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THEMA:   Der Gay im Fadenkreuz von Glauben

 6 Antwort(en).

fragmal begann die Diskussion am 02.10.03 (17:08) mit folgendem Beitrag:

Angesichts der gegenwärtig einmal mehr entfachten Diskussion um gleichgeschlechtlicher Orientierung, Glaube und Kirche trifft der Inhalt eines neuen Buches nachgerade ins Schwarze. Ottmar B. S. von Freiberg trat mit seinem Novellenband "... unter Qualen und Schmerzen bekennen" (ISBN 3-8330-0539-4) an die Öffentlichkeit. Er legt eine behutsame und nachdenkliche Auseinandersetzung um Glauben und Liebe, Religion und Kirche zwischen Gleichgeschlechtlichen vor. Denn die beiden Novellen können zum Nachdenken, zur Toleranz und vielleicht auch zur Akzeptanz beitragen und sind doch unterhaltsam, bisweilen sogar spannend. Das Buch will Vorurteile überwinden und zur Diskussion anregen, zwischen den Fronten vermitteln.


pilli antwortete am 03.10.03 (02:16):

hi fragmal :-)

das von dir vorgestellte buch kenne ich nicht, aber es klingt so, als könne es mittler sein.

nur...es ist meiner meinung nach an der zeit, endlich wahrzunehmen, daß "wir" :-) nicht nur toleranz zeigen, sondern endlich begreifen, daß weder die liebe von Hans und Hanna noch die liebe zwischen Hans und Harald von "qualen und schmerzen" unter umständen davon begleitet werden, weil es daran hapert :-)

so wie es Hans und Hanna egal ist, ob ich das nun toleriere...sollten auch Hans und Harald lernen zu denken.

ich mag das wort toleranz nicht sehr; es klingt für mich überheblich. :-) es ist aber weiterhin an der zeit auch wahrzunehmen, daß mittlerweile fast 20% der kath. priester schwul sind und einen weg suchen, glaube und liebe so leben zu können, wie sie es wünschen.

ich zitiere aus der seite von "HUK- homosexuelle und kirche" , den link setze ich ein:

fortsetzung


pilli antwortete am 03.10.03 (02:19):

Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK) e.V.
Kontroverse um schwule Priester:

Was meint die HuK dazu?

Anlass und Hintergrund

Unter der Überschrift �Das Schweigen brechen� veröffentlichte die Süddeutsche Zeitung (SZ) im November 1996 einen Artikel von Hanspeter Heinz, katholischer Priester und Professor für Pastoraltheologie an der Universität Augsburg. Der Autor beschreibt dabei die Diskussion um homosexuelle Priester, zu der er selbst durch einen ausführlichen Aufsatz �Homosexualität und geistliche Berufe� in der katholischen Fachzeitschrift "Stimmen der Zeit" (Bd. 241, Nr. 10, 1996, S. 681-693) wesentlich beigetragen hatte.

Die Veröffentlichung in der SZ führte bald zu weiteren Diskussionen innerhalb und außerhalb der römisch-katholischen Kirche. Die ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK) hat Ende 1996 dazu in einer Presserklärung des Bundesvorstands Stellung genommen.

Presseerklärung der HuK
Die Ökumenische Arbeitsgruppe "Homosexuelle und Kirche" nimmt die ausführliche Veröffentlichung in der "Süddeutschen Zeitung" Nr. 271 vom 23./24.11.1996, Seite 10, zum Thema schwule Priester zum Anlass, auf folgende Dinge hinzuweisen:

Die Frage schwuler (und lesbischer) AmtsträgerInnen betrifft beide große Kirchen. Auch die evangelischen Landeskirchen tun sich damit schwer. Letztlich steht dahinter immer noch der Gedanke einer kultischen Unreinheit durch Sexualität.
Die römisch-katholische Kirche tut sich noch viel schwerer mit ihren schwulen Priestern und Ordensleuten, da sie jede Sexualität außerhalb der Ehe ablehnt und dadurch der Verdrängung Vorschub leistet.
Da der Priester ehelos in der Zölibatsverpflichtung leben soll, wird diesem etwas aufgebürdet, was er oft nicht leisten kann. So kann es auch zu sexuellen Ersatzhandlungen kommen, zu Verdrängungen und Kompensierungen.
Auch die Frage des sexuellen Mißbrauchs durch Amtsträger sollte einmal diesbezüglich bedacht werden.
Der Reiz des Priesterberufs für Homosexuelle liegt in verschiedenen Punkten: Reine Männergesellschaft des Klerus, keine Probleme mit der Ehelosigkeit, sensible Persönlichkeit, Liturgie und Ritus wie überhaupt die sehr sinnenhaften Handlungen.
Der kirchengeschichtliche Hintergrund der ganzen Problematik (von der Einführung des Pflichtzölibats beim 2. Laterankonzil 1139 bis zu den Sittlichkeitsprozessen während der Nazi-Zeit) muss mitbedacht werden.
Die von Prof. Heinz angegebenen 20 % schwuler Priester ist eine durchaus realistische Zahl. Sie dürfte noch zu niedrig sein. In den USA geht man inzwischen von viel höheren Zahlen aus. Seit Jahren werden Zahlen von 20 % bis 50 % genannt. Es gibt keine Statistik. Und Rom schweigt dazu.
Die Deutsche Bischofskonferenz täte der Kirche keinen guten Dienst, wenn sie Prof. Heinz wegen seiner offenen Äußerungen maßregeln würde. Sie sollte endlich den offenen Dialog wagen, statt sich hinter moralischen Regeln zu verschanzen, die keineswegs von der Liebe Christi geprägt sind. Sind sie doch die Seelsorger ihrer Priester.
Es muß endlich Offenheit in die Kirchen einziehen und Wahrhaftigkeit. Die Kirchen leiden an ihrer Doppelmoral und Unglaubwürdigkeit. Hier braucht man keine Public-Relation-Agentur, sondern Verkündigung und Tun müssen übereinstimmen.
Mit den Worten des Johannesevangeliums: �Die Wahrheit wird euch frei machen.� Alles andere ist ein Herumkurieren am kranken Leib Kirche.

Internet-Tipp: https://makeashorterlink.com/?C65F23516


fragmal antwortete am 03.10.03 (10:32):

Hallo Phil, ich kann Dir nur zustimmen in Deinen Auffassungen und Erwartungen. Der Titel des Buches "... unter Qualen und Schmerzen bekennen" ist ein Teil eines Bibelwortes aus dem Alten Testament. Mir gefällt der Titel deswegen, weil es eine treffende Beschreibung des comingout ist. Gerade die Generation der heute Fünzig- bis Siebzigjährigen hatte mit ihrer sexuellen Selbstfindung große Akzeptanzprobleme. von Freiberg hat das für meine Begriffe sehr genau aufgegriffen. Aus dem Klappentext geht hervor, daß er im Hauptberuf Psychowissenschaftler ist. Daher kommt vermutlich die feinsinnige Beschreibung des Erlebens und Verhaltens von Männern, die ihr Schwulsein längst entdeckt, aber nicht akzeptiert haben. In diesem Sinne habe ich Toleranz auch gemeint.


pilli antwortete am 04.10.03 (17:23):

hi fragmal,

nun...sei dir sicher, daß ich in einer stadt wie Köln und munter wie ich mich gerne zwischen all ihren bewohnern bewege :-) schon kenntnis habe von der situation der 50+ generation, wen auch immer sie sich zur oder zum liebsten erwählen.

wie ich heute der tagespresse entnehmen konnte,

"hat Bundeskanzler Gerhard Schröder Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit Respekt und Anerkennung für dessen Coming-out gezollt.
Du hast ein Beispiel gesetzt, indem du Toleranz und Respekt vor einer bestimmten Lebensführung eingeklagt und durchgesetzt hast, sagte Schröder bei einem Empfang zum 50. Geburtstag Wowereits. ...die Formulierung -Ich bin schwul, und das ist auch gut so- wurde schnell zum geflügelten Wort. Sein Freund Jörn Kubicki war bei dem Empfang an seiner Seite. Schröder sagte unter großem Applaus, Wowereits Weg habe vielen Menschen Mut gemacht"

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kenntnis habe ich auch von dem breiten feld der möglichen vermarktung...und da denke ich mal, werden deine und meine ansichten sich unterscheiden :-)
"Der Gay im Fadenkreuz der Werbewirtschaft" sicherlich auch ein thema :-)

"coming-out" gilt natürlich auch dann, wenn es darum geht, ob die situation an sich diskutiert werden soll oder ob
ein, wenn auch sicherlich gutes und empfehlenswertes buch vom verfasser selbst vogestellt werden sollte :-)

meiner meinung nach gelingt es nur mit fairness "partner" zu sein.

:-)


Medea. antwortete am 04.10.03 (19:38):

Schmunzel - pilli :
Ein kleiner Schlingel, der Herr von Freiberg? Das Thema seines Buches ist es bestimmt wert, gelesen zu werden .....
auch wenn es über den kleinen Weg von fragmal geht ;-))


fragmal antwortete am 05.10.03 (10:12):

Ich glaube auch, der Autor könnte am besten sein Buch selbst vorstellen. Was mag ihn daran hindern? Vielleicht ist er zu sehr von sich eingenommen und will, daß dies andere - so z.B. ich - für ihn machen. Ebenso wahrscheinlich ist es aber, daß er anonym bleiben will. Auch dann bin ich ihm entgegen gekommen. Letztendlich sollte ja das Buch sprechen! Und das tut es für meine Begriffe.
Unlängst hatte ich mit einem 34 J. alten Christen, der zu einer lutherischen Landeskirche gehört darüber einen langen Chat. Er fühlt sich schwul und ist es wohl auch. Aber er meint, daß dürfe er nicht sein. Das Wort "Zerissenheit" kam oft in seinem Beitrag vor. Genau für solche Leute und für jene, die Argumente suchen, wie sie aus ihrem Glauben mit ihrer sexuellen Orientierung umgehen können, ist das Buch eine Anleitung, ein Trost, ein modus vivendi, eine Versöhnung. Aber es ist kein Wegweiser, sondern in unterhaltsame - ich möchte fast sagen - intelligente Rahmenhandlungen verpackt. In einem Flugzeug gibt es kein Entrinnen und wenn man einen Brief schreibt, da kann man seine Gedanken auf das richten, was man ausdrücken will.