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THEMA:   Böll als Anti-Kriegsautor

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Antonius begann die Diskussion am 17.03.03 (22:17) mit folgendem Beitrag:

Wenige Stunden vor der Kriegserklärung, die Präsident Bush diktieren möchte heute Nacht. Er wird seine Hände in Unschuld waschen wollen...
Ich lese gerade einen Böll-Roman und denke nur an das, was der US-Oberbefehlshaber die "Stunde der Wahrheit" nennen will, einen Vorwand, ein Land anzugreifen, das den angreifenden Soldaten nicht mit Atomwaffen entgegentreten kann. (Ja, eine Diktatur ist der Irak; aber Unrecht ist der Überfall auf dieses erschöpfte Land...)

Bei Heinrich Böll finde ich gerade heute eine Tötungsszene in seinem Roman "Kreuz ohne Liebe":

"Der Soldat Bachem hat noch einige Sekunden zu leben; er ist an eine alte, aus Lehm gefügte Mauer gelehnt, und er sieht, wie der Abenddämmer von allen Seiten wie ein zärtlicher Dunst in den Garten sickert, diesen verwilderten Garten, in dem verdorrte Sonnenblumenstengel zertreten herumliegen und das hohe Gras die Weinstöcke überwuchert hat; sein Herz ist so schwer, denn es dünkt ihn wenig, daß er einen einzigen Tag Gott zu dienen versucht hat und Jahre, viele Jahre der gleißenden Spur jenes schauerlichen Dämons gefolgt ist, dessen Zeichen an den Stahlhelmen des Erschießungskommandos in den letzten Strahlen der Sonne glitzert; den letzten Strahlen, die den herankriechenden Dämmer fast wie einen Nebel erscheinen lassen. Seine Gedanken und Gefühle überstürzen sich, während er laut rufen möchte: �Herr, ich bin nicht würdig ... �; dann steht ganz plötzlich das blasse, sanfte und ergebene Gesicht jener fremden Frau vor ihm, und er glaubt, Tränen in ihren Augen zu sehen; und da springen auch ihm die Tränen heftig und heiß aus den Augen wie ein Quell, der anspringen möchte gegen die Geschosse, die ihm sich entgegenbohren, nachdem das kurze harte Kommando �Feuer!� den Frieden des Abends zerrissen hat... Er schlägt im Sturz die Hände vors Gesicht, und so liegt er auf der Erde, als sei er niedergekniet, um in alle, alle Ewigkeit auf dieser dunklen Erde zu weinen..." (Ende des 15. Kapitels)
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Von deutschem Boden ist seit drei Generationen kein Krieg mehr ausgegangen... Ich glaube, H. Böll könnte diese Friedfertigkeit als Verdienst seines Schaffens auffassen - auch heute, wenige Tag vor einem Krieg, zu dem die US-Amerikaner und Engländer auch die Deutschen nötigen wollten.

Für den Roman, 1946/47 verfasst, erreichte Böll keine Veröffentlichung; die Schilderung der militärischen Vorgänge hielt der Verlag für zu "schwarz/weiß" dargestellt. Im Jahre 2002 erst konnte der Roman posthum erscheinen, 30 Jahre nachdem Böll den Nobelpreis erhielt; 17 Jahr nach seinem Tod.
Fatal, wie aktuell dieser sterbende Soldat von Böll gezeichnet wurde, fast wie ein Skulptur von Kollwitz oder Barlach; "als sei er niedergekniet, um in alle, alle Ewigkeit auf dieser dunklen Erde zu weinen..."