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THEMA:   Gedichte, Gedichte Teil VII

 175 Antwort(en).

Heidi begann die Diskussion am 15.01.01 (12:29) mit folgendem Beitrag:

Gedichte VI war schnell geschrieben
hier ist sie nun
die Nummer sieben!!


Heidi antwortete am 15.01.01 (12:58):


Ironisches von hl:


wer will noch mal, wer hat noch nicht?

mein Herz ist eine Achterbahn
fährt runter ins Tal und kommt oben an
dort unten herrscht das Dunkle
und oben das Licht
ich schreib' oben und unten
- ein Jahrmarktsgedicht!

hl


Sieghard antwortete am 15.01.01 (17:19):

Ihr Lieben,
nun haben wir
Gedichte VII
und heiter
weiter
mit Harmonie
wie noch nie!
.


Eva antwortete am 15.01.01 (18:03):

Ich saz uf eime steine,
und dahte bein mit beine,
dar uf saste ich den ellenbogen;
ich hete in mine hant gesmogen
min kinne und ein min wange.
da dahte ich mir vil ange,
wie man zer werlte solte leben :
deheinen rat konde ich gegeben,
wie man driu dinc erwurbe,
der deheinez niht verdurbe.
Diu zwei sint ere und varnde guot,
daz dicke ein ander schaden tuot,
daz dritte ist gotes hulde,
der zweier übergulde.
Die wolte ich gerne in einen schrin.
Ja leider des enmac niht sin,
daz guot und werltlich ere
und gotes hulde mere
zesamen in ein herze komen.
Stige unde wege sint in benomen:
untriuwe ist in der saze,
gewalt vert uf der straze:
fride unde reht sint sere wunt.
Diu driu enhabent geleites niht, diu zwei enwerden e
gesunt.

Walther von der Vogelweide, erster Reichsspruch, um 1198;
mit hohem politischen und moralischem Stellenwert, im Kampf
zwischen dem Welfen Otto IV. und dem Staufer Philipp von Schwaben um die Krönung zum deutschen König. Walther
war auf Philipps Sete.

Übersetzung von Prof. Hermann Reichert:


Ich saß auf einem Steine und schlug ein Bein über das
andere. Darauf setzte ich den Ellenbogen. Ich hatte mein
Kinn und meine eine Wange in meine Hand geschmiegt. In
dieser Stellung dachte ich angestrengt darüber nach, wie
man sich auf der Welt verhalten solle. Ich konnte keinen
Rat geben, wie man drei Dinge erwürbe, ohne daß eines von
ihnen zugrunde ginge: die beiden ersten sind Ehre und
bewegliches Gut, was einander oft schadet, das dritte ist
die Huld Gottes, die noch mehr wert ist als die beiden.
Die alle hätte ich gerne in einem Schrein beisammen. Ja,
leider ist das unmöglich, daß Vermögen und Ehre bei den
Menschen und dazu noch Gottes Huld zusammen in ein Herz
kommen können. Stege und Wege dazu sind ihnen genommen,
denn die Untreue lauert im Hinterhalt und die Gewalt zieht
offen auf der Straße einher. Friede und Recht sind schwer
verletzt. Die drei haben keinen Geleitschutz, bevor diese
beiden (Friede und Recht) gesunden.


Heidi antwortete am 15.01.01 (22:23):

Mal ein Frauengedicht?

Seine Marionette

O wie nett ist die Marie,
ein Blick von ihr ist wie ein Fest.
Und wie am Schnürchen zappelt sie,
wenn er sie tanzen läßt.

Bewegt Arm und Bein
ganz wie er es mag,
sagt niemals: nein
lächelt Tag für Tag.

Ihr zartes Porzellangesicht
spiegelt nur gefrorenes Glück.
Trauer aber kennt sie nicht,
die Fäden holen sie zurück.

O wie nett ist die Marie,
still und sanft - so wie sie heißt.
Ihr Herr, der Spieler, glaubt es nie,
daß sie je die Fäden zerreißt.

Monika Köhler


Heidi antwortete am 15.01.01 (23:24):

ähnliches Thema, diesmal von Rilke


Ein Frauen-Schicksal

So wie der König auf der Jagd ein Glas
ergreift, daraus zu trinken, irgendeines,-
und wie hernach der welcher es besaß
es fortstellt und verwahrt als wär es keines:

so hob vielleicht das Schicksal, durstig auch,
bisweilen Eine an den Mund und trank,
die dann ein kleines Leben, viel zu bang
sie zu zerbrechen, abseits vom Gebrauch

hinstellte in die ängstliche Vitrine,
in welcher seine Kostbarkeiten sind
(oder die Dinge, die für kostbar gelten).

Da stand sie fremd wie eine Fortgeliehne
und wurde einfach alt und wurde blind
und war nicht kostbar und war niemals selten.

Rainer Maria Rilke


Heidi antwortete am 16.01.01 (01:22):

Bangnis

Im welken Walde ist ein Vogelruf,
der sinnlos scheint in diesem welken Walde.
Und dennoch ruht der runde Vogelruf
in dieser Weile, die ihn schuf,
breit wie ein Himmel auf dem welken Walde.
Gefügig räumt sich alles in den Schrei:
Das ganze Land scheint lautlos drin zu liegen,
der große Wind scheint sich hineinzuschmiegen,
und die Minute, welche weiter will,
ist bleich und still, als ob sie Dinge wüßte,
an denen jeder sterben müßte,
aus ihm herausgestiegen.

Rainer Maria Rilke


Heidi antwortete am 16.01.01 (05:26):


Der Wahnsinn

Sie muß immer sinnen: Ich bin... ich bin...
Wer bist du denn, Marie?
Eine Königin, eine Königin!
In die Kniee vor mir, in die Knie!

Sie muß immer weinen: Ich war... ich war...
Wer warst du denn Marie?
ein Niemandskind, ganz arm und bar,
und ich kann dir nicht sagen wie.

Und wurdest aus einem solchen Kind
eine Fürstin, vor der man kniet?
Weil die Dinge alle anders sind,
als man sie beim Betteln sieht.

So haben die Dinge dich groß gemacht,
und kannst du noch sagen wann?
Eine Nacht, eine Nacht, über eine Nacht, -
und sie sprachen mich anders an.
Ich trat in die Gasse hinaus und sieh:
die ist wie mit Saiten bespannt;
da wurde Marie Melodie, Melodie...
und tanzte von Rand zu Rand.
Die Leute schlichen so ängstlich hin,
wie hart an die Häuser gepflanzt,-
denn das darf doch nur eine Königin,
daß sie tanzt in den Gassen: tanzt!...

Rainer Maria Rilke


Herbertkarl Hüther antwortete am 16.01.01 (08:41):



Asklepeion, Kos


Mit steigendem tag
stürzen
die Schatten der Saeulen.


Zikaden
schreien in heller Ekstase.
Selbst die Brunnen
singen im Diskant.
kein Wort von Kühlung.

Dort in der Mamornische
saß Nero,
hielt sich die Maske
des Gotts
vors erhitzte Gesicht.

Rudolf Riedler

Geboren 1927 in Kaufbeuren/Allgaeu. Lebt in Muenchen.


Sieghard antwortete am 16.01.01 (08:46):

BSE-Wahnsinn ungereimt

Der Schwachsinn vom Rinderwahn
von Hornochsen versaubeutelt
Politik fördert industrielle Tierhaltung
Folge: Katastrophe
das Gegenteil: Rindvieh ernährt von
Gräsern und Heu ungedüngter
Schwarzwaldweiden,
Mais und Tiermehl nicht die Bohne!
Der Biss des Wohlhabenden
ins Charolais-Steak ist
kein Happen vom Rücken einer
alten Milchkuh.
Aber Rinderhälfte aus dem Schwarz-
wald zwölf Mark pro Kilo
samt Knochen, was
wesentlich mehr ist als für ein
Rind vom Schlachthof aus Mas-
sentierhaltung.
Verwässerte Aromastoffe kehren
zurück durch langes Abhängen im
Kühlen. Der Kg-Preis steigt auf 20
Mark. Nach Abzug des Knochen-
anteils steigt er auf 40 Mark.
Nuss vom Weidejungrind 45 Mark,
Rückenstück sogar 55 Mark,
im Lokal � 250 g.
Das zahlt der Wohlhabende
gern für ein Charolais-Rind-Stück,
seit Mitte November 2000
die Rindviecherei ans Licht
gekommen.
.


Heidi antwortete am 16.01.01 (08:54):

Epiphanie

Hinaus aus dem engen Haus in die offene Landschaft
unbeschützt von der Kinder Lachen und Weinen
ungehalten von der Freunde Bitten und Spotten
ein einfacher Wanderer an einem einfachen Berghang

Auf alten Madonnenbildern ist manchmal die Welt
eingezeichnet in dunkelnde Hintergründe
Der Hintergrund des Seins ist nach vorne gerückt
Kreuz und Heiligenschein Beweinung und Wunder

So verwundert betrachte dein eigenes Leben
die Reiche der Welt und ihre Herrlichkeiten
Der Frager steht neben dir auf dem hohen Berg
und der Abgrund erfährt vielleicht deine Antwort

Erich Fried


Wolfgang antwortete am 16.01.01 (11:18):

Kleines Lied (von Maria Holschuh)

Kleines Lied aus Amselkehle
Fällt hinein in meine Seele.
Deine Melodie ist süß,
Meine Liebste damit grüß�.

Kleiner Freund im Federkleide
Weckst in mir des Sommers Freude.
Trag� mich hin zu Liebchens Haus,
Kleines Lied flieg� mir voraus.


Wolfgang antwortete am 16.01.01 (15:50):

Weil wir ja mitten in der närrischen Zeit sind und so wenig Gedichte für die Lütten hier stehen, da dachte ich mir, jetzt bringst du mal...

Das Lied vom Fischfasching (von James Krüss)

Musik spielt auf dem Meeresgrund
Für feierfrohe Gäste.
Denn Fasching ist ein guter Grund
Für feuchte Flossenfeste.

Man wedelt da und wirbelt da
Und funkelt oft bengalisch.
Ein dickes Walross zwirbelt gar
Den Schnurrbart musikalisch.

Die Blaskapelle "Bumerang"
Kam eigens aus Australien.
Nun spielt sie "Fischleins Nachtgesang"
Und Lieder aus Italien.

Trompete bläst ein Katzenhai.
Er bläst auch die Posaune.
Sogar ein Seekalb ist dabei.
(Man höre und man staune.)

Es singt das Lied vom Pinguin,
Vom Pinguin, der schmollte
Und immer, wenn die Sonne schien,
Ein Wölkchen werden wollte.

Ein Seepferd hüpft bedenkenlos
Auf die Korallentische.
Kurzum, die Stimmung ist famos
Beim Faschingsfest der Fische.

[...]

aus: James Krüss, Der Leuchtturm auf den Hummerklippen, Carlsen Verlag, Hamburg 1999


Eva antwortete am 16.01.01 (15:57):

Fest in Glauben und Vertrauen,
von der Burg mit starken Türmen,
kannst du kühn hinunterschauen,
keiner wird sie je erstürmen.

Aber hüte dich vor Zügen
in die Herrschaft des Verstandes !
Denn sogleich mussst du dich fügen
den Gesetzen seines Landes.

Und schon kommen sie in Haufen,
und sie ziehen dich vom Rosse,
und du musst verprügelt laufen
schleunigst heim zu deinem Schlosse.


von WILHELM BUSCH, dem wegen seiner simplen
Knittelverse oft unterschätzten Menschenbeobachter.


Siegmar antwortete am 17.01.01 (02:52):

an heidi von ihrem großen verehrer:
Einsicht und Charakter des Menschen offenbart sich am deutlichsten im Urteil; indem er ablehnt, indem er aufnimmt, bekennt er, was ihm fremd blieb, wessen er bedarf, und so bezeichnet, unbewußt, jedes Alter auf jeder Stufe den gegenwärtigen Zustand, den Kreis eines durchlaufenen Lebens.
J.W.v.Goethe


Heidi antwortete am 17.01.01 (08:27):

:-)) weißt Du noch Siegmar? ..."und wenn Du denkst es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her!"

Zweimal Reiner Kunze für Dich:

Beschneiden der Apfelbäume im Winter

Mit den ihren
kappe ich alle zweige in mir die
hoch hinauswollen

Von neuem
auf die augen setzend

Und auf die äste nach außen

Durch die krone eines apfelbaums
muß ein mann mit korb hindurchgehn können, sagen
die alten gärtner

Und übergroßes leid und übergroße freude
müssen hindurchgehn können
durch uns

*****

...
Spuren gibt's in uns die zu sichern
nur wir selbst vermögen

So es einem von uns gegeben ist,
abdrücke zu nehmen
von solcher winzigkeit

Und ein mädchen das nicht aus noch ein weiß
wird dann plötzlich weiterleben wollen
und ein wirklicher leser wird sagen:

Noch immer gibt es gedichte

***
aus " auf eigene hoffnung " Reiner Kunze, Fischer Verlag


Eva antwortete am 17.01.01 (10:46):

Mit vierzig Jahren ist der Berg erstiegen,
Wir stehen still und schau�n zurück.

Dort sehen wir der Kindheit stilles liegen
Und dort der Jugend lautes Glück.

Noch einmal schau, und dann gekräftigt weiter
Erhebe deinen Wanderstab !
Hindehnt ein Bergesrücken sich, ein breiter,
Und hier nicht, drüben geht�s hinab.


Nicht atmend aufwärts brauchst du mehr zu steigen,
Die Ebne zieht von selbst dich fort.
Dann wird sie sich mit dir unmerklich neigen,
Und eh du�s denkst, bist du im Port.


Friedrich RÜCKERT - diese Verse wurden von Johannes
BRAHMS als Nr.1 in Op. 94 vertont. Brahms war 1884 über
50 Jahre alt und fühlte sich müde. Bei der Uraufführung war der berühmte Sänger und Brahms-Interpret Julius
STOCKHAUSEN derart bewegt, dass ihm die Stimme versagte und er nochmals beginnen musste.


Herbertkarl Hüther antwortete am 17.01.01 (11:53):




STARKDEUTSCH [[[o:

Nebul


Nebul, Nebul - nix ze saihen,
da spazuretten ze zweyen,
op dem weuten Stoppulfalde,
di Marü müt Villipalde.
Duch es gap Ferlagenhoiten
bey demm Dausch fon Zarttligkoiten,
dönnes draf düs Kuzzelin
nit op Müntt unt Futzelin.
Draf nurr engantwo dahünden -
Nebul, Nebul - nix ze fünden!

Matthias Koeppel


Vörme

Schneystorrm trauszen Schneyestorrm,
duch herinnin issis vorrm.
Duch amm vorrmstin issis wuhlen
zwöschn vaipliche Schankulen.
Trumb min Scharz, wanz trauszen schnoit,
mack onz di Schankulen preut.

Matthias Koeppel



Bekanntmachung

Die Gesellschaft zur Verstärkung der Deutschen
Sprache (Berlin - London - New York - Toronto) als
eingetragene Tochtergesellschaft der
Neupreußischen Empfindungsgesellschaft gibt
bekannt: Es ist gelungen, die deutsche Sprache in
ihr letztes und endgültiges Stadium zu überführen.
Nachdem die Entwicklung über Alt- und Mittelhoch-
bzw. - niederdeutsch, Altneuhochdeutsch zum
Neuschwachhochdeutsch führte, wird nunmehr das
STARKDEUTSCH den triumphalen Schlussstrich unter
eine Entwicklung setzen, die, wenn sie in dieser
Stunde nicht durch uns mit Macht abgebrochen
worden wäre, alsbald zur stummen Sprachlosigkeit
geführt hätte. Das STARKDEUTSCHE gibt uns die
Freiheit wieder, nur unserem Empfinden zu folgen
und nur noch so zu artikulieren, wie es unsere
Erlebnisbereitschaft gebietet. Das STARKDEUTSCHE
hat nur zufällige �hnlichkeiten mit Sprachformen
der Vergangenheit oder gar mit Dialekten des In-
und angrenzenden Auslandes. Wir dulden keine
stimmlosen Vokale oder unscharfen Konsonanten.
Unsere Syntax hat symphonischen Wohlklang zum
Maßstab. Das Empfinden ist unsere Grammatik, das
Augenmaß regelt unsere Rechtschreibung. Als Regel
erkennen wir nur die Ausnahme an. Jeder spricht
sein eigenes STARKDEUTSCH, damit Verständigung
wieder verständlich wird. Wir fordern die
Abschaffung des Dudens und die Schließung der
Goethe-Institute. Wir fordern STARKDEUTSCHE
Schulen und Universitäten. Lasst das
Schwachhochdeutsche verstummen, wie es Euch stumm
gemacht hat. Übersetzt die Weltliteratur ins
STARKDEUTSCHE! Gebt STARKDEUTSCHE Zeitungen
heraus! Selbst Dichten macht wieder Spaß, wenn wir
STARKDEUTSCH dichten!

Matthias Koeppel


Evelyn antwortete am 17.01.01 (17:45):


heart
hand
and brush on black silk
Ahh !
The silber moon.


starkdeutsch:

Energie
Anzeiger
und Strahlenbündel auf schwarzer Seide
Ach !
Der silberne Mond.


Evelyn antwortete am 17.01.01 (17:53):

verschrieben : nix silber aber silver moon - dumm,will man mal orginell sein,passiert einem sowas.


Wolfgang antwortete am 17.01.01 (18:27):

Ein Verehrer jagt den anderen. *g* - Hier ein Gedicht für Heidi, die massgeblich daran beteiligt ist, dass dieses schöne Forum lebt:

Der Kreisel (von Maria Holschuh)

Das Schicksal seine Peitsche schwingt,
Den Kreisel flugs zum Tanzen zwingt.
Hübsch bunt ist er ja anzusehn,
Doch will er sich nicht weiterdrehn
Und taumelt eines Tages matt,
Ein Hieb ihn gleich getroffen hat.
Erneut springt er in seine Bahn,
Fängt fleißig sich zu drehen an.


Heidi :-)) antwortete am 17.01.01 (22:50):

:-)) werde ja ganz verlegen.. hier ein Gedicht für Dich Wolfgang:


Doktrin

Schlage die Trommel und fürchte dich nicht,
Und küsse die Marketenderin!
Das ist die ganze Wissenschaft,
Das ist der Bücher tiefster Sinn.

Trommle die Leute aus dem Schlaf,
Trommle Reveille mit Jugendkraft,
Marschiere trommelnd immer voran,
Das ist die ganze Wissenschaft.

Das ist die Hegelsche Philosophie,
das ist der Bücher tiefster Sinn!
Ich hab sie begriffen, weil ich gescheit,
Und weil ich ein guter Tambour bin.

Heinrich Heine


Sieghard antwortete am 18.01.01 (08:52):

Gebet in die "Morgenröte"

Ach, so gebt doch Wahnsinn,
ihr Himmlischen,
Wahnsinn, dass ich endlich
an mich selber glaube!
Gebt Delirien und Zuckungen,
plötzliche Lichter und Finsternisse,
schreckt mich mit Frost und Glut,
wie sie kein Sterblicher noch empfand,
mit Getöse und umgebenden Gestalten,
lasst mich heulen und winseln
und wie ein Tier kriechen:
nur dass ich bei mir selber Glauben finde!

-----------------------

Singe mir ein neues Lied:
die Welt ist verklärt,
und alle Himmel freuen sich.

[Friedrich Nietzsche 1844-1900]
.


Herbertkarl Hüther antwortete am 18.01.01 (14:03):


ist

was ist das ist
wird sein
wird bleiben
kommt immer wieder vor
hat biss
erledigt sich nie
faengt stets neu an

straeubt sich
zieht dich an
stoesst dich zurueck

reines sein
reines werden
bedingungslose existenz
fern der gestaden der heimat
und des bekannten

bruch der realitaeten

hkh


Eva antwortete am 18.01.01 (16:29):

Im Winter

Der Acker leuchtet weiss und kalt.
Der Himmel ist einsam und ungeheuer.
Dohlen kreisen über dem Weiher
Und Jäger steigen nieder vom Wald.

Ein Schweigen in schwarzen Wipfeln wohnt.
Ein Feuerschein huscht aus den Hütten.
Bisweilen schellt sehr fern ein Schliten
Und langsam steigt der graue Mond.

Ein Wild verblutet sanft am Rain
Und Raben plätschern in blutigen Gossen.
Das Rohr bebt gelb und aufgeschossen.
Frost, Rauch, ein Schritt im leeren Hain.

Georg TRAKL


Heidi antwortete am 18.01.01 (17:25):

" ist " Ein sehr schönes "Gedankenspiel" hkh! :-) Man kann die unterschiedlichsten Inhalte dahinter setzen.

1.Übung


ist scheint

was ist das scheint
ist ist
ist nicht

will immer wieder sein
ist anders
ist auf der Flucht
ist da

wird gesehen
wird nicht gesehen
sucht findet fragt
vielleicht

sicht ändert farben
ändert sein
ein chamäleon
ist ist

illousion ist realität

hl


Herbertkarl Hüther antwortete am 18.01.01 (20:59):


h@@@y heidi, h@@@y all,

____du assozierst frisch und bedeutungsvoll-
____das duerfte der laengst in die "ewigen jagdgruende" eingegangene s. freud nicht in die haende bekommen; koennte anhanddessen dein ganzes leben durchschauen- [[[o:

____experiment 1: mal etwas nietzsche (leider "frauenhasser") "dazuruehren"; was das wohl bewirkt-???-


Idyllen aus Messina.

Die kleine Hexe.

So lang noch hübsch mein Leibchen,
Lohnt sichs schon, fromm zu sein.
Man weiss, Gott liebt die Weibchen,
Die hübschen obendrein.
Er wird's dem art'gen Mönchlein
Gewisslich gern verzeihn,
Dass er, gleich manchem Mönchlein,
So gern will bei mir sein.

Kein grauer Kirchenvater!
Nein, jung noch und oft roth,
Oft gleich dem grausten Kater
Voll Eifersucht und Noth!
Ich liebe nicht die Greise,
Er liebt die Alten nicht:
Wie wunderlich und weise
Hat Gott dies eingericht!

Die Kirche weiss zu leben,
Sie prüft Herz und Gesicht.
Stäts will sie mir vergeben: -
Ja wer vergiebt mir nicht!
Man lispelt mit dem Mündchen,
Man knixt und geht hinaus
Und mit dem neuen Sündchen
Löscht man das alte aus.

Gelobt sei Gott auf Erden,
Der hübsche Mädchen liebt
Und derlei Herzbeschwerden
Sich selber gern vergiebt!
So lang noch hübsch mein Leibchen,
Lohnt sich's schon, fromm zu sein:
Als altes Wackelweibchen
Mag mich der Teufel frein!

Friedrich Wilhelm Nietzsche


Heidi antwortete am 18.01.01 (21:10):

*lach* der gute alte Freud hat auch nur aufgrund seines eigenen "sehens" analysiert. -- zu Nietzsche etwas später!


Herbertkarl Hüther antwortete am 18.01.01 (21:40):


h@@@y heidi, h@@@y all,

____du assozierst frisch und bedeutungsvoll-
____das duerfte der laengst in die "ewigen jagdgruende" eingegangene s. freud nicht in die haende bekommen; koennte anhanddessen dein ganzes leben durchschauen- [[[o:

____experiment 1: mal etwas nietzsche (leider "frauenhasser") "dazuruehren"; was das wohl bewirkt-???-


Idyllen aus Messina.

Die kleine Hexe.

So lang noch hübsch mein Leibchen,
Lohnt sichs schon, fromm zu sein.
Man weiss, Gott liebt die Weibchen,
Die hübschen obendrein.
Er wird's dem art'gen Mönchlein
Gewisslich gern verzeihn,
Dass er, gleich manchem Mönchlein,
So gern will bei mir sein.

Kein grauer Kirchenvater!
Nein, jung noch und oft roth,
Oft gleich dem grausten Kater
Voll Eifersucht und Noth!
Ich liebe nicht die Greise,
Er liebt die Alten nicht:
Wie wunderlich und weise
Hat Gott dies eingericht!

Die Kirche weiss zu leben,
Sie prüft Herz und Gesicht.
Stäts will sie mir vergeben: -
Ja wer vergiebt mir nicht!
Man lispelt mit dem Mündchen,
Man knixt und geht hinaus
Und mit dem neuen Sündchen
Löscht man das alte aus.

Gelobt sei Gott auf Erden,
Der hübsche Mädchen liebt
Und derlei Herzbeschwerden
Sich selber gern vergiebt!
So lang noch hübsch mein Leibchen,
Lohnt sich's schon, fromm zu sein:
Als altes Wackelweibchen
Mag mich der Teufel frein!

Friedrich Wilhelm Nietzsche


Sieghard antwortete am 18.01.01 (22:30):

//aufgelesen//|\\angefügt\\

// ist // was ist das ist // hat biss // erledigt sich nie //
// f�ngt stets neu an // zieht dich an // wird bleiben //
\\ das w�chst \\ breitet sich aus \\ wunderbar \\ ohne
zu fragen\\ sonder warumbe \\ aus sich selbst \\
.


Heidi antwortete am 18.01.01 (22:42):

:-))))

hexenreim

bin weder marie noch marionett'
den nietzsche find ich nicht sehr nett
die art'gen mönchlein doch hingegen
die mögen sich in acht nur nehmen
vor hexen und poetinnen fein
könnt* zauber liegen in ihrem reim
dem mönchlein brav rauben sie im nu
die hart erkämpfte seelenruh

hl


Sieghard antwortete am 18.01.01 (23:05):

illusion ist illusion
realität realität
wenn illusion realität
dann wahnsinn unsinn
und unsinn wahnsinn
wahrer wahnsinn
unwahrer unsinn

---------------------------

der mönch liegt auf der hexe
sie machen ganz schön sexe
der nietzsche, der war nicht dabei
einerlei, ich bin so frei, verzeih!
.


:-)))) Heidi antwortete am 18.01.01 (23:11):

Kinderreim

1, 2, 3, 4, 5, sex? sieben
wo ist denn die hex geblieben
liegt am boden lacht sich tot
jetzt ist der mönch in grosser not

hl


Heidi antwortete am 19.01.01 (01:18):

zur Nacht:

Auch ein Lied an den lieben Mond (Im April 1778)

Ei! schönen guten Abend dort am Himmel!
Man freuet sich, ihn noch fein wohl zu sehn.
Willkommen mir, vor allem Sterngewimmel!
Vor allem Sterngewimmel lieb und schön!

Was lächelst du so bittlich her, mein Teurer?
Willst du vielleicht so was von Sing und Sang?
Ganz recht! Wofür auch wär ich sonst der Leirer,
Des Saitenspiel bisher - so so! - noch klang?

Es wäre ja nicht halb mir zu verzeihen,
Das muß ich selbst treuherzig eingestehen,
Daß alle Dichter Dir ein Scherflein weihen,
Wollt ich allein Dich stumm vorüber gen.

Auch bist du's wert, mein sanfter, holder, lieber �
Ich weiß nicht recht, wie ich Dich nennen soll?
Mann oder Weib? � schon lange war ich über
und über Deines warmen Lobes voll.

So wissens dann die Jungen und die Alten,
Was immerdar auch meine Wenigkeit
vom schönen lieben Monde hat gehalten,
Und halten wird in Ewigkeit!

Die Sonn' ist zwar die Königin auf Erden.
Das sei hiermit höchst feierlich erklärt!
Ich wäre ja, von ihr beglänzt zu werden,
Verneint ich dies, nicht eine Stunde wert.

Wer aber kann, wann sie im Strahlenwagen
Einher an blauer Himmelsstraße zieht,
Die Glorie in seinem Aug' ertragen,
Die ihre königliche Stirn umglüht?

Du lieber Mond, bist schwächer zwar und kleiner,
Ein Kleid, nur recht und schlecht, bekleidet dich;
Allein du bist so mehr wie unsereiner,
Und dieses ist gerade recht für mich.

Gottfried August Bürger


Heidi antwortete am 19.01.01 (08:45):

Nachstehendes wurde 1948/49 geschrieben, es befaßt sich scheinbar ausschließlich mit der Sorge um die Sprache, doch die Sprache ist das, was den Menschen zum Menschen macht. Wer das "Weltall der Worte" zerstört, zerstört am Ende das Leben der Menschen. (aus "Gedichte fürs Gedächtnis" ausgewählt u. kommentiert v. Ulla Hahn, DVA)

Völker der Erde

Völker der Erde
ihr, die ihr euch mit der Kraft der unbekannten
Gestirne umwickelt wie Garnrollen,
die ihr näht und wieder auftrennt das Genähte,
die ihr in die Sprachverwirrung steigt
wie in Bienenkörbe,
um im Süßen zu stechen
und gestochen zu werden -

Völker der Erde,
zerstört nicht das Weltall der Worte,
zerschneidet nicht mit den Messern des Hasses
den Laut, der mit dem Atem zugleich geboren wurde.

Völker der Erde,
O daß nicht Einer Tod meine, wenn er Leben sagt -
und nicht Einer Blut, wenn er Wiege spricht -

Völker der Erde,
lasset die Worte an ihrer Quelle,
denn sie sind es, die die Horizonte
in die wahren Himmel rücken können
und mit ihrer abgewandten Seite
wie eine Maske dahinter die Nacht gähnt
die Sterne gebären helfen -

Nelly Sachs

Einen schönen guten Morgen an alle! :-)


Sieghard antwortete am 19.01.01 (09:08):

Ein großer Teich war zugefroren:
Die Fröschlein, in der Tiefe verloren,
Durften nicht ferner quaken noch springen,
Versprachen sich aber, im halben Traum:
Fänden sie nur da oben Raum,
Wie Nachtigallen wollten sie singen.
Der Tauwind kam, das Eis zerschmolz,
Nun ruderten sie und landeten stolz
Und saßen am Ufer weit und breit
Und quakten wie vor alter Zeit.

[Johann Wolfgang Goethe 1749 - 1832]
.


Herbertkarl Hüther antwortete am 19.01.01 (11:02):


(((:

Endymions Traum


Wo blieb auch, hätte nicht ein Maler und Poet
Das Recht, ins Schönere zu malen,
Die Zauberey des schönen Idealen?
Das Übermenschliche, wovon die Werke strahlen,
Vor denen still entzückt der ernste Kenner steht?
Die Grazien, wozu die rohe Majestät
Und Einfalt der Natur das Urbild nie gegeben?
Die Galatheen, die Danaen und Heben. u.s.w.

Ihn hört die Königin der Nacht,
Wie er versenkt in seinem Grame lieget,
Und seinen Sternen flucht; - Sie, die allein noch wacht,
Indem der Schlummergott den halben Erdkreis wieget;
Sie, welche launenvoll, in tausendfacher Tracht,
Die Schlafenden beschleicht, und mit Gesichten trüget,
So wie ihr leichter Zauberstab
Um ihre Nasen tanzt, - ihn hört die Fee Mab.

Wer kennet nicht den unnachahmbarn Britten,
Der in die Geisterwelt, das unbekannte Land,
Auf seinem Steckenpferd so tief hinein geritten,
Und dieses Landes Sprach' und Sitten
So gut gesprochen und gekannt,
Als hätt' ihn Oberon zu uns herabgesandt?
Wenn seine Zeugschaft gilt, so trat der Dame Mab
Der alte Morpheus längst das Reich der Träume ab.

So wie die Schwärmerin auf ihrem kleinen Wagen
Dem Krämer über'n Hals, durch's Hirn dem Pächter rollt,
Dem fetten Domherrn über'n Magen,
Träumt jener stracks von einem Rathsherrnkragen,
Der Domherr einen Schmaus, der Zöllner lauter Gold;
Durch sie empfängt der Hauptmann seinen Sold,
Der Höfling Pension, der Oheim Toby Risse
Von Festungen, und Schwester Klärchen ... Küsse.

Mitleidig läßt die Fee Mab
(Kaum halb so groß, als wie die Teufelchen von Glase,
Wovon Cartesius uns die Erfindung gab)
Zu unserm Mann, der, wie gesagt, im Grase
An einer Linde lag, sich durch die Nacht herab,
Und plötzlich schläft er ein, indem durch seine Nase
Den nächsten Weg, der ins Gehirne führt,
Die kleine Mab mit Sechsen gallopirt.

Auf einmal wird's in seiner Zirbeldrüse
So hell, wie in dem Paradiese,
Womit der Mann, dem einst der volle Mond
Durch seinen Ermel kroch, die Gläubigen belohnt.
Ein goldnerer Pallast, als jemals Zwerg und Riese
In einem Ritterbuch bewohnt,
Steht vor ihm da, und aus der Pforte winket
Ihm eine Schöne zu, die wie ... ein Rabe blinket.

Schön? ... nämlich schön, wie sich's ein Neger wünschen mag.
Schwarz, wie die Nacht, kurz, wie ein Wintertag,
Die Nase platt, die Augen von Crystallen,
Der Mund ein Kanapee, wo Amor räumlich lag:
Gepolstert, weich, und röther als Korallen,
Statt Locken, die herab bis an die Hüften wallen,
Ein wollicht Haar, von selbst gekräus't,
Und Zähne, wie man sie gern hat und gerne weis't.

Christoph Martin Wieland


Sieghard antwortete am 19.01.01 (11:24):

Du holde Kunst, in wieviel grauen Stunden,
wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt,
Hast du mein Herz zu warmer Lieb' entzunden,
Hast mich in eine bessre Welt entrückt!

Oft hat ein Seufzer, deiner Harf' entflossen,
Ein süßer, heiliger Akkord von dir
Den Himmel bess'rer Zeiten mir erschlossen,
Du holde Kunst, ich danke dir dafür!


[Text: Franz Schober;
vertont von Franz Schubert
op. 88 Nr. 4]
.


Heidi antwortete am 19.01.01 (11:37):

:-)) Ringelnatz - ganz leicht verändert

Weisst Du?

Wenn ein Neunauge mit einem Tausendfuß
Kinder zeugt, wie mögen die gehen?
Wie mögen die sehen?
Ich weiß es nicht. Weißt du's?

Weißt du wohl, daß eines Flugzeugs Schatten,
Wenn er über Häuser, Bäume, Matten,
Menschen, Tiere, Wasser geht,
Nichts und niemand widersteht?

Jeder weiß, warum in schönen zweigen
Schöne Spinne schöne Netze webt.
Aber weißt du, was mein Schweigen
Sinnt und nacherlebt und vorerlebt?

Ringelnatz


Herbertkarl Hüther antwortete am 19.01.01 (17:24):


Das traurige Röslein

Ein Röslein war gar nicht munter,
weil es im Topfe stand,
Sah immer traurig hinunter
Auf die Blumen im freien Land.
Die Blumen nicken und winken:
�Wie ist es im Freien so schön,
Zu tanzen und Tau zu trinken
Bei lustigem Windeswehn.
Von bunten Schmetterlingen
Umgaukelt, geschmeichelt, geküßt;
Dazwischen der Vöglein Singen
Anmutig zu hören ist.
Wir preisen dich und loben
Dich, fröhliche Sommerzeit;
Ach, Röslein am Fenster droben,
Du tust uns auch gar zu leid.�
Da ist ins Land gekommen
Der Winter mit seiner Not.
In Schnee und Frost verklommen,
Die Blumen sind alle tot.
Ein Mägdlein hört es stürmen,
Macht fest das Fenster zu.
Jetzt will ich dich pflegen und schirmen,
Du liebes Röslein du.

Wilhelm Busch


Sieghard antwortete am 19.01.01 (21:57):

Sah ein Knab' ein Röslein stehn,
Röslein auf der Heiden,
war so jung und morgenschön,
lief er schnell, es nah zu sehn,
sah's mit vielen Freuden,
Röslein, Röslein, Röslein rot,
Röslein auf der Heiden.

Knabe sprach: Ich breche dich,
Röslein auf der Heiden!
Röslein sprach: Ich steche dich,
dass du ewig denkst an mich,
und ich will's nicht leiden.
Röslein, Röslein, Röslein rot,
Röslein auf der Heiden.

Und der wilde Knabe brach's
Röslein auf der Heiden;
Röslein wehrte sich und stach,
half ihm doch kein Weh und Ach,
musst es eben leiden.
Röslein, Röslein, Röslein rot,
Röslein auf der Heiden.

[Johann Wolfgang G�the 1749-1832]
.


Heidi :-)) antwortete am 19.01.01 (22:37):

2.Übung

Rosendornröslein

Rose ist eine Blüte
Rose ist Rose
ist Dorn

grüne Rosenblätter
gelbe braune
fliegen fort im Wind
Stamm wurzelt tief

rote Rosenliebe
weisser Rosentod
Blütenblätter zählen
wieviele

schwarze Rose
wird rot
in der Sonne
blüht und duftet

Rosen haben Dornen!

hl


Heidi antwortete am 20.01.01 (00:11):

Es kommt der Abend

Es kommt der Abend und ich tauche in die Sterne
Dass ich den Weg zur Heimat im Gemüte nicht verlerne
Umflorte sich auch längst mein armes Land.

Es ruhen unsere Herzen liebverwandt,
Gepaart in einer Schale:
Weisse Mandelkerne

.....Ich weiss, du hältst wie früher meine Hand
Verwunschen in der Ewigkeit der Ferne.....
Ach meine Seele rauschte, als dein Mund es mir gestand.

Else Lasker-Schüler


Sylvia antwortete am 20.01.01 (11:44):

Ich mag Dein "Rosendornröslein", Heidi!
Ich erlaube mir, nocheinmal auf die Rose zurückzukommen.

Tautropfen
auf der Rosenknospe
rühren jedes Herz

Ist sie dann Rose
eben aufgeblüht
berauscht ein jeder sich
an ihrer Schönheit
ihrem Duft

Doch ist sie aufgeblättert
geht ein jeder
scheu vorüber
und sucht
in andern Gärten
neue Knospen

svr


eva antwortete am 20.01.01 (11:44):

Zum Gedicht: "Völker der Erde" von Nelly SACHS, aus Sorge
um den Sprachverlust geschrieben, möchte ich auf den Aufsatz von Karl KRAUS :"Warum die Fackel nicht erscheint"
von Jänner/Feber 1934 verweisen, und auf das Gedicht von
Josef WEINHEBER: "Als ich noch lebte" (Jambus scenicus;
Hier ist das Wort, 1944), aus dem ich kurz zitierte :

...Von gottgeweihtem Port ist mir erlaubt
zureden, und es bleibt die Sprache nun
mein ein- und alles. Wie die Toten ja
erst rein die Sprache haben und in ihr
verherrlicht sind. Ich sehne mich nicht mehr
nach andrem. Hier ist Dauer. Hier erst bin
ich sicher mein. Kein klobiger Pirat
verrückt mir mehr den Satz von seinem Ort,
Blut ward Rubin und Träne Diamant , ...


Heidi antwortete am 20.01.01 (23:33):

3. Übung (und letzte (-:)

lCH LEBE

Lebens Sicht
ich bin ich
nicht du

Leben ist Liebe
manchmal
Leben ist wachsen
Sein

Leben lebt
vegetiert
fragt nach dem Sinn
woher wohin

mein Ich ist nicht deines
du prägst
ich lasse mich prägen
ich bin ich

Tod beginnt mit Geburt
dazwischen liegt das Leben

hl


:-) Heidi antwortete am 20.01.01 (23:42):

Zur Erholung zwei Liebesgedichte

...
Sterne steigen dort
Stimmen an den sang.
Sterne sinken dort
Mit dem wechselsang:

Dass du schön bist
Regt den weltenlauf
Wenn du mein bist
Zwing ich ihren lauf

Dass du schön bist
Bannt mich bis zum tod.
Das du herr bist
Führt in not und tod.

Dass ich schön bin
Also deucht es mir.
Dass ich dein bin
Also schwör ich dir

***

Im windes-wehen
War meine frage
Nur träumerei.
Nur lächeln war
Was du gegeben
Aus nasser nacht
Ein glanz entfacht -
Nun drängt der mai
Nun muss ich gar
Um dein aug und haar
Alle tage
In sehnen leben.

Stefan George


Sylvia antwortete am 21.01.01 (00:28):

Liebe als Erholung??..Na ja. Wovon denn?

Hundertfach
dein Name
und immer wieder
du
du
schluchzend
wimmernd
atemlos

Vergebliches Rufen
Der Wind weht
von vorn

svr


Herbertkarl Hüther antwortete am 21.01.01 (11:32):


An den �ther

Allewiger und unbegrenzter �ther!
Durchs Engste, wie durchs Weiteste Ergoßner!
Von keinem Ring des Daseins Ausgeschloßner!
Von jedem Hauch des Lebens still Durchwehter!
Des Unerforschten einziger Vertreter!
Sein erster und sein würdigster Entsproßner!
Von ihm allein in tiefster Ruh' Umfloßner!
Dir gegenüber werd auch ich ein Beter!

Mein schweifend Auge, das dich gern umspannte,
Schließt sich vor dir in Ehrfurcht, eh' es scheitert,
Denn nichts ermißt der Blick als seine Schranken.

So auch mein Geist vor Gott, denn er erkannte,
Daß er, umfaßt, sich nie so sehr erweitert,
Den Allumfasser wieder zu umranken.

Christian Friedrich Hebbel

18.03.1813 - 13.12.1863


Sieghard antwortete am 21.01.01 (17:14):

Du bist wie eine Blume
So hold und schön und rein;
Ich schau dich an, und Wehmut
Schleicht mir ins Herz hinein.
Mir ist, als ob ich die Hände
Aufs Haupt dir legen sollt',
Betend, dass Gott dich erhalte
So rein und schön und hold.

[Text: Heinrich Heine, vertont
von Robert Schumann op.25]
.


Sieghard antwortete am 21.01.01 (17:19):

nochmal, oben hat sich unerklärlicherweise
eine falsche Zeile dazwischengesetzt!


Du bist wie eine Blume
So hold und schön und rein;
Ich schau dich an, und Wehmut
Schleicht mir ins Herz hinein.
Mir ist, als ob ich die Hände
Aufs Haupt dir legen sollt',
Betend, dass Gott dich erhalte
So rein und schön und hold.

[Text: Heinrich Heine, vertont
von Robert Schumann op.25]
.


Heidi antwortete am 21.01.01 (17:49):

Der Blick

Schaust du mich aus deinen Augen
Lächelnd wie aus Himmeln an,
Fühl ich wohl, daß keine Lippe
Solche Sprache führen kann.

Könnte sies auch wörtlich sagen,
Was dem Herzen tief entquillt,
Still den Augen aufgetragen,
Wird es süßer nur erfüllt.

Und ich seh des Himmels Quelle,
Die mir lang verschlossen war,
Wie sie bricht in reinster Helle
Aus dem reinsten Augenpaar.

Und ich öffne still im Herzen
Alles, alles diesem Blick,
Und den Abgrund meiner Schmerzen
Füllt er strömend aus mit Glück!

Joseph von Eichendorf


Heidi antwortete am 21.01.01 (17:58):

auch von Heine :-)

Wenn ich auf dem Lager liege,
In Nacht und Kissen gehüllt,
So schwebt mir vor ein süßes,
Anmutig liebes Bild

Wenn mir der stille Schlummer
Geschlossen die Augen kaum,
So schleicht das Bild sich leise
Hinein in meinen Traum.

Doch mit dem Traum des Morgens
Zerrinnt es nimmermehr;
Dann trag ich es im Herzen
Den ganzen Tag umher.


Rena antwortete am 21.01.01 (18:35):

Los, Sonne!
Komm!
Schmusen,
sagte die Wolke.
Und dann werden sich
die Regentropfen
in Dampf auflösen
Und beide-
Sonne und Wolke
werden sich
endlich
fühlen
dürfen....


Herbertkarl Hüther antwortete am 21.01.01 (19:05):



Ohne Titel

Ich steh auf des Berges Spitze,
Und werde sentimental.
�Wenn ich ein Vöglein wäre!�
Seufz ich viel tausendmal.

Wenn ich eine Schwalbe wäre,
So flög ich zu dir, mein Kind,
Und baute mir mein Nestchen,
Wo deine Fenster sind.

Wenn ich eine Nachtigall wäre,
So flög ich zu dir mein Kind,
Und sänge dir Nachts meine Lieder
Herab von der grünen Lind.

Wenn ich ein Gimpel wäre,
So flög ich gleich an dein Herz;
Du bist ja hold den Gimpeln,
Und heilest Gimpelschmerz.

Heinrich Heine


Gerlinde antwortete am 21.01.01 (21:33):

Es ist Nacht


Es ist Nacht,
und mein Herz kommt zu Dir,
hält`s nicht aus,
hält`s nicht mehr aus bei mir.

Legt sich Dir auf die Brust,
wie ein Stein,
sinkt hinein,
zu dem Deinen hinein.

Dort erst,
dort erst kommt es zur Ruh,
liegt am Grund
seines ewigen Du.




Ch.Morgenstern


Sylvia antwortete am 21.01.01 (21:42):

Auf der Suche
nach einem
verlorenen Vertrauen
bin ich eingetaucht
in deine Liebe

Ich bin nicht
auf Grund
gegangen

Sie trägt

svr


Sieghard antwortete am 21.01.01 (22:19):

Meine Liebe ist grün wie der Fliederbusch,
Und mein Lieb ist schön wie die Sonne;
Die glänzt wohl herab auf den Fliederbusch
Und füllt ihn mit Duft und mit Wonne.

Meine Seele hat Schwingen der Nachtigall
Und wiegt sich in blühendem Flieder
Und jauchzet und singet vom Duft berauscht
Viel liebestrunkene Lieder.

[Text Felix Schumann, vertont
von Johannes Brahm op. 63 Nr. 5]
.


Heidi antwortete am 21.01.01 (23:07):

farben der liebe

meine liebe ist rot
wie die glut im kamin
nicht angefacht wird sie zu asche

meine liebe ist blau
wie der himmel über uns
manchmal ist er grau bewölkt

meine liebe ist grün
wie ein frühlingsblatt
kälte und frost kann es zerstören

meine liebe ist schwarz
wie die heutige nacht
vielleicht scheint die sonne morgen?

hl


Heidi antwortete am 22.01.01 (00:13):

für m.l.B. zur Genesung :-))



Nachtgruß

Er:
O deinem Atemzuge
Horche ich feiernd leis,
Er hebet mich im Fluge
Über den Erdenkreis.

Sie:
Dein Atem sanft im Schlafe
Tönt in die Saiten ein,
Du sprichst aus mir im Schlafe
Worte, sie sind nicht mein.
O lieblich waches Schlafen
Einzige einige Ruh
In der Gedanken Hafen
Singe, ich höre zu.

Er:
Der Alp, der mich gedrücket
Fliehet vor deinem Klang,
Sein Roß mich fern anblicket,
Hörst du den Hufschlag bang;
Du hörst mein Herz nun schlagen,
Bebt nicht die Erd entzückt,
Sie soll dem Himmel sagen
Wie sie so hoch beglückt.

Sie:
Du hauchest kühles Feuer
Nieder in meine Ruh,
Viel tönt mein Busen freier,
Schlafe und träume du.
Ich schweb in deinen Träumen
Schon in dem Morgenrot,
Und säusle in den Bäumen
Mitten im Feuertod.

Er:
Ja wie ein wilder Leue
Nächtlich im Walde brüllt,
Bewachet er die Treue,
Die ihm den Schmerz gestillt:
So ruf ich an die Erde,
Die mir mein Haus verschlang,
Daß sie am heil'gen Herde
Uns dann zugleich umfang.

Sie:
Nein, stürz mich in den Becher,
Glühend noch raucht der Berg,
Und trink, du schöner Zecher,
Alles, was ich verberg.

Er:
Ach all, was birgt dein Auge,
Alles, was birgt dein herz;
Ich würde Himmel saugen
Mitten im schönsten Schmerz.

Beide:
Nein dieser Stunde Feuer,
Nimmer o nimmer vergeht,
Nein dieser Töne Feier
Nimmer o nimmer verweht.
Wir leben ohn Besinnen,
Sind wir wohl außer uns?
Die Tropfen Tau schon rinnen,
Auf uns und über uns.
Wir ruhen auf Silbersaiten
Regend die Melodien;
Tanzend die Elfen schreiten
Übers erwachende Grün.

Achim von Arnim


Siegmar antwortete am 22.01.01 (01:31):

hallo heidi, berüht hatte mich sehr die " Farben der Liebe "du kennst mich ja, ich bin sehr emotional.es freut mich sehr, daß wir uns wieder gefunden haben! freundschaften bedeutet nicht, sich aus den augen zu verlieren, sondern jeder weiß, da ist noch jemand.

" Mit jemand leben oder in jemand leben ist ein großer Unterschied. Es gibt Menschen, in denen man leben kann, ohne mit ihnen zu leben, und umgekehrt. Beides zu verbinden ist nur in Liebe oder Freundschaft möglich."

aus dem Briefwechsel von Goethe mit seiner zweiten Frau Christiane Vulpius, nach dem dem 19.10.1806


Siegmar antwortete am 22.01.01 (05:15):

nochmals an heidi,

Wir beide, meine Feundin, wohlen im Frühjahr eine noch fröhlichere Zeit verbringen als gegenwärtig.
Dostojewski


Sieghard antwortete am 22.01.01 (10:24):

Tantra-Wochenende im Schwarzwald
Alfred Eckerle *1953

Den 20. Jänner ging Lenz durchs
Gebirg... Die Stimmen innen klan-
gen fröhlich, aufgeräumt. Das allein
schwächte mich augenblicklich...
Wie veränderten sich die Gesichter,
als ich den Versammelten sagte,
wie grotesk, aufgesetzt, verlogen
und maschinenhaft ich die Veranstal-
tung fand. Einige staunten mit reglo-
sem Gesicht, andere verengten die
Augen zu Hass, wieder andere straf-
ten mich mit einem Blick der Verach-
tung. Es war Zeit, mich als Zwischen-
fall schnellstens selbst zu entsorgen,
dass es eine Art hatte.
.


Herbertkarl Hüther antwortete am 22.01.01 (11:12):


Die Liebenden


Trennen wollten wir uns? wähnten es gut und klug?
Da wirs taten, warum schröckte, wie Mord, die Tat?
Ach! wir kennen uns wenig,
Denn es waltet ein Gott in uns.


Den verraten? ach ihn, welcher uns alles ernst,
Sinn und Leben erschuf, ihn, den beseelenden
Schutzgott unserer Liebe,
Dies, dies Eine vermag ich nicht.


Aber anderen Fehl denket der Menschen Sinn,
Andern ehernen Dienst übt er und anders Recht,
Und es fordert die Seele
Tag für Tag der Gebrauch uns ab.


Wohl! ich wußte es zuvor. Seit der gewurzelte
Allentzweiende Haß Götter und Menschen trennt,
Muß, mit Blut sie zu sühnen,
Muß der Liebenden Herz vergehn.


Laß mich schweigen! oh laß nimmer von nun an mich
Dieses Tödliche sehn, daß ich im Frieden doch
Hin ins Einsame ziehe,
Und noch unser der Abschied sei!


Reich die Schale mir selbst, daß ich des rettenden
Heiligen Giftes genug, daß ich des Lethetranks
Mit dir trinke, daß alles,
Haß und Liebe, vergessen sei!


Hingehn will ich. Vielleicht seh ich in langer Zeit
Diotima! dich hier. Aber verblutet ist
Dann das Wünschen und friedlich
Gleich den Seligen, fremd sind wir,


Und ein ruhig Gespräch führet uns auf und ab,
Sinnend, zögernd, doch itzt faßt die Vergessenen
Hier die Stelle des Abschieds,
Es erwarmet ein Herz in uns,


Staunend seh ich dich an, Stimmen und süßen Sang,
Wie aus voriger Zeit hör ich und Saitenspiel,
Und befreiet in Lüfte
Fliegt in Flammen der Geist uns auf.


Friedrich Hölderlin (1770-1843)


Heidi antwortete am 22.01.01 (12:11):

Für meinen "alten" Freund Siegmar :-)

Perstet amicitiae
Semper venerabile foedus!

Der Mensch hat nichts so eigen,
So wohl steht ihm nichts an,
Als daß er Treu erzeigen
Und Freundschaft halten kann;
Wann er mit seinesgleichen
Soll treten in ein Band,
Verspricht sich, nicht zu weichen
Mit Herzen, Mund und Hand.

Die Red ist uns gegeben,
Damit wir nicht allein
Für uns nur sollen leben
Und fern von Leuten sein.
Wir sollen uns befragen
Und sehn auf guten Rat,
Das Leid einander klagen,
So uns betreten hat.

Was kann die Freude machen,
Die Einsamkeit verhehlt?
Das gibt ein doppelt Lachen,
Was Freunden wird erzählt.
Der kann sein Leid vergessen,
Der es von Herzen sagt;
Der muß sich selbst auffressen,
Der in geheim sich nagt.

......
Simon Dach


Heidi antwortete am 22.01.01 (12:42):

von der Freundschaft wieder zurück zur Liebe, meinem Lieblingsthema :-)

Träume

Es sind meine Nächte
durchflochten von Träumen,
die süß sind wie junger Wein.
Ich träume, es fallen die Blüten von Bäumen
und hüllen und decken mich ein.

Und alle diese Blüten,
sie werden zu Küssen,
die heiß sind wie roter Wein
und traurig wie Falter, die wissen: sie müssen
verlöschen im sterbenden Schein.

Es sind meine Nächte
durchflochten von Träumen,
die schwer sind wie müder Sand.
Ich träume, es fallen von sterbenden Bäumen
die Blätter in meine Hand.

Und alle diese Blätter,
sie werden zu Händen,
die zärteln wie rollender Sand
und müd sind wie Falter, die wissen: sie enden
noch eh' sie ein Sonnenstrahl fand.

Es sind meine Nächte
durchflochten von Träumen,
die blau sind wie Sehnsuchtsweh.
Ich träume, es fallen von allen Bäumen
Flocken von klingendem Schnee.

Und all diese Flocken
sie werden zu Tränen.
Ich weinte sie heiß und wirr -
begreif meine Träume, Geliebter, sie sehnen
sich alle nur ewig nach dir.

(Selma Meerbaum-Eisinger)


Sieghard antwortete am 22.01.01 (15:28):

Die Liebe

Wenn ihr Freunde vergesst, wenn ihr die Euern all,
O ihr Dankbaren, sie euere Dichter schmäht,
Gott vergeb es, doch ehret
Nur die Seele der Liebenden.

Denn o saget, wo lebt menschliches Leben sonst,
Da die knechtische jetzt alles, die Sorge, zwingt?
Darum wandelt der Gott auch
Sorglos über dem Haupt uns längst.

Doch, wie immer das Jahr kalt und gesanglos ist
Zur beschiedenen Zeit, aber aus weißem Feld
Grüne Halme doch sprossen,
Oft ein einsamer Vogel singt,

Wenn sich mählich der Wald dehnet, der Strom sich regt,
Schon die mildere Luft leise von Mittag weht
Zur erlesenen Stunde,
So ein Zeichen der schönern Zeit,

Die wir glauben, erwächst einziggenügsam noch,
Einzig edel und fromm über dem ehernen,
Wilden Boden die Liebe,
Gottes Tochter, von ihm allein.

Sei gesegnet, o sei, himmlische Pflanze, mir
Mit Gesange gepflegt, wenn des ätherischen
Nektars Kräfte dich nähren,
Und der schöpfrische Strahl dich reift.

Wachs und werde zum Wald! eine beseeltere,
Vollentblühende Welt! Sprache der Liebenden
Sei die Sprache des Landes,
Ihre Seele der Laut des Volks!

[Friedrich Hölderlin 1770 - 1843]
.


Herbertkarl Hüther antwortete am 22.01.01 (17:04):



Das macht den Menschen glücklich,...

Das macht den Menschen glücklich,
Das macht den Menschen matt,
Wenn er drei sehr schöne Geliebte
Und nur zwei Beine hat.

Der einen lauf ich des Morgens,
Der andern des Abends nach;
Die dritte kommt zu mir des Mittags
Wohl unter mein eigenes Dach.

Lebt wohl, ihr drei Geliebten,
Ich hab zwei Beine nur,
Ich will in ländlicher Stille
Genießen die schöne Natur.


Heinrich Heine


Gerlinde antwortete am 22.01.01 (21:46):

Das Unbeschreibliche

Die inhaltsreichen Jahre trocknen aus.
Die namenlose Liebe dauert an.
Es bleibt, was man nicht mehr beschreiben kann:
die Anmut, wie sie zwischen Frau und Mann
besteht in einem namenlosen Haus,

in dem die Liebe auf und unter ging,
in Wort und Schweigen, plötzlichem Verlust,
von dem man lange insgeheim gewußt
und was verschlossen war in einer Brust,
bis es so leidenschaftlich Feuer fing,

daß heller Brand ausbrach in jenem Haus,
in dem man lange namenlos gelebt
und nun nach Worten sucht, in denen bebt
das Unbeschreibliche, das sich erhebt:-
es löscht als Glück die letzten Worte aus.




Karl Krolow


Heidi antwortete am 22.01.01 (22:14):

Du bist mein Land

du bist mein Land,
ich deine Flut,
die sehnend dich ummeeret;
du bist der Strand,
dazu mein Blut
ohn' Ende wiederkehret.

An dich geschmiegt,
mein Spiegel wiegt
das Licht der tausend Sterne;
und leise rollt
dein Muschelgold
in meine Meeresgrundferne.

Christian Morgenstern

Gute Nacht an alle!


Sylvia antwortete am 22.01.01 (23:13):

Hinter Tränenwolken
leuchten Geheimnis
und Traum
schlägt die Seele
Regenbogen
aus denen
die Farben
tropfen
in den Strom
der Sehnsucht
der sein Meer
noch nicht
gefunden hat

svr


Wolfgang antwortete am 23.01.01 (11:21):

Morgens steh ich auf und frage... (von Heinrich Heine)

Morgens steh ich auf und frage:
Kommt feins Liebchen heut?
Abends sink ich hin und klage:
Aus blieb sie auch heut.

In der Nacht mit meinem Kummer
Lieg ich schlaflos, wach;
Träumend, wie im halben Schlummer,
Wandle ich bei Tag.


Herbertkarl Hüther antwortete am 23.01.01 (11:37):


schlussendlich

gezerre an den ohren
widerhall
vom durchgekauten

diabolisches grinsen
legt sich ueber mich
wie nebel
ueber den feldern

dunst steigt empor
aus den adern
der seele
die diese
reisen noch
machen will

mein treuer begleiter
wischt sich die nase
bereit zu sein

inferno ueberall
doch pegasus
mein gefluegeltes ross
kennt keine gnade

lenkt seine schritte
der hoellenhitze trotzend
schon seh' ich die
chimaeren meiner vergangenheit
flehentlich bestimmt
mit mir mit zu kommen

doch einer groesser als ich
stemmt sich vehement dagegen

keine duldung nur schauen
so wird es ausseh'n
wenn ich einmal scheide

hkh


Sieghard antwortete am 23.01.01 (14:36):

Conrad Ferdinand Meyer (1825-1898)

1. Abendbild (1870)

Zwei Segel, sie wandern
Vorbei unserm Haus,
Folgt eines dem andern
Und plaudern's nicht aus.

Sich lieben, sich meiden,
Sich folgen von fern -
Es blinkt zwischen beiden
Im Wasser ein Stern.

Die Segel empfinden
Zusammen die Luft,
die Seelen verbinden
Sich über die Kluft.

Ich sehe sich breiten
Die dämmernde Bucht -
Sie ziehn und entgleiten
In ruhiger Flucht.

.


eva antwortete am 23.01.01 (15:28):

Unheimliche Begegnung der dritten Art nach
Christian MORGENSTERN:

Der Rock, am Tage angehabt,
er ruht zur Nacht sich schweigend aus;
durch seine hohlen �rmel trabt
die Maus.

Durch seine hohlen �rmel trabt
gespenstisch auf und ab die Maus ...
Der Rock, am Tage angehabt,
er ruht zur Nacht sich aus.

Er ruht, am Tage angehabt,
im Schoß der Nacht sich schweigend aus,
er ruht, von seiner Maus durchtrabt,
sich aus.

Dem ist nichts hinzuzufügen ... ;-)


Heidi antwortete am 23.01.01 (17:14):

Glücklich

Mit meiner Amsel im Herzen!
Alles ist schön:
Wie die Linden im Morgen stehn,
Wie die Menschen gehen.
Mein Herz ist eine Quelle,
Deine liebe Hand spielt darin.

Albin Zollinger


Sylvia antwortete am 23.01.01 (19:48):

Wenn es hell wird
weiss ich
diese Finsternis
war nicht die letzte

So trink ich denn
das Licht
die Wärme
bis ich überfliesse
damit auch
die nächste Nacht
mich nicht ganz
auszulöschen
vermag

svr


Heidi antwortete am 23.01.01 (23:22):

Sehnsucht

Ich denke dein,
Immer denke ich dein.
Menschen sprachen zu mir, doch ich achtet es nicht.
Ich sah in des Abendhimmels tiefes Chinesenblau,
daran der Mond als runde gelbe Laterne hin,
Und sann einem anderen Monde, dem deinen, nach,
Der dir glänzender Schild eines ionischen Helden
vielleicht oder sanfter goldener Diskus eines
erhabenen Werfers wurde.
Im Winkel der Stube saß ich dann ohne Lampenlicht,
tagmüde, verhüllt, ganz dem Dunkel gegeben,
Die Hände lagen im Schoß, Augen fielen mir zu.
doch auf die innere Wand der Lider war klein und
unscharf dein Bild gemalt.
Unter Gestirnen schritt ich an stilleren Gärten, den
Schattenrissen der Kiefern, flacher, verstummter
Häuser, steiler Giebel vorbei
Unter weichem düsteren Mantel, den nur zuweilen
Radknirschen griff, Eulenschrei zerrte,
Und redete schweigend von dir, Geliebter, dem
lautlosen, dem weißen, mandeläugigen Hunde,
den ich geleitete.

Verschlungene, in ewigen Meeren ertrunkene Nächte!
Da meine Hand in den Flaum deiner Brust sich bettete
zum Schlummer,
Da unsere Atemzüge sich mischten zu köstlichem
Wein, den wir in Rosenquarzschale darboten
unserer Herrin, der Liebe,
Da in Gebirgen der Finsternis die Druse uns wuchs
und reifte, Hohlfrucht aus Bergkristallen und
fliedernen Amethysten,
Da die Zärtlichkeit unserer Arme Feuertulpen und
porzellanblaue Hyazinthen aus welligen, weiten,
ins Morgengrauen reichenden Schollen rief,
Da, auf gewundenenm Stengel spielend, die halb-
erschlossene Knospe des Mohns wie Natter
blutrot über uns züngelte,
Des Ostens Balsam- und Zimmetbäume mit
zitterndem Laube um unser Lager sich hoben
Und purpurne Weberfinken unserer Munde Hauch in
schwebende Nester verflochten. -
Wann wieder werden wir in des Geheimnisses Wälder
fliehn, die, undurchdringlich, Hinde und Hirsch
vor dem Verfolger schützen?
Wann wieder wird mein Leib deinen hungrig
bittenden Händen weißes duftendes Brot, wird
meines Mundes gespaltene Frucht deinen
dürstenden Lippen süß sein?
Wann wieder werden wir uns begegnen?
Innige Worte gleich Samen von Würzkraut und
Sommerblumen verstreun
Und beglückter verstummen, um nur die singenden
Quellen unseres Blutes zu hören?
(Fühlst du, Geliebter, mein kleines horchendes Ohr, ruhend an deinem Herzen?)
Wann wieder werden im Nachen wir gleiten unter
zitronfarbnem Segel,
Von silbrig beschäumter, tanzender Woge selig
gewiegt,
Vorüber an Palmen, die grüner turban schmückt wie
den Sproß des Propheten, -
Den Saumriffen ferner Inseln entgegen,
Korallenbänken, an denen du scheitern willst?
Wann wieder, Geliebter ... wann wieder ...?...

Nun sintert mein Weg
Durch �dnis. Dorn ritzt den Fuß.
Bäche, frische, erquickende Wasser, murmeln; aber ich
finde sie nicht.
Datteln schwellen, die ich nicht koste.
Meine verschmachtende Seele
Flüstert ein Wort nur, dies einzige:
"Komm ..."
O komm...

Gertrud Kolmar
------------------------

Nicht unbedingt mein Stil, aber was für eine Poesie!


Iris Berghaus antwortete am 24.01.01 (01:11):

Hallo Heidi, weil Dein Lieblingsthema die Liebe ist, meins natürlich auch, für Dich ein Lied von einer Liedermacherin aus �sterreich. Leider kann ich die wunderschöne Melodie nicht mitliefern, hoffe aber, daß es auch noch andere Liebhaber findet. Lautgetreu nun den Text.


Stefanie Werger

Soiz auf da Haut





Bin viel zu stolz auf mein Stolz,
und meine Krebsmanöver.
Die ewig starke an der Front,
und nur Chaos in mir selber.

Eure Wunden baun auf Festung,
unermüdlich Stein für Stein,
mit Alarmsystem....
nur für mi....ganz alleun.

Und i hör di draussen rufen,
und i loß di draussen stehn,
so als ob i di nit ghört hät
und hoff doch insgeheim....
du wirst net gehn....

Fahr mit Vollgas
durch die Mauer,
reiß mei dickes Fell in Fetzen,
bis meine Wachsoldaten
nackert vor dir knien.
Jag meine Hunde in die Wüste,
bevor si di verletzen......

I will das Soiz auf da Haut....
I will das Soiz auf da Haut wieder spürn.

Mißtrau den alten Worten,
die Emotionen zügeln,
so manches Herz lernt wieder fliegen,
mit zerrissenen Flügeln.

Sag mir wieder, wo die Lust wohnt...
und wie zauberhaft sie schmeckt...
wenn sie das Eis allmählich taut,
und die Sinne...wieder weckt.

Reiß die Angst, di mi so kalt macht,
wie an Unkraut aus meim Hirn.
Schmeiß die Geister an die Wand,
die feig san und verlogen
und nix riskiern.

Fahr mit Vollgas durch die Mauer,
reiß mein dickes Fell in Fetzen,
bis meine Wachsoldaten
nackert vor Dir knien.
Jag meine Hunde in die Wüste,
bevor si di verletzen,

i will das Soiz auf da Haut...
i will das Soiz auf da Haut wieder spürn.






r

Soiz


Gerlinde antwortete am 24.01.01 (09:02):

Unfähig, ehrlich zu sein


Ich habe geweint,
und alle sahen Lachtränen
in meinen Augen,
weil ich nach außen hin lachte.

Ich habe geschwiegen,
und alle dachten,
ich habe nichts zu sagen,
während es in mir schrie.

Ich habe geliebt,
aber du konntest es nicht wissen,
da ich dir Belangloses erzählte,
während in mir die Wellen der Liebe
an den Klippen der Angst zerbrachen.


Eva antwortete am 24.01.01 (10:48):

Goethes herbe Kritik an der zeitgenssischen Literatur :


Sämtliche Künste lernt und treibet der Deutsche, zu jeder
Zeigt er ein schönes Talent, wenn er sie ernstlich
ergreift.
Eine Kunst nur treibt er,und will sie nicht lernen, die
Dichtkunst.
Darum pfuscht er auch so; Freunde, wir haben�s erlebt.

(Venezianische Epigramme)


Herbertkarl Hüther antwortete am 24.01.01 (13:28):




Flämische Ballade im Konjunktiv


Hätte mein Vater die Mary genommen
die rote Sirene
1911 in Steene
alles wäre ganz anders gekommen
Dann wäre ich
der Steuermann Toelle
Mary Slyters
smarter Sohn
aus der Ehe mit Käptn Castelle
doch ohne Castelles
Navigation


Wär meine Mutter die rote Sirene
besäße ich
drei schwarze �ppelkähne
vertrüge die doppelte Menge Genever
hätte sicher einen mennigroten Bart
wie Toelle
und an jeder Anlegestelle
einen flämischen Käfer
Meine Tante wäre dann Frau Moogen
geborene Slyters
in Apeldoorn


Ihr hat Castelle oft den Kaas gewogen
en runden kugligen
hinten und vorn
Hätte mein Vater das auch getan
dann hieße ich Peer
ie der Sohn von der.
und besäße nur einen �ppelkahn

Hätte mein Vater die Mary genommen
die rote Sirene
den Hochseetraum so vieler Kapitäne
alles wäre ganz anders gekommen
Kneipwirt wäre er geworden
im Slyterschen Wacholderkoben
wie Käptn Castelle
er hätte sich auch einen Bruch gehoben
vielleicht sogar
an derselben Stelle
Buddelschiffe tät er bauen
und Dwarslöper suchen
und die Mary verhauen
und flämisch fluchen


Ich hätte ihm einen aufs Kopje gesetzt
zuletzt
wie ToelIe
und säße wie der
in der Zitadelle
und wünschte daß ich wer anders wär
Aber wer?
Ich glotzte verzagt aus dem Loch
ins Gelände
Und wär ich Peer Moogen -
es wäre noch schlimmer
Abgesoffen wär ich längst für immer
vor Ostende


Sieghard antwortete am 24.01.01 (14:39):

Conrad Ferdinand Meyer (1825-1898)

2. Ohne Titel (1875)

Ein doppeltes Leben,
Zwei Segel auf dunkelnder Flut,
Sie ziehen und schweben -
Sie rötet der Abend mit Glut.

Wie eins in den Winden
Sich schwellt und die Schwingen bewegt,
Wird gleiches Empfinden
Im Wandergefährten erregt.
.


Heidi antwortete am 24.01.01 (14:51):

:-)) i will das Soiz auf da Haut... schön!

...
Was ist geschehn dass ich mich kaum noch kenne
Kein andrer bin und mehr doch als ich war?
Wer ich geliebt geehrte tut es nicht minder
Gefährten suchen mich mit schöner scheu
Kein frühres fehlt mir: meiner sommer freuden
Und stolzer traum und weicher lippe kuss..
Ein kühnres wallen pocht in meinem Blute -
Ich war noch arm als ich noch wahrt und wehrte
Seitdem ich ganz mich gab hab ich mich ganz.

Stefan George


Herbertkarl Hüther antwortete am 24.01.01 (17:55):

Nachtrag zum "letzten Gedicht": Fritz Grasshoff. Bilderreiches Haupt- & (G)liederbuch



Gedicht

b
f
bw
fms
bwre
fmsbewe
beweretä
fmsbewetä
p
beweretäzä
fmsbewetäzä
p
beweretäzäu
fmsbeweretäzäu
pege
fmsbewetäzäu
pegiff
Qui - E

Kurt Schwitters


Heidi antwortete am 24.01.01 (18:53):

:-) liest sich wie der Geheimcode eines Nachrichtendienstes, hkh!
.....

Fundstück aus dem www:

Manchmal

Manchmal wundere Ich mich, wie wir leben.
Diese Welt ist so einfach und unbegreiflich,
Turbulent und dynamisch, alt und jung.
So neu, und doch, hat es schon alles gegeben.

Es hat schon immer zum Beispiel gegeben,
Daß Menschen leben. Daß Menschen lieben.
Und Menschen lachen, leiden und atmen.
Und Menschen sterben, verzeihen und weinen.

Alles war schon mal da. Es ist nichts richtig neu.
Immer wieder von Neuem wird dieses Buch,
Du weißt schon, von Mann und Frau,
Von Allen ständig durchlebt und durchleidet.

Alles war schon mal da.
Und es wird noch mal kommen.
Von dem Strudel der Zeit aus gesehen,
Von einander nicht unterscheidbar.

Alles ist gleich, und doch...
Lebe Ich in der Welt... und Du.
Und wir sind nicht nur so, irgend jemand,
Nein, du weißt schon, WIR SIND.

Und wir sind ein Paar. Mann und Frau.
Es ist so, als hätte �s noch nie gegeben,
So kommt es mir vor, daß Zwei,
Ich meine Zwei richtige Menschen, nicht irgend jemand,
Einander liebten.

Diese Erkenntnis machte mich stolz.
So stolz, daß ich es zu schätzen vergaß,
Was es hieß, Dich zu lieben in dieser Welt.
Ich vergaß, daß diese Welt existiert.

Wir sind uns begegnet, und das
Ist allein schon ein Schicksalszeichen,
Denn die Chancen waren nicht groß,
Und trotzdem, ist es geschehen.

Schau Uns an: Wir sind ähnlich und unterschiedlich,
Einander ergänzend und unterstreichend.
Beide schon nicht mehr alltäglich,
Doch zusammen gar einzigartig.

Du, allein Du, bist meine bessere Hälfte,
Und das ist nicht selbstverständlich.
Ohne Dich, bin Ich immer zwar noch,
Doch mit Dir, da bin ich viel mehr!

Gr�gory Engels, im Jahre 1997

(Internet-Tipp: https:// www.rz.uni-frankfurt.de/~gengels/Inhalt.html)


Heidi antwortete am 24.01.01 (19:42):

noch ein "Fundstück"


Christian Morgenstern

Aus stillen Fenstern

Wie oft wirst du gesehn,
aus stillen Fenstern,
von denen du nichts weißt . . .
Durch wieviel Menschengeist
magst du gespenstern,
nur so im Gehn . . .

(Internet-Tipp: https://www.dino-online.de/seiten/go05lv_l.htm)


Wolfgang antwortete am 24.01.01 (23:34):

nach einer winterreise (von harald grill)


meine händ ham hunger
nach deine händ

und i suach eini in dein schlaf
und i schleich mi hi zu dir
barfuaßert
kumm i mittn in da nacht
pfeif auf de scherbn aufm weg

fliagn kann i nimmer
hab überall z vül federn lassn miaßn
und hätts doch am liabstn
allerweil glassn bei dir


Heidi antwortete am 24.01.01 (23:36):


Zwischenzeilen

Ich möchte weder in Altem herumwühlen,
noch Neues heraufbeschwören.
Ich möchte dich auf meinem neuen Weg wiedersehen,
dich wieder neu sehen, dich sehen, wie schön du bist.
Ich möchte neu erfahren, wer du für mich bist,
auf meinem weiten Feld, das ich nun betreten werde,
frei von Barrikaden und Tretminen,
frei sein, für mich sein, allein sein und lieben, was ich begehre.
Ich möchte mich dir vertraut machen und dich mir,
mit dir, in deiner Gegenwart sein, in meiner Gegenwart
nicht gegenwärtig machen, was vergangen ist,
die Gegenwart genießen, ohne an die Zukunft zu denken.
Im Hier und Jetzt und leben, da sein, für mich und für dich,
daß du da bist, für dich und für mich, wenn du willst,
was ich mir wünsche.
Ohne zu verlangen, mein Verlangen nach dir ausleben zu dürfen
und dich zu finden, wenn ich mich sehne.


aus "unsagbares"
(c) 1999 Connor Fairuza Angilotti


Siegmar antwortete am 25.01.01 (02:14):

hallo heidi, ich bin gerade nach hause gekommen, ein bißchen zu viel arbeit, aber jetzt weiß ich ja wo ich mich ein stück mitteilen kann. ich höre gerade von " leonard cohen" dieses wunderbare lied " take this waltz " du erinnerst dich in der der " jahnstr. 38 " unsere wg war die beste.
eines werde ich mir jetzt noch antun (hessisch, gelle )
Jos
nur ein zitat daraus," du kennst es genau so gut wie ich
man glaubt oft, daß man einen kennt nun ja, ich habe Jose gut verstanden obwohl wir nicht gleich zueiander fanden, er taute auf als wir uns besser kannten, dann ging ein riss durch den zement dann war er mir nicht mehr so fremd. wenn wir zu zweit an stillen sommertagen im abendrot am dunklen wasser lagen konnte er mir auf einmal alles sagen. er hatte sich an mich gewöhnt und uns hat nicht mehr viel getrennt


Eva antwortete am 25.01.01 (08:44):

Ein weiterer "Morgenstern" :

Durch manchen Herbst des Leidens
musst du, Herz,
eh dich die letzte goldne Sichel mäht.
Schon späht
ihr blankes Erz
nach deinem dunklen Blut.
Wie bald, so ruht,
verströmend Gold,
es, Abendröten gleich,
in jenem Reich
des Ewigen Abends,
welcher Friede heißt !
O süßer Geist
der Nächte,
sei mir hold !


Heidi antwortete am 25.01.01 (11:51):

DAS HOHELIED
(Im heutigen Deutsch)



Das schönste aller Lieder, von Salomo.
Sei mein König!

1

SIE

Komm doch und küß mich!
Deine Liebe berauscht mich
mehr noch als Wein.
Weithin verströmen
deine kostbaren Salben
herrlichen Duft.
Jedermann kennt dich,
alle Mädchen im Lande
schwärmen für dich!
Komm, laß uns eilen,
nimm mich mit dir nach Hause,
faß meine Hand!
Du bist mein König!
Deine Zärtlichkeit gib mir
Freude und Glück.
Rühmen und preisen
will ich stets deine Liebe,
mehr als den Wein!
Mädchen, die schwärmen,
wenn dein Name genannt wird,
schwärmen zu Recht!


Quelle: siehe internettipp unten

(Internet-Tipp: https://members.aol.com/irenastasch/lied3.htm)


Herbertkarl Hüther antwortete am 25.01.01 (13:34):


Der Frühling; Am ersten Maimorgen


Heute will ich fröhlich, fröhlich sein,
Keine Weis' und keine Sitte hören;
Will mich wälzen und für Freude schrein,
Und der König soll mir das nicht wehren;


Denn er kommt mit seiner Freuden Schar
Heute aus der Morgenröte Hallen,
Einen Blumenkranz um Brust und Haar
Und auf seiner Schulter Nachtigallen;


Und sein Antlitz ist ihm rot und weiß,
Und er träuft von Tau und Duft und Segen -
Ha! Mein Thyrsus1) sei ein Knospenreis,
Und so tauml' ich meinem Freund entgegen.

Mathias Claudius


1)Thyrsus = Bacchantenstab
Bacchant = weinseliger Trinker
Anmerkung vom Editor


Sieghard antwortete am 25.01.01 (15:00):

Conrad Ferdinand Meyer (1825-1898)

3. Zwei Segel (1882)

Zwei Segel erhellend
Die tiefblaue Bucht!
Zwei Segel sich schwellend
Zu ruhiger Flucht!

Wie eins in den Winden
Sich wölbt und bewegt,
Wird auch das Empfinden
des andern erregt.

Begehrt eins zu hasten,
Das andre geht schnell,
Verlangt eins zu rasten,
Ruht auch sein Gesell.
.


Heidi antwortete am 25.01.01 (21:19):

WindStille

ein segel grau wie ein
abgelegtes tuch am mast
ein segel durchlöchert
vom vergangenen sturm

unsinnige hoffnung auf
frischen wind, der
doch nur durch die
löcher pfeift

ein segel grau wie ein
leichentuch
vielleicht taugt es noch
zum ....?

hl


Sylvia antwortete am 25.01.01 (21:54):

Frau
und sich selbst
sein

Ein Diamant
kostbar
facettenreich
geschliffen
strahlend
aus sich selbst
auch ohne
die obligate
Fassung
Mann

svr


Sylvia antwortete am 25.01.01 (22:50):

Frau
und sich selbst
sein

Ein Diamant
kostbar
facettenreich
geschliffen
strahlend
aus sich selbst
auch ohne
die obligate
Fassung
Mann


Sylvia antwortete am 25.01.01 (23:05):

�xgüsi! Den Text habe ich aus Versehen ein zweites Mal losgeschickt. Soll nicht wieder vorkommen....


wolfgang antwortete am 26.01.01 (03:16):

Mann
und sich selbst
sein

Ein Diamant
kostbar
facettenreich
geschliffen
strahlend
aus sich selbst
auch ohne
die obligate
Fassung
Frau

wml


Herbertkarl Hüther antwortete am 26.01.01 (08:57):


(((-:

nun dann

noch fuehlte ich
die schmiegebucht
sah noch das beben
ihrer brust
sah den zarten gang allein

so viele umarmungen waren
noch in meinen gedanken

der duft von rosen
hing in der luft
und ihre aprikosenhaut
weich wie samt auf der hand

helle augen
wie perlender sekt
das gefuehl wie
nie-mehr-vergehende ekstase

benommen noch die sinne
vom erfahrenen gluecke
und die hoffnung auf viele
wiederholungen der schoensten art

gedanken wie der fruehling klopft an

hkh


Sieghard antwortete am 26.01.01 (09:17):

Dem Sonnengott

Wo bist du? trunken dämmert die Seele mir
Von aller deiner Wonne; denn eben ists,
Dass ich gesehn, wie, müde seiner
Fahrt, der entzückende Götterjüngling

Die jungen Locken badet' im Goldgewölk';
Und jetzt noch blickt mein Auge von selbst nach ihm;
Doch fern ist er zu frommen Völkern,
Die ihn noch ehren, hinweggegangen.

Dich lieb ich, Erde! trauerst du doch mit mir!
Und unsre Trauer wandelt wie Kinderschmerz
Im Schlummer sich, und wie die Winde
Flattern und flüstern im Saitenspiele,

Bis ihm des Meisters Finger den schönern Ton
Entlockt, so spielen Nebel und Träum' um uns,
Bis der Geliebte wiederkömmt und
Leben und Geist sich in uns entzündet.

[Friedrich Hölderlin 1770 - 1843]
.


Eva antwortete am 26.01.01 (09:38):

Nach soviel Liebeslyrik ein kleiner Dämpfer :

Selbstbeschwerung.

O süßer May -
Der Strom ist frey,
Ich steh verschlossen,
Mein Aug�verdrossen,
Ich seh nicht deine grüne Tracht,
Nicht deine buntgeblümte Pracht,
Nicht Dein Himmelblau,
Zur Erde ich schau;
O süßer May
Mich lasse frey,
Wie den Gesang
An den dunklen Hecken entlang.

Achim von ARNIM , aus seiner "Zeitung für Einsiedler",
Tröst Einsamkeit, Heft 1, 1808


helga leuchtner antwortete am 26.01.01 (13:53):

Eine Schulfreundin hat mich gebeten, ein altes Gedicht vorzustellen, von welchem sie leider nur eine Strophe kennt und welches wohl noch aus der K.u.K-Zeit stammt, sie bittet darum, doch mitzuteilen, ob jemand das Gedicht vollständig kennt.Das Gedicht heißt:
Deutscher Rat.

Du bist ein deutsches Kind, drum denke dran, laß' nie die Lüge deinen Mund entweih'n, von Alters her im deutschen Volke, war der höchste Ruhm, getreu und wahr zu sein.


Heidi antwortete am 26.01.01 (14:22):

Mascha Kaleko

Wenn du mich einmal nicht mehr liebst,
Laß mich das ehrlich wissen.
Daß du mir keine Lüge gibst
Noch Trug in deinen Küssen!

Daß mir dein Herz die Treue hält,
Mußt du mir niemals schwören.
Wenn eine andre dir gefällt,
Sollst du nicht mir gehören.

Wenn du mich einmal nicht mehr magst,
Und geht mein Herz in Scherben -
Daß du nicht fragst, noch um mich klagst!
Ich kann so leise sterben.


Herbertkarl Hüther antwortete am 26.01.01 (14:48):


(((#o;

Die Liebenden

Trennen wollten wir uns? wähnten es gut und klug?
Da wirs taten, warum schröckte, wie Mord, die Tat?
Ach! wir kennen uns wenig,
Denn es waltet ein Gott in uns.


Den verraten? ach ihn, welcher uns alles ernst,
Sinn und Leben erschuf, ihn, den beseelenden
Schutzgott unserer Liebe,
Dies, dies Eine vermag ich nicht.


Aber anderen Fehl denket der Menschen Sinn,
Andern ehernen Dienst übt er und anders Recht,
Und es fordert die Seele
Tag für Tag der Gebrauch uns ab.


Wohl! ich wußte es zuvor. Seit der gewurzelte
Allentzweiende Haß Götter und Menschen trennt,
Muß, mit Blut sie zu sühnen,
Muß der Liebenden Herz vergehn.


Laß mich schweigen! oh laß nimmer von nun an mich
Dieses Tödliche sehn, daß ich im Frieden doch
Hin ins Einsame ziehe,
Und noch unser der Abschied sei!


Reich die Schale mir selbst, daß ich des rettenden
Heiligen Giftes genug, daß ich des Lethetranks
Mit dir trinke, daß alles,
Haß und Liebe, vergessen sei!


Hingehn will ich. Vielleicht seh ich in langer Zeit
Diotima! dich hier. Aber verblutet ist
Dann das Wünschen und friedlich
Gleich den Seligen, fremd sind wir,


Und ein ruhig Gespräch führet uns auf und ab,
Sinnend, zögernd, doch itzt faßt die Vergessenen
Hier die Stelle des Abschieds,
Es erwarmet ein Herz in uns,


Staunend seh ich dich an, Stimmen und süßen Sang,
Wie aus voriger Zeit hör ich und Saitenspiel,
Und befreiet in Lüfte
Fliegt in Flammen der Geist uns auf.

Friedrich Hölderlin 1770-1843


Wolfgang antwortete am 26.01.01 (15:02):

Liebe Helga... auf der folgenden Webseite können Sie das Gedicht und einige Infos dazu finden:

https://www.uni-giessen.de/~gi04/MM/gedichte/M_Daub.html

(Internet-Tipp: https://www.uni-giessen.de/~gi04/MM/gedichte/M_Daub.html)


Heidi antwortete am 26.01.01 (23:06):

WANDELT SICH RASCH AUCH DIE WELT

Wandelt sich rasch auch die Welt
wie Wolkengestalten,
alles Vollendete fällt
heim zum Uralten.

Über dem Wandel und Gang
weiter und freier,
währt noch dein Vor-Gesang,
Gott mit der Leier.

Nicht sind die Leiden erkannt,
nicht ist die Liebe gelernt,
und was im Tod uns entfernt,

ist nicht entschleiert.
einzig das Lied überm Land
heiligt und feiert.

Rainer Maria Rilke


Heidi antwortete am 26.01.01 (23:24):

weiter mit Rilke

Bildnis

Daß von dem verzichtenden Gesichte
keiner ihrer großen Schmerzen fiele,
trägt sie langsam durch die Trauerspiele
ihrer Züge schönen welken Strauß,
wild gebunden und schon beinah lose;
manchmal fällt, wie eine Tuberose,
ein verlornes Lächeln müd heraus.

Und sie geht gelassen drüber hin;
müde, mit den schönen blinden Händen,
welche wissen, daß sie es nicht fänden, -

und sie sagt Erdichtetes, darin
Schicksal schwankt, gewolltes, irgendeines,
und sie gibt ihm ihrer Seele Sinn,
daß es ausbricht wie ein Ungemeines:
wie das Schreien eines Steines -

und sie läßt, mit hochgehobnem Kinn,
alle diese Worte wieder fallen,
ohne bleibend; denn nicht eins von allen
ist der wehen Wirklichkeit gemäß,
ihrem einzigen Eigentum,
das sie, wie ein fußloses Gefäß,
halten muß, hoch über ihrem Ruhm
und den Gang der Abende hinaus.

Rainer Maria Rilke


Heidi antwortete am 26.01.01 (23:31):

last not least - nr.3

Lied vom Meer

Uraltes Wehn vom Meer,
Meerwind bei Nacht:
du kommst zu keinem her;
wenn einer wacht,
so muß er sehn,wie er
dich übersteht:
uraltes Wehn vom Meer,
welches weht
nur wie für Ur-Gestein,
lauter Raum
reißend von weit herein...

O wie fühlt dich ein
treibender Feigenbaum
oben im Mondenschein.

Rainer Maria Rilke


Sylvia antwortete am 27.01.01 (00:50):

Hallo Wolfgang,
ich bin eben erst dazu gekommen in "Gedichte" zu lesen. Es ist zwar einiges nach "Frau und sich selbst sein" eingegangen. Trotzdem noch eine Antwort meinerseits.
Was ist passiert? Hast Du mit der "Mannversion" reagiert, weil Dir ein Spiegel vorgehalten worden ist? Bist du so eine Fassung?... Oder bist Du ein Mann, bezw. kennst du einen Mann, der ohne Frau an seiner Seite unscheinbar und bedeutungslos zu sein glaubt? Dann stimmt das Bild nicht ganz, meine ich. Du müsstest ein andres suchen. Wäre spannend zu erfahren, was Dir dazu einfallen würde.
Herzlich grüsst Sylvia


heidi antwortete am 27.01.01 (01:08):

aus alten Zeiten ...

Suche

Es gibt einen leeren Platz in meinem Herzen
den niemand je hat ausgefüllt.
Ein blinder Fleck auf meiner Seele
schmerzt -
ich weiß nicht welche Art von Schmerz das ist.
meine Gedanken laufen Marathon -
kein Ziel in Sicht.
Ich wünsche mir - Nähe
doch bei dem Gedanken verletzt zu werden
schweige ich

Es gibt einen leeren Platz in meinem Herzen ...


hl


Sylvia antwortete am 27.01.01 (01:17):

Jetzt
da ich
meine Ecken
und Kanten
kenne
kann ich
mir selber
Haus sein

svr


Heidi antwortete am 27.01.01 (02:03):

wechselseitig

entfernt
entfernt hast du dich von mir
du, der/die mir nahe ist
- dachte ich

schwach
schwach sein willst du bei mir
du, der/die sonst stark sein muss
- bei anderen

stark
stark sein soll ich für dich
ich, die/der ich stark bin, immer
- für andere

allein
allein gelassen fühle ich mich
ich, die/der ich schwach bin, allein
- für mich

hl


Heidi antwortete am 27.01.01 (02:25):

schlaflied

schlafe mein lieber,schlafe nur ein
in der nacht singt nur ein vögelein
singt vom schmerz und der ferne
ein leises lied
schlafe mein lieber und träum' von der lieb'

Schlafe mein lieber,schlafe nur weiter
wenn der morgen graut ist dein leben heiter
in des morgens licht schläft
das vögelein, oder
wird von der Kälte erfroren sein

hl


Heidi antwortete am 27.01.01 (03:31):

damit es zum Aufstehen etwas heiterer wird: :-)

Frühlingsblick

Durch den Wald, den dunklen, geht
Holde Frühlingsmorgenstunde,
Durch den Wald vom Himmel weht
Eine leise Liebeskunde.

Selig lauscht der grüne Baum,
Und er taucht mit allen Zweigen
In den schönen Frühlingstraum,
In den vollen Lebensreigen.

Blüht ein Blümlein irgendwo,
Wird�s vom hellen Tau getränket,
Das Einsame zittert froh,
Dass der Himmel sein gedenket.

In geheimer Laubesnacht
Wird des Vogels Herz getroffen
Von der großen Liebesmacht,
Und er singt ein süßes Hoffen.

All das frohe Lenzgeschick
Nicht ein Wort des Himmels kündet;
Nur sein stummer, warmer Blick
Hat die Seligkeit entzündet;

Also in den Winterharm,
Der die Seele hielt bezwungen,
Ist ein Blick, still und warm,
Frühlingsmächtig eingedrungen.

Nikolaus Lenau (1802 - 1850)

aus der unten genannten, wirklich besuchenswerten Seite!

(Internet-Tipp: https://www.c-schulz.de/ )


Sylvia antwortete am 27.01.01 (08:46):

Räume
den Ballast
aus der Seele
blase
den Staub
vom Herzen
entwirre
den Knäuel
im Sonnengeflecht
wende
das bleiche Gesicht
der Sonne zu
wische
die Tränen
aus den Augen
setze
die rosa Brille auf
und träume
der Wirklichkeit
schamlos
ins Gesicht

svr


Sieghard antwortete am 27.01.01 (09:23):

Marie Luise Kaschnitz, deren Geburtstag sich
am 31. Januar zum hundertsten Male jährt
hat ein breites Spektrum in ihren Dichtungen.
Es werden sicher noch mehrere lyrische Texte
von ihr hier erscheinen



Hiroshima

Der den Tod auf Hiroshima warf
Ging ins Kloster, läutet dort die Glocken.
Der den Tod auf Hiroshima warf
Sprang vom Stuhl in die Schlinge,
erwürgte sich.
Der den Tod auf Hiroshima warf
Fiel in Wahnsinn, wehrt Gespenster ab nächtlich,
Hunderttausend, die ihn angehen
Auferstandene aus Staub für ihn.

Nichts von alledem ist wahr.
Erst vor kurzem sah ich ihn
Im Garten seines Hauses vor der Stadt.
Die Hecken waren noch jung und die Rosen-
büsche zierlich.
Das wächst nicht so schnell, dass sich einer
verbergen könnte
Im Wald des Vergessens. Gut zu sehen war
Das nackte Vorstadthaus, die junge Frau
Die neben ihm stand im Blumenkleid
Das kleine Mädchen an ihrer Hand
Der Knabe, der auf seinem Rücken saß

Und über seinem Kopf die Peitsche schwang.
Sehr gut erkennbar war er selbst
Vierbeinig auf dem Grasplatz, das Gesicht
Verzerrt von Lachen, weil der Photograph
Hinter der Hecke stand, das Auge der Welt.

[Marie Luise Kaschnitz 1901-1974]
.


eva antwortete am 27.01.01 (11:20):

Meine Liebe ist grün wie der Fliederbusch,
Und mein Lieb ist schön wie die Sonne;
Die glänzt wohl herab auf den Fliederbusch
Und füllt ihn mit Duft und mit Wonne.

Meine Seele hat Schwingen der Nachtigall,
Und wiegt sich im blühenden Flieder,
Und jauchzet und singet vom Duft berauscht
Viel liebestrunkene Lieder.


Felix SCHUMANN, der jüngste, früh verstobene Sohn von
Robert und Clara Schumann. Sein Gedicht wurde von Brahms
vertont (Nr.6 aus Op. 63)


Heidi antwortete am 27.01.01 (12:25):

Steht noch dahin

Ob wir davonkommen ohne gefoltert zu werden,
ob wir eines natürlichen Todes sterben,
ob wir nicht wieder hungern,
die Abfalleimer nach Kartoffelschalen durchsuchen,
ob wir getrieben werden in Rudeln, wir haben's gesehen.
Ob wir nicht noch die Zellenklopfsprache lernen,
den Nächsten belauern, vom Nächsten belauert werden,
und bei dem Wort Freiheit weinen müssen.
Ob wir uns fortstehlen rechtzeitig auf ein weißes Bett
oder zugrunde gehen am hundertfachen Atomblitz,
ob wir es fertigbringen mit einer Hoffnung zu sterben,
steht noch dahin, steht alles noch dahin.

(Marie Luise Kaschnitz)


Heidi antwortete am 27.01.01 (12:29):

MARIE LUISE KASCHNITZ

Tag des Friedens

Wenn der Tag des Friedens naht,
Kommt er nicht mit Taubenflügeln,
Nicht mit Flöten von den Hügeln,
Streuet nicht die goldne Saat.


Nein, als eine schreckliche leere
Todesstille tritt er ein,
Und die Schiffe auf dem Meere
Werden wie verloren sein.


Denn Gefahr war uns geheuer.
Und wir kannten ihre Regeln,
Und den Sturmwind in den Segeln,
Und des Todes Hand am Steuer.


Aber wenn das Brausen endet,
Sind wir jeder Kraft beraubt.
Unsre Augen sind geblendet,
Unsre Ohren sind ertaubt.


Alle Wege heimatwärts
Sind geheimnisvolle Ferne,
Ungewiß die alten Sterne,
Rätselhaft des Freundes Herz.


Heidi antwortete am 27.01.01 (12:40):

Marie Luise Kaschnitz

Du sollst nicht

Du sollst nicht mir zusehen wenn
Meine Fratzen den Spiegel zerschneiden
Wenn ich mich umdrehe nachts
Fensterwärts wandwärts
Und die Leintücher seufzen.

Du sollst nicht sehen wie ich mich vorwärtstaste
Blind an der Kette meiner Niederlagen
(Auch an diese kann man sich halten)
Noch anwesend sein
Wenn ich meine pathetischen Verse lese.

Einmal bedurfte es nur eines Wortes von dir
Und die Laufschritte in meinem Rücken fielen ab
Nur deine Hand mir unter die Wange geschoben
Und ich schlief.


Herbertkarl Hüther antwortete am 27.01.01 (16:12):



nachtnah


schwarze gedanken umwoelken mich
wie saatkraehen das feld
benommen sehe ich auf
und erblicke des gerechten zorn

wie dumpfe watte
die sinne verstummt
umschleiert die augen
graessliche simulationen
von empfangener ungeduld

leise toene mit einem
hauch begierlichkeit
stehendes wasser
der gehabten gnade

spinnenfingrige schemen
aus dem ungrund
suchend nach der
stelle zum anlegen

nun ist genug
ich schuettle mich
und werfe ab

hkh


Sieghard antwortete am 27.01.01 (17:50):

Vereinsamt

Die Krähen schrein
Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:
Bald wird es schnein. -
Wohl dem, der jetzt noch - Heimat hat!

Nun stehst du starr,
Schaust rückwärts, ach! wie lange schon!
Was bist du Narr
Vor Winters in die Welt entflohn?

Die Welt - ein Tor
Zu tausend Wüsten stumm und kalt!
Wer das verlor,
Was du verlorst, macht nirgends halt.

Nun stehst du bleich,
Zur Winter-Wanderschaft verflucht,
Dem Rauche gleich,
Der stets nach kältern Himmeln sucht.

Flieg, Vogel, schnarr
Dein Lied im Wüstenvogel-Ton! -
Versteck, du Narr,
Dein blutend Herz in Eis und Hohn!

Die Krähen schrein
Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:
Bald wird es schnein, -
Weh dem, der keine Heimat hat!

[Friedrich Nietzsche 1844-1900]
.


helga leuchtner antwortete am 27.01.01 (19:51):



Sagt es niemand, nur den Weisen,
weil die Menge gleich verhöhnet,
das Lebend'ge will ich preisen,
das nach Flammentod sich sehnet.

In der Liebesnächte Kühlung,
die Dich zeugte, wo Du zeugtest,
überfällt Dich fremde Fühlung,
wenn die stille Kerze leuchtet.

Nicht bleibest Du umfangen
von der Finsternis Beschattung,
und Dich reißt ein neu Verlangen
auf zu höherer Begattung.

Keine Ferne macht Dich schwierig,
kommst geflogen, wirst gebannt,
und zuletzt des Lichts begierig
bist Du Schmetterling verbrannt.

Und solang Du eins nicht hast,
dieses stirb und werde,
bist Du nur ein flücht'ger Gast
auf der dunklen Erde.

(Johann Wolfgang von Goethe)


Herbertkarl Hüther antwortete am 28.01.01 (08:24):


bewegungen

arm an arm
schenkel an schenkel
erfuellung im niedrigen
und keine angst davor

getrennt nur durch
eine duenne
schicht schweiss
eis auf heiss
heiss auf eis

schon fiel der schatten
durch den tuerrahmen
als blicke sich traffen
und erwidert wurden

zu zweit den freuden
des liebens zugetan
in verantwortung
ineinander aufgehen

wohlgetan der erste schritt
in eine neue perspektive

hkh


Eva antwortete am 28.01.01 (09:58):

Hallo Sieghard - was den Felix Schumann betrifft
- es muss sich hier um einen akuten Fall von
Gedankenübertragung gehandelt haben, denn ich habe eine
ganze Partie Gedichte versehentlich gelöscht und Deinen
Beitrag nicht gelesen ! Als heitere Entschädigung an diesem
schönen sonnigen Sonntagmorgen ein wenig Ringelnatz :

"Oh!" rief ein Glas Burgunder,
"Oh, Mond, du göttliches Wunder !
Du gießt aus silberner Schale
Das liebestaumelnde, fahle,
Trunkene Licht wie sengende Glut
Hin über das nachtigallige Land -"

Da rief der Mond, indem er verschwand :

"Ich weiß ! Ich weiß ! Schon gut ! Schon gut!"

-.-.-.-

Arm Kräutchen

Ein Sauerampfer auf dem Damm
Stand zwischen Bahngeleisen,
Machte vor jedem D-Zug stramm,
Sah viele Menschen reisen

Und stand verstaubt, und schluckte Qualm
Schwindsüchtig und verloren ,
Ein armes Kraut, ein schwacher Halm,
Mit Augen, Herz und Ohren.

Sah Züge schwinden, Züge nahn.
Der arme Sauerampfer
Sah Eisenbahn um Eisenbahn,
Sah niemals einen Dampfer.


Beate antwortete am 28.01.01 (14:02):

Altes (Männer-) Lied

flieg� von Ort zu Ort
ruh� mich mal hier mal da
höre was ich hören will
nehm� zu mir was mir schmeckt

gibst Du mir Raum, breite ich mich aus
streichelst Du meine Seele, halte ich still
trocknest Du meine Tränen, öffne ich mein Herz
wiegst Du mich in Sicherheit, lass ich Dich ein wenig näher
wir lecken gemeinsam meine Wunden

und wenn der Wind sich dreht und es mir besser geht
hab nicht die Last, die Du dann hast
wird mein Blick weiter, die Seele heiter
bin ich nicht dumm, dreh mich nicht um
und fliege weiter.

ach, ja, und Du?
was kümmerts mich?
bat ich Dich?
ganz sicher nicht!
sieh Du doch selber zu.

BR 1/01


Heidi antwortete am 28.01.01 (14:34):

:-) aus gegebenem Anlass- wie man so schön sagt: für Beate der 2. Vers aus "Achterbahn"

ich schreibe in mein Book hinein
Gedichte, Gefühle, alles sehr fein
man kann sie hier lesen
mich selbst aber nicht
(ich bin's nicht gewesen)
- war nur ein Gedicht!
(hl)

bitte nicht von meinen Gedichten auf meinen aktuellen Seelenzustand schließen!! :-))


Sieghard antwortete am 28.01.01 (16:00):

Hallo Beate,
also Gedankenübertragung gibt es. Eine
sprach aus, was ich dachte, eine dachte,
was ich aussprach. Gefällt mir gut, muss
ich sagen. Entschädigungen von Ringel-
natz sind gut gemeint.

Nun für dich ein Text, ebenfalls
von Schubert vertont. Du wirst ihn kennen
und auch wissen, dass sie sich steigern,
von Lied zu Lied.


Eine Mühle seh ich blicken
Aus den Erlen heraus,
Durch Rauschen und Singen
Bricht Rädergebraus.

Ei willkommen, ei willkommen,
Süßer Mühlengesang!
Und das Haus, wie so traulich!
Und die Fenster, wie blank!

Und die Sonne, wie helle
Vom Himmel sie scheint!
Ei, Bächlein, liebes Bächlein,
War es also gemeint?


------------------------------------------------------

und zu "bewegungen" fällt mich auch
etwas kasimulisches ein, nämlich
aus Mendelsohn-Bartholdys
II.Symphonie, Lobgesang op.52

..."Hüter, ist die Nacht bald hin?"...
.


Sieghard antwortete am 28.01.01 (16:05):


Beate, Heidi, Eva, Herbertkarl?
Wer nun!
Eva, na klar, das war ein Ver-
schreiber. Sorry.
Dennoch ist ja alles für alle hier!


Heidi antwortete am 28.01.01 (19:07):

Im Bücherregal gestöbert:

Denk daran

Denk an den Himmel, unter dem du geboren wurdest;
vergiß nicht die Geschichte eines jeden Sterns,
Denk an den Mond;
vergiß nicht, wer er ist.
Denk an die Geburt der Sonne in der Morgendämmerung;
das ist der mächtigste Augenblick.

Denk an den Sonnenuntergang,
wenn alles der Nacht weicht.
Denk an deine Geburt;
wie deine Mutter sich mühte,
dir Gestalt und Atem zu geben.
Du bist ein Zeuge ihres Lebens
und des Lebens ihrer Mutter
und deren Mutter.

Denk auch an deinen Vater;
auch er ist dein Leben.
Denk an die Erde, deren Haut du bist;
rote Erde, schwarze Erde, gelbe Erde,
weiße Erde, braune Erde.
Wir sind Erde.

Denk an die Pflanzen, die Bäume, die Tiere,
die auch alle ihre Sippen haben,
ihre Familien,
ihre Geschichten.
Sprich mit ihnen, hör ihnen zu;
sie sind lebende Dichtung.

Denk an den Wind;
denk an seine Stimme;
er kennt den Ursprung dieses Universums.
Denk daran, daß du alle Menschen bist
und daß alle Menschen du sind.
Denk daran, daß du dieses Universum bist
und daß dieses Universum du ist.
Denk daran, daß alles in Bewegung ist,
wächst,
du ist.

Denk daran, daß daraus Sprache entsteht.
Denk daran, daß Sprache ein Tanz ist;
daß Leben ein Tanz ist.
Denk daran.

(Joy Harjo, Cree-Inianerin) aus "Indianischer Sonnengesang" Rudolf Kaiser, Herder Verlag


Heidi antwortete am 29.01.01 (01:13):

Gedichte, Gedichte...

mir scheint du gehst unter
die Damen und Herren
schreiben jetzt munter
in "eigene Lyrik"
ich finde das schade
das bunt Gemischte
das war es gerade
das dieses Forum
so schön gemacht
.. ich sage jetzt allen
Gute Nacht!

hl


Siegmar antwortete am 29.01.01 (02:17):

von uwe erwin aus siegen im dezember 1999

Glück

in den wind geschriehen
in den sand geschrieben,
in den baumstamm geritzt
in stein gemeißelt
in zeitungen verkündet
mit goldringen besiegelt
trotz alledem nichts genützt

Veränderungen

mein bewußtsein
muß gewachsen sein
ich ecke überall an.


Siegmar antwortete am 29.01.01 (02:39):

noch ein gedicht von uwe erwin

mir selbst geschrieben kurz nach fünfzig

aus meiner schweigsamkeit breche ich aus
schreib mir den menschen der liebe der menschen
mit worte vom leibe.
sprache gewordenes röchlen ziert meine unbeschriebenen
seiten.
ich lebe noch,ich bin noch, ich will noch
weil ich nun weiß, daß ich mein gehirn auch
zur faust ballen kann


Heidi antwortete am 29.01.01 (07:39):

"An-Schein"

So wie der Baum nicht endet
an der Spitze seiner Wurzeln
oder seiner Zweige -
so wie der Vogel nicht endet
an seinen Federn und seinem Flug -
so wie die Erde nicht endet
an ihrem höchsten Berg:

So ende auch ich nicht
an meinem Arm, meinem Fuß, meiner Haut,
sondern greife unentwegt nach außen
hinein in allen Raum und alle Zeit
mit meiner Stimme und meinen Gedanken;
denn meine Seele ist das Universum.

(Norman H. Russel, Teil-Cherokee, geb. 1921)

Guten Morgen, ich wünsche allen einen guten Wochenanfang!


Herbertkarl Huether antwortete am 29.01.01 (08:51):


reine stille

ruhig ruhe
komm oh stille
lauter als
zehntausend trommeln
nichts so laut
wie reine stille

unertraeglich dissonant
ein gebirge von lauten
ein meer voll gedroehn

im ort daher
neben deswegen

hkh


Heidi antwortete am 29.01.01 (09:04):

Zustand

Einen Moment verweilen
innen sein
gedanklich strömen
durchlässig werden
für das Wesentliche
ausruhen
atmen
Verworfenes ordnen
halten
bleiben
warten und erwarten
...
Sven Eric Lassen


Wolfgang antwortete am 29.01.01 (11:09):

Heute bin ich im Gedichtestreik... Dafür - aus gegebenem Anlass, wegen einiger "Mann"- bzw. "Frau"-Gedichte - einen Spruch der Cheyenne-Indianer: "Ein Volk ist so lange nicht erobert, wie die Herzen seiner Frauen stark sind. Dann aber ist es aus und vorbei - einerlei, wie mutig die Krieger und wie stark ihre Waffen auch sein mögen."

Die wussten, was sie an ihren Frauen hatten und ich schätze, umgekehrt war es genauso. Aber die Indianer und Indianerinnen kannten auch noch nicht die Idee der Emanzipation voneinander. :-)


Sylvia antwortete am 29.01.01 (13:01):

Leider habe ich im Augenblick nur ganz wenig Zeit, Wolfgang. Du missverstehst da was. Ich bin zwar emanzipiert aber weit davon entfernt eine Männerhasserin zu sein. Das Gedicht ist kein Ringsumschlag gegen Männer, sondern ein Aufruf an Frauen, die sich damit schwer tun, ohne Mann an ihrer Seite einen Lebensinhalt zu finden oder zu sehen. Bitte, verallgemeinere nicht. Später mehr, aber eher in einem persönlichen Mail, denke ich. Jetzt muss ich zur Schule. Gruss Sylvia


Sieghard antwortete am 29.01.01 (14:54):

Meeresstille

Tiefe Stille herrscht im Wasser,
Ohne Regung ruht das Meer,
Und bekümmert sieht der Schiffer
Glatte Fläche rings umher.
Keine Luft von keiner Seite!
Todesstille fürchterlich!
In der ungeheuern Weite
Reget keine Welle sich.

[J.W. v. G�the 1749 -1832]
.


Eva antwortete am 29.01.01 (16:01):

Montag ist Arbeitstag - darum nur ein kurzer Spruch von
Goethe, der ja zu allem etwas wusste :

Wenn dir�s in Kopf und Herzen schwirrt,
Was willst du Beßres haben !
Wer nicht mehr liebt und nicht mehr irrt,
Der lasse sich begraben.

In diesem Sinne eine schöne Woche und mögen noch viele
Gedichte, Gedichte folgen ...


Herbertkarl Hüther antwortete am 29.01.01 (16:13):


Schnapphahn und Schnapphenne

Derweilen auf dem Lotterbette
Mich Lauras Arm umschlang - der Fuchs,
Ihr Herr Gemahl, aus meiner Buchs
Stibitzt er mir die Bankbillette.

Da steh ich nun mit leeren Taschen!
War Lauras Kuß gleichfalls nur Lug?
Ach! Was ist Wahrheit? Also frug
Pilat und tät die Händ sich waschen.

Die böse Welt, die so verdorben,
Verlaß ich bald, die böse Welt.
Ich merke: hat der Mensch kein Geld,
So ist der Mensch schon halb gestorben.

Nach Euch, Ihr ehrlich reinen Seelen,
Die Ihr bewohnt das Reich des Lichts,
Sehnt sich mein Herz. Dort braucht Ihr nichts,
Und braucht deshalb auch nicht zu stehlen.

Heinrich Heine


Sieghard antwortete am 29.01.01 (16:55):


Es war ein alter König,
Sein Herz war schwer, sein Haupt war grau,
Der arme alte König,
Er nahm eine junge Frau.

Es war ein schöner Page,
Blond war sein Haupt, leicht war sein Sinn,
Er trug die seidene Schleppe
Der jungen Königin.

Kennst du das alte Liedchen;
Es klingt so süß, es klingt so trüb!
Sie mußten beide sterben,
sie hatten sich viel zu lieb.

[Heinrich Heine 1797-1856]
.


Herbertkarl Hüther antwortete am 29.01.01 (17:56):


Sie saßen und tranken am Teetisch,
Und sprachen von Liebe viel.
Die Herren die waren ästhetisch,
Die Damen von zartem Gefühl.

Die Liebe muß sein platonisch,
Der dürre Hofrat sprach.
Die Hofrätin lächelt ironisch,
Und dennoch seufzet sie: Ach!

Der Domherr öffnet den Mund weit:
Die Liebe sei nicht zu roh,
Sie schadet sonst der Gesundheit,
Das Fräulein lispelt: Wie so?

Die Gräfin spricht wehmütig:
Die Liebe ist eine Passion!
Und präsentieret gütig
Die Tasse dem Herren Baron.

Am Tische war noch ein Plätzchen;
Mein Liebchen, da hast du gefehlt.
Du hättest so hübsch, mein Schätzchen,
Von deiner Liebe erzählt.

Heinrich Heine


Heidi antwortete am 29.01.01 (21:57):


Siehst du mich

Zwischen Erde und Himmel?
Nie ging einer über meinen Pfad.

Aber dein Antlitz wärmt meine Welt
Von dir geht alles Blühen aus.

Wenn du mich ansiehst,
Wird mein Herz süß.

Ich liege unter deinem Lächeln
Und lerne Tag und Nacht bereiten,

Dich hinzaubern und vergehen lassen,
Immer spiele ich das eine Spiel.

***

Ein Liebeslied

Aus goldenem Odem
Erschufen uns Himmel.
O, wie wir uns lieben...

Vögel werden Knospen an den �sten,
Und Rosen flattern auf.

Immer suche ich nach deinen Lippen
Hinter tausend Küssen.

Eine Nacht aus Gold,
Sterne aus Nacht...
Niemand sieht uns.

Kommt das Licht mit dem Grün,
Schlummern wir;
Nur unsere Schultern spielen noch wie Falter.


Else Lasker-Schüler


Gerlinde antwortete am 29.01.01 (22:10):



Schließe mir die Augen beide
mit den lieben Händen zu!
Geht doch alles, was ich leide,
unter deiner Hand zur Ruh.

Und wie leise sich der Schmerz
Well`um Welle schlafen leget,
wie der letzte Schlag sich reget,
füllest du mein ganzes Herz.


Theodor Storm


Heidi antwortete am 29.01.01 (22:14):

Worte

Wenn meinen Worten die Silben ausfallen vor Müdigkeit
und auf der Schreibmaschine die dummen Fehler beginnen
wenn ich einschlafen will
und nicht mehr wachen zur täglichen Trauer
um das was geschieht in der Welt
und was ich nicht verhindern kann

beginnt da und dort ein Wort sich zu putzen und leise zu summen
und ein halber Gedanke kämmt sich und sucht einen anderen
der vielleicht eben noch an etwas gewürgt hat
was er nicht schlucken konnte
doch jetzt sich umsieht
und den halben Gedanken an der Hand nimmt und sagt zu ihm:

Komm

Und dann fliegen einige von den müden Worten
und einige Tippfehler die über sich selber lachen
mit oder ohne die halben und ganzen Gedanken
aus dem Londoner Elend über Meer und Flachland und Berge
immer wieder hinüber zur selben Stelle

Und morgens wenn du die Stufen hinuntergehst durch den Garten
und stehenbleibst und aufmerksam wirst und hinsiehst
kannst du sie sitzen sehen oder auch flattern hören
ein wenig verfroren und vielleicht noch ein wenig verloren
und immer ganz dumm vor Glück daß sie wirklich bei dir sind

Erich Fried


Heidi antwortete am 29.01.01 (22:17):

:-)) hoppla, e-mail vergessen! :-)


Sylvia antwortete am 29.01.01 (23:23):

Hoch geflogen
tief gefallen
hart aufgeschlagen

Gebrochnes Herz
Risse im Gemüt
und blaue Flecken
auf der Seele

Nur keine Klagen

Wer sich wieder
aufrappeln will
braucht festen Boden
unter den Füssen

svr


Heidi antwortete am 29.01.01 (23:34):

;-))

Freude

Ich sing dir ein Lied
von Liebe und Freud'
und werde beides
nimmermehr leid

Das Leben ist Liebe
und Lieben ist Freud'
wenn sich's dann
auch noch reimt
hat's mich gefreut

hl


Sylvia antwortete am 29.01.01 (23:37):

Eigentlich wollte ich Dir auch in schönen Reimen antworten, Heidi, aber ich schaffs nicht, bin zu müde. Ich hab's nur auf einen mickrigen Zweizeiler gebracht.
Dann eben prosaisch. Ich bin nicht dabei unterzugehen. Ich bin lediglich auf die Rubrik "eigene Lyrik" aufmerksam gemacht worden und habe da auch etwas eingebracht. Das heisst nicht, dass ich das Buntgemischte, das mir auch gefällt, vernachlässigen werde.
Ich wünsche allerseits eine gute Nacht!


Heidi antwortete am 30.01.01 (00:33):

Widmung für M.

Mehr als Gedichte wiegt, wie wir zusammen leben,
vereint in einem Dasein Tag und Nacht:
so brennt ein Licht, von Schatten rings umgeben,
die es doch heller durch sein Leuchten macht.

Wohl sind wir Tiere, die sich selbst dressieren,
kurzfristiger Bestand aus Fleisch und Bein,
und doch: das eine Leben, das wir beide führen,
für tausend reichte es zum Glücklichsein.

Günter Kunert


Heidi antwortete am 30.01.01 (00:39):

Ich bin sehr sanft nenn
mich Kamille
meine Finger sind zärtlich baun
Kirchen in deiner Hand meine Nägel
Flügelschuppen von Engeln liebkosen ich bin
der Sommer der Herbst selbst der Winter

im Frühling
möchte ich bei dir sein du
zeigst mir das Land wir gehn
von See zu See da braucht es
ein langes glückliches Leben
die Fische sind zwei
die Vögel baun Nester wir
stehn auf demselben Blatt

Sarah Kirsch


Eva antwortete am 30.01.01 (08:46):

Abendlied

Augen, meine lieben Fensterlein,
Gebt mir schon so lange holden Schein,
Lasset freundlich Bild um Bild herein :
Einmal werdet ihr verdunkelt sein !

Fallen einst die müden Lider zu,
Löscht ihr aus, dann hat die Seele Ruh;
Tastend streift sie ab die Wanderschuh,
Legt sich auch in ihre finstre Truh.

Noch zwei Fünklein sieht sie glimmend stehn
Wie zwei Sternlein, innerlich zu sehn,
Bis sie schwanken und dann auch vergehn,
Wie von eines Falters Flügelwehn.

Doch noch wandl ich auf dem Abendfeld,
Nur dem sinkenden Gestirn gesellt;
Trinkt, o Augen, was die Wimper hält,
Von dem goldnen Überfluß der Welt!

Gottfried Keller


Herbertkarl Hüther antwortete am 30.01.01 (11:06):



Seele des Lebens

Verfall, der weich das Laub umdüstert,
Es wohnt im Wald sein weites Schweigen.
Bald scheint ein Dorf sich geisterhaft zu neigen.
Der Schwester Mund in schwarzen Zweigen flüstert.

Der Einsame wird bald entgleiten,
Vielleicht ein Hirt auf dunklen Pfaden.
Ein Tier tritt leise aus den Baumarkaden,
Indes die Lider sich vor Gottheit weiten.

Der blaue Fluß rinnt schön hinunter,
Gewölke sich am Abend zeigen;
Die Seele auch in engelhaftem Schweigen.
Vergängliche Gebilde gehen unter.

Georg Trakl

Georg Trakl wurde am 3.2.1887 als Sohn eines
Eisenhändlers in Salzburg geboren. Während
seines Pharmaziestudiums in Wien begann er
Gedichte zu publizieren und schloß 1910 die
akademische Ausbildung ab; anschließend lebte
er in Innsbruck. Im 1. Weltkrieg diente Trakl
als Sanitätsfähnrich. Zerbrochen am Leiden
seiner Zeit, wählte er Anfang November 1914
im Lazarett von Krakau den Freitod durch eine
Überdosis Kokain.


Sieghard antwortete am 30.01.01 (14:26):

Die Junge Magd

1. Oft am Brunnen, wenn es dämmert,
Sieht man sie verzaubert stehen
Wasser schöpfen, wenn es dämmert.
Eimer auf und nieder gehen.

In den Buchen Dohlen flattern
Und sie gleichet einem Schatten.
Ihre gelben Haare flattern
Und im Hofe schrein die Ratten.

Und umschmeichelt von Verfalle
Senkt sie die entzundenen Lider.
Dürres Gras neigt im Verfalle
sich zu ihren Füßen nieder.

[Trakl]
.


Herbertkarl Hüther antwortete am 30.01.01 (16:24):



Lieber Sieghard und alle:
noch`ne gewidmete Fassung "gefunden" (((o:


Die junge Magd

1
Oft am Brunnen, wenn es dämmert,
Sieht man sie verzaubert stehen
Wasser schöpfen, wenn es dämmert.
Eimer auf und nieder gehen.

In den Buchen Dohlen flattern
Und sie gleichet einem Schatten.
Ihre gelben Haare flattern
Und im Hofe schrein die Ratten.

Und umschmeichelt von Verfalle
Senkt sie die entzundenen Lider.
Dürres Gras neigt im Verfalle
Sich zu ihren Füßen nieder.

2
Stille schafft sie in der Kammer
Und der Hof liegt längst verödet.
Im Hollunder vor der Kammer
Kläglich eine Amsel flötet.

Silbern schaut ihr Bild im Spiegel
Fremd sie an im Zwielichtscheine
Und verdämmert fahl im Spiegel
Und ihr graut vor seiner Reine.

Traumhaft singt ein Knecht im Dunkel
Und sie starrt von Schmerz geschüttelt.
Röte träufelt durch das Dunkel
Jäh am Tor der Südwind rüttelt.

3
Nächtens übern kahlen Anger
Gaukelt sie in Fieberträumen.
Mürrisch greint der Wind im Anger
Und der Mond lauscht aus den Bäumen.

Balde rings die Sterne bleichen
Und ermattet von Beschwerde
Wächsern ihre Wangen bleichen.
Fäulnis wittert aus der Erde.

Traurig rauscht das Rohr im Tümpel
Und sie friert in sich gekauert.
Fern ein Hahn kräht. Übern Tümpel
Hart und grau der Morgen schauert.

4
In der Schmiede dröhnt der Hammer
Und sie huscht am Tor vorüber.
Glührot schwingt der Knecht den Hammer
Und sie schaut wie tot hinüber.

Wie im Traum trifft sie ein Lachen;
Und sie taumelt in die Schmiede,
Scheu geduckt vor seinem Lachen,
Wie der Hammer hart und rüde.

Hell versprühn im Raum die Funken
Und mit hilfloser Geberde
Hascht sie nach den wilden Funken
Uns sie stürzt betäubt zur Erde.

5
Schmächtig hingestreckt im Bette
Wacht sie auf voll süßem Bangen
Und sie sieht ihr schmutzig Bette
Ganz von goldnem Licht verhangen,

Die Reseden dort am Fenster
Und den bläulich hellen Himmel.
Manchmal trägt der Wind ans Fenster
Einer Glocke zag Gebimmel.

Schatten gleiten übers Kissen,
Langsam schlägt die Mittagsstunde
Und sie atmet schwer im Kissen
Und ihr Mund gleicht einer Wunde.

6
Abends schweben blutige Linnen,
Wolken über stummen Wäldern,
Die gehüllt in schwarze Linnen.
Spatzen lärmen auf den Feldern.

Und sie liegt ganz weiß im Dunkel.
Unterm Dach verhaucht ein Girren.
Wie ein Aas in Busch und Dunkel
Fliegen ihren Mund umschwirren.

Traumhaft klingt im braunen Weiler
Nach ein Klang von Tanz und Geigen,
Schwebt ihr Antlitz durch den Weiler,
Weht ihr Haar in kahlen Zweigen.

Ludwig von Ficker zugeeignet

Georg Trakl

Trakl
Georg, österreichischer Lyriker, *�3. 2. 1887 Salzburg,
��4. 11. 1914 Krakau (Selbstmord); Apotheker,
rauschgiftsüchtig; lebte 1912-1914 meist bei L. von
Ficker, in dessen Zeitschrift �Der Brenner� fast alle seine
Gedichte veröffentlicht wurden. In klangvollen Traumbildern,
expressionistisch, dann in freien Rhythmen, dichtete er eine
Welt des Vergehens, der Schwermut, des Wahns, des Todes
und der religiösen Hoffnung.


� 2000 Bertelsmann Lexikon Verlag GmbH, Gütersloh
Aus: Bertelsmann Universallexikon - Discovery


Sieghard antwortete am 30.01.01 (17:15):

So kommt es, wenn man zu
sehr von sich aus geht.
Dann macht man schon mal
die Rechnung ohne den Wirt:
Ich lese ungern lange Texte
und gedachte, dieses Gedicht
in mehreren Etappen zu bringen.
So ist es nun auch gut. Und
dazu noch weitere Facetten des
Lebenslaufes.
.


Heidi antwortete am 30.01.01 (17:22):

ich verweigere Trakl!


worte sind schatten
schatten werden worte

worte sind spiele
spiele werden worte

sind schatten worte
werden worte spiele

sind spiele worte
werden worte schatten

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werden schatten worte

Eugen Gomringer (1960)


Herbertkarl Hüther antwortete am 30.01.01 (18:15):



Hey Sieghard, all,

"Fortsetzungsgedicht" ist auch gut- [o:

Vielleicht kann man den Trakl nur "in kleinen Prisen" richtig geniessen-???- (((o:


Confiteor

Die bunten Bilder, die das Leben malt
Seh' ich umdüstert nur von Dämmerungen,
Wie kraus verzerrte Schatten, trüb und kalt,
Die kaum geboren schon der Tod bezwungen.

Und da von jedem Ding die Maske fiel,
Seh' ich nur Angst, Verzweiflung, Schmach und Seuchen,
Der Menschheit heldenloses Trauerspiel,
Ein schlechtes Stück, gespielt auf Gräbern, Leichen.

Mich ekelt dieses wüste Traumgesicht.
Doch will ein Machtgebot, daß ich verweile,
Ein Komödiant, der seine Rolle spricht,
Gezwungen, voll Verzweiflung - Langeweile!

Georg Trakl


Heidi antwortete am 30.01.01 (18:44):

:-)) zur Erholung

Joseph von Eichendorff

Frühmorgens durch die Klüfte
Wir blasen Viktoria!
Eine Lerche fährt durch die Lüfte:
�Die Spielleut sind schon da!�
Da dehnt ein Turm und reckt sich
Verschlafen im Morgengrau,
Wie aus dem Traume streckt sich
Der Strom durch die stille Au,
Und ihre �uglein balde
Tun auf die Bächlein all
Im Wald, im grünen Walde,
Das ist ein lustger Schall!

Das ist ein lustges Reisen,
Der Eichbaum kühl und frisch
Mit Schatten, wo wir speisen,
Deckt uns den grünen Tisch.
Zum Frühstück musizieren
Die muntern Vögelein,
Der Wald, wenn sie pausieren,
Stimmt wunderbar mit ein,
Die Wipfel tut er neigen,
Als gesegnet' er uns das Mahl,
Und zeigt uns zwischen den Zweigen
Tief unten das weite Tal.

Tief unten da ist ein Garten,
Da wohnt eine schöne Frau,
Wir können nicht lange warten,
Durchs Gittertor wir schaun,
Wo die weißen Statuen stehen,
Da ists so still und kühl,
Die Wasserkünste gehen,
Der Flieder duftet schwül.
Wir ziehn vorbei und singen
In der stillen Morgenzeit,
Sie hörts im Traume klingen,
Wir aber sind schon weit.


Heidi antwortete am 30.01.01 (23:14):

Alles still!

Alles still! es tanzt den Reigen
Mondenstrahl in Wald und Flur,
Und darüber thront das Schweigen
Und der Winterhimmel nur.


Alles still! vergeblich lauschet
Man der Krähe heisrem Schrei.
Keiner Fichte Wipfel rauschet,
Und kein Bächlein summt vorbei.

...
Theodor Fontane


Heidi antwortete am 30.01.01 (23:33):

Träumerei in Hellblau

Alle Landschaften haben
Sich mit Blau gefüllt.
Alle Büsche und Bäume des Stromes,
Der weit in den Norden schwillt.
Blaue Länder der Wolken,
Weiße Segel dicht,
Die Gestade des Himmels in Fernen
Zergehen in Wind und Licht.

Wenn die Abende sinken
Und wir schlafen ein,
Gehen die Träume, die schönen,
Mit leichten Füßen herein.

Zymbeln lassen sie klingen
In den Händen licht.
Manche flüstern, und halten
Kerzen vor ihr Gesicht.

Georg Heym

Gute Nacht...


Sieghard antwortete am 31.01.01 (08:35):

wachstum
die wege haben sich gekreuzt
eigentlich reiner zufall
kennengelernt und festgestellt
da ist n�he
es wird nichts gefordert
verstehen ist da
monatelang sehen
was war was ist
warten und wissen
da ist zukunft
ich bin froh darum
.


Sieghard antwortete am 31.01.01 (09:09):

Liebe Heidi,
den Eugen Gomringer
hatte ich am
am 03.01.01 (16:17):
hier ins Forum gestellt.
Er muss dir besser als der Trakl
gefallen haben.
Und mit Eichendorff und Heym lässt
sich besser träumen.
Nichts für ungut, träume
bisweilen auch.
.


Heidi antwortete am 31.01.01 (10:12):

:-)) "Alles, was ich zu meiner Verteidigung habe, sind die Fehler, die ich gemacht habe." (Charles Bukowski)

LEHRE VOM ZERFALL
Sitze nackt hinter dem
Haus, acht Uhr früh, und
reibe mich mit Sesam-
öl ein. Meine Güte - so weit
ist es schon mit mir
gekommen?
In dunklen Gassen hinter
Kneipen habe ich mich einst
herumgeprügelt; nur so
zum Spaß.
Jetzt ist mir der
Spaß vergangen.
Ich klatsche mir das
�l drauf und frage mich:
Wie viele Jahre willst
du denn noch?
Wie viele Tage?
Mein Blut ist verpestet
und ein schwarzer Engel
Sitzt in meinem Hirn.
Alles ist aus etwas
gemacht und wird zu
nichts.
Ich begreife den Untergang
von Städten, von Nationen.
Ein Sportflugzeug über
dem Haus.
Ich schaue hoch
als hätte es noch
einen Sinn.
Wahrhaftig, der Himmel
ist vermodert.
Wir haben alle
nicht mehr lange.

Aus: Charles Bukowski, Umsonst ist der Tod.
(c) 1999 by Verlag Kiepenheurer&Witsch Köln


Das ist nicht zum Träumen -- eher zum Nachdenken über aktuellen Wahnsinn jeglicher Art
-----

Trotz alledem: Der Himmel ist blau heute mit kleinen weißen Wölkchen und die Sonne scheint!! - Schön!


Herbertkarl Hüther antwortete am 31.01.01 (10:50):


(((o:

Amor ein Besenbinder

Ich, der schönste Besenbinder,
Welcher je durchzog das Land,
Binde nur für schöne Kinder,
Schöne Kinder seid zur Hand!
Besen von dem besten Schnitte,
Besen von der feinsten Sitte,
Besen voll von Zauberkraft,
Wie sie euch kein andrer schafft.

Häßliche, gebückte, lahme,
Alte, die gekehrt ihr Teil,
Bleibet fern von meinem Krame,
Euch ist hier kein Besen feil.
Meine Besen keck von Schwunge
Regen sich allein für junge,
Und für euch nur, sehet ihr?
Euch zu kehren fort von hier.

Du mit träumerischem Wesen,
Weiß ich doch, was dir gebührt,
Daß du brauchest einen Besen,
Welcher sich von selber rührt.
Hier will ich dir einen geben,
Brauchest nicht die Hand zu heben,
Magst ihm zusehn wohlgemut,
Wie er seine Arbeit tut.

Du mit dem gerümpften Näschen,
Bin ich anders recht belehrt,
Wohl gefiele dir ein Beschen,
Das vor fremden Türen kehrt;
Nimm mein niedlichstes von allen,
Geh und tu nach Wohlgefallen!
Machst du's nur fein säuberlich,
Lobt auch deine Arbeit sich.

Du mit lächelndem Erröten,
Eines werd ich wohl gewahr,
Daß du bist in großen Nöten
Vor zu großer Freierschar.
Nimm den Besen meinetwegen,
Der das Haus dir rein mag fegen,
Alle Freier feg er fort,
Lasse dir den liebsten dort.

Aber du, die ewig neue,
Der nichts altes wohlgefällt;
Daß die Gabe dich erfreue,
Nimm den Besen, der nicht hält.
Alle Nacht in Stücken geh er,
Alle Morgen neu ersteh er,
Und vergessen sei's dabei,
Daß es doch der alte sei.

Du zuletzt, o meine Liebe,
Die mich selbst zum Gott gemacht,
Daß für dich das beste bliebe,
Hab' ich schon zuvor bedacht.
Aus dem Busen, der es hegte,
Wo ich dir zurück es legte,
Statt des Besens nimm zum Preis
Dieses schönste Myrtenreis.

In dem freundlichen Bezirke
Deiner stillen Häuslichkeit,
Wo es schaffe, wo es wirke,
Zaubr' es dir Zufriedenheit!
Alle Sorgen von dir feg es,
Nie kein Stäubchen dir erreg es,
Ja, und mach' ich dir's zu kraus,
Feg auch mich als Kehricht aus!

Friedrich Rückert

Rückert,
Friedrich, Dichter, *Schweinfurt 16.5. 1788, Neuses
(heute zu Coburg) 31.1. 1866; Professor der orientalischen
Sprachen in Erlangen und Berlin; schrieb vaterländische
�Deutsche Gedichte� (1814, darin: �Geharnischte Sonette�),
den Zyklus �Liebesfrühling� (1823), �Haus- und Jahrespoesie�, �Kindertotenlieder� (aus dem Nachlass 1872, vertont von G.Mahler, 1902). Seine eigentliche Leistung ist die Erschließung der persisch-arabischen Dichtung durch sein Sprach-, Reim- und Übersetzertalent. Seine �Weisheit des Brahmanen� (6Bände, 1836-39) fasst in der Form des klassizistischen Alexandriners östliche und westliche Lebensweisheit zusammen.

(c) Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG, 1999


Gerlinde antwortete am 31.01.01 (11:16):

Februar


Die Dohlen übern Baumschlag schrein.
Es fegt der Wind den Himmel rein.
Der Schlitten schellt, das Tannicht rauscht,
die Magd aus stiller Kammer lauscht.
Der Knecht fährt mit dem Holz zu Tal,
viel Narren hat der Karneval.
Schon färbt sich rost der Haselstrauch,
am Fenster friert der Atemhauch.
Was Matheis und Sankt Peter macht,
das bleibt noch so durch vierzig Nacht.
Der Riegel knirscht - o Heimlichkeit!
Jetzt ist der Frühling nimmer weit!




Josef Weinheber

Ich wünsche allen Poesiefreunden einen schönen Februar!


Heidi antwortete am 01.02.01 (09:06):

Danke, Gerlinde :-)
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Leider ist es noch:

Winter

Baumläuferchen, das feine,
Mit seinem Stimmchen hell,
Zaunkönig auch, der kleine,
Der niedliche Gesell,

Die zierlich zarten Meisen,
Goldhähnchen, winz'ges Ding -
Mag auch die Welt vereisen,
Sie schätzen es gering!

Sie zieh'n durch Waldesräume
Mit leisem "Sit, sit, sit,"
Durchsuchen Busch und Bäume
Und nehmen stets was mit.

Zaunkönig gar, der kecke,
Hebt jubelnden Gesang,
Ob auch des Seees Decke
Vom Hauch der Kälte sprang:

"Bald wird die Sonne scheinen,
Du Winter musst hinaus!
Wir Kleinen und wir Feinen,
Wir lachen froh Dich aus!"

Heinrich Seidel
-------

aber bald kommt der:

Frühling

Was rauschet, was rieselt, was rinnet so schnell?
Was blitzt in der Sonne? Was schimmert so hell?
Und als ich so fragte, da murmelt er Bach:
"Der Frühling, der Frühling, der Frühling ist wach!"

Was knospet, was keimet, was duftet so lind?
Was grünet so fröhlich? Was flüstert im Wind?
Und als ich so fragte, da rauscht es im Hain:
"Der Frühling, der Frühling, der Frühling zieht ein!"

Was klingelt, was klaget, was flötet so klar?
Was jauchzet, was jubelt so wunderbar?
Und als ich so fragte, die Nachtigall schlug:
"Der Frühling, der Frühling!" - da wusst' ich genug!

Heinrich Seidel


Eva antwortete am 01.02.01 (10:16):

Zu meinem Vergnügen ist mir wieder einmal die Friederike
KEMPNER untergekommen - der "Schlesische Schwan" (1836 -
1904), deren soziale Anliegen durchaus ernstzunehmen waren;
aber es ist die unfreiwillige Komik ihrer Lyrik,die ihren
Werken zu vielen Auflagen verhalf.

Die Poesie

Die Poesie, die Poesie,
Die Poesie hat immer Recht,
Sie ist von höherer Natur,
Von Übermenschlichem Geschlecht.

Und kränkt ihr sie, und drückt ihr sie,
Sie schimpfet nie, sie grollet nie,
Sie legt sich in das grüne Moos,
Beklagend ihr poetisch Loos !


Herbertkarl Hüther antwortete am 01.02.01 (11:47):


so

empfinden von gewicht
tausend tonnen
tragen dich

vernuft durch unvernunft
verstand durch unverstand
irreduzibel ipsismus

kuehle waerme
ueber den leib

das streichen des windes
wie harfengesang

fluegelschlags ueber den grund
erdwaerts im tornado

hkh


Heidi antwortete am 01.02.01 (11:54):

mal ein Chanson - gerade gehört, passt zu vielen Themen hier in den Foren und auch sonst ...


Wenn uns nur Liebe bleibt
(Quand on n'a que l'amour)

wenn uns nur Liebe bleibt
ein Geschenk für zwei Waisen
zum Beginn der großen Reise
die uns nachhause treibt

wenn uns nur Liebe bleibt
für dich, für mich, meine Liebe
auf daß jeder Tag immer bliebe
der uns den Himmel zeigt

wenn uns nur Liebe bleibt
in jedem Schwur und Versprechen
nichts kann ihn zerbrechen
nicht mal Armut der Zeit

wenn uns nur Liebe bleibt
um all die Wunder zu bringen
die nur Sonnen gelingen
für die Stätten der Häßlichkeit

wenn uns nur Liebe bleibt
als einziger Grund
als einziger Bund
für die Ewigkeit

wenn uns nur Liebe bleibt
um mit den �rmsten zu leiden
um sie mit Wärme zu kleiden
trotz aller Erbärmlichkeit

wenn uns nur Liebe bleibt
für die Kraft zum Gebet
für alles Leid dieser Welt
wie ein Sänger der Zärtlichkeit

wenn uns nur Liebe bleibt
als die kleinste Chance
für die, die im täglichen Tanz
auf der Suche sind,
nach der Wahrheit

wenn uns nur Liebe bleibt
einen Weg zu behauen
selbst ein Schicksal zu bauen
trotz aller Unmöglichkeit

wenn uns nur Liebe bleibt
im Gespräch mit Kanonen
wie ein Lied, ein Chanson
bis das jede Trommel schweigt

dann Freunde, werden wir,
was wir sind, das erben wir
wenn uns nichts als Liebe bleibt
dann Freunde, gehört uns die Welt

Text-Jacques Brel/Klaus Hoffmann


Sieghard antwortete am 01.02.01 (14:47):

Wenn uns nur Liebe bleibt
(Quand on n'a que l'amour)
und nun danach folgendes

Heidi gewidmet

Schlaft, ihr Kinder dieser Erde,
jedem seine gute Nacht.
Träumt, dass alles besser werde,
besser über Nacht.
Träumt, es flögen alle Sorgen
einfach fort mit einem Schlag
Träumt, es wär der neue Morgen,
für die Welt ein neuer Tag.

Morgen soll es Frieden geben.
Morgen soll kein Krieg mehr sein.
Morgen soll das neue Leben
wärmen wie ein Sonnenschein.
Morgen sollt ihr nicht mehr zanken.
Morgen sollt ihr glücklich sein.
Morgen reißen wir die Schranken
zwischen Mensch und Menschen ein.

Schlaft, ihr Kinder dieser Erde
Mondlicht streichelt euer Haar.
Träumt, dass alles besser werde,
manchmal werden Träume wahr.
Schlaft ihr Kinder dieser Erde,
jedem seine gute Nacht.
Träumt, dass alles besser werde,
besser über Nacht,
besser über Nacht.
.


Gerlinde antwortete am 01.02.01 (19:23):

Einmal haben


Einmal haben
wir beide Hände voll Licht -
die Strophen der Nacht, die bewegten
Wasser treffen den Uferrand
wieder, den rauhen, augenlosen
Schlaf der Tiere im Schilf
nach der Umarmung - dann
stehen wir gegen den Hang
draußen, gegen den weißen
Himmel, der kalt
über den Berg
kommt, die Kaskade Glanz,
und erstarrt ist, Eis,
wie von Sternen herab.

Auf deiner Schläfe
will ich die kleine Zeit
leben, vergeßlich, lautlos
wandern lassen
mein Blut durch dein Herz.




Johannes Bobrowski


Heidi antwortete am 01.02.01 (21:19):

Schlaft, ihr Kinder dieser Erde...

- das ist schön, Sieghard - Danke!


Heidi antwortete am 01.02.01 (22:06):

geträumt...

ich denk mir eine Welt
mit sanften Hügeln, grünen Wiesen
mit kleinen Holzhütten im großen Garten
mit kleinen Kindern, die Blumen gießen
die in der Sonne auf Regen warten
sie tun was ihnen gefällt

ich denk mir eine Welt
mit gelbem Sand am blauen Meer
mit bunten Fischen und weißen Muscheln
die Kinder kommen zum Spielen her
sie liegen im warmen Sand und kuscheln
sie spielen wie's ihnen gefällt

ich denk mir eine Welt
mit einem grünen kühlen Wald
mit kleinen Vöglein in buntem Kleid
der Kinder Gesang durch die Bäume hallt
keines von ihnen kennt das Wort Leid
sie singen was ihnen gefällt

ich denk mir eine Welt
auf der es nur Kinder gibt
in allen Farben und alle sind klein
und keines von ihnen kennt das Wort Krieg
und keines will je erwachsen sein
sie bleiben wie's ihnen gefällt

ich denk mir eine Welt
mit Hügeln, mit Gärten, mit Blumen und Bäumen
mit Wald, mit Meer, mit Vögeln und Wiese
mit kleinen und großen Menschen, die träumen
von Freude, von Liebe und vom Paradiese
und leben wie's Gott gefällt

hl
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.. ich träume jetzt weiter, Gute Nacht an alle!