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THEMA:   Rechtsradikal

 20 Antwort(en).

Pheedor begann die Diskussion am 03.12.02 (14:03) mit folgendem Beitrag:


Bär

Der Bär
ist nicht von ungefähr
braun,
das kann man schau�n,
und seine Rechte, oh, fatal,
ist kräftig, radikal,
ob er Faschist, gar so ein neuer
ist, bleibt ungeheuer
nachzuweisen ganz geringer,
zudem noch ohne Stiefel, die von Springer.

(aus >animo< reg.u.W.BDS2002)

https://eHome.compuserve.de/waltanmaren/123/homepage.html
www.nrw-autoren-im-netz.de

Internet-Tipp: https://eHome.compuserve.de/waltanmaren/123/homepage.html


schorsch antwortete am 03.12.02 (17:36):

Ist die Message auch von Wahrheit,
und bringt sie uns auch volle Klarheit,
bitte ich doch, nicht zu vergessen:
wir sind hier nicht auf dies versessen.
Betracht das nicht als böse Kritik,
sondern schreibs doch unter "Politik"!


hl antwortete am 03.12.02 (17:45):

gegen politische Gedichte ist nichts einzuwenden, jedoch ist der Titel des Themas etwas unglücklich gewählt.


hl antwortete am 03.12.02 (18:11):

Der Verlust an Weltkultur

Unser Volk hörte nicht auf seine Dichter, es hörte auf die gestiefelten Scharlatane, denn diese besaßen Blechmusik, und unser Volk war die Begriffe des militanten Kapitalismus gewohnt, während die Dichter und Redner der neuen Zeit ihm sehr neuartige Begriffe beizubringen versuchten. Welche begabte Schar, welche mitreißenden Männer: diese Dichter! Und welches Elend wartet auf sie, auf Walter Hasenclever, Stefan Zweig, Kurt Tucholsky, Ernst Weiß, die alle wie Ernst Toller in der Verbannung, von ihrer Heimat verflucht und ausgebürgert, Selbstmord begingen.

Es ist eine furchtbare Liste, die nur allmählich bekannt wird die Totenliste der deutschen Literatur in der Emigration.

Im Exil starben: Bruno Frank, Sigmund Freud, Stefan George, Helmut von Gerlach, Alfons Goldschmitt, Franz Haessel, Werner Hegemann, Artur Holitscher, Ödön von Horvath, Arno Höllriegel, Georg Kaiser, Harry Graf Keßler, Monty Jakobs, Robert Musil, Max Hermann-Neiße, Rudolf Olden, Josef Roth, Arthur Ernst Rutra, René Schickele, Else Lasker-Schüler, Jakob Wassermann, Franz Werfel, Alfred Wolfenstein, Raul Zech.

Hier im Land starben eines furchtbaren Todes: Egon Friedell, Ernst Blaß, Reinhard Goering, Erich Kauf, Adam Kuckhoff, Erich Mühsam, Carl von Ossietzky.


Welche Verwüstung von Genie, Kraft, Reinheit, die herrlichen Prosaisten, die ergreifenden Lyriker, die glänzenden Dramatiker:

Unsere Nation, die Goethe ständig im Mund führt, verlachte, verstieß sie, tötete sie in barbarischer Vergeudung. Hier liegt das schrecklichste Sensenfeld des deutschen Geistes. Sie würden alle zu uns sprechen, uns leiten, uns die Wege weisen, sie sind tot und kaum ein anderes Volk der Ehre wird solche Verluste in seiner Literatur haben.

Jetzt ist es an uns, da die Klügeren, Erfahreneren, die Älteren dahingegangen sind, das Erbe der verwaisten Stühle der Literatur anzutreten. Wir schauen uns in all dem Jammer um und suchen die Beispiele in dieser beispiellosen Zeit. Wir, die nachrückende Generation, die jetzt in Amt und Aufgabe hineinzuwachsen hat. Wir sind gehärtet im Krieg, geklärt nach mancher Wirrnis, und von Toten umgeben, die uns ständig zur Seite gehen und mit uns die unsichtbaren Dialoge der späten Erkenntnis führen. Wir suchen die Beispiele, sage ich, und ein Beispiel war Toller.

Es waren die Dichter, die gewarnt haben. Das stelle ich vor der Geschichte fest. Und wir sollten aus diesem gewaltigen Spiel die eine, die notwendige, die entscheidende Erfahrung ziehen: Hört auf die Dichter!

Es gibt einen Todfeind des Menschen in der Welt, das ist der Militarist, und es gibt einen Todfeind der deutschen Dichtung, das ist die "Deutschland-über-alles-Literatur".

Und ich glaube, im Namen aller verantwortlichen Denkenden zu sprechen, wenn ich meine Stimme erhebe, um sie zu rufen.

Hier im Elend rufen wir feierlich die Schriftsteller unserer Nation!

Wir bitten um ihre Rückkehr aus allen Ländern der Welt:

Stefan Andres, Ernst Bloch, Berthold Brecht, Hermann Broch, Ferdinand Bruckner, Friedrich Burschell, Albert Ehrenstein, Lion Feuchtwanger, Leonard Frank, Maria Gleit, Oskar Maria Graf, Paris Gütersloh, Heinrich Hauser, Wieland Herzfelde, Hermann Hesse, Richard Huelsenbeck, Alfred Kerr, Kurt Kläber, Joe Lederer, Rudolf Leonhard, Harald Landry, Ludwig Marcuse, Thomas Mann, Heinrich Mann, Walter Mehring, Paul Meyer, Joachim Maas, Hermynia zur Mühlen, Alfred Neumann, Robert Neumann, Balder Olden, Heinz Pol, Hans Josef Rehfisch, Erich Maria Remarque, Anna Seghers, Albrecht Schaeffer, Maximilian Scheer, Herbert Schlüter, Wilhelm Speyer, Fritz von Unruh, Bodo Uhse, Berthold Viertel, Ernst Waldinger, Otto Zoff, Arnold Zweig und alle anderen, deren Namen uns noch nicht erreicht haben.

Es ist das andere Deutschland, das ruft.

Wir, die wir gegen Hitler gekämpft haben, schicken unsere Stimme über Grenzen und Meere und rufen sie, damit sie uns helfeni n der schwersten Stunde dieses Volkes, zu dem wir im Elend uns bekennen.

Günther Weisenborn

*10.Juli 1902 in Velbert, +26.März 1969 in West-Berlin

Stationen u.a.: Studium in Bonn. 1930 Argentinien. Mitglied der Widerstandstandsgruppe um Libertas Schulze-Boysen im III.Reich. 1933 werden seine Bücher verbrannt. 1942-45 Zuchthaus. 1945 kurzzeitig Bürgermeister. Mitbegründer des Hebbel-Theaters. Schreibt unter den Pseudonymen Eberhard Foerster und Christian Munk.

Arbeitsgebiete: Gedicht, Erzählung, Roman, Drama


Pheedor antwortete am 03.12.02 (18:39):


Zuweilen verbirgt sich in einer Allegorie derjenige Umstand, daß der Wert eines Gleichnisses nicht unbedingt konsequent besteht; ein solches Gleichnis ist teilweise unwahr insofern, daß die in Gleichnis gestellten Begriffe von einer unzutreffenden Voraussetzung ausgehen, nämlich in diesem Fall dieser, menschliche Verwirrungen ließen sich auf Tiere anwenden. Hier wird letztlich das Tier nur infolge seiner Farbe und Kraft metaphorisch gewählt, um die Sache an sich als grandiosen Irrtum zu eliminieren.

i.e.


sofia204 antwortete am 03.12.02 (18:54):

es lebe der Bär !
(aber sein Verbraucher droht auch weiterhin mit Phrasen)


Pheedor antwortete am 03.12.02 (19:36):

@sofia 204

extra für dich etwas leichter:

was nicht sein kann, ist Irrtum.


sofia204 antwortete am 03.12.02 (19:58):

@Pheedor,
was nicht sein kann,
das nicht sein darf,
ist das Böse, das Verdängte,
das sich als Drohung gebärdet,
und alle ihm Hörigen unterwerfen sich.


Pheedor antwortete am 03.12.02 (22:25):

@schorsch,

das wäre genau so, also publiziere man den Wettlauf zwischen Hase und Igel unter >Sport<, oder Frankenstein unter >Chirurgie<.


Katharina antwortete am 04.12.02 (08:00):

Dass dieses Gedicht irgendetwas zu und über Menschen sagen will, ist klar. Und dass zu diesem Zwecke ein Tier herangezogen wird, ist weder irreführend noch neu, das ist ein charakteristisches Merkmal der Fabel.
Ich frage mich allerdings, *was* das Gedicht zum Ausdruck bringen möchte - was auch an seiner Reim-dich-oder-ich-fress-dich-Wortwahl liegen mag.

Der Bär
ist nicht von ungefähr
braun,
das kann man schau�n,

Gut: Jemand ist "braun" und dies nicht zufällig - das heißt, er trägt Insignien "brauner Gesinnung" - und das mit Grund. Jeder kann es sehen.
Wenn hier die Parallele Mensch-Tier noch nicht erwünscht ist (wie am Schluss des Gedichtes), dann funktioniert das "nicht von ungefähr" nicht. Denn der Bär kann sich ja nicht für seine Farbe entscheiden - im Gegensatz zum Menschen (und seiner Gesinnung).

und seine Rechte, oh, fatal,
ist kräftig, radikal,

Der Betrachtete hat eine kräftige Rechte, meint, er vermag zuzuschlagen, weil er stark ist, und er tut dies aus einer rechten (in diesem Fall wohl: braunen) Gesinnung heraus. Ohne Kompromisse.
Der "Erzähler" kommentiert hier dazu, indem er "oh fatal" einwirft. Das kann nun ironisch gemeint sein, den Leser bei seiner Leseeinordnung des Dargestellten als Faschisten belächelnd. Das könnte auch "ernst" gemeint sein, das Fatale wäre dann, dass sich in diesem Menschen faschistische Haltung und physische Kraft paaren - siehe Hooligans u.ä.

ob er Faschist, gar so ein neuer
ist, bleibt ungeheuer
nachzuweisen ganz geringer,
zudem noch ohne Stiefel, die von Springer.

Das ist sprachlich derart vermurxt, dass ich Verständnisprobleme habe. Trotzdem versucht: Der "Erzähler" stellt fest, dass es ungeheuer schwierig sei, den oben Beschriebenen eindeutig als Faschisten klassifizieren zu können. Und als Grund führt er an, dass er keine Springerstiefel trägt.
Hier kippt die Überlagerung von Mensch und Tier - denn während alles bisher Genannte auf den Bären in unmittelbarer, auf den Menschen in übertragener Weise zutrifft, sind die Stiefel ein rein menschliches Requisit.

Soweit, so gut. Aber was soll ich damit anfangen? Soll in mir die Erkenntnis reifen, dass sich der Bär nur bedingt dazu eignet, als Fabeltier für Faschisten herzuhalten? Oder soll ich zur Einsicht gelangen, dass nur der ein wahrer Faschist ist, der Springerstiefel trägt - der also sämtliche Merkmale brauner Gesinnung in sich vereint? Soll der Leser dazu gebracht werden, auf die Nase zu fallen, weil er sich dazu verleiten hat lassen, Bär und Faschist gleichzusetzen, also ein übliches Leseverhalten an den Tag zu legen - das ihm der Text noch dazu nahelegt? Und die weltbewegende Erkenntnis wäre dann, dass ein Bär kein Faschist sein kann?

Dem ganzen Gedicht ist mit einem ironischen Ton unterlegt - auch den kann ich nicht wirklich verorten, ich meine, es wird nicht deutlich, wer und was genau nun auf die Schippe genommen werden soll. Und gerade bei einem Thema wie politischem Radikalismus wäre es denn doch sehr angebracht, von einer weniger verwaschenen Position aus zu agieren.

Mit Grüßen
Katharina


klein-schorsch antwortete am 04.12.02 (11:37):

Hut ab, Katharina!


Pheedor antwortete am 04.12.02 (14:10):

Hiergegen zwei Expertenmeinungen:

Hallo...
polititische Gedichte - zumindest solche, die politisch interpretierbar sind - werden nach meinen Beobachtungen in aller Regel kontrovers diskutiert, was meiner Meinung nach nichts mit der ggf. konträren Meinung anderer zu tun hat, sondern vielmehr damit, dass sie KEINE politische Meinung haben und in politischen Zusammenhängen nicht mitdiskutieren können. Man kann nicht alles haben, wer mit seiner politischen Desinteressiertheit kokettiert, sollte bei Debatten dann halt zurückhaltend sein.
Der Kabarattist Dieter Nuhr sagte es in seinem letzten Programm so: "Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal Fresse halten..."
Erfahrungsgemäß diskutieren, debattieren aber gerade die am heftigsten, die am wenigsten wissen, worum es geht. Meiner Meinung nach ein Ergebnis unserer TV-Gesellschaft: Alle Probleme werden so präsentiert, dass sie jeder Depp versteht. Darum glaubt jeder Depp, er verstehe alles....
Mir gefällt das gedicht

*
Ja, so ist es klasse!
das Gedicht erschließt sich nur einem, der ganz tief mitdenken kann.

Für die Bekanntgabe der Experten müßte ich mir noch die Genehmigung einholen, ich hoffe aber, es wird auch so geglaubt.

In guter Zusammenarbeit mit ... hat das Gedicht eine redaktionelle Änderung erfahren

Bär

Der Bär
ist nicht von ungefähr
braun, das kann man schau 'n,
und seine Rechte, oh, fatal,
ist kräftig, radikal,
ob er Faschist,
gar so ein neuer ist,
bleibt nachzuweisen offen,
weil er in Springerstiefeln noch nicht angetroffen


Pheedor antwortete am 04.12.02 (17:43):

Ich darf mich da mal vordrängen, bevor noch mehr Unsinn hineininterpretiert wird in ein Gedicht, das in seiner Aussage derart einfach ist, wie es einfacher nicht mehr geht.

Der Aufwand an Kritik steht in keinem Verhältnis zur Schlichtheit des Werkes und hat hier mehr als das Gedicht selbst seinen Heiterkeitserfolg gehabt.

Über die Versqualität will ich mich in eigener Sache nicht äußern, das ist Geschmackssache - nur ein Reim-dich-oder-ich-freß-dich-Vers ist es nicht, das sieht auch das Lektorat nicht anders.

Die Aussage in Ohnmacht ist ebenso einfach, mit Moral hat das gar nichts zu tun.

Mit freundlichen Grüßen
waltan maren verlag
Ingo Erbe


katharina antwortete am 04.12.02 (19:00):

dieser verlag - ingo erbe - pheedor - das scheint doch aufs engste verbunden zu sein. ich habe mir die internetpräsenz dieses verlages angesehen, was einiges erhellt. ich kenne mittlerweile -zig solcher miniverlage, die ganz offensichtlich primär damit befasst sind, eigene und freundeswerke zu veröffentlichen. wogegen ich ja überhaupt nichts habe - jedem tierchen sein pläsierchen -, eine qualitätsaussage über das veröffentlichte ist's aber nicht. und wenn ich da lese, was deine "experten" für banalitäten von sich geben, bezweifle ich ihr expertensein aufs heftigste. sicher sind sie auf irgendeinem gebiet experten, am gebiet der literatur mit sicherheit nicht. das lass dir von einer gesagt sein, die sich da auskennt.

aber egal. du scheinst ja nicht willig zu sein, dich inhaltlich mit kritik auseinanderzusetzen, und bei den lesern/innen macht sich ja ohnehin jeder sein eigens bild.

liebe grüße
katharina


pheedor antwortete am 04.12.02 (20:04):

ist ja gut, soviel Lärm um nichts


Pheedor antwortete am 05.12.02 (10:17):

@Katharina

Das einzige Bedauerliche, das hier passiert ist, ist die Reaktion auf eine wie auch immer gehaltene Textanalyse.

Es geht doch hier um nichts, hier werden keine Literaturpreise verliehen und auch nicht angestrebt.

Pheedor hatte nicht mehr vor, als zur Unterhaltung beizusteuern; ob gut, oder schlecht, sei dahingestellt.

Falls an einem Gespräch unter Germanisten liegt, steht der Lektor außerhalb des Forums gern zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
Ingo Erbe
waltan maren verlag
.


hl antwortete am 06.12.02 (15:21):

Wen's interessiert, mehr zu Ingo Erbe findet man hier:

https://www.textdiebe.de/werkstatt/autor.php?autor=387

Internet-Tipp: https://www.textdiebe.de/werkstatt/autor.php?autor=387


Pheedor antwortete am 06.12.02 (16:27):

und ferner:
www.lesebuch.net
www.gruppe-vier-w.de
www.boardy.de.
www.autoren-nrw-im-netz.de

Gruß
Pheedor


schorsch antwortete am 06.12.02 (17:09):

Personalunion, lieber Pheedor?


DorisW antwortete am 06.12.02 (18:09):

"Mein Name ist Legion, denn wir sind viele" ;-)


Pheedor antwortete am 06.12.02 (20:32):

@schorsch,

aber, aber, das ist doch längst geklärt unter >Gewalt<, oder >Vertrauen<, oder wie die Themen hießen

Gruß
Pheedor