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THEMA:   Erinnerung an Kriege, wo auch immer

 2 Antwort(en).

Antonius begann die Diskussion am 12.04.03 (23:18) mit folgendem Beitrag:

Vergegenwärtigende Erinnerung an Soldaten, welchen Krieges auch
- meinem Freund Gert Sattler zum 83. Geburtstag gewidmet, der 1945 als deutscher Soldat in die Kriegsgefangenschaft geriet und danach Pazifist wurde -

Wir sollen vor die Hunde gehn,
im schwarzen Buch der Menschheit stehn
für all den blutigen Schaden,
den wir den Völkern angetan!
wir stehn im Schuldbuch obenan -
und waren nur Soldaten.

Soldaten! Wißt ihr, was das heißt?!
Was für ein unbarmherziger Geist
uns dazu abgerichtet?!
Verflucht sei diese harte Welt,
die uns in Reih und Glied gestellt
und uns zum Mord verpflichtet!

Uns hat kein Werbespruch verführt
und keine Trommel aufgerührt
und keine Lust auf Beute.
Wir wußten schon, als man uns rief,
als jeder stumpf zur Fahne lief:
Wir sind betrogene Leute

in dieser blutigen Lotterie!
Wir ziehn das große Los für die,
die diesen Krieg befahlen! -
Und blutig ging die Rechnung auf:
Wir zahlten jede Stunde drauf!
Wir waren selbst nur Zahlen.

Man hat uns in den Krieg gejagt.
Soldaten werden nicht gefragt,
sie müssen alles schaffen!
Und alles ist "Fürs Vaterland"!
Das Herz war tot wie der Verstand.
Wir waren ja nur Sklaven.

Wir wurden in den Kampf gehetzt
und immer wieder eingesetzt
mit halb geflickten Leibern.
Wir liefen ohne Rast und Ruh
durch fremde Länder immerzu
aus Furcht vor unseren Treibern.

Und wenn dann auch ein Wunder kam,
das aller Welt den Atem nahm -
wir waren keine Sieger!
Wir, die das Wunder wir vollbracht,
wir blieben nach gewonnener Schlacht
die ärmsten aller Krieger.

Wir schluckten täglich mit dem Brot
nur Zwang, nur Strafe und Verbot
durch all die bitteren Jahre.
Man ritt uns zu wie einen Gaul.
Nicht mal zum Fressen aus dem Maul
nahm man uns die Kandare!

Erbarmungslos ins Joch gespannt
trieb man uns an des Abgrunds Rand
mit Peitsche und mit Sporen.
Und keiner hielt den Karren auf;
ein ganzes Volk saß hintendrauf
und war mit uns verloren!

Ein ganzes "tausendjähriges Reich"! -
Uns armen Kumpeln ist es gleich,
wem wir die Stiefel putzen,
und wer sich jetzt ins Fäustchen lacht,
und wer das Kriegsgeschäft gemacht!
So oder so - der Nutzen

war nicht für unsereins bestimmt!
Und wenn man uns die Ehre nimmt -
wir pfeifen auf die "Ehre"!
Wir haben dafür keinen Sinn.
Und futsch ist futsch, und hin ist hin.
Und Millionenheere

von Toten. Opfer ohne Zahl,
sie haben auch kein Ehrenmal
auf ihren Grabeshügeln.
Für uns gibt's weder Lohn noch Dank.
Es endet dieser wüste Schwank
mit Stacheldraht und Prügeln.

Dann schickt man glorreich uns nach Haus.
Zum Schluß spuckt man noch vor uns aus,
und Buben werfen Steine.
Von Brücken pissen sie - pardon! -
uns in den offenen Waggon:
Wir sind die Soldaten-Schweine.

E i n s t? Sie litten Hunger, Haß und Hohn,
sie waren mit unserer Nation
vors Weltgericht geladen.
Und trugen schweigend, mit Geduld,
die Wunden und die Schuld!
Ja, sie w a r e n einst Soldaten.


Siegi antwortete am 29.04.03 (16:05):

Sehr schönes Gedicht @Antonius.


Verallgemeinern lässt sich dieses Gedicht leider nicht. Ich meine, da gab es viele Stimmen, sehr viele, die auch "Hinterher"(viele Jahre nach dem Krieg) noch erzählten, "dass sie nie ein grösseres Glücksgefühl in sich emfpunden hätten", wie beim triumphalen Einmarsch (1940) in Paris. Dabei sollte man die Vorgeschichte natürlich nicht ausser acht lassen, die ja nicht gerade wenig Brisanz in sich trug. 1914-1940! Krieg will niemand, aber siegreich wollten sie dann alle sein.

Die meisten Soldaten sind wohl die überzeugteren Pazifisten, oder waren es zumindest einmal, denn sie wussten um die Auswirkungen und Folgen und sie hatten "ihn erlebt."


Siegi antwortete am 03.05.03 (02:31):

....und heute sind sie Niemanden eine Träne wert.