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THEMA:   Tim Parks: Schicksal

 3 Antwort(en).

Claudine Borries begann die Diskussion am 03.03.01 (18:05) mit folgendem Beitrag:

Gestern im LQ( Literarisches Quartett)wurde u.a. Tim Parks:" Schicksal" diskutiert. Wer hat es gelesen und Lust zu diskutieren?
Es erinnert im Stil an Italo Svevo, falls den jemand kennt.
Es ist ein beklemmendes Lebensbekenntnis des Erzählers über sein Leben, seine Versäumnisse, seine Ehe, die nicht gelingt, die Verstrickungen, in die man geraten kann.Der Selbstmord des Sohnes spielt eine bestimmende Rolle beim Aufrollen dieses Familiendramas, wie wir es aber auch von Ibsen oder anderen kennen.
Es lohnt sich,-- für diejenigen , die sich für neue Literatur interessieren!
Grüß
C.B.
I


Gudrun antwortete am 11.03.01 (17:28):

Liebe Claudine,

nachdem ich das L.Qu. gehört hatte, habe �ch angefangen , das Buch zu lesen.
Es ist ein Genuss, wenn man sich auf den Erzähler einlässt. Gegen den Strich gelesen - da weiß ich nicht,
was dabei herauskommen kann.( Offensichtlich waren auch einige Literaturexperten hilflos -
die Diskussion verlief ohne `Biss`.)

Gruß

Gudrun


C.B. antwortete am 12.03.01 (12:09):

Hallo Gudrun,
da ich ab und zu Rezensionen schreibe für lesertreff.de, schicke ich sie mal mit.
Liebe Grüße
C.b.
Tim Parks Schicksal Verlag Antje Kunstmann ISBN 3 88897 257 4
S. 282
Das Buch von Tim Parks lässt den Leser von Anfang an nicht los.
Fast ohne Punkt und Komma von einem Gedanken zum nächsten schweifend erzählt der Romanheld Chris Burton sein Leben und das seiner Familie.

Er ist dreißig Jahre mit Mara, seiner Frau, verheiratet.

Tim Parks baut um die Figur des kranken Sohnes Marco die ganze Familiengeschichte auf und hält sie auch dadurch zusammen:
die Mutter, die sich in krankhafter Weise an den heißersehnten Sohn klammert und der Vater, der dem nichts entgegensetzt;die Lagerbildung in der Familie; die verzweifelten Versuche von Marco, sich der Umklammerung durch die Mutter zu entziehen.Vielleicht ein bißchen übertrieben, daß auch noch Paola, die Adoptivtochter, fast wie ein häßliches,fernes Stiefkind erscheint.
Vanoli, der den Sohn behandelnde Psychiater, erscheint als ein gütiger und weiser Mann : er weiß um die Verschiebung von Konflikten in Familien.
In einem unentwegten inneren Monolog denkt Chris über das Versäumte und nicht mehr Aufzuholende nach.Es ist ein beklemmendes Lebensbekenntnis oder auch eine Art Bilanz.
Selbst bis in den Traum hinein reichen die Betrachtungen und Vergleiche über das, was das Leben so schwierig macht.
Ein bleibender Eindruck dieses Buches ist, daß der Icherzähler die ganze Zeit seine Empfindungen, Gedanken ,�ngste und Lebensperspektiven reflektiert.
Das betrifft nicht nur sein Familienleben, sondern auch seine beruflichen Entwicklungen.

Die Sätze sind lang und verschachtelt,und die Gedanken springen zuweilen unmerklich von einem Ereignis zum anderen, was zunächst ein wenig störend wirkt.Es ist aber das Stilmittel, mit dem der Leser ganz nahe beim Erzähler ist und seinen Gedanken folgt.

Der Leser wird bei der Lektüre angeregt, über das eigene Leben nachzudenken. Die unbefriedigenden, unerledigten, nicht gerade vollkommenen Dinge spielen eine große Rolle.
Der Neid des Protagionisten, seine Mißgunst, sein Argwohn und die Phantasien im Hinblick auf einen Freund und Kollegen ist großartig beobachtet.

An irgendeiner Stelle sagt Vanoli, daß sich in unserer Zeit immer jemand emotional verantwortlich und schuldig fühle für die Probleme der anderen.Das scheint mir eine kluge Erkenntnis zu sein!

Es wird klar, daß es das Zusammenspiel von vielen Einzelteilen und Begebenheiten ist, die das Leben für den einen oder anderen problematisch macht.

Die psychologischen Feinheiten der Beobachtung sind subtil und dominieren die Erzählung nicht.

Die Thesen des Buches liegen auf der Hand: es gibt einen Widerspruch im Menschen zwischen Schein und Sein, die das Berufs-und Privatleben beeinflusssen,und eine Ambivalenz zwischen Nähe und Distanz , die das Leben zwischen Partnern prägen.
Die Identität eines jeden besteht u.a. in der Fähigkeit, diese Ambivalenzen angemessen zu berücksichtigen.

So wie das Geschehen aus der Sicht der Hauptfigur beschrieben wird, mag der Leser das Buch aus seiner Sicht lesen: jeder wird das hineinsehen und herauslesen, was der jeweiligen eigenen Lebenserfahrung entspricht.

Ein sehr empfehlenswertes Buch!
Claudine Borries


Claudine antwortete am 24.04.01 (22:00):

Hallo Gudrun,
vielen Dank für die Mail.

Ehrlich gesgagt : ich kenne David Lodge gar nicht ! Und die Wohmann kenne ich auch nur sehr wenig. Lohnt es sich denn?
Wenn ja, werde ich mal reinschauen in der Buchhandlung.

Ich lese jetzt: Maarten t'Hart,--weiß gar nicht , ob er sich so schreibt , aber na ja,---also " Die schwarzen Vögel". Ist sehr meschlich, anrührend und wie immer bei t' Hart, sehr warmherzig geschrieben. Habe z.Zt. moch so einige Krimis liegen, die ich aber eigentlich vom Sujet her gar nicht so mag. Hat sich einfach so ergeben.
Sehr gut hat mir insgesamt " Unwissenheit" von Kundera zugesagt!
Aber es gibt so viele schöne Bücher!!1
Herzlichen Gruß
Claudine