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THEMA:   Kinder an die Hand gegeben

 4 Antwort(en).

Gerhild begann die Diskussion am 03.05.03 (19:34) mit folgendem Beitrag:

Vielleicht kann mir jemand im Forum helfen. Ich habe vor vielen Jahren ein Gedicht gelesen, nach dem ich immer wieder suche, weil ich den Text so schön fand. Ich erinnere mich an die Zeilen vom Anfang:
Kinder an die Hand gegeben
nur für eine Spanne Zeit ...
Der Rest ist leider vergessen. Inhaltlich ist es für junge Eltern, Kindergärtnerinnen oder auch Lehrer, für alle halt, die mit Kindern arbeiten und sie ein Stück Lebensweg begleiten. Es wäre schön, wenn jemand den Text hätte.
Danke


Antonius antwortete am 03.05.03 (23:10):

Weil mir der Anklang und das Thema gefielen - und meine Tochter heute hier war - habe ich gesucht (auch mit der möglichen grammatischen Veränderung "Kinder-n an die Hand gegeben" oder: "Den Kindern..."; ...vergeblich.)
Da spielte in unseren Erinnerungen auch der Garten der Wohnung, wo wir 30 Jahre mit den Kindern lebten, eine besondere Rolle.
Und ich fand wieder:

Ina Seidel: Kindheitsgarten

Als ich dein war,
weißt du es noch?
Als mir das Haar
nach deinem Odem roch,
tauig und nass
voll deiner Tränen hing,
als mir dein Gras
noch bis zur Schulter ging,
als meine Hand,
braun und klein wie ein Tier,
aufwarf den Sand,
wühlte zum Herzen dir -
weißt du es noch? -
Rund war mein Knie,
von deinen Rinden zerrissen ...
Ach, du - ich weiß - aber wie
solltest du wissen -

(Fast wie eine Geschichte aus dem Garten Eden; aber die Ina hatte ja auch Glück...; der Text aus dem unerschöpflichen "ewigen Brunnen" von Ludwig Reiners. - Ich hab noch gar nicht bei Google versucht! Da ist immer eine Suche wert.


RN antwortete am 04.05.03 (09:48):

Ricarda Huch (1864-1947)

Du warst nur kurze Tage mein Gefährte,
Doch ist mein Wesen so von dir durchstrahlt,
Und so dein Bild in meinem Tun gemalt,
Als ob ein Leben deine Nähe währte.

So kann, ins Glas gesprüht, ein Tropfen Wein
Des Wassers Nüchternheit in sich verschlingen
Und es mit Süße, Farbe, Duft durchdringen,
Daß keins vom andern je mehr zu entzwein.

So schwingen Sterne sich und aber Sterne
Um eine Sonne, die sich nie enthüllt,
Mit ihrer Kraft und ihrem Licht sie füllt,
Und sie regiert aus unermeßner Ferne.

------------- Ich kannte mal einen, der nannte sich Sokrates.


Lisa1 antwortete am 04.05.03 (15:37):

Sicher nicht das Gesuchte,aber auch als Begleitung für Eltern,Erzieherinnen und Lehrer gedacht.

Sind so kleine Hände

Sind so kleine Hände
winzige Finger dran.
Darf man nie drauf schlagen
die zerbrechen dann.

Sind so kleine Füße
mit so kleinen Zeh'n
Darf man nie drauf treten
können sonst nicht gehen.

Sind so kleine Ohren
scharf, und ihr erlaubt,
darf man nie zerbrüllen
werden davon taub.

Sind so schöne Münder
sprechen alles aus.
Darf man nie verbieten
kommt sonst nichts mehr raus.

Sind so klare Augen
die noch alles sehn.
Darf man nie verbinden
können sonst nichts mehr sehen.

Sind so kleine Seelen
offen und ganz frei.
Darf man niemals quälen
gehen kaputt dabei.

Ist so ein kleines Rückgrat
sieht man fast noch nicht.
Darf man niemals beugen
weil es sonst zerbricht.

Gerade, klare Menschen
wären ein schönes Ziel.
Leute ohne Rückgrat
haben wir schon zuviel!

Bettina Wegner 1976


Marie2 antwortete am 05.05.03 (10:41):

Das gesuchte Gedicht kenne ich leider nicht. Aber den folgenden Text aus dem Jahr 79 (Zeitschrift: Im Gespräch) habe ich oft gelesen, als meine Kinder heranwuchsen.

Eine Sechzehnjährige schreibt an ihre Eltern:

Manchmal denke ich nach
Und sinne und frage,
warum ich da bin.
Ob Ihr wohl wisst,
dass ich Euch anvertraut bin
für einige Jahre,
aber nicht Euer Besitz?

Ihr habt mich nicht so
Wie man sich Dinge anschafft
Und dann mit ihnen umgeht,
solange sie einem gefallen.
Euch gehöre ich nur,
soweit Ihr Euch mir vertraut macht
und Verantwortung übernehmt für mein Leben.

Meine Eltern,
wenn ich älter werde
und anders, als Ihr Euch gewünscht habt,
wenn Ihr bemerkt,
dass mit mir ein anderes Leben begann,
auch ein fremdes,
das Eurem Leben nicht gleicht,
werdet mir Freunde,
die mich bejahen, so wie ich bin.

Schenkt mir die Liebe,
die annimmt, vertraut und begleitet,
damit ich sie lerne
und mutig werde zu schenken.

Mein Vater und meine Mutter,
wenn Ihr mich freigebt aus Liebe,
kann ich mich finden,
Euch und das Leben.
Sonst nicht.