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THEMA:   Metaphern-SPIEL

 5 Antwort(en).

iustitia begann die Diskussion am 30.06.04 (17:41) :

Ein modernes, ein schwieriges, aber ein Gedicht mit schönen Metaphern:

Albert Ostermaier: topographie für ein weites land

alles auf sehnsucht einrichten nichts
auf gewohnheit das natürliche ist
das chaos die seele ein fluss wenn
er über die ufer bricht das wasser
in den händen die erde unter den
augen der himmel hat hinter den
wolken eine blaue haut und wartet
bis der bäum aus dem nebel seine
arme in der luft verzweigt der wind
aus süden den tau von knospen
liest die weite einen herzschlag
näher kommt zu dir und du den
horizont wie ein blatt papier
in deine brusttasche faltest wo
immer du auch hingehen willst
*
Morgen werde ich eine kurze Betrachtung von Hans Jansen (aus WAZ 26.06.04) anbieten zu dem Gedicht unter dem Titel �alles auf Sehnsucht einrichten�.


Miriam antwortete am 30.06.04 (18:36):

Da es ein Spiel ist, dieses Metaphern-Spiel, traue ich mich meine Assoziation zu "...das natürliche ist das chaos der seele..." niederzuschreiben.

"Man muss keine Angst haben vor der eigenen inneren Unordnung"

("Il ne faut pas avoir peur de son desordre interieur")

Marguerite Duras


Miriam antwortete am 30.06.04 (18:58):

Freud lässt grüssen !

Es heisst ja nicht : "das natürliche ist das chaos der seele.."

sondern :

"das natürliche ist das chaos
die seele ein fluss.."

Anscheinend passte mir meine (falsche) Version heute besser in den Kram. Dann bleibt es auch dabei! Basta !


Sofia204 antwortete am 01.07.04 (01:32):

wir lesen so viel
und denken und
schreiben und
rechnen
und geben die Buchstaben ins Bild
auf ein Gleis, das unsere Ordnung richtet
? :-)


Enigma antwortete am 01.07.04 (07:11):

Guten Morgen,

Albert Ostermaier ist mir sehr lieb, seitdem ich in einem Gedichtband "Kalligraphie" mindestens fünfmal gelesen und auch genossen habe.
Gruss
Enigma


iustitia antwortete am 01.07.04 (12:08):

Mir war der Ostermaier bisher durchgegangen... Da fiel er mir erst durch den Kritiker Jansen in der WAZ auf; er druckt dort liebevoll beschreibend jede Woche am Samstag ein Gedicht ab:

Hans J a n s e n (in WAZ 26.06.04): Betrachtung zu �alles auf Sehnsucht einrichten�

�Autokino" hieß Albert Ostermaiers letzter Gedichtband. Er enthält Momentaufnahmen aus jenen Gefühlstankstellen am Rande der Großstadt, in denen Wirklichkeit und Illusion ineinanderfließen und die Bilder auf der Leinwand den Treibstoff der Träume verbrennen. Auch in seinen neuen Gedichten, die soeben unter dem Titel �Solarplexus" bei Suhrkamp mit CD (20,80 �) erschienen sind, vernetzt der 1967 geborene Lyriker und Dramatiker (�Letzter Aufruf) die Traumstränge unerfüllter Wünsche mit den Stromschnellen der Realität.
Solarplexus bezeichnet in der Neurologie eine Verdichtung von Nervenzellen, ein Geflecht unter der Haut, das Signale aufnimmt und weiterleitet, die über Nervenfasern ins Gehirn kommen. Genau dahin zielen Ostermaiers Gedichte: ins Innerste der menschlichen Wahrnehmung; ihr Rhythmus folgt dem Druckreflex, der Beschleunigung des Herzschlags oder der Atemnot, wenn sich das Blut in den Gefäßen staut. Ostermaier, der letztes Jahr mit dem Kleist-Preis ausgezeichnet wurde, sucht den Sinn des Lebens und dessen Bewegung dort, wo die Nerven buchstäblich bloßliegen, und gibt ihnen durch Sprache neue Bezugsund Haltepunkte.
Das erinnert, in der Nachfolge Gottfried Benns, an die naturwissenschaftlich orientierten lyrischen Reflexionen Durs Grünbeins, ist aber keineswegs so abstrakt, wie es scheint. Diese Gedichte haben durchaus poetische Qualität und sinnliche Sogkraft, unser Beispiel zeigt. Nicht von ungefähr eröffnet �topographie für ein weites land� die Sammlung, legt sie doch quasi den Kurs einer Seinserkundung fest, die von scheinbar nüchternen �Bewegungsfeldern� in �zwei Zimmer Illyriens� führt, wo sie uns auf wundersame Weise mit den Tagträumen der Liebenden und Tölpel aus Shakespeares Komödienkosmos konfrontiert. Das weite Land, das der Dichter hier in atemlosen Stakkato absteckt und durch permanente Zeilensprünge aufraut, ist wohl das Land der Sehnsucht - und der Poesie. Wer sonst könnte den Tau von Knospen" lesen und �den Horizont wie ein Blatt Papier� in die Brusttasche seines Herzens falten.