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THEMA:   Herbstidylle

 43 Antwort(en).

Heidelinde begann die Diskussion am 08.10.03 (07:52) mit folgendem Beitrag:

Nebel von Friedrich Güll

Ein Vorhang aus Luft
und Duft
gewoben,
und wie der Wind
geschwind
zerstoben.

Heidelinde


Medea. antwortete am 08.10.03 (08:30):

Bei "Herbstidylle" dürfen diese wunderschönen Verse nicht fehlen ..... (immer wieder neu)


Dies ist ein Herbsttag, wie ich keinen sah,
die Luft ist mild, als atmete sie kaum ...
und dennoch fallen jetzt von fern und nah
die schönsten Früchte ab von jedem Baum ....

(bitte ergänzen)


tiramisusi antwortete am 08.10.03 (08:58):

O, stört sie nicht, die Feier der Natur !
Dies ist die Lese, die sie selber hält,
denn heute löst sich von den Zweigen nur,
was von dem milden Strahl der Sonne fällt.


rachel antwortete am 08.10.03 (09:50):

Eichendorff - Herbst

Nun lass den Sommer gehen,
Lass Sturm und Winde wehen.
Bleibt diese Rose mein,
Wie könnt ich traurig sein?

und noch eins:
Trakl, Georg: Verklärter Herbst

Gewaltig endet so das Jahr
Mit goldnem Wein und Frucht in Gärten.
Rund schweigen Wälder wunderbar
Und sind des Einsamen Gefährten.

Da sagt der Landmann: Es ist gut.
Ihr Abendglocken lang und leise
Gebt noch zum Ende frohen Mut.
Ein Vogelzug grüßt auf der Reise.

Es ist der Liebe milde Zeit
Im Kahn den blauen Fluß hinunter
Wie schön sich Bild an Bildchen reiht
Das geht in Ruh und Schweigen unter.

Mal ganz anders...
Arendt: Herbst

Schade.
Es wird uns der Herbst gestohlen.
Drei Männer sammeln ihn ein.
Fegen,
schaufeln,
fahren ihn auf ihren kleinen Wagen davon.
Es bleiben kahle Bäume;
ein nasser Wind;
ein Stück Papier,
das mein Vorgänger in den Gully tritt.

Rilke: Herbsttag

Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren lass die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

MfG Rachel


Heidelinde antwortete am 08.10.03 (13:46):

So wunderbare Gedichte!
Ich notiere sie mir alle in meine eigene Gedichtssammlung.
Ich habe noch eines gefunden:

Herbstelegie

Hörst du die Krähen?
Siehst du die Wolken?
Sie eilen.

Spürst du den Nebel?
Riechst du die Blätter?
Sie welken.

Ahnst du den Winter?
Wird er mir enden
noch einmal?

Heinz G.W.Meister

Heidelinde


Medea. antwortete am 08.10.03 (13:59):

Bunt sind schon die Wälder,
gelb die Stoppelfelder
und der Herbst beginnt.

Raue Winde fallen,
graue Nebel wallen,
kühler weht der Wind.


simba antwortete am 08.10.03 (15:48):

Seltsam, im Nebel zu wandern!
Einsam ist jeder Busch und Stein,
Kein Baum sieht den anderen,
Jeder ist allein.

Voll von Freuden war mir die Welt,
Als noch mein Leben Licht war,
Nun, da der Nebel fällt,
Ist keiner mehr sichtbar.

Wahrlich, keiner ist weise,
Der nicht das Dunkle kennt,
Das unentrinnbar und leise.
Von allen ihn trennt.

Seltsam, im Nebel zu wandern!
Leben ist Einsam sein.
Kein Mensch kennt den anderen,
Jeder ist allein

(Hermann Hesse)


nopi antwortete am 08.10.03 (16:12):

Herbst

Da wirbeln die Blätter, da fechelt der Wind,
der Herbst treibt sein munteres Spiel wie ein Kind,
er fegt durch die Straßen, durch bunte Alleen,
und faucht über Äcker, Wälder und Seen.

Der Abend steigt nieder über herbstliches Land,
begleitet ein Paerchen, verliebt Hand in hand,
und dort auf der Bank, im Abendrotschein,
ein Mütterchen alt, verträumt und allein.

Sie spürt das Vergehen und schaut sich nicht um,
der Morgen erwacht, doch die Alte bleibt stumm.

G. Nopens


Sofia204 antwortete am 08.10.03 (16:33):

Trauer tropft auf Stein und Blatt
die Lieb� hat sich gewendet
das Herz ist matt -
das Mitleid hat
den Sinnenrausch beendet


nopi antwortete am 08.10.03 (17:33):

Ausklang

Die Sonne früher sich hernieder senkt,
und bunte Blätter decken zu die längst vergangene sommerliche Pracht,
ein Wandrer spät, auf einer Parkbank sitzt und denkt,
wo in des Maien Grün die Liebenden gelacht.

In einer Regenpfütze spiegeln sich die kahlen Zweige,
am Brunnen, der nun nicht mehr sprudelt, steht ein Musikant,
er träumt vor sich, und spielt auf einer Geige,
doch keine Münze fällt auf seines Hutes Rand.

So spielt er nur für sich und für die stummen Bäume,
und wenn ein golden Blatt sich senkt auf seinen Hut hernider,
dann unterbricht er lächelnd seine buntgeschwungenen Träume,
und unter wirren Haaren öffnen sich die Augenlieder.

Ein dank an euch, die ihr so oft mich habt ertragen,
die in des Sommers Hitze gaben mir den kühlen Hauch,
geduldig mich erhörten, wenn ich wollt verzagen,
und Früchte gabt ihr mir, wenn hungrig knurrt mein leerer Bauch.

Ihr guten Bäume, ihr für heute werdet mir das Bett bereiten,
auf goldnen Blättern will ich liegen unter eure Krone,
und eurer Äste Rauschen wird mein Spiel begleiten,
ein fröhlich Liedchen das ich singe, sei euch wohl zum Lohne.

Und die Bäume, die alten, sie hörten die Geige erklingen,
hernieder rauschte der Blätter bunt schillernder Pracht,
sie deckten ihn zu, bis verstummte sein Singen,
die Stille erwachte, und es wurde Nacht.

G. Nopens


mart antwortete am 09.10.03 (00:04):

Und wie wärs damit:


Im Herbst

bei kaltem Wetter

fallen vom Baum die Blätter,

Donnerwetter.

Im Frühjahr dann,
sind sie wieder dran -
sieh mal an.

Heinz Erhardt


pamina antwortete am 09.10.03 (01:28):

Herbst

(Rainer Maria Rilke)

Die Blätter fallen,
fallen, wie von weit,
als welkten in den Himmeln
ferne Gärten.
Sie fallen mit verneinender Gebärde.

Und in den Nächten fällt
die schwere Erde
aus tausend Sternen
in die Einsamkeit.

Wir alle fallen.
Diese Hand da fällt
und sieh Dir and're an,
es ist in allen.

Und doch ist Einer,
welcher dieses Fallen
unendlich sanft
in seinen Händen hält.


pamina antwortete am 09.10.03 (01:36):

...und noch'n Gedicht - diesmal ein eher fröhliches
von Erich Kästner aus "Die 13 Monate"

September

Das ist ein Abschied mit Standarten
aus Pflaumenblau und Apfelgrün.
Goldlack und Astern flaggt der Garten
und tausend Königskerzen glühn.

Das ist ein Abschied mit Posaunen,
mit Erntedank und Bauernball.
Kuhglockenläutend ziehn die braunen
und bunten Herden in den Stall.

Das ist ein Abschied mit Gerüchen
aus einer fast vergessenen Welt.
Mus und Gelee kocht in den Küchen.
Kartoffelfeuer qualmt im Feld.

Das ist ein Abschied mit Getümmel,
mit Huhn am Spieß und Bier im Krug.
Luftschaukeln möchten in den Himmel.
Doch sind sie wohl nicht fromm genug.

Die Stare gehen auf die Reise.
Altweibersommer weht im Wind.
Das ist ein Abschied laut und leise.
Die Karussells drehn sich im Kreise.
Und was vorüber schien, beginnt.


pamina antwortete am 09.10.03 (01:37):

...und auch noch dies:

Aus den Blütenträumen des Frühlings
wird im Herbst Marmelade.


pamina antwortete am 09.10.03 (01:50):

Hilfe!! (Wehe, wenn sie losgelassen...)
Aber dieses muss noch:

Astern
(Gottfried Benn)

Astern -, schwelende Tage
alte Beschwörung, Bann.
Die Götter halten die Waage
eine zögernde Stunde an.

Noch einmal die goldenen Herden,
der Himmel, das Licht, der Flor,
was brütet das alte Werden
unter den sterbenden Flügeln vor?

Noch einmal das Ersehnte,
den Rausch, der Rosen Du,
der Sommer stand und lehnte
und sah den Schwalben zu.

Noch einmal ein Vermuten,
wo längst Gewissheit wacht:
Die Schwalben streifen die Fluten
und trinken Fahrt und Nacht.


rachel antwortete am 09.10.03 (07:47):

und noch eins:
F. Rückert

Herbsthauch

Herz, nun so alt und noch immer nicht klug,
hoffst du von Tagen zu Tagen,
was dir der blühende Frühling nicht trug,
werde der Herbst dir noch tragen.

Lässt doch der spielende Wind nicht vom Strauch,
immer zu schmeicheln, zu kosen.
Rosen entfaltet am Morgen sein Hauch,
abends verstreut er die Rosen.

Lässt doch der spielende Wind nicht vom Strauch,
bis er ihn völlig gelichtet.
Alles, oh Herz, ist ein Wind und ein Hauch,
ws wir geliebt und gedichtet.

und gleich noch eins:
Th. Storm

Oktoberlied

Der Nebel steigt, es fällt das Laub,
schenk ein den Wein, den holden!
Wir wollen uns den grauen Tag,
vergolden, ja vergolden.

Und geht es draußen noch so toll,
unchristlich oder christlich,
ist doch die Welt, die schöne Welt,
so gänzlich unverwüstlich!

Und wimmert auch einmal das Herz -
stoß an und lass es klingen.
Wir wissen's doch, ein rechtes Herz
ist gar nicht umzubringen.

Der Nebel steigt, es fällt das Laub,
schenk ein den Wein, den holden.
Wir wollen uns den grauen Tag
vergolden, ja vergolden.

Wohl ist es Herbst; doch warte nur,
doch warte nur ein Weilchen.
Der Frühling kommt, der Himmel lacht,
es steht die Welt in Veilchen.

...und noch eins: von Arno Haunschild für Erik Neutsch

Hallescher Herbst
Auf welken Blättern gehn die Stunden durch die Luft.
Mit jedem Tage stirbt ein wenig Sonnenlicht.
Das faule Laub durchdringt den Wind mit seinem Duft,
und mancher Alte quält sich schwer mit seiner Gicht.

Die Menschen gehen müd die grauen Straßen ab,
nass und kalt durchdringt das Wasser meine Schuh.
Ich seh trauernd, wie ichs noch nie gesehen hab,
dem Regen und seinem düstern Tropfen zu.

Es ist, als ob allmählich nun die Welt vergeht.
Von jedem Herbstblatt grinst der bleiche Tod mich an.
Den letzten Atemzug von einem Mensch verweht
der erste kalte, winternahe Herbststurm dann.

Dem Lebenden wirds unaussprechlich schwer zumut:
Ein jeder Windhauch greift ihm heftig an das Herz;
es atmet sich so schwer und ständig stockt das Blut,
und alles, was man jetzt noch lebt und fühlt ist Schmerz.

MfG Rachel


Heidelinde antwortete am 09.10.03 (08:38):

Guten Morgen,
mein Gedichtsbändchen füllt und füllt sich!
Es liegt aufgeschlagenen neben meinem PC.
Viel schöner ist es,hier die Gedichte zu lesen, als bei google nachzuschlagen.
Heidelinde


wanda antwortete am 09.10.03 (09:30):

Über die Heide

Über die Heide hallet mein Schritt,
Dumpf aus der Erde wandert es mit.

Herbst ist gekommen, Frühling ist weit.
Gab es denn einmal selige Zeit?

Brauende Nebel geisten umher;
Schwarz ist das Kraut und der Himmel so leer.

Wär` ich hier nur nicht gegangen im Mai! -
Leben und Liebe, wie flog es vorbei!

Theodor Storm


tiramisusi antwortete am 09.10.03 (11:40):

ein Lied von Alexandra fällt mir da noch ein:

Der Traum vom Fliegen

An einem Baum
in dem Park der großen Stadt
hing unter tausenden Blättern ein Blatt.
Sang der Nachtwind in den Bäumen,
wiegte sich das Blatt in Träumen
von der weiten herrlichen Welt.

Könnt ich nur einmal wie der Wind
Fliegen, fliegen,
mit den Wolken übers Meer
ach mein Leben gäb� ich her,
Könnt ich Fliegen,
könnt ich fliegen.

Bald kam der Herbst
gab dem Blatt sein schönstes Kleid
doch es klagte den Wolken sein Leid,
bleiben muß ich und verblühen
könnt ich mit den Schwänen ziehen,
dorthin wo der Sommer nie vergeht.


Da rief der Herbstwind, Du sollst Fliegen, fliegen
und er riß vom Baum das Blatt, trieb es in die große Stadt,
ließ es Fliegen, ließ es fliegen.

Kurz war das Glück,
müde sank das Blatt hinab
auf die Straße, sein regennasses Grab.
Schon am Ende seines Lebens
rief das kleine Blatt vergebens,
zu den stummen Häusern hinauf.



Könnt ich nur einmal noch im Wind
Fliegen, fliegen,
flög� ich hin zu meinem Baum
und vergessen wär� der Traum
vom Fliegen,
vom fliegen..."


nopi antwortete am 09.10.03 (11:42):

Der Blick zurück

Ich erlebte den Sommer im sterben,
am Strand leere Flaschen und Scherben,
überall nur noch Reste und Müll,
vom Schleier der Braut, ein Fetzen von Tüll.

Wo sonst buntes Leben und Treiben,
war ich nur, und wollt auch nicht bleiben,
ich floh als Letzter von hinnen,
um mich nun der Zeit zu besinnen.

Noch hör ich das Rauschen der Wogen,
seh Menschen sich fröhlich austoben,
sie scherzen, lachen und lieben,
zurück ist das Echo geblieben.

Auch das stirbt mit jeder Sekunde,
zäh fließen Minuten zur Stunde,
sie füllen nur langsam den Tag,
und der Wind, der nun einsam, er klagt.

Er fegt über endlose Dünen,
und spielt auf vor leeren Tribünen,
ballt sich zusammen zum Sturm,
schwingt wütend die Glocke im Turm.

Sie kündet der Sommerzeit Wende,
die Zeit öder Straßen und Strände,
die Zeit, wo die Pflaster hohl hallen,
und bleiern die nebel schon wallen.

Ein letztes mal dreh ich mich um,
verweile, doch alles bleibt stumm,
zurück laß ich Wogen und Strand,
adieu, und wink mit der Hand.

G. Nopens


tiramisusi antwortete am 09.10.03 (11:47):

kennt ihr noch dieses bezaubernde kinderlied?
ich hör mich es noch immer selbst krähen :-) lange gab es eine uralte tonbandaufnahme, da klimpert meine mutter auf dem klavier und einmal flüstert sie den text vor, als ich "stecken bleibe" ... ich hör es immer wieder gerne:

In einem kleinen Apfel,
Da sieht es lustig aus:
Es sind darin fünf Stübchen
Grad wie in einem Haus.

In jedem Stübchen wohnen
Zwei Kernchen schwarz und fein,
Die liegen drin und träumen
Vom lieben Sonnenschein.

Sie träumen auch noch weiter
Gar einen schönen Traum,
Wie sie einst werden hängen
Am lieben Weihnachtsbaum.


Medea. antwortete am 09.10.03 (11:51):

Wenn die Reben wieder blühen,
rühret sich der Wein im Fasse;
Wenn die Rosen wieder glühen,
weiß ich nicht, wie mir geschieht!

Tränen rinnen von den Wangen,
was ich tue, was ich lasse;
nur ein unbestimmt Verlangen
fühl ich, das die Brust durchglüht.

Und zuletzt muß ich mir sagen,
wenn ich mich bedenk und fasse,
daß in solchen schönen Tagen
Doris einst für mich geglüht.

(Johann Wolfgang von Goethe)


chris antwortete am 09.10.03 (14:19):

Herbstbild

Dies ist ein Herbsttag, wie ich keinen sah!
Die Luft ist still, als atmete man kaum,
Und dennoch fallen raschelnd, fern und nah,
Die schönsten Früchte ab von jedem Baum.

O stört sie nicht, die Feier der Natur!
Dies ist die Lese, die sie selber hält,
Denn heute löst sich von den Zweigen nur,
Was von dem milden Strahl der Sonne fällt.

Friedrich Hebbel
1813 - 1863


nopi antwortete am 09.10.03 (16:24):

Herbstwind

Den Kragen hochgeschlagen, die Hände tief vergraben in den Taschen,
des Wandrers Blick insich gekehrt, am Wege liegen ausgediente Flaschen,
und jeder Schritt versinkt im aufgeweichten Boden,
die Eingangspforte ist verrostet und verbogen.

Der Herbstwind reißt und rüttelt an den alten Bäumen,
und eingeschnitzte Herzen zeugen von vergangnen Träumen,
ich liebe Paul, hat eine zarte Hand geschrieben,
die Worte sind es, die im Holz zurück geblieben.

Ein Hampelmann, ein bunter, der das rechte Bein verloren,
am Herzen eines Kindes hing, er lacht noch über beide Ohren,
er liegt in einer Pfütze, die Schnur, die in bewegte ist zerrissen,
in Nachbarschaft mit einem Regenschirm, verbogen und verschlissen.

Ein Amulett, zerstampft, doch liest man noch die daten,
welch Schicksal ihm verhaftet, läßt sich nur erraten,
die Namen sind nicht Namen, nur Geschichte,
und blankgeputzt erstrahlen sie in neuem Lichte.

Ein alter Schuh, wer mag in guten Tagen ihn getragen,
hat ausgedient, aus ihn verdörrte Gräser ragen,
ein Schulheft, stark vergilbt, vom Wind vorbei getrieben,
wer hat den Kopf zerbrochen sich, wer die Zeilen dichtgedrängt geschrieben.

Wer schreibt das Buch der Zeit, in der wir leben und gestalten,
wer wird die Werte, die uns heilig, pflegen und erhalten,
wer wird es unsern Kindern sagen, wenn mißverständlich sie auf unsre Taten schauhn,
wenn sie nach Gründen unsres Irrsinns fragen, und auf den Trümmern unsrer Götter neue Götzen bauen.

So geht hinüber in den Garten, dort wo unsre Kreuze stehn,
dort liegen all die Werte, die wir mit uns fortgenommen,
an diesem Ort nur werdet ihr die Welt verstehen,
hier fließt der Zeiten Strom, in dem wir einst geschwommen.

Hier ist die Quelle, und die Wiege unsres Werdens,
das Ziel, das wir in hartem Kampf endlich erreicht,
die Bühne der Geburt und auch des Sterbens,
wo neues Leben sprießt und altes bleicht.

So pflegt den Ort, er ist der einzig wahre,
an ihm die Antwort euch gegeben sei und auch das Ziel,
dort an der Pforte liegen Krücke und auch Bahre,
mit ihnen treibt der Herbstwind nun sein muntres Spiel.

Ein Wandrer spät, die Hände tief in seinen Taschen,
den Blick insich gekehrt, am Wegrand liegen leere Flaschen,
und manches Treibgut, das einst Sinn in irgend einem Leben,
wird nun vom Müllmann weggekehrt, so ist das eben.

G. Nopens


DorisW antwortete am 09.10.03 (18:56):

Hälfte des Lebens

Mit gelben Birnen hänget
Und voll mit wilden Rosen
Das Land in den See,
Ihr holden Schwäne,
Und trunken von Küssen
Tunkt ihr das Haupt
Ins heilignüchterne Wasser.

Weh mir, wo nehm ich, wenn
Es Winter ist, die Blumen, und wo
Den Sonnenschein,
Und Schatten der Erde?
Die Mauern stehn
Sprachlos und kalt, im Winde
Klirren die Fahnen.

(Hölderlin)


schorsch antwortete am 12.10.03 (12:21):

Mag nicht mehr aus dem Fenster schauen;
seh nur noch schieres Nebelgrauen.....

Schorsch


Gudrun_D antwortete am 12.10.03 (12:36):

Drum kuschel ich mich in die Ecke
roll mich zusammen wie ne Schnecke
zu lesen hol ich vorher was
was kümmert mich dann graues Nass
auf das wir nicht verzichten können!


Heidelinde antwortete am 12.10.03 (12:54):

Sehr schön Gudrun,
genauso habe ich es vor Tagen gemacht.
Ist das Gedicht etwa von Dir?
Heidelinde


wanda antwortete am 13.10.03 (08:43):

Unter der Kiefer

Nadeln ohne Öhr,
Der Nebel zieht
Die weißen Fäden ein.
Fischgräten,
In den Sand gescharrt.
Mit Katzenpfoten
Klettert der Efeu
Den Stamm hinauf.

Peter Huchel


schorsch antwortete am 13.10.03 (10:29):

Doch die Nebel, diese grauen,
lassen mich das Blau nicht schauen;
kann es nur noch leis` erahnen;
Nebelhex` zieht ihre Bahnen;
muss heut` an den Nägeln kauen....

Schorsch


pilli antwortete am 13.10.03 (10:43):

Herbst


Um die Großstadt sinkt die Welt in Schlaf.
Felder gilben, Wälder ächzen überall.
Wie Blätter fallen draußen alle Tage,
Vom Zeitwind weggeweht.

Ob Ebene und Wald in welkes Sterben fallen,
Ob draußen tost Vergänglichkeit,
Im Stadtberg brüllen Straßen, Hämmer hallen:
Die Stadt dampft heiß in Unrast ohne Zeit.


Gerrit Engelke
(1890-1918)

aus: "Rhythmus des neuen Europa"


Medea. antwortete am 13.10.03 (10:51):

Im Nebel ruhet noch die Welt -
noch schweigen Wald und Wiesen.
Bald siehst Du, wenn der Schleier fällt,
den blauen Himmel unverstellt,
herbstkräftig die vertraute Welt
in warmem Golde fließen ....

(Der Poet fällt mir leider gerade nicht ein)


hl antwortete am 13.10.03 (11:03):

Eduard Mörike (Septembermorgen)


Medea. antwortete am 13.10.03 (13:41):

Stimmt .....

und anstelle von "vertraute Welt" mußt es heißen
"gedämpfte Welt" ......

fiel mir gerade wieder ein. Danke.


pilli antwortete am 13.10.03 (17:15):

Auszug aus dem Oratorium "Die Jahreszeiten"
von Joseph Haydn

Was durch seine Blüte
der Lenz zuerst versprach,
was durch seine Wärme
der Sommer reifen hieß,
zeigt der Herbst in Fülle
dem frohen Landmann jetzt.

Den reichen Vorrat fährt er nun
auf hochbeladnen Wagen ein.
Kaum fasst der weiten Scheune Raum,
was ihm sein Feld hervorgebracht.

Sein heitres Auge blickt umher,
es misst den aufgetürmten Segen ab,
und Freude strömt in seine Brust.


pamina antwortete am 15.10.03 (13:35):

Chançon d'Automne

(Paul Verleine)

Les sanglots longs
des violons
de l'automne
blessent mon coeur
d'une langueur
monotone.

Tout suffocant
et blême
quand sonne l'heure
je me souviens
des jours anciens
et je pleure.

Et je m'en vais
au vent mauvais
qui m'emporte
deçà, delà,
pareil à la
feuille morte.


hl antwortete am 15.10.03 (20:57):

Wie die Geigen des Herbstes
mein Herz verwunden
mit tiefem Seufzen
mit schwerem Sehnen
bleich, mit stockendem Atem
hör' ich die Stunden schlagen
gedenke vergangener Tage
und weine

Und wandern muss ich weiter
im treibenden Wind
hierhin und dorthin
ein welkes Blatt

Paul Verlaine

Dieses Gedicht hat eine besondere Bedeutung für mich, daher die Übersetzung.. für mlB ;-)


pina13 antwortete am 15.10.03 (23:15):

Diese " Herbstgedanken" von VerLaine haben mich an das Nietzsche - Gedicht erinnert:

Vereinsamt
Die Krähen schrein
Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:
Bald wird es schnein, -
Wohl dem, der jetzt noch - Heimat hat!

Nun stehst du starr,
Schaust rückwärts, ach! wie lange schon!
Was bist du Narr
Vor Winters in die Welt entflohn?

Die Welt - ein Tor
Zu tausend Wüsten stumm und kalt!
Wer das verlor,
Was du verlorst, macht nirgends Halt.

Nun stehst du bleich,
Zur Winter-Wanderschaft verflucht,
Dem Rauche gleich,
Der stets nach kältern Himmeln sucht.

Flieg, Vogel, schnarr
Dein Lied im Wüstenvogel-Ton -
Versteck, du Narr,
Dein Herz in Eis und Hohn!

Die Krähen schrein
Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:
Bald wird es schnein, -
Weh dem, der keine Heimat hat!


schorsch antwortete am 16.10.03 (09:24):

Prallvoll unsere Reben hangen;
hochgeschwängert ist die Luft
mit dem süssen Traubenduft.
Nicht zu bremsen mein Verlangen!

Schorsch


pilli antwortete am 16.10.03 (09:53):

Komm in den totgesagten park

Komm in den totgesagten park und schau:
Der schimmer ferner lächelnder gestade
Der reinen wolken unverhofftes blau
Erhellt die weiher und die bunten pfade.
Dort nimm das tiefe gelb - das weiche grau
Von birken und von buchs - der wind ist lau
Die späten rosen welkten noch nicht ganz
Erlese küsse sie und flicht den kranz
Vergiss auch diese letzten astern nicht
Den purpur um die ranken wilder reben
Und auch was übrig blieb von grünem leben
Verwinde leicht im herbstlichen gesicht.

Stefan George


pilli antwortete am 16.10.03 (10:02):


Düster im Friedhof flüstert der Herbst
Des Menschen Gedicht
Immer dieselbe Weisheit
Und wir verstehen sie nicht.
Traurige Männer und Frauen gehen im Laubfall einher
Auf den Steinen die Sprüche sprechen von Wiederkehr
Blumen über die Hügel:
Kerzen und Lichter darein
Bis mit frühmüden Flügeln fällt der Abend ein.

Josef Weinheber


eika antwortete am 18.10.03 (17:24):

Apfelkantate/Das Apfeljahr

Der Apfel war nicht gleich am Baum.
Da war erst lauter Blüte.
Da war erst lauter Blütenschaum
und lauter Lieb und Güte.
Dann waren Blätter grün an grün
und grün an grün nur Blätter.
Die Amsel nach des Tages Mühn,
sie sang ihr Abendlied so kühn
und auch bei Regenwetter.
Der Herbst, der macht die Blätter steif
der Sommer muss sich packen.
Hei! Dass ich auf die Finger pfeif
da sind die ersten Äpfel reif
und haben rote Backen.
Und was bei Sonn`und Himmel war
erquickt nun Mund und Magen
und macht die Augen hell und klar.
So rundet sich das Apfeljahr
und mehr ist nicht zu sagen.

Matthias Claudius (1740 - 1815)

(Gedicht der Woche Rhein-Zeitung)


pilli antwortete am 18.10.03 (19:39):

An meinen Apfelbaum

Ich sah hinterm Zaun dein verzagtes Gesicht
von Dornen und Sträuchern umgeben.
Du strebtest vergebens nach Sonne und Licht,
die Zweige verbogen. Nein, schön warst du nicht.
Ich half dir im Kampf um dein Leben.
Ich habe gegraben, gehackt und gesägt,
befreite von Moos deine Rinde.
Die Krone gesäubert, den Stamm freigelegt,
ich hab dich nach all der Entbehrung gepflegt
gleich einem verwahrlostem Kinde.

Du bist verjüngt aus dem Schlafe erwacht.
Im Frühling, dem sonnigen warmen.
Wie hast du geleuchtet in blühender Pracht,
glückstrahlend, mir morgens entgegengelacht:
O komm doch und lass dich umarmen!

Nun stehst du im Herbst als ein prächtiger Baum
mit köstlich beladenen Zweigen.
Es duftet wie Weihnacht im festlichen Raum,
rot schimmern die Äpfel, ein kindlicher Traum.
So schön ist dies dankbare Schweigen.

Du hast mir unzählige Freuden beschert,
uns allen, dem Fink, der Meise.
Du warst mir die Liebe und Mühe schon wert.
Das wirkliche Denken hast du mich gelehrt,
so reichlich, so herzlich, so leise

Fred Endrikat


schorsch antwortete am 19.10.03 (09:46):

Doch die Trauben in den Lauben
fressen jetzt die tauben Tauben.
Und ich mir nur noch erlauben,
die abgefallnen aufzuklauben!

Schorsch