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THEMA:   Gedichte Kapitel VIII

 134 Antwort(en).

Webmaster begann die Diskussion am 02.02.01 (08:09) mit folgendem Beitrag:

Kapitel VIII ist wegen Überlänge von Kapitel VII an der Zeit. Kapitel 1-7 sind im Archiv zu finden, siehe URL unten.

(Internet-Tipp: /seniorentreff/de/diskussion/archiv4/archiv.html)


Koloman Stumpfögger antwortete am 02.02.01 (08:27):

Roter Faden

Im Labyrinth
der tausend Wirklichkeiten
nützt keine Scharfsinn;

Nur Weissheit das Traums,
Leichtigkeit
und Fledermausklugheit

von Catarina Carsten


Heidi antwortete am 02.02.01 (08:28):

Gedichte sieben war schnell vorbei
Gedicht VIII hier nun ganz neu
zu Beginn ein altes, schon mal geschrieben
einen schönen Tag wünsch' ich, Ihr Lieben

:-))

Ein "schönes" Gedicht

ein schönes Gedicht, sagst Du?
Ich weiss nicht mir fällt grad keins ein
oder warte - doch
Es ist schön

dass es Menschen gibt, die zuhören
Menschen, die verstehen
Menschen, die trösten
und nicht von dir gehen

dass nicht alles schlecht ist
in dieser Welt
dass die Sonne scheint
und uns am Leben hält

dass die Blumen blühn
und der Regen fällt
dass sie doch sehr schön ist
unsere Welt

hl


Sieghard antwortete am 02.02.01 (08:53):

aha, der Anfang ist gemacht
für Gedichte acht
.
.


Sieghard antwortete am 02.02.01 (08:57):

Das virtuelle Du
Das virtuelle Du ist eine Möglichkeit
wo Menschen Angst abbauen, Ent-
fremdung aufheben und keine über-
zogenen Rollen spielen. Die Du-Anre-
de hilft dem Menschen das zu sein,
was er wirklich ist.

Wer sich nicht schön findet, möchte es
mit besonderer Kleidung wettmachen.
Wer meint, nicht klug genug zu sein,
versucht, sich durch die Art seines
Auftretens in Szene zu setzen. Man
versucht, seine Minderwertigkeitsge-
fühle auf die eine oder andere Art zu
kompensieren.

Das macht das Leben kompliziert.
Das macht die Wege, auf denen Men-
schen gehen, unübersichtlich. Man
verwandelt den Umgang miteinander
in einen ständigen Konkurrenzkampf.

Seid so einfach wie ihr könnt. Versucht
nicht, aus euch etwas zu machen, was
ihr nicht seid. Es fängt mit den Worten
an: Sag doch einfach Du zu mir.
.
.


Herbertkarl Hüther antwortete am 02.02.01 (11:22):



Als Er Sie schlafend funde.

Hier liegt das schöne Kind / in ihrer süssen Ruh /
Sie bläst die schöne Lufft / von welcher ich mich quähle
biß an die Seele selbst / durch ihre süße Kehle;
Hier liegt das schöne Kind / und hat die Augen zu.
Streu Rosen ümm Sie her / du sanffter Zefyr du /
mit Nelcken untermengt / daß ihr Geruch vermähle
mit ihrem Ahtem sich / dieweil ich leise stehle
so manchen Kuß von Ihr. Silenus sprich kein Muh!
St! Satyr / weg / Sylvan! geht weit von diesem Bache
daß meine Seele nicht von eurer Stimm' erwache.
Klitzscht in die Hände nicht / ihr schlipfrigen Napeen.
Schlaf / Schatz ich hüte dein. Schlaf / biß du selbst erwachest /
So wirst du wachend thun / was du im Schlafe machest.
Mir auch träumt itzt mit dir / als solt ich vor dir stehn.

Paul Fleming

Fleming, Paul (1609-1640), Dichter. Er ist einer der originellsten Dichter des Barock innerhalb der deutschen Literatur.
Fleming wurde am 5.�Oktober 1609 in Hartenstein (Erzgebirge) geboren. Seine große Begabung stieß bereits frühzeitig auf Förderung: Nach einer Ausbildung an der Leipziger Thomasschule konnte er an der dortigen Universität Medizin studieren. 1631 wurde Fleming zum Dichter gekrönt (siehe Dichterkrönung).
Einer seiner Lehrer, Adam Olearius, ermöglichte ihm die
Teilnahme an einer Reise zur Erschließung eines neuen
Handelsweges über Riga, Nowgorod und Moskau in den
Nahen Osten (1633-1639). Diese jedoch war nicht erfolgreich.
Danach promovierte Fleming 1640 in Leiden zum Doktor der
Medizin. Seine Sammlung von Liebesgedichten Rubella seu
Suaviorum liber�I (1631; Rubella oder das erste Buch der Küsse) steht noch ganz in der Tradition Francesco Petrarcas. Fleming selbst sah sich als Schüler von Martin Opitz, dessen Person und Verskunst er in seiner Leipziger Zeit kennen gelernt hatte.
Daneben schrieb er diverse Beerdigungs-, Hochzeits-, Trink-
und Gelegenheitsgedichte, aber auch geistliche und patriotische Lieder. Er starb am 2.�April 1640 in Hamburg auf der Reise zu seiner Verlobten nach Reval. Erst nach seinem Tod zeigte sich die ganze Fülle seines Werkes: Die Teutschen Poemata (1646) versammeln neben zahlreichen deutschsprachigen Texten auch neulateinische Gedichte bzw. Epigramme.


"Fleming, Paul," Microsoft� Encarta� Enzyklopädie 2000.
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Helga antwortete am 02.02.01 (15:59):

Seht meine lieben Bäume an,
Wie sie so herrlich stehn,
Auf allen Zweigen angetan
Mit Reifen wunderschön!

Von unten an bis oben'naus
Auf allen Zweigelein
Hängt's weiß und zierlich, zart und kraus,
Und kann nicht schöner sein;

Und alle Bäume rund umher,
All alle weit und breit,
Stehn da, geschmückt mit gleicher Ehr,
in gleicher Herrlichkeit.

Matthias Claudius

Als jüngst die Nacht dem sonnenmüden Land
Der Dämmerung leise Boten hat gesandt,
Da lag ich einsam noch in Waldes Moose.
Die dunklen Zweige nickten so vertraut,
An meiner Wange flüsterte das Kraut,
Unsichtbar duftete die Heiderose.

Ringsum so still, daß ich vernahm im Laub
Der Raupe Nagen, und wie grüner Staub
Mich leise wirbelnd Blätterflöckchen trafen.
Ich lag und dachte, ach, so manchem nach,
Ich hörte meines eignen Herzens Schlag,
Fast war es mir, als sei ich schon entschlafen.

Annette von Droste-Hülshoff


Helga antwortete am 02.02.01 (16:27):


Warten können
sich bereit halten
für das, was kommen soll
was werden wird

Erwartung
offen aushalten
frei sein


Vor der Einsamkeit
nicht fliehen
in die Einsamkeit
sich nicht flüchten

sich von Zeit zu Zeit
suchen
und
aushalten
und
der Heilung
eine Chance geben


Verwundbar
widerstandsfähig
faszinierend
geheimnisvoll

die Schöpfung und alles
was zum Werden
bestimmt ist.


Wir erklären uns zu oft
gegenseitig
vieles wäre einfacher
mancher Wunden bedürfe es nicht

das Schweigen
unserer Betroffenheit
verrät
uns.



Ich weiß um ein Geschenk
mich fallenlassen zu dürfen
und nicht zu stürzen

nur so
vermag ich
immer wieder
aufzustehen.


Margot Bickel


Eva antwortete am 02.02.01 (19:58):

"Gedankensplitter" -

Soles occidere et redire possunt; nobis cum semel occidit
brevis lux - nox est perpetua una dormienda.

Catullus


Heidi antwortete am 02.02.01 (20:31):

:-) ist einer von den "Lateinern" so nett?


Brita antwortete am 02.02.01 (21:07):

Freude

Heut' bin ich froh, heut' find' ich's gut
Ich habe wieder neuen Mut

Was ist gescheh'n, wo kommt das her?
Es war doch gestern noch so schwer

Ich hab' getrunken ein Glas Wein
Und dann geschlafen wie ein Stein

Bis ich dann fröhlich aufgewacht
Nach einer traumerfüllten Nacht.


Heidi antwortete am 02.02.01 (22:09):

Mythos der Cherokee: Zur Zeit der Schöpfung erhielt der Weiße Mann einen Stein und der Indianer ein Stück Silber. Da der Weiße Mann den Stein für nichts achtete, warf er ihn fort. Der Indianer, dem das Silber ähnlich wertlos erschien, warf es ebenfalls fort. Später nahm der Weiße Mann das Silber und benutzte es als eine Quelle materieller Macht. Der Indianer nahm den Stein und verehrte ihn als eine Quelle heiliger Macht. Denn für ihn ist die kosmische Kraft eingeschlossen in einem gewöhnlichen Stein.

Ich halte diesen Türkis-Stein
in meinen Händen.
Meine Hände halten den Himmel,
gestaltet in diesem kleinen Stein.
Da steht eine Wolke am äußersten Rand.
Und die Welt liegt irgendwo darunter.
Ich wende den Stein,
und der Himmel weitet sich.
Dies ist die heitere Klarheit,
die nur in Steinen möglich ist,
der Ort eines Gefühls,
zu dem man gehört.
Ich bin glücklich,
wie ich diesen Himmel halte
in meinen Händen,
in meinen Augen
und in mir selbst.

(Simon J.Ortiz, Pueblo, geb.1941) aus "Indianischer Sonnengesang" /Rudolf Kaiser


E.M.König-Roeder antwortete am 02.02.01 (23:04):

Liebe Heidi, ich finde Ihre Gedichte und andere Beiträge einfach umwerfend, wo und wie können Sie dies nur alles hier hereinbringen? Das muss doch Stunden dauern. Ich hätte gerne, dass Sie einmal wieder ins diskussionsforum, abtlg, Gesundheit hereinschauen. Sie haben damals so gut über das Thema Sterbehilfe geschrieben, nun ist Schmerztherapie dran, niemand hat mir dazu etwas zu sagen, Sie vielleicht?Vielleicht darf man in diese Rubrik so etwas garnicht schreiben? Gruss, Eva


Wolfgang antwortete am 03.02.01 (10:35):

Februar

In dem Gitternest der Zweige,
in der rauhen Rinde,
unter harten Wächterhüllen,
tief in Knospenträumen,
schlafen zarte Blütensonnen
bis zum jüngsten aller Frühlingstage,
wenn alles frisch
empor ans Licht
hervorbricht:
Sehet, sehet, alles wird neu -
sehet, sehet, alles wird dann wieder neu!


Der Wind weht wo er will und du hörst sein Brausen wohl. - Zwölf atmosphärische Lieder, ein Jahreszyklus für Kinder. Text und Melodien von Hans Zimmermann
https://home.t-online.de/home/03581413454-0001/wind.htm

(Internet-Tipp: https://home.t-online.de/home/03581413454-0001/wind.htm)


Herbertkarl Hüther antwortete am 03.02.01 (13:35):



Für eine Jungfrau.

Der Mäy der kömmt gegangen
und hat die schönen Wangen
mit Blumen außgemahlt.
Das Leid der langen Fröste
wird durch die warmen Weste
mit Wollust reich bezahlt.

Auch euer Tag der liebe /
will gantz nicht sehen trübe /
stellt sich erfreuter ein.
Und / alles / was wir fragen /
das sagt in einem sagen /
Ihr sollt gebunden seyn.

Drüm wils auch mir gebühren /
daß ich euch helffe ziehren.
Nehmt dieses schlechte Band.
Ihr Wünsche / die ich schicke /
habt mehr / als ich Gelücke /
und schlingts ihm ümm die Hand.

Ich bitte seinetwegen
von Gott ihm so viel Seegen /
als Stern am Himmel stehn;
als Zweige sind in Wäldern;
als Kräuter auff den Feldern;
als Fisch im Meere gehn.

Paul Fleming


Evelyn antwortete am 03.02.01 (17:45):

Von einer Jungfrau

sooft ich vor dem spiegel steh
seh ich darin gequält
ein weib das sich von kopf bis zeh
für unansehnlich hält
zum beispiel mit frisur und rock
beim five o`clock.

fühlt es sich wie ne graue maus
wird es darauf bestehn
wer ihm begegnet weicht ihm aus
weil er ne maus gesehn-
ein mann kämmt sich nur glatt- nicht mehr-
schon ist er wer.

so viel verlorne lebenszeit
aufs spiegelbild gegafft.
da wirds allmählich höllisch zeit
dass sichs ein image schafft
und leistet sich statt eitelkeit
mal etwas schneid:

lebt endlich seinen eignen stil
und wer da applaudiert
bedeutet ihm genau so viel
wie einern,dens geniert
nur neidisch weil das weib nen draht
zur freiheit hat.

Vergebung für den Atemzug ins Profane.Das nächste Mal übersetz ich ,wenns kein andrer tut (Eva) den Catull.Evelyn


Heidi Lachnitt antwortete am 03.02.01 (18:35):

noch ein Ausbruch aus unserer schönen (heilen) Gedichtewelt:

niemand, der wacht...

So erbärmlich kann ein Leben enden
unter Qual und Schmerzen
im Nebel von Medikamenten
allein in der Nacht
und keiner, der wacht

niemand hat dich begleitet aus diesem Leben
niemand spendete dir den letzten Segen
die Tochter starb an deiner Pflege
ihr Mann ging seine eigenen Wege

du warst allein, allein in der Nacht
und keiner hat gewacht

hl

Für Frau ..., die am 3. Februar 2001 um 2.00h nachts tot in ihrem Bett gefunden wurde.


Heidi antwortete am 03.02.01 (18:50):

Zurück zu meinem Lieblingsthema :-))

Weil

Weil du die Tage
zu Schiffen machst,
die ihre Richtung kennen.

Weil dein Körper
lachen kann.

Weil dein Schweigen
Stufen hat.

Weil ein Jahr
die Form deines Gesichts annimmt.

Weil ich durch dich verstehe,
daß es Anwesenheit gibt,

liebe ich dich.

Walter Helmut Fritz


Ilse Wedelstaedt antwortete am 03.02.01 (18:55):

"Gedankensplitter": Jetzt reicht's mir! Ich ärgere mich, daß ich die Übersetzung nur unvollständig hin bekomme und werde mir nächste Woche ein Latein-Lexikon kaufen, wie ich es schon lange vor hatte. Danke für den Schubs, Eva!


Brita Kessler antwortete am 03.02.01 (19:06):

Ich muss ganz herzlich lachen, wenn ich diese Zeilen lese.

Der Heimweg

Ein Mensch, aus purer Höflichkeit,
Begleitet einen andern weit.
Nur manchmal, mitten unterm Plaudern
Bleibt er kurz stehn und scheint zu zaudern.
Dann waten die zwei Heimbegleiter
In ihrem Tiefsinn wieder weiter.
Nur manchmal zögert jetzt der andre,
Als wüßt er nicht, wohin man wandre.
Dann aber folgt er, mild entschlossen,
Dem wegbewußteren Genossen.
Nun stehn sie draußen vor der Stadt,
Wo keiner was verloren hat.
Moral: (Zur Zeit- und Stiefelschonung)
Man frage vorher nach der Wohnung!

Eugen Roth


Herbertkarl Hüther antwortete am 03.02.01 (19:26):



nach langem suchen im internet gefunden:
(((((((((-:

man nehme gedichtzeile 4 - 6
ueberschrift im deutschen gedicht dann weglassen



Leben, Lieben, Küssen!




Laß uns, Lesbia, leben, laß uns lieben


und für alles Gezeter strenger Greise


laß uns nicht einen einz�gen Heller geben!


Sonnen sinken und können wiederkehren:


doch wenn unseres Lebens kurzes Licht losch,


deckt die ewige, eine Nacht uns Schläfer.


Gib mir tausend und aber hundert Küsse,


dann noch tausend und nochmals hundert Küsse,


noch ein Tausend und wieder hundert Küsse!


Wenn vieltausend von Küssen dann beisammen,


flugs vergessen, getilgt die Summe, daß ja


keiner scheel sie besähe und uns schade,


wenn er sämtlicher Küsse Zahl gefunden!


Otto Weinreich (1960)




1
Vivamus, mea Lesbia, atque amemus

2
rumoresque senum severiorum

3
omnes unius aestimemus assis!

4
Soles occidere et redire possunt:

5
Nobis cum semel occidit brevis lux,

6
nox est perpetua una dormienda.

7
Da mi basia mille, deinde centum,

8
dein mille altera, dein secunda centum,

9
deinde usque altera mille, deinde centum.

10
Dein, cum milia multa fecerimus,

11
conturbabimus illa, ne sciamus

12
aut ne quis malus invidere possit,

13
cum tantum sciat esse basiorum.


Beate antwortete am 03.02.01 (19:54):

Ich hoffe Herbertkarl hat das nicht selbst übersetzt und ich blamiere mich jetzt mit meinem Übersetzungs-Vesuch von "Gedankensplitter"!
(Habe jetzt 4mal versucht es mit Word optisch schöner zu gestallten und bin abgestürzt. Jetzt bleibt es so unordentlich!)

Soles Sonne
occidere niederfallen
et und
redire
possunt; hinlagern, hinstrecken, wir
nobis gib, geben
cum mit
semel einmal
occidit fallen
brevis klein, kleines
lux - Licht
nox Nacht
est ist
perpetua auf Ewig, beständig
una zusammen, zugleich oder eine
dormienda schlafen

(reditus solis Kreislauf der Gestirne)


Gerlinde antwortete am 03.02.01 (21:53):

Weit über den Ozean
Dorthin, wo die Meeressaat wächst
Schaue ich
Du bist so nah
Aber um dich zu sehen, geht das Auge
Zum Horizont
Tiefer
Um dich zu erreichen, bedarf es einer gewaltigen Geste
Geformt vom Wechsel der Jahre
Die einfache Musik
Ist leiser, doch weniger matt
Als die Stille
Dort, wo du bist.


Sieghard antwortete am 03.02.01 (22:06):

sah den Catull-Spruch erst jetzt,
hier mein Vorschlag:

soles occidere et redire possunt;
nobis cum semel occidit brevis lux -
nox est perpetua una dormienda

Sonnen können untergehen und zurückkommen
während uns [nur] einmal kurzes Licht untergeht
die Nacht ist ewig eine schlafend


---------------------------------------------------

soles Sonnen
occidere untergehen
et und
redire zurückkommen
possunt sie können
nobis uns
cum während (cum adversativum)
semel einmal
occidit untergehen
brevis kurz
lux Licht
nox Nacht
est ist
perpetua ewig
una eine
dormienda schlafend
.


Heidi antwortete am 03.02.01 (23:44):



Welcher Lebendige,
Sinnbegabte,
Liebt nicht vor allen
Wundererscheinungen
Des verbreiteten Raums um ihn
Das allerfreuliche Licht -
Mit seinen Strahlen und Wogen
Seinen Farben,
Seiner milden Allgegenwart
Im Tage.
Wie des Lebens
Innerste Seele
Atmet es die Riesenwelt
Der rastlosen Gestirne
Die in seinem blauen Meere schwimmen,
Atmet es der funkelnde Stein,
Die ruhige Pflanze
Und der Tiere
Vielgestaltete,
Immerbewegte Kraft -

Novalis (1772-1801)


Eva antwortete am 04.02.01 (10:03):

Ich warf einen Stein in den Teich - und welche Wellen er schlug ... hier meine Übersetzung (aber ich bin ebenfalls
eine miserable Lateinerin) für alle, besonders für Herbert,
Sieghard und Heidi, die ich rückhaltlos bewundere :

Sonnen gehen unter und erstehen aufs Neue,
aber wenn unser kurzes Licht verlöscht, ist die
Nacht ein ewiger Schlaf. -

Ich bitte die Verspätung zu entschuldigen, aber ich war
kurz abwesend. -

Ich habe neulich wieder den alten Homer hervorgeholt und
bin begeistert wie eh und je. Seine Sentenzen sind für das
Forum zu lang, aber hier einen herrlichen Heine :

Poseidon

Die Sonnenlichter spielten / über das weithinrollende Meer;
Fern auf der Reede glänzte das Schiff,
Das mich zur Heimat tragen sollte;
Aber es fehlte an gutem Fahrtwind,
Und ich saß noch ruhig auf weißer Düne / am einsamen Strand. / Und ich las das Lied vom Odysseus,
Das alte, ewig junge Lied, / Aus dessen meerdurchrauschten
Blättern / Mir freudig entgegenstieg / Der Atem der Götter, / Und der leuchtende Menschenfrühling ,
Und der blühende Himmel von Hellas.

Mein edles Herz begleitete treulich / den Sohn des Laertes,
In Irrfahrt und Drangsal, / Setzt sich mit ihm,
seelenbekümmert, / an gastliche Herde, / Wo Königinnen
Purpur spinnen, / Und half ihm lügen und glücklich
entrinnen / Aus Riesenhöhlen und Nymphenarmen,
Folgte ihm nach in kimmerische Nacht, / Und in Sturm und
Schiffbruch, / Und duldete mit ihm unsägliches Elend.

Seufzend sprach es :Du böser Poseidon, / Dein Zorn ist
furchtbar, / Und mir selber bangt / Ob der eigenen
Heimkehr. "

Kaum sprach ich die Worte, / Da schäumte das Meer,
Und aus den weissen Wellen stieg / Das schilfbekränzte
Haupt des Meergotts, und höhnisch rief er :

"Fürchte dich nicht,Poetlein ! / Ich will nicht im
geringsten gefährden / Dein armes Schiffchen,
Und nicht dein liebes Leben beängstigen / Mit allzu
bedenklichem Schaukeln. / Denn du, Poetlein, hast nie
mich erzürnt, / Du hast mir kein einziges Türmchen
verletzt / An Priamos heiliger Feste, / Kein einziges
Härchen hast du versengt / Am Aug� meines Sohnes
Polyphemos, / Und dich hat niemals rasend beschützt
Die Göttin der Klugheit, Pallas Athene."

Also rief Poseidon / Und tauchte zurück ins Meer;
Und über den groben Seemannswitz / Lachten unter dem Wasser / Amphitrite, das plumpe Fischweib,
Und die dummen Töchter des Nereus.


Herbertkarl Hüther antwortete am 04.02.01 (12:01):



novalis, auch gut (((:

Hymnen an die Nacht

[6.]

Hinunter in der Erde Schoos
Weg aus des Lichtes Reichen
Der Schmerzen Wuth und wilder Stoß
Ist froher Abfahrt Zeichen.
Wir kommen in dem engen Kahn
Geschwind am Himmelsufer an.

Gelobt sey uns die ewge Nacht,
Gelobt der ewge Schlummer,
Wohl hat der Tag uns warm gemacht
Und welk der lange Kummer.
Die Lust der Fremde gieng uns aus
Zum Vater wollen wir nach Haus.

Was sollen wir auf dieser Welt
Mit unsrer Lieb' u[nd] Treue �
Das Alte wird hintangestellt,
Was kümmert uns das Neue.
O! einsam steht und tiefbetrübt
Wer heiß und fromm die Vorzeit liebt.

Die Vorzeit wo die Sinne licht
In hohen Flammen brannten,
Des Vaters Hand und Angesicht
Die Menschen noch erkannten,
Und hohen Sinns, einfältiglich
Noch mancher seinem Urbild glich.

Die Vorzeit wo an Blüthen reich
Uralte Stämme prangten,
Und Kinder für das Himmelreich
Nach Tod u[nd] Qual verlangten
Und wenn auch Lust u[nd] Leben sprach
Doch manches Herz für Liebe brach.

Die Vorzeit, wo in Jugendglut
Gott selbst sich kundgegeben
Und frühem Tod in Liebesmuth
Geweiht sein süßes Leben
Und Angst und Schmerz nicht von sich trieb
Damit er uns nur theuer blieb.

Mit banger Sehnsucht sehn wir sie
In dunkle Nacht gehüllet
Und hier auf dieser Welt wird nie
Der heiße Durst gestillet.
Wir müssen nach der Heymath gehn
Um diese heilge Zeit zu sehn.

Was hält noch unsre Rückkehr auf �
Die Liebsten ruhn schon lange
Ihr Grab schließt unsern Lebenslauf
Nun wird uns weh und bange.
Zu suchen haben wir nichts mehr �
Das Herz ist satt, die Welt ist leer.

Unendlich und geheimnisvoll
Durchströmt uns süßer Schauer
Mir däucht aus tiefen Fernen scholl
Ein Echo unsrer Trauer
Die Lieben sehnen sich wol auch
Und sandten uns der Sehnsucht Hauch.

Hinunter zu der süßen Braut,
Zu Jesus dem Geliebten,
Getrost die Abenddämmrung graut
Den Liebenden Betrübten.
Ein Traum bricht unsre Banden los
Und senkt uns in des Vaters Schoos.

Novalis

Novalis,
eigentlich Georg Philipp Friedrich Freiherr von Hardenberg,
*Oberwiederstedt (heute zu Wiederstedt, Kreis Mansfelder
Land) 2.5. 1772, Weißenfels 25.3. 1801; bedeutendster
Lyriker und Prosadichter der deutschen Frühromantik;
1790-94 Studium in Jena, Leipzig und Wittenberg; befreundet
mit F.Schiller, den Brüdern Schlegel und L.Tieck. Er wurde
entscheidend durch den deutschen Idealismus beeinflusst.
1795 verlobte er sich mit der 13-jährigen Sophie von Kühn,
deren früher Tod (1797) seine mystischen Neigungen verstärkte und deren Verlust fortan eine zentrale Rolle in seinem Schaffen spielte. 1797 besuchte er die Bergakademie in Freiberg; 1798 verlobte er sich mit Julie von Charpentier (*1776, �1811); Begegnungen mit Goethe, Jean Paul und Herder.1799 wurde er zum Salinenassessor, wenig später zum Amtshauptmann ernannt.

Der �magische Idealismus� des Novalis, das Streben nach
Wiedergewinnung der Ureinheit des Seins, nach der Einheit von Natur, Seele, Poesie, Religion, spricht sich in dem Romanfragment �Die Lehrlinge zu Sais� (1802) sowie in Aphorismen und Notizen aus, die er u.a. in Tagebüchern niederschrieb und von denen zu seinen Lebzeiten nur eine Auslese als �Blütenstaub� in F.Schlegels �Athenäum� (1798) erschien, sowie dichterisch in dem Romanfragment �Heinrich von Ofterdingen� (1802), in dem das Symbol der blauen Blume eine bedeutende Rolle spielt.

Der Zyklus �Hymnen an die Nacht� (1800) besteht aus sechs sich steigernden Gedichten, in denen der Eros ins Mystisch-Religiöse erhöht, die Nacht als Reich der Poesie verherrlicht und subjektive Todesüberwindung mit der Auferstehung Christi in Parallele gesetzt wird. Innig und schlicht sind seine �Geistlichen Lieder�. In dem Aufsatz �Die Christenheit oder Europa� (geschrieben 1799,
herausgegeben 1826) erhoffte er vom Universalismus der
mittelalterlichen Kirche die Wiedergeburt eines geeinten
christlichen Europa.

(c) Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG, 1999


Wolfgang antwortete am 04.02.01 (14:11):

Da versink' ich ja in Ehrfurcht - Catull, Novalis... :-) Vielleicht mal etwas "Gebrauchslyrik" (wer eine Übersetzung braucht, wende sich vertrauensvoll an mich):

Februar (von Irmes Eberth)

Mir is de Monad Februar
de hoffnungsvollst' vom ganze Jahr.
Von Doch zu Doch, wenn aa ni schnell,
werd's um e Stückche mehr noch hell.

Guck ich emol zum Fenster naus,
merk' ich, es siehd nach Frühling aus;
denn üwwer Baum und üwwer Strauch
liechd zärdlich-rosa-grau'n Hauch.

's gehd nauszus, soche jetz die Alde.
Wie gern will ich mich do dro halde!

aus: Günter Goepfert (Hrsg.), Bayerische Glückwünsche in Vers, Reim, Prosa und Liedern, München 1994


Heidi antwortete am 04.02.01 (21:14):

Drei Gedichte von Paul Boldt (1885 - 1921) - gefunden unter untenstehender Adresse

Vorfrühlingshimmel

Blätter wollen im Winde fliegen,
Winde die Chaussee begleiten,
Wolken sich auf Winden wiegen,
Taumelnde Beschwerlichkeiten. -

Und ich komme, seltsam kühn,
Und als ob ich nicht Ich wäre,
Aus den Winden, Avenuen,
Mehr in das Imaginäre.

*********
Lyrik

Wie Wellen fallen, wollen wir es halten,
Die ewig springen mit Elan ans Land.
Zwecklos. So sollen immer überrannt
Die dumpfen Dinge sich nach uns gestalten.

Hasse die Unkunst aller Atemalten!
Gebäre Verse - Schreie, nervgespannt!
Laß Worte anglühn in der Reime Brand
Und dunkeln von Gefühl, wenn sie erkalten.

Schreib kräftig, grade; gib dem Worte viel,
Dem Vers die Worte wie der Brücke Joche.
Die runde Zahl der Tage ist die Woche!

Arbeite und forciere deinen Stil!
Bete zu Nietzsche! Spanne dich mit Verven
Des Croisset-Christus, Jesus unsrer Nerven.


Erstveröffentlichung: Die Aktion Bd. 3, Jg. 1913, Nr. 36 (6. Sept.)
Erläuterungen:
Croisset. Gustave Flaubert (1821 - 1880) hat lange Jahre seines Lebens in
Croisset (bei Rouen) gelebt und ist dort gestorben. Er strebte in seiner
�sthetik und seinem literarischen Werk nach dem Ideal einer reinen Kunst.

************

Wir Dichter

Wie Einsamkeit das Ich im Auge dämmt.
Du ist nicht feil, und Du beginnt zu fehlen.
Geh durch die Menge, um Lächeln zu stehlen,
Verbrauche deine Küsse ungehemmt -:

Ein Schrei wärmt dir den Leib! Zu sehr allein.
Es gibt nur dies, unser Blut-Hoch und Ja,
Unsere Kunst, das Labsal anima!
Das Herz bewegt sich in das Wort herein.

Von den Stummheiten sollen wir aufbrechen!
Nicht nur anjahren in der Existenz.
Von Antlitzfrauen aufreizend umschwiegen

Werden wir jetzt, einmal und wenigstens,
Die Herzensröte an den Lippen kriegen.
Unseren Dialekt des Menschen sprechen.


Erstveröffentlichung: Die Aktion Bd. 4, Jg. 1914, Nr. 50/52 (24. Dez.)
******
Über Paul Boldt (1885 - 1921), einen fast in Vergessenheit geratenen Dichter des deutschen Expressionismus, ist heute nur noch wenig in Erfahrung zu bringen - nicht einmal ein Foto existiert von ihm.
Der Sohn eines westpreußischen Gutsbesitzers studierte in München, Marburg und Berlin Philologie. Von der Grossstadt Berlin fasziniert und geblendet, brach er das Studium ab und veröffentlichte mit zunächst rasch wachsendem Erfolg ab 1912 Gedichte in der literarisch-politischen Zeitschrift �Die Aktion" (Hg. Fritz Pfemfert).
Fortan führte er ein unstetes, von Dirnen und Drogen geprägtes Leben (vgl. Rühmkorf). Ohne an der Front gewesen zu sein, wurde der Kanonier Boldt ca. 1916 wegen �Verwirrungszustand" aus der preußischen Armee entlassen.
1918 veröffentlichte Boldt sein letztes Gedicht und begann ein Medizinstudium.

Paul Boldt starb 1921 im Alter von 35 Jahren nach einer erfolgreichen Leistenbruchoperation in Freiburg im Breisgau an einer Embolie

(Internet-Tipp: https://www.marc-pendzich.de)


Heidi antwortete am 04.02.01 (21:18):

und damit mein Lieblingsthema nicht zu kurz kommt, noch ein Gedicht - für mlB - :-))

Morgenglück (von Eugen Roth)

Aneinander erwachen
Aus ahnendem Traum,
Die Augen aufmachen
In klingendem Raum.

Die Hände fühlen
Und schlafeswarm
Hinüberspülen
In deinen Arm.

So süß gebettet,
So Blut an Blut,
So sanft gerettet
Aus Nacht und Flut.

Im Grenzenlosen
So still zu zweit...
Der Tag weht Rosen
So leicht, so weit...


Siegmar antwortete am 05.02.01 (01:38):

nach drei tagen messe melde ich mich zurück.
ich habe wieder etwas gelernt, von einem dichter dem ich vor kurzem erst bewußt wurde;
Erste Geige:
Ich, in Schönheit dieser Welt verliebt,
beschenke sie mit meiner eignen Schöne,
Die Welt ist ohne Abgrund. Strömend gibt mein
Herz sich aus. Ich bin nur Lied : ich töne.
zweite Geige:
Mir, neben lichterm Wesen, ist verwehrt, ein Ich zu
haben. Nicht die Welt - doch fester und wirklicher
die Erd hat mich belehrt. Dort dunkelt es. Laß dich begleiten.
Bratsche:
Mein grauer Scheitel macht es mir zur Pflicht, den
Abgrund euch zu nennen. Wen ihr beide verschwistert
hingeht, kindliche, besticht selbst noch im Streit
um nichts. Ich aber leide.
Cello:
Ich weiß zutiefst, daß alles Schicksal ist, das
schön Getane und das Unerlöste.
Genießt und büßt !
Ich warne nicht. Ich weine mit. Ich tröste.


Siegmar antwortete am 05.02.01 (01:52):

sorry, ich hatte kein platz mehr für den autor.
Josef Weinhuber ( 1892 - 1945 ) ein �sterreicher, der vergessen wurde!


Sieghard antwortete am 05.02.01 (08:07):


Blumengärtner bin ich
trotz Steinen und Dornen
auf dem Weg des Lebens
mit Sternaugen
für den Blick auf Ewiges
mit Feueratem
für die alten Heilsworte
in meine Tagängste
.
.
.

---------------------------------

Wochenbeginn,
allen einen guten!
.


Sieghard antwortete am 05.02.01 (13:53):


Hyperions Schicksalslied

Ihr wandelt droben im Licht
Auf weichem Boden, selige Genien!
Glänzende Götterlüfte
Rühren euch leicht,
Wie die Finger der Künstlerin
Heilige Saiten.

Schicksallos, wie der schlafende
Säugling, atmen die Himmlischen;
Keusch bewahrt
In bescheidener Knospe,
Blühet ewig
Ihnen der Geist,
Und die seligen Augen
Blicken in stiller
Ewiger Klarheit.

Doch uns ist gegeben,
Auf keiner Stätte zu ruhn,
Es schwinden, es fallen
Die leidenden Menschen
Blindlings von einer
Stunde zur andern,
Wie Wasser von Klippe
Zu Klippe geworfen,
Jahrlang ins Ungewisse hinab...

[Friedrich Hölderlin 1770 - 1843]



1796, auf Empfehlung seines Freundes Baron
Isaac von Sinclair wird der junge Dichter Fried-
rich Hölderlin Hauslehrer in der Bankiersfamilie
Gontard in Frankfurt. Bald verlieben er und die
Hausherrin Susette sich ineinander. Der eifer-
süchtige Sinclair, der Hölderlin seit der Jenaer
Studienzeit liebt, erfährt von dem Verhältnis und
erzählt Gontard davon. Hölderlin wird entlassen.
Deutsche Literaten-Biografie von Nina Grosse
1998.

.


Herbertkarl Hüther antwortete am 05.02.01 (14:08):


Abschied von der Zeit


Konnt' ich doch sonst mich auferbauen,
Den lustigen Lauf der Welt beschauen,
Nun hör ich die politischen Schellen
Mir ewig vor den Ohren gellen,
Das Kleinste seh ich zuhöchst sich schwingen,
Als wolle der Staat die Welt verschlingen!

Wie fühl ich frei mich und beglückt,
Daß man noch Blumen auf Wiesen pflückt,
(In Gärten will sich's nicht mehr schicken,
Auch nur ein Blättchen zu zerknicken),
Daß jedem, welcher geht spazieren,
Man nicht den Paß erst läßt visieren,
Und nicht ihm, daß man ihn erkennt,
Die Hausnummer auf die Nase brennt.

Zwar dachte man an all das nie
Zur Zeit der alten Despotie,
Doch sind wir, sonstige Sklavenhorden,
Auf einmal liberal geworden
Und wissen in unserm Volksverein
Vor Freiheit weder wo aus noch ein!

O würde, was da lebt und handelt
In eine Papierfabrik verwandelt,
Und der Vogel, der in den Lüften segelt,
Nach Theorieen des Staats geregelt!

Doch, was die Zeit uns auch verspricht,
Natur! versiege du nur nicht!
Du Mächtige, Mannigfaltige, Reiche,
Versinke nicht ins flache Gleiche!
Doch du hast niemals mitbeschworen
Den Aberwitz beschränkter Toren,
Du strebtest nie, daß eins wie's andre,
Und gönnst, daß jeder in Frieden wandre;
Den Weisen hüllst du in dein Licht
Und gibst dem Schaf ein Schafsgesicht;
Der Mittelmäßigkeit Gewühle
Reibst du zu Staub in deiner Mühle
Und rufst, zu schalten weit und breit,
Das Große hervor von Zeit zu Zeit.

Erzieht nur, bildet unverdrossen,
Es spielt Natur euch allen den Possen!
Doch wird ein Esel euch geboren,
So kultiviert ihm ja die Ohren! -

Germania, Weib voll edler Zier,
Dein letzter Dichter steht vor dir;
Er spricht: �O laß dich nicht verführen,
Dich nicht in politische Ketten schnüren!
O laß dich länger nicht betreffen,
Ausländischem Dünkel nachzuäffen,
Um anzustaunen, um einzuholen,
Was abgeschliffen du an den Sohlen!

Du wußtest das Große sonst zu nähren
Und ließest einzelnes gern gewähren;
Es war dir Kraft und Fülle verliehen
Und wußtest nichts von Theorieen
Und zogst auf mannigfaltiger Spur,
Ein Bild der ewigen Natur!
Nun schlagen sie dich über einen Leisten,
Daß du seist, wie da sind die meisten.

Gescheh's denn, was du willig erkoren!
Und lebe wohl! du bist verloren;
Auf ewig schwörst du nun Vernichtung
Der alten Liebe, der alten Dichtung;
Und ach! dein Sänger kann allein
Auf Trümmern ein Jeremia sein.�

August von Platen

Platen,
August Graf von Platen Hallermund (Hallermünde),
Dichter, *Ansbach 24.10. 1796, Syrakus 5.12. 1835;
anfangs Offizier, studierte 181826 Jura, Philosophie
und Naturwissenschaften; ab 1826 in Italien; bedeutender
Lyriker, der das ästhetische Moment und die virtuose
Handhabung anspruchsvoller lyrischer Formen (Sonett,
Ode, Ghasel) in den Vordergrund stellt; daneben verfasste
er politische Gedichte, die seine freiheitliche Gesinnung
dokumentieren (�Polenlieder�, 1831/32 entstanden,
herausgegeben 1844). Breitere Wirkung hatte er nur mit
den von seinem Italienerlebnis geprägten Gedichten
(�Das Grab im Busento�, Ballade, 1820; �Sonette aus
Venedig�, 1825).

(c) Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG, 1999


Gerlinde antwortete am 05.02.01 (14:16):

Noch ein "Vergessener"


Ich bin ein Kind der Stadt


Ich bin ein Kind der Stadt. Die Leute meinen,
und spotten leichthin über unsereinen,
daß solch ein Stadtkind keine Heimat hat.
In meine Spiele rauschten freilich keine
Wälder. Da schütterten die Pflastersteine.
Und bist mir doch ein Lied, du liebe Stadt!

Und immer noch, sooft ich dich für lange
verlassen habe, ward mir seltsam bange,
als könnt`es ein besondrer Abschied sein;
und jedesmal, heimkehrend von der Reise,
im Zug mich nähernd, überläuft`s mich leise,
seh`ich im Dämmer deine Lichterreihn.

Und oft im Frühling, wenn ich einsam gehe,
lockt es mich heimlich raunend in die Nähe
der Vorstadt, wo noch meine Schule steht.
Da kann es sein, daß eine Straßenkrümmung,
die noch wie damals ist, geweihte Stimmung
in mir erblühen macht wie ein Gebet.

Da ist der Laden, wo ich Heft und Feder,
den ersten Zirkel und das erste Leder
und all die neuen Bücher eingekauft,
die Kirche da, wo ich zum ersten Male
zur Beichte ging, zum heiligen Abendmahle,
und dort der Park, in dem ich viel gerauft.

Dann lenk`ich aus den trauten Dunkelheiten
der alten Vorstadt wieder in die breiten
Gassen, wo all die lauten Lichter glühn,
und bin in dem Gedröhne und Geschrille
nur eine kleine, ausgesparte Stille,
in welcher alle deine Gärten blühn.

Und bin der flutend-namenlosen Menge,
die deine Straßen anfüllt mit Gedränge,
ein Pünktchen nur, um welches du nicht weißt;
und hab`in deinem heimatlichen Kreise,
gleich einem fremden Gaste auf der Reise,
kein Stückchen Erde, das mein Eigen heißt.



Anton Wildgans


Evelyn antwortete am 05.02.01 (17:55):

Gerlinde,war das Gedicht vom 3.2. nicht von Dir?Warum sagst Du,Du könntest nicht dichten?Tu es weiter.Evelyn


Eva antwortete am 05.02.01 (20:16):

Siegmar - "Weinheber, ein Autor, der vergessen
wurde ..." dies ist ein Satz, der trifft. Weinheber
ist nicht vergessen, es ist nur zur Zeit nicht opportun, von ihm zu sprechen. Er hat sich 1938 nicht gegen den
Anschluss von �sterreich an Deutschland gewehrt und hatte
Sympathien für den Nationalsozialismus, ohne sich in
irgendeiner Art engagiert zu haben. 1945 verübte er bei
Einmarsch der Russen Selbstmord. Ein mir Bekannter
schreibt z.Zt eine Dissertation über sein Werk - ein
politischer Eiertanz !!! - Seine volkstümlichen, im
Wiener Dialekt geschriebenen heiteren Gedichte sind noch
immer Allgemeingut, aber die ernste Lyrik wartet auf
neue Entdeckung. Hier eine Probe :

Ich werde dichten, wenn ich nicht mehr dichte,
ich werde hier sein, wenn ich nicht mehr bin.
Das Um und Auf, der Ablauf der "Geschichte"
vollzieht sich ohne mich, das geht so hin,

ob ich auch nicht dabei bin. Hier zerlebe
ich bloß die Welt in meiner Zeit. Ich kann
die Laute schlagen. Singen. Ich enthebe,
was eifernd da ist, seinem blöden Plan .

Ich war voüber, eh ich dies verhaßte
Geborenwordensein genossen hab,
im Durchgang freilich weder taub noch blind -

Ich werde nicht mehr sein. Das Angemaßte
geht rasch hinab. Doch Grab ist lang� nicht Grab.
Ich werde wieder sein, wenn Menschen sind.




Brita antwortete am 05.02.01 (20:44):

Eigentlich sage ich es zu mir:

Schließe Frieden
mit deinen Feinden,
heute noch -
und warte nicht
bis morgen.

Schließe Frieden
mit dir selbst,
bevor du einschläfst.

Schließe Frieden
mit Gott,
bevor du drüben aufwachst.

Schließe Frieden
noch heute -
und warte nicht,
bis es zu spät ist.

(Theologe Petrus Ceelen)


Brita antwortete am 05.02.01 (20:57):

Und noch ein paar Zeilen (Nachholbedarf)

Selbstsicher
treten wir auf.
Gut gekleidet,
verkleidet.

Das Leben ist
ein Theater.
Es gefällt uns,
wenn keiner
aus der Rolle fällt.

Und wenn wir es dann
über die Bühne
gebracht haben,
treten wir ab,
nackt.

(Petrus Celeen)


Heidi antwortete am 05.02.01 (21:01):

:-)

Liebesreime von Ricarda Huch

Mit meinem Liebchen Hand in Hand
Durchwandr' ich Tal und Berg und Land.
Voll Ruhe, nicht zu sagen.
O wäre in der ganzen Welt
Nur für ein Stündlein eingestellt
Das Morden und das Jagen,
Daß wir nicht müßten ganz allein
So friedenvoll und wunschlos sein.


Heidi antwortete am 05.02.01 (21:07):

auch von R.Huch

Begegnung
II

Unsre Herzen waren wie Geschwister,
Die zusammen lachten und sich härmten,
Wie verlaßne Kinder bang sich wärmten
An des Herdes heimlichem Geknister.


Vor des Lebens Macht und Grausamkeiten
Band sie gleicher Trotz und gleiches Weinen,
Nicht Geschick noch eignes Widerstreiten
Trennte je ihr magisches Sicheinen.
Steigt verschlungner Chor der Herzen alle
Wogenhoch auch über Süd und Norden -
Unverhofft begegnen sich im Schwalle
Deins und meins in zärtlichen Akkorden.


Heidi antwortete am 05.02.01 (21:13):

und zum Schluss:

MIT DIR, GOLDL�CHELNDEM

In meinem Herzen wächst ein Rosenzweig
Sein Duft berauscht so weich den Sinn.
Vernimm das Bächlein rauschendes
In meiner Grube tief im Kinn.
Und immer kommt die Nacht -
Nach ihr der Tag im kühlen Wolkenlinn'.
Springt eine Welle an den Strand
Ergreif ich sie ganz schnell mit meiner Hand.
Zu spiegeln mich - daß ich noch bin
Und du in meiner dunklen Pupill.
Dann schweben wir unmerklich still
Ins blaue Land empor beseligend traumhin -
(Else Lasker-Schüler)

alles aus untenstehender Adresse kopiert :-))

Für heute - gute Nacht!

(Internet-Tipp: https://members.aol.com/irenastasch)


Sieghard antwortete am 06.02.01 (09:04):

An einem Wintermorgen, vor Sonnenaufgang

....
Ich höre bald der Hirtenflöten Klänge,
Wie um die Krippe jener Wundernacht,
Bald weinbekränzter Jugend Lustgesänge;
Wer hat das friedenselige Gedränge
In meine traurigen Wände hergebracht?

Und welch Gefühl entzückter Stärke,
Indem mein Sinn sich frisch zur Ferne lenkt!
Vom ersten Mark des heutgen Tags getränkt,
Fühl ich mir Mut zu jedem frommen Werke.
Die Seele fliegt, so weit der Himmel reicht,
Der Genius jauchzt in mir! Doch sage,
Warum wird jetzt der Blick von Wehmut feucht?
Ists ein verloren Glück, was mich erweicht?
Ist es ein werdendes, was ich im Herzen trage?
- Hinweg, mein Geist! hier gilt kein Stillestehn:
Es ist ein Augenblick, und Alles wird verwehn!

Dort, sieh, am Horizont lüpft sich der Vorhang schon!
Es träumt der Tag, nun sei die Nacht entflohn;
Die Purpurlippe, die geschlossen lag,
Haucht, halbgeöffnet, süße Atemzüge:
Auf einmal blitzt das Aug, und, wie ein Gott, der Tag
Beginnt im Sprung die königlichen Flüge!

[Eduard Mörike 1804 - 1875]
.


Herbertkarl Hüther antwortete am 06.02.01 (10:57):


Das weiße Fräulein.

Es schlummert das Gregoriental
in tiefem Blumenschnee;
wie Silberkrönlein blitzen zumal
Maiblumen, Veiel und Klee.

Der Mond scheint bergesüber herein -
nun tropfen die Wälder von Licht;
es fließt wie ein fremder Heil'genschein
über den Landen dicht...


Ein Burggemäuer hängt an der Firn,
dort senkt der Pfad sich sacht;
und wie in heimatlosem Irr'n
tastet wer in die Nacht -


Zu Tale schwebt die feine Gestalt
mit ungehörtem Schritt,
und durch den mondesbeleuchteten Wald
wandelt ein Singen mit...


Es steht wie ein lachendes Warten auf Glück
um die Lippen der süßen Frau;
sie sucht in die Ferne, sie schaut nicht zurück,
sie tritt auf die Maienau.


Da rauscht ein Brünnlein mit zartem Getön,
sie setzt sich auf seinen Rand.
Die Tropfen gleiten ihr perlenschön
über die zitternde Hand -


Es löst das seltsame, hohe Weib
all ihrer Gewänder Pracht,
und neigt sich, und badet den blendenden Leib
im Brunnen verstohlen sacht...


Dann tut sie ihr jaspishelles Kleid
und Spangen und Kettlein an,
als rüste sie sich zu bräutlicher Zeit
und fühlte die Wonne nah'n...


Wie glasgesponnene Fäden fließt
ihr Ringelhaar, das sie strählt;
und von der sternhellen Aue liest
sie Maiblumen ungezählt...


Sie heftet die duftenden an ihr Kleid,
und flicht sich ein Krönlein und lacht -
spähend und harrend schaut sie weit
in die Mondesmitternacht.


Und leuchtend das Land, und silbern der Wald,
Maiblumengleich die Au',
und weiß umrinnt das Licht die Gestalt
der weißen harrenden Frau.


Sie singt nicht mehr - sie starrt weithin,
als ob sie durch Himmel und Land
ein Liebstes suchte mit fieberndem Sinn,
das sie doch nimmer fand...


Dann wendet sie sich - die Luft wird fahl,
die Sterne schwinden im Grau;
es fallen des Morgens Tränen zu Tal,
in die silbernen Knospen der Au'.


Und sie sucht den blassen Pfad im Wald,
muß heim zu Burg und Bann;
die arme, rührende Lichtgestalt
hebt leise zu schluchzen an.


Das funkelnde Kleid verfärbt sich in Grau -
es löst sich der Maienkranz;
und blumenlos entwandelt die Frau -
zu Tränen ward der Glanz.


So sucht alle Nacht die Sehnsucht den Steg
zum fernen, leuchtenden Glück -
mit Singen und Lachen hebt an ihr Weg,
und schluchzend kehrt sie zurück.

Alberta von Puttkamer


Brita antwortete am 06.02.01 (12:31):

Migräne

Ich wache auf und merke gleich
da ist ein Schmerz im Kopfbereich.

Schnell steh' ich auf und koch' Kaffee -
bald tut es sicher nicht mehr weg!

Vielleicht lässt dieser Tag sich retten,
durch ein bis zwei Tabletten?

Es wird entschieden gegen mich,
der Schmerz bleibt heute fürchterlich.


Heidi antwortete am 06.02.01 (18:33):


Bei Kopfweh:statt Caf� lieber drei
Gläser Wasser und der Kopf ist frei!
Ein bißchen Sauerstoff dazu
und du hast vor Kopfweh Ruh'!

:-) Guter Rat von "Schwester Heidi"


Heidi antwortete am 06.02.01 (18:52):

:-)) E.Lasker-Schüler



VIVA!

Mein Wünschen sprudelt in der Sehnsucht meines Blutes
Wie wilder Wein, der zwischen Feuerblättern glüht.
Ich wollte, Du und ich, wir wären eine Kraft,
Wir wären eines Blutes
Und ein Erfüllen, eine Leidenschaft,
Ein heisses Weltenliebeslied!

Ich wollte, Du und ich, wir würden uns verzweigen,
Wenn sonnentoll der Sommertag nach Regen schreit
Und Wetterwolken bersten in der Luft!
Und alles Leben wäre unser Eigen;
Den Tod selbst rissen wir aus seiner Gruft
Und jubelten durch seine Schweigsamkeit!

Ich wollte, dass aus unserer Kluft sich Massen
Wie Felsen aufeinandertürmen und vermünden
In einen Gipfel, unerreichbar weit!
Dass wir das Herz des Himmels ganz erfassen
Und uns in jedem Hauche finden
Und überstrahlen alle Ewigkeit!

Ein Feiertag, an dem wir ineinanderrauschen,
Wir beide ineinanderstürzen werden,
Wie Quellen, die aus steiler Felshöh' sich ergiessen
In Wellen, die dem eignen Singen lauschen
Und plötzlich niederbrausen und zusammenfliessen
In unzertrennbar, wilden Wasserheerden!


Gerlinde antwortete am 06.02.01 (22:05):

Liebe Evelyn, lieber Koloman!

Das Gedicht ist nicht von mir. Es ist von Edward Bond zum Theaterstück "Die See" geschrieben. Ein Liebesgedicht und eines meiner liebsten Theaterstücke.
Ich grüße Euch herzlichst, Gerlinde


Gerlinde antwortete am 06.02.01 (22:12):

Ankunft

Lass mich ausruhen bei dir,
sitzen am Ufer deiner Seele.

Von ferne streicht ein milder Rosenduft
um mein Gesicht
und bringt die Botschaft,
auf die ich schon lange gewartet habe.

Ein Hauch von Ewigkeit atmet in meinem Herzen
und lässt mich still werden bei dir.

Ich schaue auf,
und
am goldenen Faden kehrt die Kraft zurück,
dir im Alltag von den Rosen zu erzählen,
die im Himmel wachsen.


aus:"Kennst du die Sprache der Rosen" von Johanna Schreiner


Sylvia antwortete am 06.02.01 (23:11):

Es ist nicht
das Rot der Rosen
oder der Nelken
das mich rührt

Es ist das Rot
des Mohns
der mitten
im Gold
der reifen �hren
glühendes Leben
sprüht

Es ist sein Zittern
vor der Hand
die ihn pflückt
vor dem Windhauch
der ihn streift
und mitten
im Blühn
entblättert

svr


Sylvia antwortete am 07.02.01 (00:03):

Kornblumen
Esparsetten
Margritten
Mohn
und Zittergras

Als ich
den letzten
Feldblumenstrauss
pflückte
kitzelten
die Halme noch
in den Achselhöhlen

svr


Sieghard antwortete am 07.02.01 (08:11):

Fink und Frosch

Im Apfelbaume pfeift der Fink
Sein Pinkepink!
Ein Laubfrosch klettert mühsam nach
Bis auf des Baumes Blätterdach
Und bläht sich auf und quakt: Jaja!
Herr Nachbar, ick bin och noch da!
Und wie der Vogel frisch und süß
Sein Frühlingslied erklingen ließ,
Gleich muss der Frosch in rauhen Tönen
Den Schusterbass dazwischen dröhnen.
Juchheija heija! spricht der Fink.
Fort flieg' ich flink!
Und schwingt sich in die Lüfte hoch.

Wat! ruft der Frosch. Dat kann ick och!
Macht einen ungeschickten Satz,
Fällt auf den harten Gartenplatz,
Ist platt, wie man die Kuchen backt,
Und hat für ewig ausgequakt.
Wenn einer, der mit Mühe kaum
Geklettert ist auf einen Baum,
Schon meint, dass er ein Vogel wär',
So irrt sich der.

[Wilhelm Busch 1832 - 1908]
.


Herbertkarl Hüther antwortete am 07.02.01 (11:47):




purgrund

suche anschluss
an's obere
waehrend noch
im hiersein

dasein ist anders
leichtes klopfen
in der schlaefe

scharf gellt
der schrei
des erfassens
ins niemand hinein

dasein ist anders
kleine erregende pein
im linken fuss

fruechte fallen
den bach hinab
auf die stille
des ufers

dasein ist anders
kaltes blut
im kleinen finger

hkh


Friedgard antwortete am 07.02.01 (19:43):

Abend - von Rainer Maria Rilke

Der Abend wechselt langsam die Gewänder,
die ihm ein Rand von alten Bäumen hält;
du schaust: und von dir scheiden sich die Länder,
ein himmelfahrendes und eins, das fällt;

und lassen dich, zu keinem ganz gehörend,
nicht ganz so dunkel wie das Haus, das schweigt,
nicht ganz so sicher Ewiges beschwörend
wie das, was Stern wird jede Nacht und steigt;

und lassen dir (unsäglich zu entwirrn)
dein Leben, bang und riesenhaft und reifend,
so daß es, bald begrenzt und bald begreifend,
abwechselnd Stein in dir wird und Gestirn.

(aber schön: die Abende werden langsam wieder länger...)


Sylvia antwortete am 07.02.01 (21:53):

Abendunterhaltung

Kein Raubüberfall
keine Bullen
keine Schiesserei
keine Schlägerei
keine Messerstecherei
keine Bettszenen

Kein Blut
kein Geschrei
kein Gestöhn

Keine Toten
keine Schwerverletzten
keine wirklich Guten
keine wirklich Bösen

Ein Programm
zum Gähnen

Oder

Ein Raubüberfall
eine Armee Bullen
fünf Schiessereien
unzählige Schlägereien
eine Messerstecherei
sechs Tote
acht Schwerverletzte
fünf Bettszenen

Viel Blut
viel Geschrei
viel Gestöhn

Alle Bösen tot
fast alle Guten
davongekommen

Na dann
Gute Nacht

svr


Gerlinde antwortete am 07.02.01 (22:05):

Willst du dein Herz mir schenken


Willst du dein Herz mir schenken,
So fang es heimlich an,
Dass unser beider Denken
Niemand erraten kann,
Die Lieb muss bei beiden
Allzeit verschwiegen sein,
Drum schliess die grössten Freuden
in deinem Herzen ein.

Behutsam sei und schweige
Und traue keiner Wand,
Lieb innerlich und zeige
Dich aussen unbekannt.
Kein Argwohn musst du geben,
Verstellung nötig ist,
Genug, dass du, mein Leben,
Der Treu versichert bist.

Begehre keine Blicke
Von meiner Liebe nicht.
Der Neid hat viele Tücke
Auf unsern Bund gericht!
Du musst die Brust verschließen,
Halt deine Neigung ein,
Die Lust, die wir geniessen,
Muss ein Geheimnis sein.

Zu frei sein, sich ergehen,
Hat oft Gefahr gebracht.
Man muss sich wohl verstehen,
Weil ein falsch Auge wacht.
Du musst den Spruch bedenken,
Den ich vorher getan:
Willst du dein Herz mir schenken,
So fang es heimlich an.




Anonym


Sieghard antwortete am 07.02.01 (22:30):

.
.
Er schuf am vierten Schöpfungstag
der Sonne goldnes Flammenrad,
er gab dem Monde sein Gesetz,
den Sternen wies er seine Bahn.

Und wie die Sonne steigt und sinkt,
so wird es Tag, so wird es Nacht;
und Mond und Sterne machen kund
den Wechsel und das Maß der Zeit.

.


Herbertkarl Hüther antwortete am 08.02.01 (13:50):



Die vier Jahreszeiten

Frühling

Franziska

Franziska, mein reizender Falter,
Hätt'st du nicht zu eng für dein Alter
Den keimenden Busen geschnürt,
Dann klafften wohl nicht die Gewänder,
Sobald ich nur eben die Bänder
Mit harmlosem Finger berührt.

Nun wehr auch nicht meinem Entzücken,
Als erster die Küsse zu pflücken
Der zarten, jungfräulichen Haut.
Mich blendet die schneeige Weiße,
Solang' ich das Fleisch nicht, das heiße,
Mit bebenden Lippen betaut.

Denn gleich wie die Knospe der Blume
Nichts ahnt von der Pracht und dem Ruhme
Der Rose am üppigen Strauch,
So seh' ich bescheiden erst schwellen
Die keuschen, die kindlichen Wellen,
Umweht von berauschendem Hauch.

O! glaub mir, die Monde entfliehen,
Die Rosen verwelken, verblühen
Und fallen dem Winter zum Raub.
Es kommen und gehen die Jahre,
Man legt deinen Leib auf die Bahre
Und alles wird Moder und Staub.


Frank Wedekind


Wedekind,
Frank(lin), Schriftsteller, *Hannover 24.7. 1864, �München
9.3. 1918; verbrachte seine Jugend auf Schloss Lenzburg
in der Schweiz; Werbetexter für die Firma Maggi; Mitarbeiter des �Simplicissimus�, Dramaturg in München; 1899-1900 Festungshaft wegen Majestätsbeleidigung; 1901-02
Lautensänger und Rezitator im Kabarett �Die Elf Scharfrichter�, ab 1902 in Wolzogens �Überbrettl�, 1905-08 Mitglied des Deutschen Theaters in Berlin. Seine gegen alle Erstarrung des Bürgertums, besonders gegen dessen konventionelle Moral, gegen alle Behinderung eines freien, auch sexuell betonten Lebens gerichteten Dramen, deren Aufführungen durch Zensurverbote behindert wurden, hatten große Wirkung auf die Weiterentwicklung des Dramas in der deutschen Literatur: u.a. �Frühlings Erwachen� (1891), �Der Erdgeist� (1895, 1903 unter dem Titel �Lulu�; Fortsetzung 1903: �Die Büchse der Pandora�), �Totentanz� (1906), �Herakles� (1917); schrieb auch satirische Balladen und Chansons (�Die vier Jahreszeiten�, 1905).

(c) Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG, 1999


Sieghard antwortete am 08.02.01 (14:15):


Wohin o wohin
du Weltall der Sehnsucht
mit der Träume verlorenen Erdenreichen
und der besprengten Blutbahn des Leibes;
während die Seele zusammengefaltet wartet
auf ihre Neugeburt
unter dem
Eis der Todesmaske.

[Nelly Sachs 1891-1970]

.


Gerlinde antwortete am 08.02.01 (21:00):

Vom Altern

Der Liebe wird alles wichtig und lieb:
eine Schattenmulde in der Wange,
Das Runzelgeflecht ums Auge,
eine Kindheitsnarbe unter den Zehen,
ein verborgener Makel der Haut,
eine sichtbarer werdende Ader
und die kahle Stelle im Haar.

Jeder Verlust wird auch Gewinn
und mehrt die Erinnerung.
Treuer als Lust macht Zärtlichkeit,
der Schmerz um Vergängliches erneuert.
Aus den Filtern behutsamer Trauer,
bergen wir die Schönheit, die bleibt.


Christine Busta


Sylvia antwortete am 08.02.01 (23:04):



Männer sind korpulent
Frauen dick

Männer haben silberne Schläfen
Frauen graue Haare

Männer haben markante Gesichtszüge
Frauen Falten

Frauen sind alt

Männer in den
besten Jahren

svr


Heidi antwortete am 08.02.01 (23:17):

:-)

Menschen sind dick oder dünn
Menschen haben glatte Haut oder Falten
Menschen sind alt oder jung
Menschen sind männlich oder weiblich
Menschen sind weiblich oder männlich
Menschen sind Menschen
mit vielen äußeren Erscheinungsbildern
was zählt, ist das
was in dem Menschen steckt
ein glücklicher Mensch hat Lachfalten
ein griesgrämiger hat scharfe Kerben
ein junger Mensch kann alt sein
ein alter noch sehr jung
ob silberne oder graue Haare
wenn die Augen darunter leuchten
und lebendig sind
ist dieser Mensch schön
ob Mann oder Frau
ob Frau oder Mann

hl

nichts für ungut, Sylvia :-))


Sylvia antwortete am 08.02.01 (23:33):

Im Gegenteil, Heidi. Ich bin ganz und gar Deiner Meinung! Es ist doch einfach so, dass viele, und besonders Männer (nicht alle, Wolfgang!) so platt urteilen.
Was ich geschrieben habe, gibt nicht meine Meinung wieder. Es ist sozusagen ein Erfahrungsgedicht.


Brita antwortete am 09.02.01 (08:04):

Alter

Die Uhr tickt weiter - immerfort
Im Hier und Jetzt - an jedem Ort.

Die Zeit vergeht, sie weiss es längst,
Ihr Leben ist ja nur begrenzt.

Die Kindheit hat sie im Dorf verbracht
Das Spielen hat viel Spaß gemacht.

Drei Brüdern war'n ihr ganzer Halt
Heut' ist sie 59 Jahre alt!

Nun steht sie endlich auf zwei Beinen
Ist sicherlich mit sich im Reinen.

Zwei schöne Kinder hat sie geboren
Den Ehemann jedoch - verloren

Jetzt hat sie nur noch wenig Zeit
Zu finden echte Zweisamkeit.

bk


Sylvia antwortete am 09.02.01 (09:23):

Eines Tages
habe ich
angefangen
eigene Wege
zu gehen
ohne zu stolpern
ins Licht
zu sehen
ohne zu zwinkern
vor anderen
zu stehen
ohne mich zu bücken
I C H
zu sagen
ohne zu stottern

Ich bin mir
nicht mehr
fremd

svr


Herbertkarl Hüther antwortete am 09.02.01 (09:57):



Die vier Jahreszeiten

Sommer

Morgenstimmung

Leise schleich' ich wie auf Eiern
Mich aus Liebchens Paradies,
Wo ich hinter dichten Schleiern
Meine besten Kräfte ließ.

Traurig spiegelt sich der bleiche
Mond in meinem alten Frack;
Ach die Wirkung bleibt die gleiche,
Wie das Kind auch heißen mag.

Wilhelmine, Karoline,
's ist gesprungen wie gehupft,
Nur daß hier die Unschuldsmiene,
Dort dich die Routine rupft.

Frank Wedekind


Sieghard antwortete am 09.02.01 (11:51):


Der Limerick, der Limerick
ein ganz ganz schöner Trick
harmonisch, unharmonisch,
lieblich, nett und ganz lakonisch
des einen Uhl des andern Glück.

Leute aus Kamen, Lippstadt und Siegen,
die machten Gedichte harmonisch gediegen
auch andre schrieben fast jeden Tag
was so mancher hier mag
oder auch nicht, bisweilen verstiegen.

Ein Riese groß aus Paderborn
gab seinem Gaul nicht schlecht die Sporn,
es drängte ihn zu seiner Jule
sein Glieder sprangen aus der Spule
nicht lang, da war er schon ganz vorn.

Sie denkt in ihrem Friedensgarten
etwas Französisches zu starten.
Nicht immer Busch, vielmehr Verlaine
ist heute mal ganz schön. Ganz schön,
in Liebe mit dem Paule aufzuwarten.

Der Limerick, der Limerick
ein ganz ganz schöner Trick
harmonisch, unharmonisch,
lieblich, nett und ganz lakonisch
des einen Uhl des andern Glück.
.
.


Wolfgang antwortete am 09.02.01 (12:31):

Hier der Text des Liedes "Männer" von Herbert GR�NEMEYER:

Männer nehmen in den Arm,
Männer geben Geborgenheit.
Männer weinen heimlich,
Männer brauchen viel Zärtlichkeit,
und Männer sind so verletzlich.
Männer sind auf dieser Welt einfach unersetzlich!
Männer kaufen Frauen,
Männer stehen ständig unter Strom.
Männer baggern wie blöde,
Männer lügen gern am Telefon,
und Männer sind allzeit bereit.
Männer bestechen durch ihr Geld und ihre Lässigkeit.

Refr.:
Männer haben 's schwer, nehmen 's leicht,
außen hart und innen ganz weich,
werden als Kind schon auf Mann geeicht.
Doch wann ist ein Mann ein Mann?

Männer haben Muskeln,
Männer sind furchtbar stark.
Männer könen alles,
Männer kriegen 'nen Herzinfarkt,
und Männer sind einsame Streiter,
müssen durch jede Wand, müssen immer weiter.

Männer führen Kriege,
Männer sind schon als Baby blau,
Männer rauchen Pfeife,
Männer sind furchtbar schlau,
Männer bauen Raketen,
Männer machen alles ga-ganz genau!

Aber wann ist ein Mann ein Mann?

Männer kriegen keine Kinder,
Männer kriegen dünnes Haar.
Männer sind auch Menschen,
Männer sind etwas sonderbar.
und Männer sind so verletzlich.
Männer sind auf dieser Welt einfach unersetzlich!

Noch ein Webtipp für die männlichen Mitglieder *fg* des Forums: Herbert's Männerseiten - Wo ein Mann noch ein Mann sein darf!

https://maennerseiten.de/index.html

(Internet-Tipp: https://maennerseiten.de/index.html)


Heidi antwortete am 09.02.01 (14:46):

Aus Nürnberg mitgebracht, nicht nur für Männer *g*

Nürnberger Redensarten

Bah uns kohst Riednsortn härn,
Döi moußt an Fremdn erscht erklärn.
Is aner geizi, daß net schöi,
Haßts, der buhrt sie a Luuch ins Knöi,
Spreizt si a Geck, a Trauerkloß,
Steigt wöi der Gieker er im Gros.
A eitls Ding haßt Mudipuppn.
A Pöiterla af alli Suppn
Tout überoll gern ahf si pumpn.
Es gibt ah Kerl wöi a Pfund Lumpn.
Oft, wenn a Schlauer zu dir gsprochn,
Nou waßt net recht, bis ghaut, bist gstochn.
Mer koh an Därrn, an Knochign, Groußne
's Vaterunser durch die Back'n blousn.
Legt hend wou oh a feines Herrla,
Fellt as der Krona ihm ka Perla.
Lachst schrill, nou haßts:"Wos kost dei Lacher?"
Afpaßn wöi a Häftlasmacher
Mouß, wer an'ra Maschina stöiht
Und wenns ah gigerti-gogerti göiht.
Du mahnst, su Riedn wärn a Graus?
O nah, dou drückt mer vill mit aus!

:-))


Heidi antwortete am 09.02.01 (15:06):

Männer schreiben doch soooo schöne Gedichte :-))

IHR HERZ UND KUSS

Mir wirds so weit im Busen drin,
So offen, hehr und frei,
Nie wars so hell in meinem Sinn
Und meiner Phantasei;

Mir glüht die Wange und die Stirn,
Mir schmückt der Himmel sich,
Und süßer dünkt der Weste Girrn
In jenen Eichen mich;

Um mich tanzt Blumentrift und Flur,
Und jedes Hälmchen lacht,
Und seliger blüht die Natur
Mir in der Frühlingstracht.

Der Mond, der dort voll Freundlichkeit
Sich sonnt, so hell und klar,
Ist mir noch eins so lieber heut,
Als er mir sonst wohl war.

Ha! wie sich schnell mein Rosenblut
Durch alle Adern rafft;
Wie jede Fiber schwellt von Mut
Und niegefühlter Kraft.

Doch weißt du, Freund, woher, woher?
Der Wonne Überfluß?
Sie gab mir heut von ohngefähr
Ihr Herz und einen Kuß.

Novalis


Evelyn antwortete am 09.02.01 (17:01):

Rentnerliebe

Kopflos gesprungen
Das Herz strapaziert
Landung misslungen
Zu Tode blamiert.

Ging glatt daneben
Der letzte Versuch
Schrieb ihm das Leben
Ins Ausgangsbuch.

Hat`s nicht verwunden
Allein statt duett-
Zählte bloss Stunden
Im freudlosen Bett.

p.m.
Als er geworben
Lehnte sie ab-
Seit er gestorben
Pflegt sie sein Grab.


Heidi antwortete am 09.02.01 (22:45):

zum Abend :-)

(aus: NEILA- ABENDGESANG. 1954)

Ich liebe

Aus beiden Augen strahlt meine goldene Liebe
In beiden Händen zittert die furchtsame Liebe
In meinen Schläfen klopft die gefangene Liebe
Mein Lied ist Liebe
Mein Schweigen ist Liebe
Mein Tanz ist Liebe
Meine Krankheit ist Liebe
Der Frühling ist Liebe
November ist Liebe
Ich lebe aus Liebe
Ich sterbe vor Liebe

Ivan Goll


Heidi antwortete am 10.02.01 (20:11):

geblättert in "ein tag auf dieser erde"
Rainer Kunze:

Nachtmahl auf dem Acker

Wenn großvater am abend
das kräutichfeuer schürte,
machte er die sterne,
die später über unseren köpfen standen

Wir erkannten sie wieder

Und der mond war ein armer bruder,
der zur sonne betteln ging
(manchmal bekam er etwas,
manchmal nicht)

Ich wußte noch nicht, daß der mond
das vorweggenommene antlitz ist
der erde

Ich war noch nicht Adam,
und großvater ähnelte gott

Damals, als ich noch vom himmel aß


Heidi antwortete am 10.02.01 (20:16):

Schnelle Nachtfahrt

Niemals wird es uns gelingen, die welt
zu enthassen

Nur daß am ende uns nicht reue heimsucht
über nicht geliebte liebe

Rainer Kunze


Brita antwortete am 10.02.01 (21:25):

Freundlichkeit
"Was soll ich tun, um meinen Nächsten zu lieben?"
"Hör auf, dich zu hassen".
Der Schüler grübelte lange und ernsthaft über diese Worte nach, kam dann zurück und sagte:
"Aber ich liebe mich zu sehr, denn ich bin selbstsüchtig und egozentrisch. Wie kann ich mich davon befreien?"
"Sei freundlich zu dir und dein Selbst wird zufrieden sein und dich freisetzen, deinen Nächsten zu lieben".
(Aus "Eine Minute Weisheit" von Anthony de Mello)


Heidi antwortete am 10.02.01 (23:07):

ein letztes von Rainer Kunze

Poetik (für Jakub Ekier)

So viele antworten gibt's
doch wir wissen nicht zu fragen

das gedicht
ist der blindenstock des dichters

Mit ihm berührt er die dinge,
um sie zu erkennen


Sieghard antwortete am 11.02.01 (08:46):


Ganz innen in der Stille,
ahne ich: Ich bin mehr
als ich selbst. Ich bin
eine Brücke zu einem
anderen Ufer. Ich bin
eine ausgestreckte Hand.
Ich bin ein Ich auf ein Du
hin. Sei du mir Ufer, sei du
mir Hand, sei du mir Du.
.
.


Herbertkarl Hüther antwortete am 11.02.01 (09:26):



Anrufung des Großen Bären


Großer Bär, komm herab, zottige Nacht,
Wolkenpelztier mit den alten Augen,
Sternenaugen,
durch das Dickicht brechen schimmernd
deine Pfoten mit den Krallen,
Sternenkrallen,
wachsam halten wir die Herden,
doch gebannt von dir, und mißtrauen
deinen müden Flanken und den scharfen
halbentblößten Zähnen,
alter Bär.
Ein Zapfen: eure Welt
Ihr: die Schuppen dran.
Ich treib sie, roll sie
von den Tannen im Anfang
zu den Tannen am Ende,
schnaub sie an, prüf sie im Maul
und pack zu mit den Tatzen.

Fürchtet euch oder fürchtet euch nicht!
Zahlt in den Klingelbeutel und gebt
dem blinden Mann ein gutes Wort,
daß er den Bären an der Leine hält.
Und würzt die Lämmer gut.

�s könnt sein, daß dieser Bär
sich losreißt, nicht mehr droht
und alle Zapfen jagt, die von den Tannen
gefallen sind, den großen, geflügelten,
die aus dem Paradiese stürzten.


Ingeborg Bachmann


Bachmann,
2)Ingeborg, österreichische Schriftstellerin, *Klagenfurt
25.6. 1926, �Rom 17.10. 1973; gehörte zur Gruppe 47,
lebte u.a. in Rom; schrieb bildhafte und prägnante Lyrik
(�Die gestundete Zeit�, 1953; �Anrufung des großen Bären�,
1956), Prosawerke (�Malina�, Roman, 1971; �Der Fall Franza�, �Requiem für Fanny Goldmann�, Romanfragmente, beide herausgegeben 1979; �Gier�, Erzählung, 1974), Hörspiele (�Zikaden�, 1955), Libretti; Hauptmotive sind Existenzbedrohung, Liebe, Ichproblematik; Georg-Büchner-Preis 1964.

https://www.cs.uchicago.edu/schaefer/pi/bachmann.html
(c) Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG, 1999


Heidi antwortete am 11.02.01 (09:38):

Jeden Morgen

Bei uns
geht die Sonne
noch hinter dem Wald auf,
jeden Morgen,

und springt in den Nussbaum
und reißt den Flieder,
die Rosen,
den Mohn, die Levkojen

oder die kahlen
Bäume und Sträucher
ins Licht,
jeden Morgen,

und wir stehen
unter dem Himmel,
jeden Morgen,
und können's nicht fassen.

Catarina Carsten


Heidi antwortete am 11.02.01 (10:10):

Anmerkung: Zuvor dreimal den Namen falsch geschrieben
:-) natürlich muss es REINER Kunze heißen
-----
Zitat von Reiner Kunze

"Das Gedicht ist zur Ruhe gekommene Unruhe"


Sieghard antwortete am 11.02.01 (13:24):

hl, svr, hkh, KnS, bk,
.
.
Sl�fest du, friedel ziere?
man weckt uns leider schiere:
ein vogell�n s� wol get�n
daz ist der linden an daz zw� geg�n.
d� r�tst und l�st mich eine
liep �ne leit mac niht ges�n.

[gekürzt]
Dietmar von Eist 1143-1170
.
.


Eva antwortete am 11.02.01 (16:49):

Friedhof im Februar. Auf einem Grabe,
neben vertrockneten Weihnachtskränzen,
drängt sich durch dürres Tannenreisig und welkes Laub,
frierend im kalten Wind,
ein weisses Schneeglöckchen.

Welche Schönheit aus dem Moder des Grabes !
rührend in seiner zarten Zerbrechlichkeit;
auferstanden gemäss seiner Bestimmung,
Künder und Bote zu sein nahender Vollkommenheit -
ein Zeichen des Glaubens.

Als ich im Nebelherbst unter Tränen
den Keim in die dunkle Erde grub,
tropfte Trauer von dem dunklen Geäst
und ich wünschte so sehr unwiderbringliche Zeiten zurück -
nun blühst du mir, Antwort der Liebe.

Kleines zitterndes Blümchen, so allein im verkrusteten
Schnee,
bald bist du verblüht und vergangen,
wie der Schläfer im Grab. Zeig mir den Weg in den Frühling,
der schon als Ahnung wartet in schwellenden Knospen -
Sinnbild ewiger Hoffnung.

eKr


Heidi antwortete am 11.02.01 (17:18):

ein Schäferlied aus "100 englische Gedichte" :-)

Komm, leb mit mir und sei mein Schatz,
Dann finden wir an jedem Platz,
Was Berg und Tal und Wald und Feld
Und selbst der Fels bereit uns hält.

Dort sitzen wir in aller Ruh
Und sehn der Herdenfüttrung zu
Und werden bei des Baches Rauschen
Dem Madrigal der Vögel lauschen.

Dann mach ich dir ein Rosenbettchen
Aus tausend duftenden Bukettchen,
Ein Röckchen und ein Blumenhütchen,
Der Rock bestickt mit Myrtenblütchen.

Ein Kleid, für das die Wolle schnell
Ich zupf aus unserer Lämmer Fell;
Hausschuh, gefüttert, falls es friert,
Mit goldnen Schnallen drauf verziert.

Ein Stroh- und Efeuband alsdann
Mit Bernstein und Korallen dran.
Lockt alles dies dich hier vom Platz,
Dann komm mit mir und sei mein Schatz.

Ein Schäfertanz vertreibt die Sorgen
Dir jeden neuen Maienmorgen.
Und machst du jetzt schon einen Satz,
Dann komm mit mir und sei mein Schatz.

Christopher Marlowe


Heidi antwortete am 11.02.01 (17:41):

zurück zu CC

Feiertag

Feiertag,
Stille, keine Post.

Wer aber bringt uns
geheime Botschaft,

die aus der Wüste,
die übers Meer -?

*****

Katzen

Als Kind: ein Hund.
Menschentreue in seinen Augen.
Zwanzig Jahre später
begann ich zu begreifen,
dass ich von Hunden
einiges wusste,
von Katzen aber
nichts.

Da fing ich an,
bei ihnen in die Schule zu gehn.
Ich lernte
ihren gliederlösenden Schlaf,
die schnelle Bereitschaft
zur Flucht,
den haarsträubenden
Eigen-Sinn,

den fauchenden Zorn,
die Zärtlichkeit
und die Maske.
Den Grenzgang
zwischen Sonne und Mond,
die Witterung für das Geheimnis,
ihr Wissen
um das Rätsel

und seine verschwiegene Lösung.

Catarina Carsten


Sylvia antwortete am 11.02.01 (19:31):

Was legst du
deine Ohren an
und fauchst
du wildgewordne Katze
was kratzst du mich
und fliehst

Bin ich
so schlecht gelaunt

svr


Sylvia antwortete am 11.02.01 (19:39):

hl, hkh, KnS, bk vor deinem letzten Beitrag, Sieghard,
was ist damit gemeint?


Sieghard antwortete am 12.02.01 (00:20):

.
gruß an die genannten und an alle im forum


--------------------------- wdh:

Sonnen sinken und können wiederkehren:
doch wenn unseres Lebens kurzes Licht losch,
deckt die ewige, eine Nacht uns Schläfer.

-------------------------- gute nacht
.
.


Heidi antwortete am 12.02.01 (00:44):

Heb dir ein paar Worte auf

Die Sanduhr vor dir
auf dem Rednerpult
ist beinah abgelaufen

Lauschen
sollst du wieder lernen
auf leisen Vogelruf
und fernen Harfenklang

Heb dir ein paar Worte auf
für ein ungeboren Abendlied

Catarina Carsten


Brita antwortete am 12.02.01 (10:46):


Alte Liebe


Es kehrt die dunkle Schwalbe

Aus fernem Land zurück,

Die frommen Störche kehren

Und bringen neues Glück.


An diesem Frühlingsmorgen

So trüb verhängt und warm,

ist mir als fänd ich wieder

den alten Liebesharm.


Es ist als ob mich leise

Wer auf die Schulter schlug,

als ob ich säuseln hörte

Wie einer Taube Flug.


Es klopft an meine Türe,

Und ist doch niemand drauß;

Ich atme Jasmindüfte,

Und habe keinen Strauss.


Es ruft mir aus der Ferne,

Ein Auge sieht mich an,

ein alter Traum erfasst mich

und führt mich seine Bahn.


(Carl Candidus)


Herbertkarl Hüther antwortete am 12.02.01 (11:52):



krimskrams (-;

Zwar hätt' ich für ein Laster Zeit,
doch täte mir der Zaster leid.

Erbse

Zur Minne an der Rosenhecke
komm bitte ohne Hosen, Recke!

Erbse

Zum Wein gern singt Herr Weber Lieder -
und hat's dann an der Leber wieder!

Erbse

Stimmt mich ein Gläschen Brandy heiter,
grins' ich sogar ins Handy breiter.

Johannes Widi

Stell mir das Bier, das helle, kalt,
solang ich noch die Kelle halt.

Johannes Widi

Selbst wenn Kannibalen Waden meiden
würden sich daran die Maden weiden.

Johannes Widi


Willst du nicht eine aus dem Süden frei'n?
Mit ihrer Kunst wirst du zufrieden sein.

Erich Mühsam

Will man bei der Königin von Saba liegen,
muß man über sie im Laben siegen,
muß beglücken sie in sieben Lagen,
doch ihr nichts dabei vom Lieben sagen.

Erich Mühsam

Wer dichten will, der thäte gut,
Er macht' es so, wie's Goethe thut.

Erich Mühsam

Wenn mein Hund zu bellen droht
geb ich ihm Sardellenbrot.

Erich Mühsam

Prosecco heißt der Schmusesekt,
der auch meiner Suse schmeckt.


:-)) Heidi antwortete am 12.02.01 (12:18):

Hans Sachs lehrt dichten

Göih, Bou, klab g'schwink die Stift'n zamm
Und heb' die Leist'n af,
Und stell döi drei Paar g'flickt'n Schouh
Dort aff's Regal ob'n naf.
Die Raschpl kummt ins Schübla nei,
In Kast'n toust die Fleck,
Und nouchert hockst die her zu mir
Und ruckst in Dreifouß weg!

Denn endli is öitz Feierob'nd,
Die �rbert stell'n mer ein;
�itz woll'n mehr kanni Schouster mehr,
�itz woll'n mer Dichter sei.
Vo schweri Silb'n und leichti Reim
Dou waßt du nu ka Spur,
Drum fang mer öitz es Lerna oh
Nouch der Tabulatur.

Schau her, dou af den Blötla stöiht
Draf, wöi mer's richti macht,
Hout mancher nouch döi Reg'ln scho
A weng an Versch zammbracht.
Doch tout's die Vurschrift net allahns,
Es kummt nu wos derzou,
Des koh mehr net mit Wort'n sog'n,
Des mouß mer g'spürn blouß, Bou!

Drum tou i mi, wenn i wos dicht
Net um die Reg'ln sorng;
Mit deni macht mer ka Gedicht,
Heit net und a net morng.
Mit Reg'ln blöiht ka Blümla af,
Des treibt vo inna raus,
Nouch Reg'ln singt des Stärla net
Dou drauß vur unsern Haus.

Und doch klingt's schöi, klingt wunderschöi
Und macht uns still und frouh!
Su moaß a ba an Dichter sei, -
Verstöißt'n du mich, Bou?
I mahn net, daß d'nix lerna sollst,
Nana, des sog i net;
Mit deni, döi nix g'lern hom, hout
Mer ja es maste G'frett!

Doch mäihr, wöi mer in Kupf drin hout
Mouß mer in Herz*n hob'n
Und därf si net in Böicher und
in Reg'lkrom vergrob'n.
Frouh mouß mer bleib'n in Sturm und Reg'n
Und um die Stirn rum frei
Und mouß für'n klennst'n Sunnastrahl
In Hergott dankbar sei.

Denn ahns, des merk der, des gilt mehr
Wöi Reg'ln und Getou:
A Dichter werd allahns blouß, wer
A gouter Mensch ist, Bou!

Der Lehrborsch härt's und härt's doch net,
Tout in der Nos'n buhrn.
Er is vielleicht a Schousterg'sell,
Doch g'wieß ka Dichter wurn.

Franz Bauer (Auf gut Nürnbergisch, Carl Verlag)


Karl antwortete am 12.02.01 (12:48):

Hallo, kennt Ihr dieses Gedicht?
/seniorentreff/de/esel.html
Es wurde von Richard Dammann ganz zu Beginn des Seniorentreffs frei nach Christian Morgenstern kreiert und ist jetzt leider sehr versteckt und nur durch Zufallsklicken erreichbar.

(Internet-Tipp: /seniorentreff/de/esel.html)


Ilse W. antwortete am 12.02.01 (13:44):

"Willst du dein Herz mir schenken".....
(von Gerlinde am 07.02. ins Forum gesetzt):

Das ist ein Lied von Bach. Die Melodie habe ich noch im Kopf, weiß nur nicht mehr, von welchem Komponisten aus der Bach-Familie es stammt (Philipp-Emanuel?).

Gruß
Ilse


Sieghard antwortete am 12.02.01 (16:27):


Almosen

Ich gehe von Haus zu Haus
Bettelmönch
Brotworte sammeln

Goldmünzen
mit stolzen Köpfen
ich grüße sie
bitte um Spende

Sie sehen an mir vorbei und
lächeln

In meine Almosenschale
fällt Schnee


[Rose Ausländer 1901-1988]
.
.


Heidi antwortete am 13.02.01 (07:34):

ich habe Ricardos Gedicht aus dem Versteck geholt :-))


Ein alter Esel sprach einmal
zu seinem ehlichen Gemahl:

"Ich bin so dumm, du bist so dumm,
wir wollen sterben gehen, kumm!"

Doch wie es kommt so öfter eben:
Die beiden blieben fröhlich leben.

Nur fragst du dich wie mag das sein,
was fiel den beiden denn noch ein?

Was kann es Neues denn noch geben,
das ihnen half beim weiterleben!

Wenn ich euch sage was geschehen,
wie sich ihr Schicksal konnte drehen:

Mit Hilfe des "Seniorentreffs"
surfen sie jetzt munter
im I-net rauf und runter!

Richard Dammann
frei nach Christian Morgenstern


Herbertkarl Hüther antwortete am 13.02.01 (11:44):



Abriß eines verliebten.

ER ist ein krancker / den ein stündlich fieber plaget /
Ein jäger / so allzeit nach einem hirsche jaget /
Ein wetterhan der stets nach einem winde steht /
Ein schif / so ungehemmt nach Cypris hafen geht.
Ein märterer der brunst / den freund und feind belachet /
Ein Morpheus / der ihm selbst bey tage träume machet /
Ein arm gefangener / der seine fessel liebt /
Und seinen hencker ehrt wenn er ihm streiche giebt.
Ein Aetna / der voll glut läst flut und ströme fliessen /
Ein hungriger / der bloß will rohes fleisch geniessen /
Ein welt-Sebastian / den Venus schütze trifft /
Ein rechter Adams-sohn / den frauen-hand vergift.
Er wird ein ander kind / läst ernste sachen fahren /
Ein haar / ein altes band / sind seine besten wahren /
Itzt baut er etwas auf / itzt reist ers wieder ein.
Itzt muß Democritus der sitten meister seyn /
Itzt ist es Heraclyt. Das hertze / so er führet /
Vergleicht sich dem metall / das ein magnet gerühret.
Sein himmel ist ihr haupt / die erd ist ihre schoos.
Hier anckert seine lust / es wird der erden kloß /
Der überweißte koth / dem himmel vorgesetzet /
Und ist ihr auge mehr als Venus selbst geschätzet,
So wundre ich mich nicht / daß man das weib veracht /
Weil sie die erste pein zu erst hat aufgebracht.
Sein essen ist ein kuß / sein tranck sind heisse thränen /
Die zeit verjaget er mit seuffzen und mit stehnen.
Und wann ihm etwan träumt / wie er die liebste find /
So hat er nichts als luft / und küsset nichts als wind.
Denn träume / buler / wind sind gleiches thuns gesellen;
Sein schlafen darf er nicht nach einem wecker stellen;
Indem die weckerin / so in dem hertzen steckt /
Ihn besser als er wünscht aus seinem schlaff erweckt /
Und seinen schmertzen rührt. Zu dornen wird das bette /
Mit denen wachet er im lager in die wette /
Und führt der thränen strom um seine wangen her /
Bald will er aus der welt / bald will er über meer /
Und muß doch wie zuvor in seinem hause bleiben /
Muß lernen / wie sein rath nicht stetig wil bekleiben /
Wie erstlich bulerey und die gewölckte nacht
Auf Anschlag / aber nicht auf Ausschlag ist bedacht:
So läst er ohne ruh sich fremde sachen lencken /
Läst in gesunder haut sich seine schwachheit kräncken /
Liebt nacht und finsterniß bey sonne und bey licht;
Ist wie ein schweres schiff / dem der compas gebricht.
Und daß ich nicht zu viel von einer sache sage /
Die allen ist bekandt als allgemeine plage /
So muß der vorhang weg: das mahlwerck ist vollbracht /
Hier hat der mahler selbst sein ebenbild gemacht.

Christian Hofmann von Hofmannswaldau


Hofmann von Hofmannswaldau,
Christian, Dichter, *Breslau 25.12. 1617, �ebenda 18.4. 1679; bereiste England, Frankreich und Italien; Ratsherr in Breslau, 1677 Präsident des Ratskollegiums; schrieb v.a. weltliche und geistliche Lieder, Oden, Heldenbriefe (nach dem Vorbild Ovids) und galante Lieder; Wegbereiter des spätbarocken Marinismus in Deutschland.

(c) Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG, 1999


Heidi antwortete am 13.02.01 (12:01):

*g* das ist besser

Die Wollust.
1.
Die Wollust bleibet doch der Zucker dieser Zeit /
Was kan uns mehr / denn sie / den Lebenslauf versüssen?
Sie lässet trinckbar Gold in unsre Kehle fliessen /
Und öffnet uns den Schatz beperlter Liebligkeit;
In Tuberosen kan sie Schnee und Eiß verkehren /
Und durch das gantze Jahr / die FrühlingsZeit gewehren.
2.
Es schaut uns die Natur als rechte Kinder an /
Sie schenckt uns ungespart den Reichthum ihrer Brüste /
Sie öffnet einen Saal voll zimmetreicher Lüste /
Wo aus des Menschen Wunsch Erfüllung quellen kan.
Sie legt als Mutter uns / die Wollust in die Armen /
Und läst durch Lieb und Wein den kalten Geist erwarmen.
3.
Nur das Gesetze wil allzu Tyrannisch seyn /
Es zeiget iederzeit ein widriges Gesichte /
Es macht des Menschen Lust und Freyheit gantz zunichte /
Und flöst vor süssen Most uns Wermuthtropffen ein;
Es untersteht sich uns die Augen zuverbinden /
Und alle Liebligkeit aus unser Hand zuwinden.
4.
Die Ros' entblösset nicht vergebens ihre Pracht /
Jeßmin wil nicht umsonst uns in die Augen lachen /
Sie wollen unser Lust sich dienst- und zinsbar machen /
Der ist sein eigen Feind / der sich zu Plagen tracht;
Wer vor die Schwanenbrust ihm Dornen wil erwehlen /
Dem muß es an Verstand und reinen Sinnen fehlen.
5.
Was nutzet endlich uns doch Jugend / Krafft und Muth /
Wenn man den Kern der Welt nicht reichlich wil genüssen /
Und dessen Zuckerstrom läst unbeschifft verschüssen /
Die Wollust bleibet doch der Menschen höchstes Guth /
Wer hier zu Seegel geht / dem wehet das Gelücke /
Und ist verschwenderisch mit seinem Liebesblicke.
6.
Wer Epicuren nicht vor seinen Lehrer hält /
Der hat den Weltgeschmack / und allen Witz verlohren /
Es hat ihr die Natur als Stiefsohn ihn erkohren /
Er mus ein Unmensch seyn / und Scheusaal dieser Welt;
Der meisten Lehrer Wahn erregte Zwang und Schmertzen /
Was Epicur gelehrt / das kitzelt noch die Hertzen.

Christian Hofmann von Hofmannswaldau


Wolfgang antwortete am 13.02.01 (21:54):

Nach so viel G'fühligem etwas Handfestes und Politisches - aus der Walter-Mehring-Revue "Hier steht ein Mann...":

Hier steht ein Mann... (von Walter Mehring, 1896-1981)

Hier steht ein Mann und singt ein Lied
am Rand der Zeit,
die außer Rand und Band geriet
Macht Rast, Ihr habt's noch weit.
Legt nieder Eure schwere Last
am Rand der Zeit,
singt mit, was Ihr gemeinsam haßt
und singt vom Einzelleid.

Tut aus dem Buche einen Trunk
am Rand der Zeit,
stärkt auch das Herz zur Wanderung
in die Ihr eingereiht.
Mag mancher Sang die Ruhe stör'n
am Rand der Zeit,
sie sollen es dort drüben hör'n,
daß Ihr vorhanden seid.

Doch trat ich außer Reih und Glied
ja dann verzeiht.
Hier steht ein Mann und singt ein Lied
zum Trotz
am Rand der Zeit.

Eine Kurzbiographie über Walter Mehring - der ein Linker und einer der grossen deutschen (politischen) Lyriker war:
https://www.olsson.de/mehring/mehr1ste.htm

(Internet-Tipp: https://www.olsson.de/mehring/mehr1ste.htm)


Heidi antwortete am 13.02.01 (22:17):

Joseph von Eichendorff

Ich wandre durch die stille Nacht,
Da schleicht der Mond so heimlich sacht
Oft aus der dunklen Wolkenhülle,
Und hin und her im Tal
Erwacht die Nachtigall,
Dann wieder alles grau und stille.

O wunderbarer Nachtgesang:
Von fern im Land der Ströme Gang,
Leis Schauern in den dunklen Bäumen -
Wirrst die Gedanken mir,
Mein irres Singen hier
Ist wie ein Rufen nur aus Träumen.


Heidi antwortete am 13.02.01 (22:23):

Die Einsame

Joseph von Eichendorff

Wär's dunkel, ich läg' im Walde,
Im Walde rauscht's so sacht,
Mit ihrem Sternenmantel
Bedeckt mich da die Nacht.


Da kommen die Bächlein gegangen,
ob ich schon schlafen tu?
Ich schlaf nicht, ich hör noch lang
Den Nachtigallen zu.


Wenn die Wipfel über mir schwanken,
Das klingt die ganze Nacht.
Das sind im Herzen die Gedanken,
Die singen, wenn niemand mehr wacht.



Sammy07 antwortete am 13.02.01 (22:47):

"LEBENSWEISHEITEN"

>Von allen Teilen des menschlichen Körpers hat am meisten Unheil die Zunge angerichtet<


>Die Freiheit besteht darin,dass man alles tun kann was anderen nicht schadet<


>Eine Freude vertreibt hundert Sorgen<


heidi antwortete am 13.02.01 (23:06):

und Eichendorff zum letzten Mal:

DIE NACHTBLUME

Nacht ist wie ein stilles Meer,
Lust und Leid und Liebesklagen
Kommen so verworren her
In dem linden Wellenschlagen.

Wünsche wie die Wolken sind,
Schiffen durch die stillen Räume,
Wer erkennt im lauen Wind,
Obs Gedanken oder Träume? -

Schließ ich nun auch Herz und Mund,
Die so gern den Sternen klagen:
Leise doch im Herzensgrund
Bleibt das linde Wellenschlagen.

(Joseph von Eichendorff)


heidi antwortete am 14.02.01 (00:00):

Worte?

am rand der zeit

am rand der zeit sing ich mein lied
das vom allegro
in dur und moll geriet

am rand der zeit sing ich allein
die alte verzweiflung
zieht in mir ein

am rand der zeit will ich jetzt schweigen
hör aus der ferne
leis' des herbstes geigen

der rand der zeit hört mein gelächter
zum spott mir selbst:
es ging dir doch schon schlechter

schreib deine verslein aus dem leid
was nutzen tränen dir
am rand der zeit....

hl


Sylvia antwortete am 14.02.01 (00:31):

Ein Hochhaus
im Grünen
fast

�stlich
die Autobahn

Tagsüber
und nachts
immerwährender
nervenzermürbender
Geräuschteppich

Der Atem geht flach

Westlich
der Flugplatz

Ununterbrochen
Starten und Landen
Gedröhn
Im Geschirrschrank
klirren die Gläser

Auf dem Balkon
steht einer
achselzuckend

Was kann man schon
dagegen machen
Nichts
Immerhin
die Aussicht
ist schön

Unten
tummeln sich
Kinder
Geschrei und LACHEN

Irgendwo
bei offenem Fenster
übt einer Klavier
SCHON WIEDER

Irgendwo
mit Ausdauer
spielt einer Saxophon
NOCH IMMER

Irgendwo
vergügt
trällert eine ein Lied
IMMER DAS GLEICHE

Dem auf dem Balkon
platzt der Krage

Verdammter Krach
Rücksichtslose Bande

DIE GOFEN
mit ihrem ewigen GESCHREI
DER SPINNER
mit seinem blöden GEKLIMMPER
DER IDIOT
mit seinem langweiligen GEDUDEL
DIE ZIEGE
mit ihrem einfältigen GEPL�RR

ich will
meine RUHE haben

BESCHWEREN
WERDE ICH MICH
beim Hausverwalter
und das GLEICH


Heidi antwortete am 14.02.01 (02:59):

Nocheinmal Kaschnitz (für mlB)

Der Mond

Wie wundersam erwacht
Die kaum entschlafne Welt,
Wenn in das Haus der Nacht
Der Schein des Mondes fällt.

O Auge, das nicht sieht,
Erloschener Trabant,
O weißer Kelch, entblüht
Der dunkeln Himmelswand.

Dein Licht beglänzt die Saat,
Der schwarzen Wälder Hut,
Und zittert wie ein Pfad
Auf der bewegten Flut.

Und wie in rascher Flucht
Die Wolken dich umwehn,
Erschimmern Land und Bucht
Und schatten und vergehn.

Wie oft schon, reines Licht,
Der Liebe zugesellt,
Hast du das Angesicht
Des Freundes mir erhellt.

Es fällt der Liebe Wort
Süß in die dunkle Zeit,
Wie Mondschein auf den Ort
Der Traurigkeit.



Herbertkarl Hüther antwortete am 14.02.01 (11:48):


(((((((((o:

Girls Beat-song
Der männliche Samen wird ähnlich wie Spucke erzeugt.
(Dr. Pfannschmitt)
Na, eben. (Girl)


Sie sagen, ich wäre ein Flittchen.
Das ist mir doch schnurz und egal!
O.K., ja, ich bin kein Schneewittchen!
O.K., ja, es ist ein Skandal -:
Der Beat, nur der Beat hält mich senkrecht
die Liebe horizontal!

Ich geh als gelernte Frisöse
und trimme der Kundschaft den Krepp.
Was sind diese Klammern oft böse,
ist eine mal nicht so auf Pepp.
Der Dita brach neulich der Kamm durch.
Sie sagte sich: Baby, halt, stop!
Die mimt im Center jetzt, die sitzt in Hamburg,
die hat von uns den minifreisten Job!

Nach Dienstschluss genießt sie das Leben
mit Süsis wie aus 'em Journal.
Der Job, dieser Job, hält sie senkrecht �
die Liebe horizontal!

Mein Alter geht fremd, meine Olle,
die simst auf 'em Nepp nebenan,
Sie liegt bis um drei in der Molle,
dann tüncht sie sich an, wenn sie kann.
Die Chefin ist zickig, ihr Gatte
begriffelt mir flott das Paket.
Sie feiern abends längelang auf Matte,
und alle pimpern dann zum Schluss querbeet.
Sie saften gestreift und Kariertes
und meinen es trotzdem oval!
Die Pulle, nur die, hält sie senkrecht -
die Pille horizontal!

Da heißt es, ich wär eine Schneppe!
Wo bin ich denn anders als die?
Die tragen doch unter der Schleppe
die gleiche Maschinerie!
Ich sage es meinem Gelumpe,
ich sage es ihm ins Gesicht:
Der ganze miese Zirkus ist mir wumpe!
Ich nehme nicht mehr teil am Unterricht!

Come on, boy, probier deine Ische
und prüfe das Material!
Der Beat, nur der Beat hält mich senkrecht -
die Liebe horizontal!

Fritz Graßhoff: Bilderreiches Haupt- &
(G)liederbuch. Kiepenheuer & Witsch 1970.


Heidi antwortete am 14.02.01 (12:03):

Das Lied des Bettlers

Ich gehe immer von Tor zu Tor,
verregnet und verbrannt;
auf einmal leg ich mein rechtes Ohr
in meine rechte Hand.
Dann kommt mir meine Stimme vor
als hätt ich sie nie gekannt.

Dann weiß ich nicht sicher, wer da schreit
ich oder irgendwer.
Ich schreie um eine Kleinigkeit.
Die Dichter schreien um mehr.

Und endlich mach ich noch mein Gesicht
mit beiden Augen zu;
wie's dann in der Hand liegt mit seinem Gewicht
sieht es fast aus wie Ruh.
Damit sie nicht meinen ich hätte nicht,
wohin ich mein Haupt tu.

Rainer Maria Rilke


Eva antwortete am 14.02.01 (12:08):


Francois VILLON (Paris, ca. 1431 - nach 1463):

Ballade von den schönen Frauen vergangener Zeiten

Sagt mir: wo, in welchem Land
Flora weilt, die schöne Römerin,
Thais auch, die lüstereiche Buhlerin,
Archipidia, die ihr nahestand ?
Echo, die in Berg und Wald
unser Rufen widerhallt ?
Ihre Schönheit ohnegleichen
war so hold, berückend, klar !

Doch wo ist der Schnee vom vergangenen Jahr ?

Und wo ist die zauberschöne Helois,
die einst alle Welt die kluge Jungfrau nannte ?
Zu der Abelard in Liebesglut entbrannte,
bis ihr Oheim Fulbert ihn entmannte
und er dann im Kloster Sankt Denis
Mönch und Prior ward sogar ?
Liebe hat ihm solches Leid gebracht.
Ach, wo ist die Königin, die mannstoll war
und Herrn Buridan mit ihrer Huld bedacht�,
ihm erst ihre süße Minne schenkte
und ihn dann, in einen Sack genäht, bei Nacht
heimlich in der Seine feig ertränkte ?

Doch wo ist der Schnee vom vergangenen Jahr ?

Blanca mit der silbersüßen
Stimme, lilienweiße, lieblich anzuschaun,
Bertha mit den großen Füßen ,
Alix, Beatrix, das edle Frauenpaar,
Eremburg, die Mainelands Herrin war,
und Johanna aus Lothringes Gaun,
die zu Rouen starb den Tod im lohen Feuer,
Hexe, einst verbrannt, Heilige, uns allen teuer.
Wo sind sie Gottesmutter, gnadenreiche immerdar ?

Doch wo ist der Schnee vom vergangenen Jahr ?

Geleit :

Fürst, frage nicht, wo sie geblieben,
weder jetzt noch übers Jahr !
Hört den Kehrreim, den ich hingeschrieben :
Wo ist der Schnee vom vergangenen Jahr ?

-.-.-.-.-.-.-

Ich dagegen mache mich auf die Suche nach dem spärlichen
Schnee des heurigen Jahres und verabschiede mich auf einige
Tage, in denen ich in der Steiermark langlaufen (Lang
laufen, lang Laufen, Langlaufen ???) gehe. - Eine
schöne Woche wünscht Eva


webmaster antwortete am 14.02.01 (12:15):

Wegen eines technischen Fehlers ist der Verlust einiger Einträge seit Gestern möglich. Wir bitten um Verzeihung.


Heidi antwortete am 14.02.01 (12:19):

Das Lied des Zwerges

Meine Seele ist vielleicht grad und gut;
aber mein Herz, mein verbogenes Blut,
alles das, was mir wehe tut,
kann sie nicht aufrecht tragen.
Sie hat keinen Garten, sie hat kein Bett,
sie hängt an meinem scharfen Skelett
mit entsetztem Flügelschlagen.

Aus meinen Händen wird auch nichts mehr.
Wie verkümmert sie sind: sie her:
zähe hüpfen sie, feucht und schwer,
wie kleine Kröten nach Regen.
Und das Andre an mir ist
abgetragen und alt und trist;
warum zögert Gott, auf den Mist
alles das hinzulegen.

Ob er mir zürnt für mein Gesicht
mit dem mürrischen Munde?
Es war ja so oft bereit, ganz licht
und klar zu werden im Grunde;
aber nichts kam ihm je so dicht
wie die großen Hunde.
Und die Hunde haben das nicht.

******

Das Lied des Aussätzigen

Sieh ich bin einer, den alles verlassen hat.
Keiner weiß in der Stadt von mir,
Aussatz hat mich befallen.
Und ich schlage mein Klapperwerk,
klopfe mein trauriges Augenmerk
in die Ohren allen
die nahe vorübergehn.
Und die es hölzern hören, sehn
erst gar nicht her, und was hier geschehn
wollen sie nicht erfahren.

Soweit der Klang meiner Klapper reicht
bin ich zuhause; aber vielleicht
machst Du meine Klapper so laut,
daß sich keiner in meine Ferne traut
der mir jetzt aus der Nähe weicht.
So daß ich sehr lange gehen kann
ohne Mädchen, Frau oder Mann
oder Kind zu entdecken.

Tiere will ich nicht schrecken.

Rainer Maria Rilke


Waltraud Fuchs antwortete am 14.02.01 (20:15):

Weißt du wie das ist?
Du sehnst dich nach einem Gespräch
und hast nur dich.

Weißt du wie das ist?
Du fühlst die Liebe für die Deinen,
aber du mußt sie behalten.

Weißt du wie das ist?
Deine Gefühle finden kein Ziel.
Sie begleiten nur dich.

Weißt du wie das ist?
Traurig suchst du den Grund bei dir.
Und deine Zweifel richten sich gegen dich.

Weißt du wie das ist?
Du erkennst:
In deinem Leben gibt es kein Netz,
in das du fälltst!

DU, der du das alles weißt,
vielleicht finde ich ja DICH.

Waltraud Fuchs


Brita antwortete am 14.02.01 (22:08):

Dieses Gedicht passt zwar nicht zum vorhergehenden mir sehr vertrauten Thema von Waltraud, also neuer Gedanke....

Die alte Glut

Die alte Glut, was kann sie frommen,
Die wieder durch mein Herz sich gießt?
Warum noch immer so beklommen,
Wenn du die teuren Züge siehst?

Hat eine deiner heissen Klagen
Den harten Stolz auch je gebeugt?
Du bist geboren, zu entsagen,
Zum Glücke bist du nicht gezeugt.

Erstickte Sehnsucht regt sich wieder,
So sei ein Mann denn und enflieh!
Was soll der Nachklang schöner Lieder
Dem Herzen ohne Harmonie?

August Graf von Platen


Herbertkarl Hüther antwortete am 15.02.01 (11:43):



Die andre Welt

Ein Phantastenpsalm

Laß die Erde! Laß die Erde!
Laß sie ruhen bis sie fault!
Über schwarzen Wiesentriften
Schweben große Purpurengel;
Ihre Purpurlieder brennen
In dem grünen Himmel
Meiner Welt.

Laß die Erde! Laß die Erde!
Laß sie ruhen bis sie fault!
Über weißen Schneepalästen
Kreisen blaue Turteltauben;
Ihre Saphirflügel leuchten
In dem grünen Himmel
Meiner Welt.

Laß die Erde! Laß die Erde!
Laß sie liegen bis sie fault!
Über goldnen Meereswogen
Fliegen silberblanke Fische;
Deren Strahlenglanzflossen blitzen
In dem grünen Himmel
Meiner Welt.

Haß die Erde! Haß die Erde!

Paul Scheerbart
1893

Scheerbart,
Paul, Schriftsteller, *Danzig 8.1. 1863,
�Berlin 15.10. 1915; schrieb Gedichte,
fantastische Erzählungen; seine skurril-
utopischen Visionen weisen auf Dadaismus
und Surrealismus hin (�Ich liebe dich!
Ein Eisenbahnroman mit 66 Intermezzos�,
Roman; 1897).

(c) Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG, 1999


Sieghard antwortete am 15.02.01 (12:18):


Psalm für ehemals Abhängige
nach Psalm 124

Hätte sich nicht der Herr für uns eingesetzt,
als sich gegen uns das Suchtmittel erhob.

Es hätte uns lebendig verschlungen,
als gegen uns sein Zorn entbrannt war.

Dann hätten die Wasser uns weggespült,
hätte sich über uns ein Wildbach ergossen.

Die Wasser hätten sich über uns ergossen,
die wilden und wogenden Wasser.

Gelobt sei der Herr,
der uns nicht ihren Zähnen als Beute überließ.

Unsre Seele ist wie ein Vogel
dem Netz des Suchtmittels entkommen;
das Netz ist zerrissen, und wir sind frei.

Unsere Hilfe ist im Namen des Herrn,
der Himmel und Erde gemacht hat.

.


Herbertkarl Hüther antwortete am 15.02.01 (14:23):


Psalme (((o:

Ps 1,1 Wohl dem, der nicht wandelt nach
dem Rate der Gottlosen, noch tritt auf den
Weg der Sünder, noch sitzt, da die Spötter
sitzen;
Ps 1,2 sondern seine Lust hat am Gesetz
des HERRN und in seinem Gesetze forscht
Tag und Nacht.
Ps 1,3 Der ist wie ein Baum, gepflanzt an
Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu
seiner Zeit und dessen Blätter nicht verwelken,
und alles, was er macht, gerät wohl.
Ps 1,4 Nicht so die Gottlosen;
sondern sie sind wie Spreu, die der Wind
zerstreut.
Ps 1,5 Darum werden die Gottlosen
nicht bestehen im Gericht, noch die Sünder
in der Gemeinde der Gerechten;
Ps 1,6 denn der HERR kennt den Weg
der Gerechten; aber der Gottlosen Weg
führt ins Verderben.
Ps 2,1 Warum toben die Heiden und
reden die Völker vergeblich?
Ps 2,2 Die Könige der Erde stehen
zusammen, und die Fürsten verabreden
sich wider den HERRN und wider seinen
Gesalbten:
Ps 2,3 �Wir wollen ihre Bande zerreißen
und ihre Fesseln von uns werfen!�
Ps 2,4 Der im Himmel thront, lacht, der
HERR spottet ihrer.
Ps 2,5 Dann wird er zu ihnen reden in
seinem Zorn und sie schrecken mit seinem
Grimm:
Ps 2,6 �Ich habe meinen König eingesetzt
auf Zion, meinem heiligen Berge!�
Ps 2,7 Ich will erzählen vom Ratschluß des
HERRN; er hat zu mir gesagt: �Du bist mein Sohn,
heute habe ich dich gezeugt -
Ps 2,8 Heische von mir, so will ich dir die
Nationen zum Erbe geben und die Enden der Erde
zu deinem Eigentum.
Ps 2,9 Du sollst sie mit eisernem Zepter
zerschmettern, wie Töpfergeschirr sie
zerschmeißen!�
Ps 2,10 So nehmet nun Verstand an, ihr
Könige, und lasset euch warnen, ihr Richter
der Erde!
Ps 2,11 Dienet dem HERRN mit Furcht
und frohlocket mit Zittern.
Ps 2,12 Küsset den Sohn, daß er nicht zürne
und ihr nicht umkommet auf dem Wege; denn
wie leicht kann sein Zorn entbrennen! Wohl allen,
die sich bergen bei ihm!
Ps 3,1 Ein Psalm Davids, als er vor seinem
Sohne Absalom floh.
Ps 3,2 Ach, HERR, wie zahlreich sind meine
Feinde! Viele stehen wider mich auf;
Ps 3,3 viele sagen von meiner Seele:
�Sie hat keine Hilfe bei Gott.� - (Pause.)
Ps 3,4 Aber du, HERR, bist ein Schild
um mich, meine Ehre und der mein Haupt
emporhebt.
Ps 3,5 Ich rufe mit meiner Stimme zum
HERRN, und er erhört mich von seinem
heiligen Berge. - (Pause.)
Ps 3,6 Ich habe mich niedergelegt,
bin eingeschlafen und wieder erwacht;
denn der HERR stützte mich.
Ps 3,7 Ich fürchte mich nicht vor
Zehntausenden von Kriegsvolk, welche
sich ringsum wider mich gelagert haben.
Ps 3,8 Stehe auf, o HERR, hilf mir,
mein Gott! Denn du hast alle meine Feinde
auf den Kinnbacken geschlagen, zerbrochen
die Zähne der Gottlosen.
Ps 3,9 Der Sieg ist des HERRN. Dein
Segen sei über deinem Volk! - (Pause.)


Evelyn antwortete am 15.02.01 (16:59):

Sahel

Schlag mir Posaunen um
die Ohren,bis sie taub -

Ersticke mein Gesicht im
Wüstenstaub -

Brich mir die Stimme aus
der Kehle,eh sie lügt -

Eh ihr die billige
Entschuldung glückt -

Stoss durch des Schädels
eingefahrne Spreu - -

Dann zeige,dass Du Gott bist
und erschaff mich neu !


Heidi antwortete am 15.02.01 (17:35):

zwei Gedichte von Pfarrer Lothar Zenetti

Einen Augenblick lang

Manchmal
in seltenen Stunden
spürst du auf einmal
nahe dem Herzen, am
Schulterblatt schmerzlich
die Stelle, an der uns,
wie man erzählt, vor
Zeiten ein Flügel bestimmt
war, den wir verloren.

Manchmal
regt sich dann
etwas in dir, ein Verlangen,
wie soll ich's erklären,
ein unwiderstehliches Streben,
leichter und freier zu leben
und dich zu erheben und
hoch über allem zu schweben.

Manchmal
nur einen Augenblick lang -
dann ist es vorbei -
erkennst du dein wahres
Gesicht, du ahnst, wer du
sein könntest und solltest.
Dann ist es vorbei.
Und du bist, wie du bist.
Du tust, was zu tun ist.
Und du vergißt.

* * *

Den Liebenden

Behütet sind, die sich lieben,
und nichts darf ihnen geschehen.

Sie halten sich an den Händen
und können ihr Glück nicht verstehn.

Der eine erkennt sich im anderen
wenn sie in die Augen sich sehn.

So tauschen sie Leben um Leben,
und nichts soll ihnen geschehn.

Verläßlich trägt sie die Erde,
auf der sie wie Träumende gehn.

Und über ihnen am Himmel
läßt Gott seine Sterne stehn.

Behüte, Herr, die sich lieben,
so leicht kann die Liebe vergehn.


Herbertkarl Hüther antwortete am 16.02.01 (11:20):



uebrigens

fern der wahrheit
nah dem leben
kriechen die
gedanken hoch
wer weiss wohin

eine weile
zerrt zerberus
noch hungrig an
der leine

unirdische waerme
froent den koerper

gleissend rinnt
die energie zu schlag
sprengt die schaedeldecke
dass das gehirn platz hat

weit offen
das alles

hkh


Sieghard antwortete am 16.02.01 (14:50):

Möhne, sing!
Schwing deine Wasser
über Powerland.
Trunken bist du vom Glanz darin.

Menschheit, auf!
Lauf ihr entgegen,
deine Geburt ist nah!
Geliebte, die Hochzeit ist da.

Trink seinen Wein,
den neuen, glühenden, guten!

Herrliches All!
Fall vor ihm nieder,
bring dich als Gabe dar!
Ewiges Leben wird dich
im Tode durchbluten!
.


Heidi antwortete am 16.02.01 (23:46):

:-) Elfenlied von Mörike

Elfenlied.
Bei Nacht im Dorf der Wächter rief:
Elfe!
Ein ganz kleines Elfchen im Walde schlief -
wohl um die Elfe! -
und meint, es rief ihm aus dem Tal
bei seinem Namen die Nachtigall,
oder Silpelit hätt' ihm gerufen.
Reibt sich der Elf' die Augen aus,
begibt sich vor sein Schneckenhaus
und ist als wie ein trunken Mann,
sein Schläflein war nicht voll getan,
und humpelt also tippe tapp
durchs Haselholz ins Tal hinab,
schlupft an der Mauer hin so dicht,
da sitzt der Glühwurm, Licht an Licht.
�Was sind das helle Fensterlein?
Da drin wird eine Hochzeit sein:
die Kleinen sitzen beim Mahle
und treiben's in dem Saale.
Da guck' ich wohl ein wenig 'nein!�
- Pfui, stößt den Kopf an harten Stein!
Elfe, gelt, du hast genug?
Gukuk! Gukuk!


Heidi antwortete am 17.02.01 (09:49):

Was es zu lernen gibt

Klarheit durch Abstand ist von den Sternen zu lernen,
die Offenheit von den Bäumen.
Einheit innen und außen leben die Kinder.
Die Träume wissen die Wahrheit.

Die Sonne lehrt den Umgang mit Gold,
der Mond die silberne Heilung durch Gift,
das Wasser die Wandlung, ohne sich aufzugeben,
der Wind, wie man den Schmerz gelassen veratmet.

Catarina Carsten

Ich wünsche Allen ein schönes Wochenende


Waltraud Krause antwortete am 17.02.01 (12:46):

Wenn mein Gedicht auch nicht zu dem vorher geschriebenen paßt, so möchte ich es doch hier vorstellen.

Das Alter !

Es ist seltsam mit dem Alter, wenn man 13 und noch Kind,
weiß man glasklar, daß das Alter so um 20 rum beginnt.

Ist man aber selber 20, denkt man nicht mehr ganz so steif,
glaubt jedoch, genau mit 30, ist man für den Sperrmüll reif.

30iger, schon etwas weiser, und vom Lebenskampf geprägt,
haben den Beginn des Alters, auf die 40 festgelegt.

40iger,mit dem Hang zum Grübeln, sagen dumpf wie ein Fagott,
50 sei die Altersgrenze, und von da an sei man Schrott.

Doch die 50iger, die Reifen, denken überhaupt nicht dran,
sagen fit, das Altsein fängt....frühesten mit 60 an.

Mit 60 fühlt man schon in Kürze, man hat erreicht des Lebens Würze.
Man zeigt jetzt was man alles kann, das Alter fängt mit 70 an.

Doch die 70iger die Klugen, schau`n den Kalender gar nicht an,
jung sind alle die noch lachen, lieben, leben, weitermachen

ALTER....fängt mit 100 an !!!


Heidi antwortete am 17.02.01 (21:04):

Clemens v. Brentano

Einsam will ich untergehn
Einsam will ich untergehn,
Keiner soll mein Leiden wissen!
Wird der Stern, den ich gesehn,
Von dem Himmel mir gerissen,
Will ich einsam untergehn
Wie ein Pilger in der Wüste.

Einsam will ich untergehn
Wie ein Pilger in der Wüste!
Wenn der Stern, den ich gesehn,
Mich zum letzten Male grüßte,
Will ich einsam untergehn
Wie ein Bettler auf der Heide.


Einsam will ich untergehn
Wie ein Bettler auf der Heide!
Gibt der Stern, den ich gesehn,
Mir nicht weiter das Geleite,
Will ich einsam untergehn
Wie der Tag im Abendgrauen.


Einsam will ich untergehn
Wie der Tag im Abendgrauen!
Will der Stern, den ich gesehn,
Nicht mehr auf mich niederschauen,
Will ich einsam untergehn
Wie ein Sklave an der Kette.

Einsam will ich untergehn
Wie der Sklave an der Kette!
Scheint der Stern, den ich gesehn,
Nicht mehr auf mein Dornenbette,
Will ich einsam untergehn
Wie ein Schwanenlied im Tode.


Einsam will ich untergehn
Wie ein Schwanenlied im Tode!
Ist der Stern, den ich gesehn,
Mir nicht mehr ein Friedensbote,
Will ich einsam untergehn
Wie ein Schiff in wüsten Meeren.


Einsam will ich untergehn
Wie ein Schiff in wüsten Meeren!
Wird der Stern, den ich gesehn,
Jemals weg von mir sich kehren,
Will ich einsam untergehn
Wie der Trost in stummen Schmerzen.


Einsam will ich untergehn
Wie der Trost in stummen Schmerzen!
Soll den Stern, den ich gesehn,
Jemals meine Schuld verscherzen,
Will ich einsam untergehn
Wie mein Herz in deinem Herzen.



Heidi antwortete am 17.02.01 (22:27):

*g* auch von Brentano:

Die Rose blüht, ich bin die fromme Biene,
Die in der Blätter keuschen Busen sinkt,
Und milden Tau und süßen Honig trinkt,
Doch lebt ihr Glanz und bleibet ewig grüne.
So singt mein tiefstes Freudenlied,
Ach meine Rose blüht!
Die Rose blüht, o Sonnenschein verziehe,
Daß lange noch der liebe Sommer währt,
Und mir kein Sturm die süße Lust versehrt,
Daß all mein Heil aus dieser Rose blühe
So freut sich innig mein Gemüt,
Weil meine Rose blüht!

Die Rose blüht, und lacht vor andern Rosen,
Mit solcher Huld, und Liebesmildigkeit,
Daß gern mein Sinn sich zu der Pflicht erbeut,
Mit andern Blumen nie mehr liebzukosen,
Weil alle Liebe, die erglüht,
Aus dir du Rose blüht!


Heidi :-)) antwortete am 17.02.01 (22:58):

zum Schluß :-)) (siehe auch hkh oben *g*)


uebrigens

gefuehle an die leine genommen
koerper in eiswasser getaucht
schaedeldecke geschlossen
wahrheit ins auge gesehen
gedanken unterdrueckt
herz verschlossen
nah dem tod
blutrot
tot
hl


Sieghard antwortete am 18.02.01 (11:12):


Paul Wühr (*1927)

Ich habe den Fehler nicht
machen müssen weil

der sagt
ich bin der Fehler
der ich bin

lasset uns den Fehler machen
ein Bild
das uns gleich sei

.


Herbertkarl Hüther antwortete am 18.02.01 (11:49):



sehr schoenes "dreieckiges" gedicht, heidi

Zur Auflockerung: (((o:

Krimskrams II

"Du willst 'ne Harley leasen, Rocker?
Dann mach' schon mal 'nen Riesen locker."

Erbse

"O tempora, o mores!" rief er,
kaum roch des Abflußrohres Mief er.

Johannes Widi

"Oh, Schatz, erhöre meine Bitte!
Laß mich in deiner Beine Mitte!"

Erbse

'ne Flasche Schnaps trank Liebetraut -
dann wurden ihre Triebe laut.

Erbse

Als ich um Geld trotz Manko bat,
verhöhnte mich der Bankomat.

Johannes Widi

Als wir noch in der Wiege lagen,
fuhr'n wir gern im Liegewagen,
da konnten wir im Wagen liegen
und uns in allen Lagen wiegen.

Oliver Weigel

Der Kropf hervor beim Jodeln ragt,
wenn man zu Tal auf Rodeln jagt.

Johannes Widi


Der Nutzen von Bieren
liegt im Putzen von Nieren.

Johannes Widi

Dem Mädchen in der Bäckerei
schläft häufig nachts ein Recke bei.

Erich Mühsam

Der ist ein großer Schweinehund,
dem je der Sinn für Heine schwund.

Erich Mühsam


Ingrid Schmidt antwortete am 18.02.01 (15:00):

Hallo an alle:
Kennt jemand den Text des englischen Gedichtes mit folgender Beginnzeile:

Wake up said the sun to the snowdrop ...............

Ich freue mich schon auf Rückmeldungen.
Herzliche Grüße Ingrid


Heidi antwortete am 18.02.01 (22:16):

Morgenstern :-))

Es pfeift der Wind . . .

Es pfeift der Wind. Was pfeift er wohl?
Eine tolle, närrische Weise.
Er pfeift auf einem Schlüssel hohl,
bald gellend und bald leise.

Die Nacht weint ihm den Takt dazu
mit schweren Regentropfen,
die an der Fenster schwarze Ruh
ohn End eintönig klopfen.

Es pfeift der Wind. Es stöhnt und gellt.
Die Hunde heulen im Hofe. -
Er pfeift auf diese ganze Welt,
der große Philosophe.

* * *

Der Seufzer

Ein Seufzer lief Schlittschuh auf nächtlichem Eis
und trämte von Liebe und Freude.
Es war an dem Stadtwall, und schneeweiß
glänzten die Stadtwallgebäude.

Der Seufzer dacht' an ein Maidelein
und blieb erglühend stehen.
Da schmolz die Eisbahn unter ihm --
und er sank -- und ward nimmer gesehen.

* * *

Das Gebet

Die Rehlein beten zur Nacht,
hab acht!

Halb neun!

Halb zehn!

Halb elf!

Halb zwölf!

Zwölf!

Dle Rehlein beten zur Nacht,
hab acht!
Sie falten die kleinen Zehlein,
die Rehlein.

* * *
Gute Nacht und einen guten Wochenanfang wünsche ich allen


Heidi antwortete am 19.02.01 (15:38):

Der Bettler

Ein Bettler steht
am Himmelstor.
Petrus grinst:
"Du warst Autor?
So will ich mit
dir gnädig sein;
du warst gewiss ein
armes Schwein !"

Juni 1997 "bettler" Georg Segessenmann

Dies zum Einstieg, ich möchte Euch einen Dichter vorstellen,
den ich im Gästebuch entdeckt und um eine Kostprobe seiner Gedichte gebeten habe. Gleich noch mehr :-))


Heidi antwortete am 19.02.01 (15:43):

Als Gott der Herr....

Als Gott der Herr die Welt erschaffen
mit all den Tieren bis zum Affen,
da dünkte ihn, es fehl` noch was,
na so was wie im Spiel das As.

Drum nahm er einen Klumpen Lehm,
setzte sich auf den Thron bequem,
dann knetete er mit voller Kraft
und hatte bald es schon geschafft
den Adam aus dem Lehm zu formen,
ganz ohne Plan und ohne Normen.
Dann trank er noch ein Schlücklein Wein
und blies Adam seinen Odem ein.

Obwohl das Werk den HERRN erfreute
und ihn der Lehm kein bisschen reute,
hörte er nach ein paar Tagen
sich selber bitterlich beklagen:
"Der Prototyp ist zwar gelungen;

er hat ein Herz und Leber, Lungen,
doch irgendwie scheint mir beim Bein
ein kleines Stück zuviel zu sein.
Darum erschaff`` ich jetzt im Nu
nen weiteren Mensch, ohne, dazu".
Gesagt, getan, gewagt, wohlan;
was er erschuf, war wohlgetan.
Mal kurzes Haar, mal langes Haar;
es war ein schönes Menschenpaar,
das sich da in der Sonne sonnte
und Gott den HERRN erfreuen konnte.

"Nun zieht ins Paradies sogleich
und wachset und vermehret euch;
benehmet euch wie Frau und Mann
und macht die Erd` euch untertan"!
Die beiden taten wie befohlen,
vermehrten sich ganz unverhohlen,
und schon nach ein paar kurzen Jahren
sie eine grosse Sippe waren,
die sich, wie Gott sie einst belehrte,
sich wie Karnickel stets vermehrte.
Doch bald hat Gott es Leid getan;
sie machten nicht nur untertan,
sie rotteten auch fleissig aus;
die Erde wurde, Graus oh Graus
in eine Wüstenei verwandelt,
das Paradies wurde verschandelt.


Der HERR schaut zu; erbost? Vergrämt?
Ob er sich seiner "Tat" wohl schämt?


Dezember 2000 "Als Gott der Herr..." Georg Segessenmann


Heidi antwortete am 19.02.01 (15:53):

Georg Segessenmann (Pseudonym)ist Schweizer, Jahrgang 1932
und schreibt seit seiner Jugend (ca.200 Gedichte bisher).
Es gibt auch zwei Bücher von ihm: "Herbstlaub" (Amazon) und
"Der Armeleutebub" (nur direkt vom Autor). Hier seine
E-Mail-Adresse: [email protected]

Jetzt noch ein weiteres, sehr schönes Gedicht von ihm:

Bergwelt

Berge unter lichten Wolken,
Sturzbach, der zu Tale rauscht,
Herdenkühe, frisch gemolken,
Gemse, die Gefahr erlauscht;
Bergblumen ducken ihre Köpfe,
zwei Murmeltiere halten Wacht,
an Krüppellärchen flattern Zöpfe,
die Wind und Wetter grau gemacht.
Ich wandere dem Licht entgegen,
bestaun` die hehre Alpenwelt,
trotze kaltem Wind und Regen
und bin wie selten aufgestellt.
Rund um mich tanzen Nebelfetzen,
feuchten mir das Haar, die Haut;
Perlenpracht auf Spinnennetzen,
so schön, wie ich noch nie geschaut.
Märchenzauber? Zauberwelten?
ich verlier` mich hoffnungslos darin,
geniess` die Luft, die rein und sauber
und fühle, dass ich glücklich bin.


Die Wolkendecke, nun gerissen,
weicht dem zarten Himmelsblau,
verziert von weissen Wolkenkissen;
Gletscherwind wird lind und lau.
Seufzend pack` ich meine Sachen,
greif` zögernd nach dem Wanderstab,
durch meine Seele zieht ein Lachen,
das ich schon fast vergessen hab`.

Abwärts lenk` ich meine Schritte,
verlass` die hehre Zauberwelt;
hoch zum Himmel geht die Bitte,
dass der Herr sie lange noch erhält.


************************


August 1999 "Bergwelt" Georg Segessenmann


Herbertkarl Hüther antwortete am 19.02.01 (17:03):


Das Große Lalula

Kroklokwafzi? Se�eme�i!
Seiokrontro -- prafriplo:
Bifzi, bafzi; hulale�i:
quasti basti bo...
Lalu lalu lalu lalu la!

Hontraruru miromente
zasku zes rü rü?
Entepente, leiolente
klekwapufzi lü?
Lalu lalu lalu lala la!

Simarat kos malzlpempu
silzuzankunkrei (;)!
Marjomar dos: Quempu Lempu
Siri Suri Sei []!
Lalu lalu lalu lalu la!

Christian Morgenstern

Morgenstern,
1)Christian, Maler, *Hamburg 29.9. 1805, �München
27.2. 1867, Großvater von 2); malte unter dem
Einfluss von C.Rottmann zunächst realistische
Landschaften, später romantisch-pathetische
Bilder von Naturereignissen.

(c) Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG,
1999

2) Christian, Dichter, *München 6.5. 1871,
�Meran 31.3. 1914, Enkel von 1); schrieb
Lyrik und Kabaretttexte u.a. für M.Reinhardts
�Überbrettl�; auch Aphorismen, Kinderlieder;
Übersetzungen. Morgenstern wurde bekannt
durch seine witzigen Sprachgrotesken (v.a.
�Galgenlieder�, 1905; �Palmström�, 1910;
�Der Gingganz�, 1919). Sein Denken war
beeinflusst von Nietzsche, dem Buddhismus
und der Anthroposophie R.Steiners.


(c) Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG,
1999