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THEMA:   Jedem seine "Gemeinschaft"

 13 Antwort(en).

Irina begann die Diskussion am 12.05.04 (09:39) :

Die schönste Gemeinschaft erlebte ich unter den Brücken von Petersburg.
Morgens ging man auseinander. Jeder in eine andere Richtung, weil alle eifersüchtig waren auf den anderen, der vielleicht einen besseren Bettel-Platz gefunden hatte als man selbst. An diesem Platz ließ man seinen Hund von der Leine, mit dem man in einer modernen Ersatz-Gemeinschaft lebte, und legte seine alte Mütze vor sich hin, obwohl man dann am Kopf fror oder einen Sonnenbrand auf der Glatze bekam. Gemeinsam saß man da: mit anderen von anderen Brücken, die man haßte oder leiden konnte, deren Schnaps man trank oder ihn ablehnte. Hinter einem plätscherte das Wasser eines Brunnens, und daß wir hier saßen � als �Schandbild einer Stadt� �, war den Ordnungshütern zuwider. Wer sich nicht traute, an die Kirchenwände zu pinkeln, ging in die Kaufhäuser und brachte gleich etwas Geklautes zum Essen mit. Alle paar Minuten blinzelte man neidisch zu der Mütze des Nachbarn, ob darin wohl mehr Münzen lagen als in der eigenen. Gar Scheine? Doch die Vorübergehenden hatten keine Banknoten übrig -, sie verschwendeten sie in den Geschäften, fraßen dafür in den Cafeterias und wandten den Kopf ab, wenn sie an uns vorübergingen.
Das einzig Gemeinsame, das die hier Sitzenden hatten, war ihr Kopfschütteln über die Mitleidslosigkeit dieser Welt.
Jeder trug anders zerrissene und anders fleckige Lumpen am Körper, einen andersfarbigen Wildwuchs an Haaren und anders formierte Gesichtszüge. Jeder haßte den anderen und brauchte ihn dennoch. Denn: sammle deine Feinde um dich, dann bleibst du nicht einsam. Mittags gab es manchmal irgendwo einen Mittagstisch für die Blamablen der Stadt. Dort herrschte dann eine Form der Gemeinschaft, die sich lediglich daraus ergab, daß Hunger ein Natur-Ereignis ist -, ein perpetuum mobile, das sich ewig wiederholt.
Am Abend kehrte man unter �seine� Brücke zurück und flößte sich gegenseitig den erbeuteten Fusel ein. Hier war gerade mal Platz für vier Ausgestoßene und einen Hund. Platz, sich gegenseitig zu wärmen und sich untereinander die Neuigkeiten der Welt mitzuteilen, die man auf den Titelblättern im Aushang befindlicher Zeitschriften gelesen hatte. Platz für das Flüstern ... über andere, über Tricks zu klauen oder zu entwischen, über die Gendarmerie.

Viel Platz für eine wundervolle Gemeinschaft war da.


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(C) I.K. 12.05.04


schorsch antwortete am 12.05.04 (13:23):

Irina, wer ist I.K.?


Irina antwortete am 12.05.04 (13:47):

Vielleicht Ilse Kubisch?


Irina


Irina antwortete am 12.05.04 (13:48):

Oder Baron von der Innungs-Krankenkasse?


Irina antwortete am 12.05.04 (15:04):

Bye, bye,
meine geliebten Kritiker!


Miriam antwortete am 12.05.04 (16:48):

IRINA, der Text ist wunderschön und traurig und sensibel, nein dies soll keine "Literaturkritik" sein, sondern einfach das ausdrücken, was er bei mir bewirkt. Ich traue Dir diesen Text zu. Also Du als Autorin. Du musst natürlich nicht darauf antworten.


Irina antwortete am 13.05.04 (14:21):

�Ecce, ecce�, krächzten die Hexen von ihren verrauchten Kehlköpfen her durch die zahnlosen Münder. �Ecce, ecce�. Und sie strichen die geflickten Schürzen glatt, zogen noch ein paar harte Haare aus den Warzen in den Gesichtern -- und schwangen dann schwarze Katzen auf ihren Buckel, die sogleich ihre Pupillen beängstigend weitstellten. �Ecce, ecce.� Es verklang, als die Hexen auf ihren Besen im Dunst einer feuchten Nacht vernebelten.

Aber sie erschienen wieder. Bei einer Lichtung tief drinnen im Wald, auf der sich bereits jene Hexen der Welt versammelt hatten. �Ecce, ecce�. Es war mehr ein Gezeter als eine Lautmalerei. Wer sich des Wortes Bedeutung besann, richtete seine Augen auf den Scheiterhaufen inmitten dieses begrasten Platzes, auf dem in der Dämmerung das Wild äst.
�Ecce!� Jetzt klang es wie eine Anklage. Auf dem glühenden Holzscheiten stand ein gesichtloses Wesen wie ein fahles Abbild der Bevölkerung eines Planeten. �Ecce !� Nun konnte man sehen, daß die Flammen sich langsam an Beinkleidern hochzüngelten �, schon hüllte der Ruß die Umrandungen des Kopfes ein, schon erwarteten die Krächzenden das Ende der mittelalterlichen Tortur ..., da vermittelte sich ihnen der Seufzer der gefolterten Seele: ach laßt mich mit den Funken des Feuers in einen Himmel aufsteigen. Ach, ... jedem seine �Gemeinschaft� ...

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(C) I.K. 13.05.04


Miriam antwortete am 13.05.04 (15:30):

Hallo IRINA,

Heute kreuzen sich unsere Wege schon mehrmals - und nun das : wir treffen uns ... auf dem Scheiterhaufen !... Musste ja so kommen, lass doch manchen seine Freude.

Aber lass es mich doch sagen : es ist das reinste Verwirrspiel : Gestern noch unter den Brücken der Newa, (patschnass), dann Heute zum trocknen auf den Scheiterhaufen ?!

Nun, ich hüte mich weiter zu mutmassen (habe es ja Gestern ganz mutig getan) . Wenn ich auch die Mutmassungen lasse, neugierig bin ich schon. Mal sehen wo Deine Reise uns noch hinführt. In jeden Fall : Danke! Miriam


Amy antwortete am 17.05.04 (13:13):

Ich kucke jedn Tag hier naxh einer neuen Geschichte. Die gefallen mir so gut. Aber schade das nichts mehr kommt.


schorsch antwortete am 17.05.04 (18:00):

Amy, dann schau doch mal auf der ST-Eingangsseite auf der linken Seite nach. Da findest du die Namen der "Autoren", die ihre (oder einen Teil ihrer) Geschichten dem ST zur Verfügung stellen. Die meinigen findest du unter Segessenmann/von Signau.


Amy antwortete am 18.05.04 (11:25):

Eigentlich habe ich das anders gemneint. Mir haben die Geschichten von I.K. so gut gefallen. Kommr Irina nicht mehr? Hast du Schorsch bessere Geschichten dann will ich versuchen ob ich das schafffe welche zu lesen.
Schoene Gruesse


Joerg antwortete am 22.05.04 (16:16):

Du hast recht, Amy,
mir gefallen die Geschichten auch. Ich würde gerne noch andere lesen, aber ich habe auch nichts bei den ST-Autoren gefunden.


Guten Tag,
das war der Jörg am Wochenende


schorsch antwortete am 23.05.04 (09:56):

Amy, den Link habe ich oben angegeben. Ob es sich lohnt, die Geschichten anzuklicken, weiss man eben erst, wenn man sie liest.....

...ich kann ja auch erst beurteilen, ob ein Brot gut ist, wenn ich davon gegessen habe.....


schorsch antwortete am 23.05.04 (09:57):

P.S. kein Bäcker wird behaupten, er backe schlechtes Brot!