Osterferien. Letzter Tag
Kein Märchen

Es schellt. Es hat geschellt. Dann geknallt. Viermal lang, einmal kurz!
Oppa! Oppa! Ich komm!
Heiner sich was über übergezogen. Er wollte doch gar nicht aufstehen. Sich und der Welt die Decke über die Ohren ziehen.
Geht los. Schließt um.
Was??? Du - Großpa! Bist du das Großpapa?
Meinst du, die Polizei?
Haha-Oppapa!
Ja, komm doch in mein Zimmer.
Was? Du? Du steckst noch immer im Bett! Knüngelkopp, du!
Ach, kommmanschnell ins Warme.
Der Opa stopft dem Jungen das Oberbett zu, dass er nur noch mit dem Kopf rausschaut.
Hier, schnell den Kaffee! Trink! Und schwupps, erzähl mir �
Opa, ja, später? Ich denk die ganze Zeit an was, was du mal erzählt hast!
Na, was denn? In 76 Jahren erzählt -?
Ja, was, das weißt du schon! � Er holte tief Luft: Denk mal mit, bitte! Du hast doch früher mal Märchen -?
Was, Mär-chen? Mär-lein erzählt? So Es-war-einmal?
Ja, Märchen hat du immer gern vertellt!
Mhm, mag sein!
Und: eins, das stammte wohl ganz da hinten aus der Walachei.
Na � du meinst den Spreewald �
Ja, das da für die Sorben.
Opa, kichernd: Oder meinst du: Ungarn!
Irgendwiewowas! Aber nix von Günter Jauch und seiner Weltkarte!
Naja, sag doch. Weißnixmehr! Wovon handelte es?
Von alt und jung, so!
Aber etwas genauer! Hab doch auch fast alles vergessen aus meiner Heimat.
Irgendwas mit Sterben!
Wieso?
Ja, erben durch Sterben.
Meinst du nicht: Erben durch Töten?
Ja, wie die Alten sungen, angeblich -
Sag � Junge, so was weißt du noch?
Ja, dass die Alten früher umgebracht wurden.
Ach, dass die alten Leute ihren eigenen Tod sterben und nicht umgebracht wurden..?
Ja, bitte, erzähl! Komm setzt dich zu mir an die Kante. Hier, ich rutsch!
Und da erzählt einer:
Ganz früher � da war es so auf der Welt, daß man die Alten verhungern ließ.
Oder sie umbrachte �
Das... das... es knackste nur noch so leicht...
Hab ich das so erzählt? Jungejunge!
Ja, hat mir mächtig wehgetan, damals.
Also, dass man alte Leute tötete. Wird einer alt, da lässt man ihn verrecken - oder man vergiftet ihn, merkt keiner � der krepiert im Darm! Oder stolpert vom Brücklein hinterm Pfarrhof runter!
*
Osterferien. Letzter Tag
Kein Märchen � Teil 1 � Forts. folgt

Osterferien. Letzter Tag
Kein Märchen. Teil 2

Aber da schubste ihn doch einer -?
Ja, mit der letzten Schneewächte im März. Vom Holzbrücklein über den Krapatkow runter. Oder erschlug ihn im Wald. Man musste doch jeden dritten Tag in den Wald. Um acht ging Opa fort, um zehn war er dort.
Ja, das weiß ich auch: Von hier bis zur Ewigkeit - ist es nicht weit!
*
�Er ist alt�, sagen die Jungen, die ein Maul am Tisch weniger haben wollten, �wozu taugt er, wozu ihn so lange umsonst mit Brot füttern?�
Aber einmal - einem Sohn tat es leid um seinen alten Vater. Anstatt ihn zu erschlagen, versteckte er ihn im Keller und brachte ihm das Essen dorthin.
Gott schickte aber eine Hungersnot: alles Getreide aßen die Leute auf, sie vermahlten und aßen sogar das Korn, das sie für die Aussaat aufbewahrt hatten. Da kommt der Sohn zum Vater und sagt: �Jetzt aber, Vater, werde ich dich - ! Das ist überall hier so. Jeder andere Sohn hätte dich schon getötet! � Und du �Sohenmann? Nein, Abbapapá, Väterchen! Aber es gibt nichts zu essen. Jetzt werde ich sogar selber Hungers sterben müssen.� �Nein, wir beide zusammen, wenn du so weiter jammerst. � Pass mal auf: Sohn�, sagte der Vater, �erschlag mich nicht, okay! Tu nur was sich von meinem Vater gelernt hab. Und das sage ich dir auch: Geh, pflüg einen Morgen Acker, deck die Hütte ab, schneid das Stroh klein und säe es aus, fürs nächste Jahr mag es wenigstens zur Aussaat Frucht tragen.�
Der Sohn hörte auf ihn und säte heimlich den Häcksel früh am nächsten Morgen aus, bevor es lichtete.
*
Und - klappt es? fragt der Junge.
Wart ab!
Aber nich in Popolski, Opa! Ja. Das war mir imma zu gausam!
Das hieß doch nur �Baranij Bjell!�
Aber ich weiß noch, was das hieß! Im Barasowieosbelicki ertränken! Im Sumpf! Weiß ich noch!
Ach, bist schon ein Menschlein, könntest besser mein Sohn sein...
*
Na, es war noch schwer im Winter. Aber sie teilten alles.
Und als der Himmel seine blauen Frühlingsbänder schwang - siehe da, es wuchs das Getreide, und sogar so dichtes, so gutes, wie es selbst in einem guten Jahr selten ist!
Na, die Leute, die sahen, dass der Opa noch lebte und, welche Frucht der kleine Acker trug.
Sie kamen zu meinem Sohn und fragten: �Was hast du ausgesät? Wo hast du das Korn für die Aussaat her, wo doch im Dorf schon kein Körnchen mehr zu finden war?�
�Was denn, liebe Leute�, sagte er, �die Wahrheit soll man nicht verbergen: Ich habe meinen Vater nicht erschlagen � leid, ja, leid hat er mir getan, da habe ich ihn im Keller versteckt, damit es die Leute nicht merken, dass er noch lebte. Und habe ihn da mit Essen versorgt. Und als Gott über uns Sünder große Not hat kommen lassen, da haben sie das Korn aufgegessen, nirgendwo war in den Scheuern auch nur ein Körnchen zu finden; als die Zeit zur Aussaat kam, da bin ich zum Vater gegangen. Wir haben zusammen gebetet. Und er sagt mir: �Papa, wir stecken den Kotten an!� �Ach, was! Deck den Stadel ab, Sohn!�
�Und dann? Dann regnet�s rein!�
�Ach, was, schneid das Stroh klein zu Häcksel. Und zusammen säe�n wir es aus.�
�Nein! Das kann ich noch alleine!�

Osterferien. Letzter Tag - Kein Märchen � Teil 2 �
Forts. folgt

Osterferien. Letzter Tag
Kein Märchen. Teil 3

Na, das habt ihr ja gesehen, so habe ich es gemacht. Hab den Acker gepflügt und Häcksel darauf gesät. Und jetzt hat er Frucht getragen, Gott sei gelobt, für mich wird's reichen, und für andere wird's auch reichen.�
�Auch wir werden unsere Väter nicht mehr umbringen. Vielleicht werden auch sie uns einmal von Nutzen sein.�
Und es blühte und alles.
Seit damals wurden die Alten nicht mehr umgebracht, jeder konnte seinen eigenen Tod sterben.
*
Den von Gott gewollten Tod � eben -
Meinetwegen, ja.
Aber: �Morgen� - hieß das früher nicht anders?
Wie denn?
Der Morgen? Äh? Das Land!
Weiß ich doch nimma.
Irgendwie. Irgendwie wie - Dekjatina!
Ach, so, vielleicht so: Desjatine?
Ja, genau.
Na, das Wort steht wohl nicht mehr im Duden.
Und schlag mir mal nach, wie viele Ruten das waren. � Kannst ja deinen Mathelehrer fragen.
Den Mathebelehrer? Deswegen bleib ich ja zuhaus.
Aber morgen - doch?
Schluß mit Stuß!
Aber nixda!
Was sonst denn? Opa? Jetzt, da müssen wir hungern. Die Jungen.
Ja, fast! Könnt euch ja vom Klauen ernähren.
Oder vom Betteln? Was?
Was fast? Sieh doch: Keine Ausbildung, Minijobs, dass wir nix ansparen könn�.
Und nix für die Kranken-und-sonst-was-Versicherungen.
Ja, unsere Erzeuger sollen uns da doch lieber umbringen.
Wenn sie das nicht schon per Abtreibung erledigt haben.
Opa, das war zu gemein! - Da schimpft jede Leserin!
Aber dann kriegen sie wieder Kindergeld für euch!
Aber hunderttausend bleibn arbeitslos.
Sonst stirbt Deutschland ja auch aus!
Schreibt die BILD.
Da hockt euch mal zusammn!
Was?
Eure Alten zusammen habt ihr da vielleicht Geld, dass ihr überleben könnt.
Und da sollen wir vielleicht wie � irgendein Terrorist -?
Solange noch die Polizei gut bezahlt wird. Oder ihr müsst sie infiltrieren.
Na, nenn�n wir uns doch lieber �Räuber�!
Junge, das macht deine Bildung!
Was, wie Franz Moor - Ach, so was leset ihr noch in der Schule.
Klar. Damit wir bei Jauch absahnen können.
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Kein Märchen � Teil 3 �
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Osterferien. Letzter Tag
- Kein Märchen. Teil 4 -

Wenn ihr nicht den nächsten Welteke umbringen wollt.
Well � wen � ach, was?
Wer ist das � willste wissen?
Quatsch. Will ich nicht wissen - ja, eure Erzeuger können euch dann umbringen � hast du das so gesagt, Opa?
Ja, schon.
Und die ganz-ganz Alten aber auch � äh, umbringen?
Nein, die haben ja Rente.
Was wir die � die - nicht haben, die Jungen?
So, Oppa, Besuchszeit zu Ende! Sonst ruft Omma noch an! Und ich muss wieder lügen.
*
Später.
Wieder bollerte es. Viereinhalbmal.
Oppa? Noch was?
Ja, du kannst doch nicht einfach wegbleiben. Aus der Schule mein ich.
Ich war lange genug �
Nein. Du musst da bis zum Sommer durchhalten.
Quatsch! Feierabend
Und im Sommer �
Weiß nicht.
Du, ich geh los.
Ohne mich!
Gut! Du weißt, dass du dann zum Arzt musst?
Wieso?
Ja, der Deckers �
Was dein Kumpel?
Ja, neben dem Kreishaus.
Was, der Psycho-?
Ja, der kann dich krank schreiben.
Als was? (Keine Antwort.) Depri? (Keine Antwort.) � Depri � Verstehste? - Für drei Monate? - (Keine Antwort.) - Und: Als was dann? (Keine Antwort.) Sonst kommt die Polizei mich holen?
Das weißt du ja. Wie beim letzten Mal.
Und das kann der Psychio-at -
Ja, der! Der Psüppsüüüchiater!
Verhindern? Äh? Ja?
Jau!
Äh. Kann ich da heute noch hin?
Sicher! Ich fahr dich hin!
Kaulquappenquatsch!
Wie?
Ach, schon gut, Oppahoppssassa!
Nana?!
Vadammich! Datschaffichwienix! Da fahr ich mittem Rad hin!
Aber: nicht übermü -
Ja, okay, weiß schon: übermütig werden.
Ich mein: N i c h t übermü-
(Beide zusammen): t i g werden.

sind mir zu anstrengend, diese Tage, Gott sei dank ist heute Ruhetag ;-))

Jürgen

beide sind alt und jung zugleich.

Ja - abdu - stimmt...! Danke!
Dass der "Junge" i.A. mehr Probleme hat, ist wohl klar: Schule geschmissen...! - Und die Eltern sind ja nicht für ihn da.
Ich habe noch eine erzählerisch umfangreichere Fassung geschrieben; hier sind ja fast nur die Dialoge stehen geblieben, wg. der Begrenzung der Seiten hier.