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THEMA:   Thema im Gedicht: SPRACHE

 25 Antwort(en).

Antonius begann die Diskussion am 09.05.03 (06:23) mit folgendem Beitrag:

Ich lese - wohl wie jede(r), der/die schreibt und über die sprachlichen Mittel nachdenkt - gerne Texte über Sprache...
Besonders gerne: Gedichte, poetologische...
Wer kennt andere?

*
Hermann Hesse:
Sprache

Die Sonne spricht zu uns mit Licht,
Mit Duft und Farbe spricht die Blume,
Mit Wolken, Schnee und Regen spricht
Die Luft. Es lebt im Heiligtume
Der Welt ein unstillbarer Drang,
Der Dinge Stummheit zu durchbrechen,
In Wort, Gebärde, Farbe, Klang
Des Seins Geheimnis auszusprechen.
Hier strömt der Künste lichter Quell,
Es ringt nach Wort, nach Offenbarung,
Nach Geist die Welt und kündet hell
Aus Menschenlippen ewige Erfahrung.
Nach Sprache sehnt sich alles Leben,
In Wort und Zahl, in Farbe, Linie, Ton
Beschwört sich unser dumpfes Streben
Und baut des Sinnes immer höhern Thron.

In einer Blume Rot und Blau,
In eines Dichters Worte wendet
Nach innen sich der Schönfung Bau,
Der stets beginnt und niemals endet.
Und wo sich Wort und Ton gesellt,
Wo Lied erklingt, Kunst sich entfaltet,
Wird jedesmal der Sinn der Welt,
Des ganzen Daseins neu gestaltet,
Und jedes Lied und jedes Buch
Und jedes Bild ist ein Enthüllen,
Ein neuer, tausendster Versuch,
Des Lebens Einheit zu erfüllen.
In diese Einheit einzugehn
Lockt euch die Dichtung, die Musik,
Der Schöpfung Vielfalt zu verstehn
Genügt ein einziger Spiegelblick.
Was uns Verworrenes begegnet,
Wird klar und einfach im Gedicht:
Die Blume lacht, die Wolke regnet,
Die Welt hat Sinn, das Stumme spricht.


Robert Gernhardt antwortete am 09.05.03 (08:04):

Der Tag, an dem das " " verschwand

Am Tag, an dem das verschwand,
da war die uft vo Kagen.
Den Dichtern, ach, verschug es gatt
ihr Singen und ihr Sagen.

Nun gut. Sie haben sich gefaßt.
Man sieht sie wieder schreiben.
Jedoch:
Soang das nicht wiederkehrt,
muß aes Fickwerk beiben.


RN antwortete am 09.05.03 (08:06):


Möcht nicht sprachlos bleiben

Bilder
die sich festsetzen im Kopf
das Zentrum blockieren:
Krieg-Hass-Mord-Leiden-Hunger
ich suche nach Worten
aufzufangen das Unauffangbare
ich suche nach Tönen
mitzutragen das Unerträgliche das Unsagbare

möcht nicht sprachlos bleiben

nicht ersticken
Rose-sage ich-sage Rose
und Zeder-sage ich-sage Zeder
du Baum an der Stirnseite
meinen kleinen Gartens
deine Sprache ist das Grün
du überdauerst
wie Hoffnung überdauert
alle Wechsel alle Winter


ANNEMARIE SCHNITT





Siegi antwortete am 09.05.03 (11:53):



Da draussen liegts im Wüstensand,

es liegt so fern begraben.

Kein Mensch es seither wiederfand,

es galt ihm doch als Plage.

Nicht sehen, hören und nicht wissen wollen,

doch liegt sie da,

so rein, so klar,

in weitgeöffnet Grabe.




Beste Grüsse


Edith antwortete am 09.05.03 (14:02):

Antonius, ein Gedicht über das Ungenügen der Sprache, poetologisch:

Der Werwolf

Ein Werwolf eines Nachts entwich
von Weib und Kind und sich begab
an eines Dorfschullehrers Grab
und bat ihn: "Bitte, beuge mich!"

Der Dorfschulmeister stieg hinauf
auf seines Blechschilds Messingknauf
und sprach zum Wolf, der seine Pfoten
geduldig kreuzte vor dem Toten:

"Der Werwolf", sprach der gute Mann,
"des Weswolfs, Genitiv sodann,
dem Wemwolf, Dativ, wie mans nennt,
den Wenwolf, - damit hats ein End."

Dem Werwolf schmeichelten die Fälle,
er rollte seine Augenbälle.
"Indessen", bat er, "füge doch
zur Einzahl auch die Mehrzahl noch!"

Der Dortschulmeister aber mußte
gestehn, daß er von ihr nichts wußte.
Zwar Wölfe gäbs in großer Schar,
doch *Wer* gäbs nur im Singular.

Der Wolf erhob sich tränenblind -
er hatte ja doch Weib und Kind!!
Doch da er kein Gelehrter eben,
so schied er dankend und ergeben.

Christian Morgenstern


RoNa antwortete am 09.05.03 (14:16):

@ Siegi,
... und wo liegt das Wort "Sprache" in Deinem Gedicht?
--------------------------------
Ich seh dich nicht,
versteh dich nicht,
sprech eine andre Sprache.
Du willst mich nicht,
ich will dich nicht,
das ist ganz klare Sache.

Schreib ein Gedicht
und zier dich nicht
und komm auch schnell zur Sache.
Nun seh ich dich,
versteh ich dich.
Ein Vers spricht meine Sprache.


Siegi antwortete am 09.05.03 (14:54):

RoNa,


tut mir leid, verzeih. Es fehlt mir am völligen Basiswissen, trotzdem habe ich immer einen Drang in mir, zu allem meinen Senf zuzugeben :-))).

Sieh es mir bitte nach

Beste Grüsse


RoNa antwortete am 09.05.03 (15:32):

@ Siegi,

muß Dir leider sagen, daß es ein "völliges Basiswissen" nicht gibt.


Siegi antwortete am 09.05.03 (15:51):

@RoNa,


ich sprach vom untersten Anfang, vom Saatkorn, vom Keimling..,.. nie dachte ich daran, es zur Entfaltung einer Blühte dabei zu bringen. Ein bissel eindringen, nur ein Stückel weit, weisste :-))).

Wie könnte ich auch den Wunsch äussern, gleich einem Unkraut unter edlen Röslein zu stehn.

Beste Grüsse


RoNa antwortete am 10.05.03 (08:28):

@ Siegi,
wenn Du doch geschrieben hättest "Es fehlt mir völlig am Basiswissen".


Erika Kalkert antwortete am 10.05.03 (10:18):

Seance

Hier ist's, wo unter eignem Namen
die Buchstaben sonst zusammenkamen.
Mit Scharlachkleidern angetan,
saßen die Selbstlauter obenan:
A, E, I, O und U dabei,
machten gar ein seltsam Geschrei.
Die Mitlauter kamen mit steifen Schritten,
mußten erst um Erlaubnis bitten.
Präsident A war ihnen geneigt;
da wurde ihnen denn der Platz gezeigt;
andere aber, die mußten stehn,
als Pe-Ha und Te-Ha und solches Getön.
Da gab's ein Gerede, man weiß nicht, wie:
das nennt man eine Akademie.

Johann Wolfgang Goethe.


Siegi antwortete am 10.05.03 (13:16):

Ja@RoNa,


hast recht, habe diesen Fehler nun bemerkt. Es fehlt mir völlig am Basiswissen!


beste Grüsse


Siegi antwortete am 11.05.03 (10:02):

Der Tod ist mir ein lächelnd Freund geworden.

Die Liebe ist`s, die mich am Leben hält.

Eine ganz andere Liebe.

Reiner und sauberer noch wie dieses Wort steht sie da,

in ihr die ewige Treue,


die zu meinem Land.


Antonius antwortete am 11.05.03 (10:04):

Ob zum Mutter- oder zum Menschentag - 'nen guten Sonntag.
@ Siegi: Wer in Deinem Gedicht "die Sprache", das "Sprachliche" oder das "Wort" einsetzt, erfährt den Sinn auch, obwohl das Gedicht ja noch ein bisschen Übersetzung im eigenen Kopf braucht..
@ Robert Gernhardt - gerne, immer weiter. Wußte nicht, dass der eine "Roberta" ist. Aber Du gibst ja Deine Adresse an, schöne Doris; Enschuldigung, Quatsch, ich wollte schreiben: kluge D.!
Also was besonders Schönes für jede(n) Sprachbewußte(n) - vom Rainer Maria, als er noch René hieß:
*
Renè Maria Rilke:

Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort.
Sie sprechen alles so deutlich aus:
Und dieses heißt Hund und jenes heißt Haus,
und hier ist Beginn und das Ende ist dort.
Mich bangt auch ihr Sinn, ihr Spiel mit dem Spott,
sie wissen alles, was wird und war;
kein Berg ist ihnen mehr wunderbar;
ihr Garten und Gut grenzt grade an Gott.
Ich will immer warnen und wehren: Bleibt fern.
Die Dinge singen hör ich so gern.
Ihr rührt sie an: sie sind starr und stumm.
Ihr bringt mir alle die Dinge um.
(Berlin-Wilmersdorf, 21. 11.1897)

www.lyrik.ch\lyrik\history\rilke\rilke0.htm


Siegi antwortete am 11.05.03 (11:52):

@Antonius,


wollte man nicht deutliche Worte hören. Mir war so, es kam für mich so rüber, überall um mich herum.

Beste Grüsse


Siegi antwortete am 11.05.03 (12:08):

Der Weg zur Reise ins Licht ist die Sprache,

dann haben wir die Zensur,

zur Zeit Karl des Grossen wie auch heute.


bernhard antwortete am 11.05.03 (16:49):

"Reiner und sauberer noch wie dieses Wort steht sie da,
in ihr die ewige Treue,
die zu meinem Land."


Was für eine Sprache von Siegi, überholter, elendiger Naziquatsch.


Karl antwortete am 11.05.03 (17:19):

Diese Sprache Siegis (seht bitte auch das Thema "Was ist a-sozial" im Diskussionsforum "Soziales, Lebenshilfe & Finanzen". Dort spricht sie von "Unkraut", "verseuchte Pilze" etc. als Synonyme für Sozialhilfeempfänger) ist die Sprache der Naziverbrecher.

Siegi hat die Maske fallen gelassen. Dahinter kommt die häßliche Fratze rechtradikalen Gedankenguts zum Vorschein. Dieses zu verbreiten werde ich hier nicht dulden.

Karl


Marie2 antwortete am 11.05.03 (21:04):

Gegen die Sprache von Siegi ein Gedicht von Hilde Domin.

Linguistik

Du mußt mit dem Obstbaum reden.

Erfinde eine neue Sprache,
die Kirschblütensprache,
Apfelblütenworte,
rosa und weiße Worte,
die der Wind
lautlos
davonträgt.

Vertraue dich dem Obstbaum an
wenn dir ein Unrecht geschieht.

Lerne zu schweigen
in der rosa
und weißen Sprache.


Antonius antwortete am 12.05.03 (23:10):

Gegen Unkraut-Sprache (ich hatte den kritisierten Text nicht gelesen...!) hilft auch Nietzsche:

Friedrich Nietzsche: Das Wort

Lebendgem Worte bin ich gut:
Das springt heran so wohlgemut,
Das grüßt mit artigem Genick,
Ist lieblich selbst im Ungeschick,
Hat Blut in sich, kann herzhaft schnauben,
Kriecht dann zum Ohre selbst dem Tauben,
Und ringelt sich und flattert jetzt,
Und was es tut - das Wort ergetzt.

Doch bleibt das Wort ein zartes Wesen,
Bald krank und aber bald genesen.
Willst ihm sein kleines Leben lassen,
Mußt du es leicht und zierlich fassen,
Nicht plump betasten und bedrücken,
Es stirbt oft schon an bösen Blicken -
Und liegt dann da, so ungestalt,
So seelenlos, so arm und kalt,
Sein kleiner Leichnam arg verwandelt,
Von Tod und Sterben mißgehandelt.

Ein totes Wort - ein häßlich Ding,
Ein klapperdürres Kling-Kling-Kling.
Pfui allen häßlichen Gewerben,
An denen Wort und Wörtchen sterben!
(F. Nietzsche: Gedichte. Reclams UB 7117. S. 43)


pilli antwortete am 13.05.03 (05:21):

"Gegen Unkraut-Sprache (ich hatte den kritisierten Text nicht gelesen...!"

nun, es besteht doch die möglichkeit, texte nachzulesen; zum einen nur etwas weiter nach oben scrollen und des weiteren die beiträge, die du zustimmend kommentiert hast.

"Sprache", zu verstehen, welche "sprachlichen mittel" verwandt wurden... wie sehr interessiert dich das wirklich?


schorsch antwortete am 13.05.03 (08:53):

Würde ich bei jedem Gedicht zuerst nachdenken, in welches Kästchen ich oder der Leser es versorgen würde, wäre meine Sammlung wohl nie über 10 Stück gewachsen....

Aber weil ich so dichte, wie mir der Schnabel gewachsen ist, sinds einige hundert geworden.....


pilli antwortete am 13.05.03 (09:24):

das "nachdenken", warum Antonius einer von anderer sprache geprägten stimme mut zuordnet, das bewegt meine gedanken nach wie vor...

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Antonius antwortete am 05.05.03 (23:43):

Ja, SIEGI -

hätte gerne den Beitrag gelesen.
Mutig bist Du - und es war auch nötig, so eine Stimme im Forum.. Undich wollte uach nicht immer Hühner-Parodien schreiben und losschicken.. Obwohl ich noch drei habe...
Der Rest läuft an Deine Adresse!
Kopf hoch!
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Medea. antwortete am 13.05.03 (12:41):

Ja Pilli -

d a s hatte mich schon am 5.5.03 nachdenklich gemacht -
und wie sieht es heute am 13.5. damit aus?


Antonius antwortete am 14.05.03 (09:38):

Mhm, ja, was pilli und xy an meinen Texten und an einem Brief an SIEGI rätseln möchten...?
Parodien sind aggressiv, ja und fordern Analyse heraus, manchmal eben auch Emotionen.
- Was ich SIEGI zu seinem unsinigen Beitrag geschrieben habe, habe ich auch hier - in einem Zitat - in einem anderen Forum mitgeteilt.
Da bleibt nur Eure Rätselei... Für die ich keine Zeit habe...
Kein Kommentar mehr bei Quengeleien.
*
@ Pilli:
Vielleicht kannst Du das Textchen lösen von Friedrich Haug (einem dichtenden Mann der Goethezeit):

F.H.: Rätsel
Ich bin ein Leichnam ohne Grabmal,
Ich bin Grabmal ohne Leichnam,
Zugleich ein Grabmal und ein Leichnam
Und doch kein Grabmal und kein Leichnam.
(Die Antwort ist kein ehrenrühriger Begriff...!)
*
Aber was Wichtigeres für Sprache und Literatur,
von

FRIEDRICH RÜCKERT (1788 - 1866):
Grammatische Deutschheit

Neulich deutschten auf Deutsch vier deutsche Deutschlinge deutschend,
Sich überdeutschend am Deutsch, welcher der Deutscheste sey.
Vier deutschnamig benannt: Deutsch, Deutscherig, Deutscherling, Deutschdich;
Selbst so hatten zu deutsch sie sich die Namen gedeutscht.
Jetzt wettdeuschten sie, deutschend in grammatikalischer Deutschheit,
Deutscheren Comparativ, deutschesten Superlativ.
"Ich bin deutscher als deutsch�. "Ich deutscherer".
"Deutschester bin ich."
"Ich bin der Deutschereste, oder der Deutschestere."
Drauf durch Comparativ und Superlativ fortdeutschend,
Deutschten sie auf bis zum - Deutschesteresteresten;
Bis sie vor comparativisch- und superlativischer Deutschung
Den Positiv von Deutsch hatten vergessen zuletzt.
(F.R.: Poetische Werke. 1882)

*
Tja, als Deutschland noch nicht demokratisch war, auch nicht demokratisch werden wollte (s. 1848, die Vertreibung des Parlaments) - war der Missbrauch des Wortes "deutsch" auch ein Problem, wie bei Heine nachzulesen oder auch hier bei dem viel zarteren, feinfühligeren Dichter Rückert, z.B. in seinen Totenliedern..,


Antonius antwortete am 15.05.03 (22:25):

Hilde Domin: Worte

Worte sind reife Granatäpfel,
sie fallen zur Erde
und öffnen sich.
Es wird alles Innre nach außen gekehrt,
die Frucht stellt ihr Geheimnis bloß
und zeigt ihren Samen,
ein neues Geheimnis.

(Aus: H.D.: Ausgewählte Gedicht. Frankfurt/M. 2000. S. 124)