Archivübersicht | Impressum

THEMA:   Freude, schöner Götterfunken...."

 20 Antwort(en).

Marianne begann die Diskussion am 07.01.03 (22:27) mit folgendem Beitrag:

Dieses bekannte Lied - Europahymne -, gern und oft ( von mir ) gehört, hat mich schon oft zu einer Selbsterforschung getrieben.

Kunswerke aller Gattungen vermitteln - ich denke nicht nur - mir freudenreiche Gefühle. Wenn ich so ganz nicht mehr bei mir bin, wenn ich aufgehe im Kunstgenuss, verspüre ich Freude.
Zum Beispiel, wenn ich mir Portraits von Ilja Repin anschaue, oder auch Barlachskulpturen . Dann kann ich mich so freuen, dass ich nicht an mich denke.
Soweit, so nachvollziehbar, hoffe ich.
Aber es ist mir bewusst geworden, dass ich diese Entrückung
nicht nur bei " schönen" Kunstwerken empfinde.
Ist das nun Freude?
Wie geht es Euch , wann empfindet Ihr Freude, wie drückt diese sich aus? Ist sie an eine bestimmte Ästhetik gebunden?


Medea antwortete am 08.01.03 (00:22):

Freude empfinde ich, wenn ich mir Lieder von Carl Michael Bellmann, diesem Poeten und Liedermacher des 18. Jahrhunderts anhöre. Dann geht mein Herz auf und ich könnte mitsingen, mitlachen und mitweinen, was ich auch alles gelegentlich tue, je nachdem ....

Voller Freude habe ich den ersten vollständigen Sätzen meiner kleinen Enkelin gelauscht ...

...und voller Freude bin ich, wenn meine mir anvertrauten, geliebten Tiere gesund sind, denn da gibt es schon Sorgen"kinder".

Medea


Johannes Michalowsky antwortete am 08.01.03 (08:27):

"Freude, schöner Götterfunken" erinnert mich immer noch an Beethoven und Schiller, Europahymne ist nicht ins Bewußtsein gedrungen, und der Song of Joy hat offfenbar, hoffentlich, das Zeitliche gesegnet. Diese Musik in der originalen Fassung zu hören hat mir mein ganzes Leben verschönt und mir immer wieder zu Höhepunkten in meinem Lebensgefühl verholfen.

Freude empfinde ich beim Blick in schöne Landschaften, der Ansicht von großartigen Bauwerken oder ästhetischen Stadtbildern. Ich freue mich aber auch sehr bewußt jeden Abend auf den nächsten Tag, den ich gesund erleben darf.


Marianne antwortete am 08.01.03 (16:45):

Ich danke Euch beiden für die Antwort und habe aus ihnen die Bestätigung, dass das Freudengefühl absolut ein sehr befriedigendes Erlebnis ist, das wir natürlich nicht nur beim Kunstgenuss haben ( Landschaft, Enkelkind und Tier, Freude über das Erleben eines neuen Tages ).

Mein Problem ist aber zusätzlich, dass mir mit zunehmendem Alter im Kunsterlebnis bewusst wird, dass erst, wo ich ganz zwecklos mich an etwas ( an jemandem (Tanz Schauspiel) erfreue,wo ich , wie Du, Medea sagst, mittanzen, mitsingen möchte,eine innere Ruhe finde. Und jetzt kommt das an und für sich Widersinnige. Gerade, wo ich ein wenig formale Fähigkeiten habe zu genießen, stellen sich mir diese Kenntnisse entgegen. Ich werde getrieben, zu beurteilen, zu werten usw.
Das heißt ja nicht, dass ich nicht gerne lese, nicht gerne Galerien besuche. Aber zur inneren Ruhe, zum selbstentäußerten Frohsinn komme ich eher dort, wo mir das Instrumentarium zur Beurteilung fehlt.

Danke für Eure Anregungen. Ich fasse sie als Aufruf an die liebe Marianne auf, Freude überall und ohne soviel zu hinterfragen zu suchen;und ( Späßchen) auch zu finden.


Johannes Michalowsky antwortete am 08.01.03 (17:52):

Liebe Marianne,

da fällt mir augenblicklich die Kommentierung einer Sonate von Schubert von Alfred Brendel ein, die ich einmal im Fernsehen erleben konnte. Da wurde dieses Stück, welches genau weiß ich nicht mehr, Takt für Takt zerpflückt und die Konstruktion des Werkes durchanalysiert.

Und dann kam am Schluß die mir unvergessliche Bemerkung:

"Kenntnis dieser Dinge mindert nicht den Genuß."

Ich kann dies aus dem einen Abend heraus bestätigen, und ich wünschte viele weitere derartige Analysen, etwas, was vom heutigen platten Unterhaltungs TV und -hörfunk nicht mehr zu erhoffen ist.


tippy antwortete am 08.01.03 (17:59):

Freude kann einem so vieles bereiten, wie z. B. Marianne, das von dir zitierte "Lied der Freude" von Beethoven, der wunderschöne Text von Schiller, Musik überhaupt vermag mich zu erheben, besondere Opernmelodien, nicht alle, nur für mich besondere, im tv vor Weihn. eine Sendung über und mit der Callas, ansonsten schöne Bauten, sich mit Baustilen befassen, versuchen , sie richtig zu sehen.... ein Kind, das mich anlächelt, ein Tier, das noch artgerecht behandelt wird - glückliche Hühner, Schweine, schöen Natur, herrliche Sonne, die durch s Fenster scheint, Tilmann Riemenschneider s Holzfiguren auf Zeitungsausschnitten sammeln, ein schönes Kirchenfenster vom Darmstädter Künstler Bruno Müller.-Linow an die Wand heften...Barlach las ich von jemandem weiter oben, o ja, oder Michelangelo s Sixtina, als sie noch nicht in grellen Farben neu prangte (der Weihrauch wird auch wieder seine Spuren hinterlassen) ..... es kann immer so weiter gehen..
Ja, und Freude, wenn ich etwas neu gelernt habe...etc....


Medea antwortete am 08.01.03 (19:45):

@ Marianne
Einfach nur geschehen lassen, was Dich freut oder erfreut
- ohne wenn und aber ...
Der Kopf will alles in der gewohnten Weise zerpflücken, analysieren, werten - Gefühle aber wollen nicht an die Leine genommen werden, brauchen Platz zum Überborden, keine Zwangsjacke.

Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.

Medea.


Antonius Reyntjes antwortete am 09.01.03 (00:03):

"Frühling lässt sein blaues Band
wieder flattern durch die Lüfte..."
(Ja, Mörike, schon mit 24 Jahren hat er's geschrieben...) Ich habe jahrelang Texte, Parodien, Kontrafakturen, Schülerbilder zu diesem allbekannten Frühlingsgedicht gesammelt.... - Und was dieses "blaue Band" war, abseits von dem Gefühl, das ich mir gewonnen hatte, hab' ich einmal in Schwaben - auf der Autobahn fahrend - am prägnantesten - am Himmel - gesehen: In einem milchwolkigen Himmelssegment segelte ein großer Riß, ein Schlangenband, das den dahinter sichtbaren blauen Himmel plötzlich aufblitzen ließ. - Innerhalb einer halben Stunde war dann überall das sonnenklare Himmelsblau zu sehen. Es hatte sich durchgesetzt. Und ich konnte "hoch, von fern ein leiser Lerchenton" dazu zitierte...
Da erlebte ich etwas, nicht nur im lyrischen Text, was ich geahnt hatte, aber noch nicht gewußt: das Aufblitzen, das "Zünden" der Welt im lyrischen Subjekt - so heißt es eine begriffliche Beschreibung für die plötzlich einleuchtende, ästhetische, mit vielen oder gar allen Sinnen geschmückte Erfahrung von Blumen, Bäumen, Menschen, Details in der Natur...
"Veilchen träumen schon" - ja, dass Mörike wußte, dass Veilchen träumen, bevor sie die Knospen und ihr eingezeichnetes Gesicht aufstrecken, der Sonne entgegen, weiß er natürlich von seinen menschlichen Träumen her, eben kurz vor dem Erwachen am einprägsamsten; dass er so die luftigen, meist blauen Blümchen (übrigens wie in Arno Holz' Versen)vermenschlicht - als Blick und Gruß und Traummitteilung der Natur - immer wieder ein Geschenk wie eine Liebeserfahrung....!
So sind für mich synästhetische Erfahrungen möglich, auf vielen Spuren, in vielen Sinneseindrücken; bei Mörike überlagerten sie sich auch wohl besonders...
Dank für das Thema: Antonius Ryntjes


Marianne antwortete am 09.01.03 (15:58):

Meinst Du auch, Antonius, dass Erlerntes oft erst im Erlebten, das nicht an spezifisch Künstlerisches gebunden ist,erfahrbar ist!?

Du hast mir sehr viel mit Deinen Erfahrungen gegeben.Danke!


Wolfgang antwortete am 10.01.03 (01:07):

Wann empfinde ich Freude an der Kunst? Generell kann ich es nicht sagen... Die Freude ist auch nicht an eine bestimmte "ästhetische" Form gebunden... Dieser Tage habe ich mich gefreut über ein kleines Gedicht von ANDREW MOTION.

Der ist im Hauptberuf "Poet Laureate", also eine Art Hofdichter am britischen Hofe und zuständig für zum Beispiel königliche Geburtstagsständchen. Nun wollte er mit seinen Mitteln und Möglichkeiten auch etwas gegen den drohenden Krieg setzen. Ein Anti-Kriegsgedicht ist dabei herausgekommen... Eine volle Breitseite gegen seine Arbeitgeber und sein ansonsten unpolitisches Tun.

In seinem kurzen Gedicht "Causa Belli" setzt MOTION gegen die Sprache der Mächtigen eine Reihe alternativer, "eisenbewehrter" Worte. Nicht die vorgeschobenen Lügen der Bush-Cheney-Öl-Gas-Junta vermutet der Dichter hinter den Kriegsvorbereitungen, sondern den
Gedanken an "Wahlen, Geld, Empire, Öl und Dad" (mit "Dad" ist Vater Bush gemeint, den sein Sohn beerben will).

Causa Belli (by ANDREW MOTION)

They read good books, and quote, but never learn
a language other than the scream of rocket-burn
Our straighter talk is drowned but ironclad;
elections, money, empire, oil and Dad.

Ja, das ist Kunst... Einfach und wahrhaftig und auskommend ohnen den ganzen Gefühlsschmalz, der oft als "Kunst" verkauft wird. :-)

Internet-Tipp: https://news.bbc.co.uk/2/hi/entertainment/2641477.stm


hl antwortete am 10.01.03 (09:25):

.. dann hast du sicher auch Freude an nachstehender Wort"kunst" ;-), lieber Wolfgang, das sinngemäss das gleiche aussagen soll, wie das Gedicht von Andrew Motion

(die Kunstliebhaber dürfen das überlesen) :-)


mondän oder wie ein wort zum anderen führt
(ein ganz und gar unpoetisches pamphlet)

mondän ist es
mondial zu träumen
doch moniere ich
die modalität des handelns
das nur dem monetarismus
dient, mondial natürlich
und monopolistisch
die monolithen sind monolingual
sie kennen nur money und macht
- das macht mir angst
darum träume ich lieber
mondene träume

(hl/2002)


Marianne antwortete am 10.01.03 (18:42):

Warum sollen wir dieses witzige und kritischen Gedicht überlesen?
Die Alliterationen des Lautes "m" machen kritisch Menschen gegen Macht und money.Möchte Deine Mitteilung Macht gewinnen in den Köpfen mondäner Menschen.

Selbstverständlich erfreut auch mich so ein sozialkritisches Gedicht.Oder hast Du mich eh nicht gemeint mit den Kunstliebhabern? ;-))

Es schafft meinem Intellekt auf jeden Fall Freude, aber eben intellektuelle Freude,Freude an Verstand und Kunstfertigkeit eines anderen,auch Freude über meine Fähigkeit, jemanden anderen zu verstehen .Das hat ja durchaus seinen Platz neben Entrücktheit und Schadenfreude und was es sonst noch so für Freuden gibt.

In diesem Sinne, liebe hl ,erfreue mich (uns) noch öfter. Du musst ja nichts von Bush, Putin oder anderen Machthabern sagen, Hauptsache ist es ( für mich) Du stehst zu deiner - auch meiner - Angst vor allem, was Angst macht.
Ich schließe mich Dir an und träume mit Dir " mondene
Träume.
Erlaubst Du es?


hl antwortete am 10.01.03 (20:46):

Ein überraschtes und erfreutes Lächeln an Marianne ;-))


Wolfgang antwortete am 11.01.03 (17:29):

Freilich gefällt mir Dein Gedicht, liebe hl, zumal es auch, was die lyrische "Qualität" betrifft, besser ist, als das des Hofpoeten.


Wolfgang antwortete am 11.01.03 (18:20):

Ich bin eigentlich nur empfänglich für Kunst, die "Herz" UND "Hirn" zugleich anspricht... Heute ist folgendes Gedicht von PAUL CELAN - eines der vier "Berliner Gedichte" - "an mich gegangen" (besprochen von Norbert Mecklenburg in der heutigen FAZ in der "Frankfurter Anthologie"):

Du liegst... (von PAUL CELAN)

Du liegst im großen Gelausche,
umbuscht, umflockt.

Geh du zur Spree, geh zur Havel,
geh zu den Fleischerhaken,
zu den roten Äppelstaken
aus Schweden -

Es kommt der Tisch mit den Gaben,
er biegt um ein Eden -

Der Mann ward zum Sieb, die Frau
musste schwimmen, die Sau,
für sich, für keinen, für jeden -

Der Landwehrkanal wird nicht rauschen.
Nichts
stockt.

Man muss wissen, dass die beiden grossen deutschen PolitikerInnen - Kommunisten und Pazifisten - Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg in der Nacht vom 15. auf den 16. Januar 1919 vom Hotel "Eden" aus weggebracht und ermordet wurden und Rosa Luxemburg in den "Landwehrkanal" geschmissen wurde... Ermordet von Freikorpssoldaten, die später die ersten SA- und SS-Verbände füllen sollten. Die Morde an den beiden wurden vermutlich gebilligt von der damaligen SPD-Staatsführung. Der Marsch in den Terrorstaat begann und ging bis hin zu einem der Höhepunkte des Terrors, als die Widerständler gegen die Hitler-Bande an die "Fleischerhaken" im Gefängnis in Plötzensee gehängt wurden, und noch weiter.

Internet-Tipp: https://www.celan-projekt.de/


Marianne antwortete am 11.01.03 (22:26):

Womit Du, lieber Wolfgang, genau beweist, dass für Dich das Interpretieren mit Wissen unumgänglich nötig ist. Du hast die soziologisch/ biographische Deutung für Dich angewendet.
Ohne Deine historischen Kenntnisse wäre die Deutung sicher ganz anders ausgefallen, wage ich zu behaupten.

Entschuldige meine " Besserwisserei", aber ich fühlen mich für dieses Thema verantwortlich.

Und Du hast Freude oder Befriedigung empfunden, als Du Celans Worte in Dein Weltbild einordnen konntest. Oder stimmt das nicht?

Und diese Freude spreche ich niemandem ab - Gott bewahre.


Mir ging es im Anfangsstatement darum, zu erfragen, ob Wissen um die Kunstmittel der Art der Freude, die ich als Entrücktheit und Antonius als Genuss im Empfinden von Synästesien bezeichnet, entgegensteht.

PS Ich liebe Celan -seine dunkle Metaphernwelt- und sein humanes Engagement.


Wolfgang antwortete am 12.01.03 (10:47):

Es gibt ja noch mehr Leidenschaften, Marianne, als zum Beispiel die Freude... Deshalb sprach ich vorsichtig davon, dass CELAN's Gedicht "an mich gegangen sei". In diesem Fall bin ich erschrocken. Es waren die letzten drei Zeilen des Gedichts, die mich beim Lesen haben erschrecken lassen.

Der "Landwehrkanal" fliesst auch nach diesen ungeheuerlichen Ereignissen so weiter, wie bisher, als wäre nichts geschehen. Noch nicht einmal die geringste Unterbrechung in seinem Fliessen...

Wofür sind sie also gestorben, die beiden tapferen Pazifisten und Kommunisten und die Widerständler gegen die Barbaren? - Ich fürchte, für nichts... Wenn ich mir die Geschichte heute anschaue, wenn ich per TV in die Fratzen der neuen Barbaren (diesmal in den USA) blicke, wenn ich das Kriegsgegröhle ihrer willigen Vollstrecker (nicht nur in den USA) höre...

Ein Gefühl der Aussichtslosigkeit hat PAUL CELAN (meiner Interpretation nach) ausgedrückt. Das ist ein Scheissgefühl. Auch das vermag Kunst: Leidenschaften auszudrücken und/oder zu wecken, im Guten, wie im Schlechten. Kenntnisse stehen dem nicht entgegen, in diesem Fall sind sie sogar - da gebe ich Dir recht - fürs richtige Verstehen nötig.


DorisW antwortete am 12.01.03 (21:15):

Wenn Kunst für politische Zwecke benutzt wird, beschleicht mich immer ein unbehagliches Gefühl.

Ich fürchte zwar fast, daß ich mich mit meiner Einstellung in eher schlechter Gesellschaft finde - Gesellschaft jedenfalls, die ich vielleicht nicht freiwillig teilen würde...

Trotzdem ist mir ein noch so gut gemeintes antifaschistisches Gedicht fast genauso suspekt wie die kalte und menschenverachtende Ästhetik eines Militäraufmarsches oder eines Parteitages in einer totalitären Diktatur.
Die trotzige "Es reimt sich, also hab ich recht und gehöre zu den Guten"-Haltung dahinter versaut mir jeden Kunstgenuß.
Ob einer die Internationale brüllt oder das Horst-Wessel-Lied, er rennt doch blind einer Fahne hinterher.

Im Mittelpunkt der Kunst wünsche ich mir den Menschen, nicht eine Ideologie. Und darum auch nicht den Kampf gegen eine Ideologie. Für mich ist es Instrumentalisierung und damit Mißbrauch.

Vielleicht mag mich ja jemand vom Gegenteil überzeugen ;-)
BRECHT eine Lanze für eure politischen Dichter...


Wolfgang antwortete am 12.01.03 (22:22):

Nun, Doris, Kunst entsteht aus einer konkreten gesellschaftlichen Situation heraus und wird immer für politische Zwecke verwendet - unausgesprochen oder ausgesprochen. "Freude, schöner Götterfunken..." ist ein geradezu klassisches Beispiel dafür.

1785 schrieb FRIEDRICH SCHILLER seine "Ode an die Freude", um 1803 bearbeitete er den Text erneut... Diese neue Version der Ode verwurstet BEETHOVEN dann zum 4. Satz seiner 9. Symphonie.

Die Zeit, in der sowohl Ode als auch Symphonie entstanden, war eine Zeit der Umwälzung, ausgehend von der (bürgerlichen) Französischen Revolution. Beide Autoren sind eifrige Anhänger und Verfechter der neuen Ideen von "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit". Um 1810, in Bonn, unter dem Einfluss der Revolution jenseits des Rheins, sangen die Studenten die Ode auf die Melodie der Marseillaise.

Heute ist BEETHOVEN's "Neunte" offiziöse und staatlich verordnete Erbauungsmusik und wird benutzt, um die Idee "Europa" zu transportieren und um Eier- und Verpackungsverordnungen a weng höhere Weihen zu geben. *fg*

In einem stimme ich mit Dir überein: Von der Vereinnahmung der Kunst zu ihrem Missbrauch ist es nicht weit. Da lobe ich mir die KünstlerInnen, die klar und deutlich sagen, wofür und für wen sie "ihre" Kunst machen, wenn es schon nicht aus ihren Werken heraus erkenntlich ist.

SWR2
Esteban Buch � Beethovens Neunte �
https://www.swr2.de/buchtipp/2000/09/11/

Internet-Tipp: https://www.swr2.de/buchtipp/2000/09/11/


DorisW antwortete am 13.01.03 (07:32):

Naja, nichts gegen Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, aber die Pastorale gefällt mir eh besser als die Neunte :-)


Marianne antwortete am 13.01.03 (12:18):

@ Wolfgang und Doris:

Weil ich mich für dieses Thema verantwortlich fühle, will ich ohne Wichtigtuerei und ohne die Berechtigung Eures neuen Themas: Zweck der Kunst zu leugnen ( für mich ) schließen . Ich schließe mit Brecht:

für Wolfgangs Theorien sprechen folgende Verse:

" Was sind das für Zeiten,wo
ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist
Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt!
Der dort ruhig über die Straße geht
Ist wohl nicht mehr erreichbar für seine Freunde,
die in Not sind. "

Berthold Brecht Gesammelte Werke 9/ Gedichte 2
Werkausgabe edition suhrkamp

Mir ging es bei meinem Statement eher um die folgende Aussage: ebenfalls Brecht:

Beim Anhören von Versen
Beim Anhören von Versen
Des todessüchtigen Benn
Habe ich auf Arbeitergesichtern einen Ausdruck gesehen
Der nicht dem Versbau galt und kostbarer war
Als das Lächeln der Mona Lisa.

Brecht. ebenda Bd. 10, Gedichte 3