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THEMA:   Der größte Staudamm der Welt ist in Betrieb

 17 Antwort(en).

Barbara begann die Diskussion am 02.06.03 (13:16) mit folgendem Beitrag:

Seit Sonntag versinkt die Heimat von mehr als einer Million Menschen in China in den Fluten des Jangtse-Stromes. Im Endstadium wird das Kraftwerk 26 Turbinen mit 18 200 Megawatt Leistung haben. Zum Vergleich: Das AKW Philippsburg II in Baden-Württemberg liefert als eines der derzeit größten Atomkraftwerke 1400 Megawatt Leistung. Der Stausee wird eine Länge von 660km erreichen, das entspricht einer Entfernung von Hamburg nach Nürnberg.....

Das Hamburger Abendblatt schreibt in der heutigen Ausgabe:

>>Die Heimat von mehr als einer Million Menschen versinkt seit Sonntag in den Fluten des Jangtse-Stromes: Die ersten Schleusentore des Drei-Schluchten-Dammes wurden - wegen SARS - ohne große Feierlichkeiten - geschlossen. Mit der Stauung des Jangtse in Zentralchina begann die Schlussphase des Baus des größten Wasserkraftwerkes der Welt, der im Jahr 2009 vollendet sein soll.

Das Projekt ist wegen der Umsiedlung, aber auch wegen der hohen Kosten, der befürchteten Umweltschäden und der Wasserverschmutzung heftig umstritten.<<

https://www.abendblatt.de/daten/2003/06/02/172720.html

Kann man sich die Auswirkungen eines derartigen Bauwerkes auf die Umwelt und damit auf den Lebensraum der Menschen überhaupt vorstellen? Ich denke dabei z.B. an die fruchtbaren Überschwemmungen, die der Nil vor seiner Stauung zweimal jährlich verursachte. Nach der Stauung verödete das gesamte Gebiet am Ufer des Nils....

Internet-Tipp: https://www.abendblatt.de/daten/2003/06/02/172720.html


Angelika antwortete am 02.06.03 (14:24):

Hallo Barbara - um sich vorzustellen, was passiert und was wahrscheinlich nicht passieren wird, lässt sich vielleicht am besten an hand vorhandener ähnlicher beispiele ablesen -
oft wird bei den berichten über den neuen jangse-staudamm vergessen, dass es bereits seit 1988 den gewaltigen Gezhouba Staudamm (etwa 40km vom neuen Staudamm) gibt. Der ist auch 30m breit und fast 3000m lang und hat eine gewaltige Schleuse, um die 25m Levelunterschied für Schiffe überwindbar zu machen. Man wird doch die bisherigen gewaltigen Überschwemmunghen viel besser kontrollieren bzw verhindern können - sicher, die Nachteile wie Kulturvernichtung, Landschaftsveränderung, Einfluss auf Fauna und Flora, Gefahr vor Terroranschlägen auf den Damm und Umsiedelung/Heimatverlust der Menschen ist eine SAche - der aber Schutz vor Hochwasser, Saubere und ausreichende Energie, ausreichend Trinkwasser/Bewässerung , neue beschiffbare Wasserwege und Investition in die Zufunft gegenüberstehen - möge jeder für sich abwägen, was wirklich wichtiger ist...?


Wolfgang antwortete am 06.06.03 (01:21):

Die Argumente der Staudammbauer sind für mich nicht überzeugend. Viel Geld ist in dieses Projekt geflossen. Wenige Menschen haben viel Profit damit gemacht. Viele Menschen haben ihre Heimat verloren. Chinas "kommunistische" Bonzen gelten als geldgierig und korrupt und kümmern sich in aller Regel nicht um das Wohlergehen ihrer Schutzbefohlenen.

"Die Zwangsumsiedlung ist die schrecklichste Folge des Damm-Projekts. Da werden Menschen entwurzelt, weggeplant, vertrieben, ihrer Geschichte und Identität beraubt. Einfach so. [...]". Das ist ein Zitat von der ZDF-Webseite zur Sendung, die am 02.06.2003 ausgestrahlt wurde:

Entwurzelt, weggeplant, vertrieben
Mehr als eine Million Chinesen müssen dem Drei-Schluchten-Staudamm am Jangtse weichen
Unnütz, gefährlich, unsozial und zu teuer urteilen die Gegner des chinesischen Drei-Schluchten-Staudamms. Doch die Bauherren lassen sich nicht beirren. Seit 1. Juni wird der 6378 Kilometer lange Jangtse gestaut. Für mehr als eine Million Chinesen bedeutet das den Verlust ihrer Heimat.
Von ZDF-China-Korrespondent JOACHIM HOLTZ
https://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/27/0,1872,2049531,00.html

Internet-Tipp: https://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/27/0,1872,2049531,00.html


Gregor antwortete am 09.06.03 (02:36):

Der größte wasserwirtschaftliche und ökologische Schwachsinn seit dem Bau des Assuan-Staudamms!
Wir Menschen befinden uns mal grade nur einen Bruchteil der Erdgeschichte auf diesem Planeten. In dieser extrem kurzen Zeit, vor allem in den letzten 150 Jahren, haben wir die Weichen dafür gestellt, dass die ohnehin geringe Verweildauer unserer Spezies auf diesem Planeten noch weiter verkürzt wird.
Anstatt sich in Demut der Natur anzupassen, vergewaltigen wir Gottes Schöpfung. Das kann nicht gut gehen. Aber was soll�s? Was schert uns das? Denn wenn es zur Apokalypse kommt, sind wir sowieso schon alle tot.
Gregor


Barbara antwortete am 09.06.03 (09:20):

Wer weiß, Gregor, vielleicht ist an der Theorie der Wiedergeburt ja doch etwas dran :-)


Angelika antwortete am 09.06.03 (09:39):

wurde das aber nicht auch gesagt, als die erste Eisenbahn fuhr,die ersten Radfahrer unterwegs waren und das erste Flugzeug flog ?
Der Kariba-Staudamm in Zimbabwe/Sambia war auch sehr umstritten, hat aber kaum eine der negativen Erwartungen erfüllt ...


Mart antwortete am 14.06.03 (11:26):

Es geht hier nicht darum, allgemein die Einführung einer neuen Energie"erzeugung" durch Wasserkraft zu kritisieren, sondern es wurde die Frage gestellt, ob dieses konkrete Projekt sinnvoll sei.

Das wäre vergleichbar mit der Fragestellung, ob eine best. Eisenbahnlinie mit einem best.Antriebssystem gebaut werden soll.

Die Frage nach den Pro und Contra des weltgrößten Staudamms ist nicht vergleichbar mit der Frage, ob die Einführung von Flugzeugen oder Fahrrädern sinnvoll ist, sondern nur vergleichbar mit der Frage, ob z.B. die Concorde im Innereuropäischen Flugverkehr oder ob das Hochrad auf der Autobahn sinnvoll sind.


Wolfgang antwortete am 14.06.03 (12:19):

Nach allem, was ich weiss, ist dieser Staudamm ökonomisch, ökologisch und für die betroffenen zwangsumgesiedelten Menschen ein Desaster. Es ist der Hang zur Gigantomanie (dem alle Diktatoren frönen), der meist unscheinbare, aber wichtige und schützenswerte Dinge brutal aus dem Weg räumt. Diktatoren haben keinen Respekt vor Pflanzen, Tieren und Menschen. Wenn das technischer Fortschritt ist (und alle Fortschrittler behaupten das), dann haben die KritikerInnen eines solchen natur- und menschenverachtenden "Fortschritts" recht... Solche Grossprojekte, dieser von den Fortschrittlern so genannte "Fortschritt", führt uns schnurstracks immer weiter in die Katastrophe.

Webtipp...

DeutschlandRadio - 25.01.2003
Eine Lange Nacht über LEOPOLD KOHR und seine Erben
Die Lehre vom rechten Maß
https://www.dradio.de/dlf/sendungen/langenacht/030125.html

Internet-Tipp: https://www.dradio.de/dlf/sendungen/langenacht/030125.html


Medea. antwortete am 14.06.03 (16:00):

@ Wolfgang

Hier bin ich Deiner Meinung, der Hang zur Gigantomanie ist der erste Schritt in den Untergang.... zigfach nachgewiesen in der Geschichte - ob es der Turmbau zu Babel, die Großbauten der Antike, der Nilstaudamm, die Hochhausplattenbauten der ehemaligen DDR, die Pyramiden in Ägypten - dem Normalmenschen brachten sie Tod, oder Verelendung oder Krankheit oder Unzufriedenheit etc., etc.
Und dennoch - immer wieder gibt es diese Wahnsinnigen, die die Macht haben, derartiges durchzusetzen.
Als Fortschritt kann ich das auch nicht erkennen ....:-(


Barbara antwortete am 14.06.03 (17:09):

In diese Richtung geht auch ein umfangreicher Artikel der Süddeutschen Zeitung:

>>Die Risse in Chinas zweiter großer Mauer

Vor allem ist der riesige Drei-Schluchten-Staudamm ein Beweis für den Willen der Partei, Mensch und Natur rücksichtslos zu unterwerfen

.......
Kurz nach dem Massaker am Platz des Himmlischen Friedens im Jahr 1992 peitschte der damalige Premier Li Peng das Projekt gegen unerhörten innenpolitischen Widerstand durch � heute nun nimmt ein Politbüro voller blasser Ingenieure den Damm in Betrieb. Er ist eindrückliches Zeugnis für Macht und Organisationskraft dieser Partei, für ihren Willen zur Unterwerfung von Mensch und Natur. Manche sagen auch: Er ist ein Zeugnis für ihre Blindheit, für ihre Hybris, dafür, wie weit Chinas Führer in ihrem Denken noch entfernt sind von einer Welt, die den Bau ähnlicher Megadämme längst bereut.
.......<<

https://www.sueddeutsche.de/sz/seitedrei/red-artikel2752/

Internet-Tipp: https://www.sueddeutsche.de/sz/seitedrei/red-artikel2752/


Mart antwortete am 15.06.03 (06:53):

Dieser Staudamm ist das Stein gewordene Anschauungbeispiel für die Gigantomanie. Siehe "Small is beautiful" Die Rückkehr zum menschl. Maß (Schuhmacher + Kohr)


Angelika antwortete am 15.06.03 (10:00):

@mart: zu deinem Beitrag weiter oben:
Ich wollte damit nur zum Ausdruck bringen, dass man über den Einfluss und die Gefahr neuer Technologien und Bauwerke zu allen Zeiten lamentiert hat und Ängste hatte - die sich in den wenigsten Fällen bestätigt haben. Dreischluchtenstaudamm hin oder her.


Wolfgang antwortete am 15.06.03 (10:58):

Nur ein Beispiel dafür, wie Chinas korrupte und grössenwahnsinnige und natur- und menschenverachtende Diktatoren den Drei-Schluchten-Staudamm gegen KritikerInnen brutal durchsetzten... 1989 veröffentlichte die Journalistin DAI QING das Buch "Yangtze! Yangtze!". Sie wurde für ihr Engagement ins Gefängnis geworfen.

Ihr Buch ist in einer Neuausgabe in englischer Sprache beim Verlag Probe International online zu lesen:

Yangtze! Yangtze! (by DAI QING)
https://www.probeinternational.org/pi/documents/three_gorges/Yangtze/

Internet-Tipp: https://www.probeinternational.org/pi/documents/three_gorges/Yangtze/


Mart antwortete am 15.06.03 (12:19):

an Angelika:
Ich stimme hier natürlich zu, das die Einführung neuer Technologien Ängste hervorruft. Das diese in den meisten Fällen unbegründet waren und sind, möchte ich bezweifeln. Sicher waren es unbegründete Ängste bei der Eisenbahn und beim Fahrrad. Die Erfüllung des alten Menschheitstraums "Fliegen" hat meinem Wissen nach keine heftige Contrabewegung ausgelöst; ich kann mich aber irren. Nur wäre die Behandlung dieses Themas eine neue Diskussionslinie.

Aber hier geht es doch um diesen best. Staudamm! und darum, ob solch ein "Turm zu Babylon" nicht unterm Strich mehr negative als positive Seiten hat.


schorsch antwortete am 16.06.03 (09:42):

In Lande China gibt es Milliarden Menschen. Ob das Verpflanzen von ein paar Hunderttausenden in andere Gegenden des Landes dem Gesamtwohl mehr dient oder schadet, das kann erst die Geschichte beurteilen.....


rolf antwortete am 16.06.03 (09:58):

Hallo Schorsch,
das erzähle mal Menschen, die aus ihrer Heimat vertrieben wurden oder z. B. dem Braunkohlebergbau weichen müssen. Letztere haben noch den Vorteil, in der Nähe neue Wohnungen zu erhalten, sie wehren sich trotzdem.
Mehr als eine Million sind übrigens nicht nur ein paar hunderttausend, es zählt aber nicht die Menge sondern jedes Einzelschicksal.


Wolfgang antwortete am 16.06.03 (12:32):

Ich denke nicht, dass man sich auf ein angebliches "Gesamtwohl" herausreden kann... Ich weiss, dass alle Mächtigen eifrig an der Legende stricken, es gäbe ein solches. Es ist oft ihre Rechtfertigung dafür, dass der/die Einzelne nun mal leider, leider hintenanstehen oder, wie in unserem Thema, sogar mit Zwangsumsiedelung rechnen muss. Was das "Gesamtwohl" ist, wird dann auch gleich - wie praktisch - von genau denjenigen definiert, die von solchen Grossprojekten direkt profitieren.

'Small ist Beautiful', oder, umgekehrt, 'Big is Bad'... Das sind die Maximen des Philosophen LEOPOLD KOHR und seines Schülers, des Ökonomen ERNST FRIEDRICH SCHUMACHER. Eine bescheidene, dezentrale, respektvoll auf Mensch und Natur Rücksicht nehmende 'Ökonomie der Stetigkeit' (SCHUMACHER) ist dringend geboten (im Gegensatz zur vorherrschenden Ökonomie der Unstetigkeit, der Zusammenbrüche, der lokalen und globalen Katastrophen).

Ich möchte eine Stelle zitieren aus dessen berühmt gewordenem Buch:

"Die Ökonomie der Stetigkeit verlangt eine gründliche Umorientierung von Wissenschaft und Technik [...]. Wissenschaftliche oder technische 'Lösungen', die die Umwelt vergiften oder das Sozialgefüge und damit den Menschen selbst zerstören, bringen keinen Nutzen, ganz gleich wie glänzend sie erdacht sind oder wie gross ihre nach aussen wirkende Anziehungskraft ist. Immer grössere Maschinen, die immer grössere Zusammenschlüsse wirtschaftlicher Macht bedingen und immer grössere Gewalt gegen die Umwelt anwenden, stellen keinen Fortschritt, sondern eine Verneinung der Vernunft dar. Vernunft verlangt eine neue Hinwendung der Wissenschaft und Technik zum Organischen, Sanften, Gewaltlosen, Anmutigen und Schönen. [...]"

Quelle... SCHUMACHER, E. F. : Die Rückkehr zum menschlichen Mass, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1977, S. 29 f.


Mart antwortete am 16.06.03 (13:31):

Nachdem geklärt ist, daß wir über diesen konkreten Staudamm und dieses konkrete Mammutprojekt reden, könnten wir Argumente pro und contra sammeln und versuchen, sie zu widerlegen oder feststellen, daß wir uns bei best. Punkten einig sind.

Nach dem bisherigen Verlauf ökolog. Diskussionen habe ich aber meine Zweifel, ob das wirklich gewünscht wird.