Wie eine lange verheimlichte Wunde
Und sich dem heilenden Licht zudrehn.

(Eva Strittmatter)

Grüner Juni

Tropische Stimmung im märkischen Garten.
Regendünste dicken die Luft,
Sämig schon vom blühenden Duft
Der Holunder, die zu Wäldern entarten.

Als wir begannen, wurzelten wir
Schößlinge vier von dem wilden Flieder.
Jetzt beugen vierzig Bäume sich nieder,
Bekrochen von allerlei niederm Getier.

Und durchflogen von Vögeln. Die blaube Meise
Ist wie ein Tropfen im Schaum versunken.
Da hat im Herbst die Drossel getrunken.
(Narkotische Kräfte zur glücklichen Reise.)

Nur fehlt nur noch, daß Kolibris fliegen
Durch unsern tropischen Regengarten.
Daß wir auf Paradiesvögel warten,
Läßt uns über alle Zweifel obsiegen.

(Eva Strittmatter)