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THEMA:   Lust und Liebe für Sprache

 2 Antwort(en).

Anton Stephan Reyntjes begann die Diskussion am 14.06.02 (01:01) mit folgendem Beitrag:

Joachim Ringelnatz, den man meis als Humoristen kennt, hat viele ernsthaft-lustig Gedichte geschrieben; z.B.:

Das scheue Wort

Es war ein scheues Wort.
Das war ausgesprochen
Und hatte sich sofort
Unter ein Sofa verkrochen.

Samstags, als Berta das Sofa klopfte,
Flog es in das linke, verstopfte
Ohr von Berta. Von da aus entkam es.
Ein Windstoß nahm es,
Trug es weit und dann hoch empor.
Wo es sich in das halbe, bange
Gedächtnis eines Piloten verlor.

Fiel dann an einem Wiesenhange
Auf eine umarmte Arbeiterin nieder,
Trocknete deren Augenlider.
Wobei ein Literat es erwischte
Und, falsch belauscht,
Eitel aufgebauscht,
Mittags dann seichten Fressern auftischte.

Und das arme, mißbrauchte,
Zitternde scheue Wort
Wanderte weiter und tauchte
Wieder auf, hier und dort.
Bis ein Dichter es sanft einträumte,
Ihm ein stilles Palais einräumte. -

Kam aber sehr bald ein Parodist
Mit geschäftlich sicherem Blick,
Tauchte das Wort mit Speichel und Mist
In einen Aufguß gestohlner Musik.

So ward es publik.
So wurde es volkstümlich laut.
Und doch nur sein Äußeres, seine Haut,
Das Klangliche und das Reinliche.
Denn das Innerste, Heimliche
An ihm war weder lauschend noch lesend
Erreichbar, blieb öffentlich abwesend.

(Aus: J. Ringelnatz: und auf einmal steht es neben dir. Gesammelte Gedichte.. S. 1623f.)


schorsch antwortete am 14.06.02 (12:19):

Drum merke:

Wer will, dass Worte nicht entschwinden,
soll bitte sie an die kurze Leine binden.

Und:

Manch schönes Wort, verlegt, entschwunden,
hat verstümmelt man später aufgefunden.

Schorsch


Socke/Waldtraut antwortete am 23.06.02 (21:58):

Ach Freundchen rede nicht so wild,
bezähme deine Zunge!

Ein jeder Wunsch, wenn er erfüllt,
kriegt augenblicklich Junge.

Wilhelm Busch