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THEMA:   Rätseltext: "Harfenmusik..."

 7 Antwort(en).

iustitia begann die Diskussion am 12.10.03 (22:00) mit folgendem Beitrag:

Der Dichter vernimmt die �Harfenmusik� des Frühlings...
Hier aus seinem "Tagebuch" der Eintrag, datiert �Anfang März 1929", übrigens hundert Jahre nach der Abfassung des Gedichts �Er ist�s� von Eduard Mörike ("Horch, von fern ein leiser Harfenton..."):

Märchenlaut. Konnte das Ohr in regnerischen, schlammigen Wintern das unaufhörliche �Gluck-Gluck� verfluchen, jetzt glaubt es, Harfenmusik zu hören. So bald freilich zieht der Frost seine Eiskrallen nicht aus dem Boden, der im Durchschnitt metertief gefroren ist. Mächtige Brocken Schnee hegen an kalten, dunklen Stellen. Die Landschaft spielt im Dreiklang: graubraungelb die Weiden, weiß die Schneestücke, dunkelbraun die Äcker Wie nach einer Grippe die Rekonvaleszenz die gefährlichste Zeit ist, mit heimtückischen Schwächezuständen, so ist für den Landmann gerade jetzt, nachdem die bitterste Gewalt des Frostes gewichen ist, der Feind noch nicht geschlagen. Die Äcker sind nacktgetaut von der schon mächtigen Mittagssonne, grün recken sich die Spitzen der jungen Roggensaat, die unter dem Schnee meist unversehrt geblieben ist. Aber nun friert es nachts gerade so tief wie die feinen Wurzeln reichen: beim Auftauen hebt und weitet sich der Boden, und die Wurzeln zerreißen.
Die berühmten neun Sonnentage im März lassen nicht auf sich warten, es ist herrlich am Mittag, herrlich schon am Morgen, wenn der Schein den Bettpfosten vergoldet. Fast ist es schon verklungenes Märchen, verschollene Geschichte, daß, als wir die Säue in der Bucht am Gutshof fütterten, zu Hunderten die Krähen sich zwischen ihnen niederließen, den Säuen auf den Rücken hockten und gierig schlangen, ja, daß eines Morgens mitten unter ihnen zwei Fasanenhähne stolzierten, daß eines schneidenden Sonntagnachmittags aus dem kleinen Schuppen, in dem wir Gartengeräte bewahrten, sieben Rehe sprangen. Ist es wirklich schon vergessen? Aber kehrt sich der Blick vom aufgetauten Lande ab meerwärts, da sitzt immer noch der weiße Panzer Dicht an der Kante finde ich die kleine Leiche eines Halsbandregenpfeifers, und die Schlehenbüsche stehen kahl, wenn schon die weißgrauen Pinsel der Weide heraus sind und es nicht mehr lange dauert, daß die Kätzchen der Haselnuß, ziehharmonika-ähnlich sich weitend, zu sträuben beginnen.
Endlich, endlich ringen sich aus dem Waldboden, dessen Blätterspreu der Frost allnächtlich wieder festnäht die Schneeglöckchen. Wie das Kind im Mutterleibe, so sitzt der weiße Blütenkopf noch in der Blattscheide, von einer zarten, gelben Haut umschlossen; auch die langen Blätter sind im Boden gelb. Rehe haben die Spreu bloßgescharrt und einige gelbe Spitzen losgetrennt.
Die scheuen Wildtauben brauchen nicht mehr in die Gärten zu fliegen, an die Grünkohlstauden. Sie dürfen wieder in den Wipfeln hausen, die Vögel der Venus, und das kosende Rucksen wird den österlichen Wald durchtönen.


DorisW antwortete am 14.10.03 (16:57):

Keine Ahnung. Aber interessieren würde es mich schon...
Zuerst dachte ich an Hermann Löns, wegen der intensiven Naturschilderung - und wer kennt sonst schon Halsbandregenpfeifer???
Aber H. Löns hat das Jahr 1929 nicht erlebt, daran ist nichts zu rütteln...


Sofia204 antwortete am 14.10.03 (19:14):

Aufzeigung als Naturbeschreibung ?

-Kann nur ein Mann gewesen sein ,-)


mart antwortete am 14.10.03 (23:44):

Und ein "Tagebuch" was es wohl auch nicht, sondern zur Veröffentlichung bestimmt.


mart antwortete am 14.10.03 (23:58):

Thomas Mann?


DorisW antwortete am 15.10.03 (08:33):

Um Himmels willen, nein.
Thomas Mann schreibt einen völlig anderen Stil.


mart antwortete am 15.10.03 (08:58):

Oh, je !


iustitia antwortete am 15.10.03 (10:24):

Okay -

war auch ein etwas seltener Vogel, der Schreiber: Wilhelm Lehmann, der solch ein Tagebuch geschrieben hat, ein früher Öko, als es den Namen noch gar nicht gab; eher ein Romantiker mit wirklich umfassenden Kenntnissen der Natur und der Dichtung. Erst als er als Romancier und später als Lyriker bekannt wurde, konnte er die Naturbetrachtungen veröffentlichen.
Das nächste Beispiel wird politischer....

Danke fürs Mitspielen

Gruß an alle:
Stephanie Langen-Vorberg