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THEMA:   Von dem subjektiven Vorbeirauschen der Zeit

 42 Antwort(en).

Karl begann die Diskussion am 27.02.04 (14:12) mit folgendem Beitrag:

Ich habe überlegt, unter welchem Forum ich dieses Thema bringe. Jetzt also unter "Naturwissenschaften". Das hat seinen Grund darin, dass ich überzeugt bin, dass es objektivierbare Gründe für dieses mein subjektives Erleben gibt.

Heute ist Freitag. Gestern Abend sagte meine Frau "Stellst Du bitte den Müll raus!". "Was, ist schon wieder eine Woche rum?" war meine Antwort.

Die Zeit rast - und - so empfinde ich - sie rast immer schneller. Wenn ich mit anderen Menschen spreche, bestätigt mir dies praktisch jeder. Also stehe ich mit dieser subjektiven Erfahrung, dass sich der Zeitablauf zu beschleunigen scheint, nicht allein. Was könnten die Gründe hierfür sein?

Wahrscheinlich spielen viele Faktoren zusammen:

Rückblickend kann "Zeit" immer nur die Summe von Erinnerungen sein. Was aber erinnere ich aus der letzten Woche?

a) 1 Woche macht prozentual in meiner Erinnerung immer weniger aus, je älter ich werde.

b) Ich muss immer weniger pro Woche lernen, da das Leben (trotz meiner Gegenwehr) immer mehr zur gewohnten Routine wird.

c) ich vermute einfach mal, ich kann nicht mehr soviel Informationen aufnehmen wie früher.

Als Kind war eine Woche eine Ewigkeit, heute ist mir so als wäre erst gestern Freitag gewesen.

Wie geht es Euch?


Geli antwortete am 27.02.04 (15:58):

Ja, Karl, die Zeit rast immer schneller vorbei. Da kann ich Deinen Eindruck nur bestätigen.
Allerdings, wenn man sich bewußt vergegenwärtigt, was alles z.B. in der letzten Woche (im letzten Jahr) passiert ist, paßt da doch wieder ganz schön viel rein. Natürlich muß man dabei ALLES erinnern, und nicht nur das, was uns sozusagen neu war. Als Kind ist einem mehr oder weniger alles (oder vieles) neu.
Ist sicher nicht wirklich die Antwort auf Deine Frage ;-))


juergenschmidb antwortete am 27.02.04 (16:11):

Hallo Karl,
deine Schilderungen sind auch meine Erfahrungen; ich denke, einfach ausgedrückt, dass in "unserem Alter", so 50+, die Ereignisse nicht mehr so konsequent und stark in unser Gedächtnis geschrieben werden, also gespeichert sind, dadurch entstehen seichte Erinnerungen, die oft den Anschein haben, keine zu sein.
Wenn aber das Gehirn weniger speichert, könnte einem da, ja stets rückwirkend betrachtet, nicht auch verflossene Zeit kürzer vorkommen, da ja pro Echtzeiteinheit, weniger im Gedächtnsispeicher hängen bleibt, eine Vortäuschung der Natur?

Jürgen ))-))


Mechtild antwortete am 27.02.04 (16:37):

Ja Karl, das geht mir auch so. Wenn man viel erlebt hat kann man auf viele Erinnerungen zurückgreifen, hat aber nicht mehr so viel Wünsche und Sehnsüchte und denkt auch dass es bald einmal genug ist und man nicht mehr will.
Man kann sich aber auch über Kleinigkeiten freuen, hat mehr Zeit für Nebensächlichkeiten und kann besser genießen.
Kurz jede Zeit hat ihre Vor- und Nachteile.
Ich war gerne Kind, Jugendliche, junge Frau , berufstätige Frau und Mutter. Das Alter könnte wegen mir ruhig kürzer sein. Obwohl es auch schöne Seiten gibt, aber nicht so viele.


schorsch antwortete am 27.02.04 (17:44):

Früher gingen meine Jahre wie Kilometersteine an mir vorüber - heute wie die Latten am Zaun.....


Tessy antwortete am 27.02.04 (18:30):

Wie schön zu hören daß es anderen genauso ergeht, es schafft zwar dem Übel keine Abhilfe, aber es tröstet.

Alle meine Versuche den Ablauf der Zeit zu verlangsamen schlugen fehl. Beispiel: ein Gefühl der Langeweile zu erzeugen, aus Kinderzeit noch gut in Erinnerung - nicht zu realisieren. Erzwungene Auszeit durch grippalen Infekt - die Tage vergingen trotzdem in Windeseile.

Wer hat ein wirksames Rezept?


Sofia204 antwortete am 27.02.04 (18:30):

lieber Karl, könnte es sein,
daß man als Kind in einer Woche mehr Meme produziert
als jetzt ;-))

ich wäre sehr an einem von Dir emphohlenen Sachbuch dafür interessiert


radefeld antwortete am 28.02.04 (06:57):

Natürlich muss auch ich bestätigen, dass es eben so ist. Die Gründe dafür hat Karl am Anfang schön zusammengestellt.
Aber noch eine Frage: Was ist "Meme", Sofia204? Ich, Nichtmediziner und Nichtbiologe, kann mir darunter Nichts vorstellen.
Aber: Wenn und weil die Zeit so rast, sollten wir sie um so besser nutzen.

Internet-Tipp: https://Radefeld.here.de


Irina antwortete am 28.02.04 (07:18):

Mir geht es wie unter a) beschrieben. :-((
c) könnte es auch sein.
b) aber auf keinen Fall.

Dazu ein Beispiel:
Kürzlich habe ich unseren PC mitsamt Telefonanlage und Drucker/Rechner/Scanner in ein anderes Zimmer geräumt.

Bald darauf kam einer vom PC-Homeservice, um mein defektes Disketten-Laufwerk auszutauschen. Er war vor Jahren schon einmal hier gewesen. Nun betrachtete er den Kabelsalat unter dem Tisch und fragte erstaunt: d a s haben Sie alles allein gemacht??

Natürlich ging es nicht so schnell wie bei einem Fachmann. Aber vor 3 Jahren hätte ich es überhaupt noch nicht gekonnt.


Irina


wanda antwortete am 28.02.04 (08:09):

mir geht es genauso. Könnte es nicht sein, dass das Leben immer mehr zur Routine wird? Ich meine damit, dass uns viele Situationen schon bekannt sind und somit auch das Verhalten in diesen bereits eingeübt ist und nur noch variiert werden muss.


Sofia204 antwortete am 28.02.04 (11:27):

@Radefeld, ich weiß es ja selber auch nicht

"In der Memetik geht es um das knappe Gut der Aufmerksamkeit"
schreibt Richard Brodie in:
Die Evolution der Meme


Karl antwortete am 28.02.04 (12:42):

Hallo zusammen,

es hat mir keine Ruhe gelassen. Ich habe mal etwas rumgerechnet. Wie stark sinkt der Anteil einer Woche an der gesamten Lebensspanne? Die unten angezeigte Graphik zeigt das Ergebnis in Promillen (1 Promill = 0,1 Prozent).

Einige Zahlen hierzu zur Verdeutlichung:


Alter Wochenanteil in Promille

10 -> 2,13
20 -> 1,01
30 -> 0,66
40 -> 0,49
50 -> 0,39
60 -> 0,33
70 -> 0,28
80 -> 0,24
90 -> 0,22
100 -> 0,19

(Zahlen gerundet, mit 52 Wochen pro Jahr gerechnet)

Wenn wir jetzt noch annehmen, dass die subjektive Wahrnehmung der Dauer der gelebten Lebensspanne in etwa konstant bleibt, können wir sehr gut verstehen, dass uns eine Woche immer kürzer vorkommt.

Internet-Tipp: " target="_new" >


Karl antwortete am 28.02.04 (14:26):

Ich habe jetzt dieses Thema auch zur Abstimmung gestellt, da mich interessiert, wieviele meine Meinung zur subjektiven Beschleunigung der Zeit teilen:

Internet-Tipp: /fr-umfragen.html


mart antwortete am 28.02.04 (14:46):

Ein anderer Gesichtspunkt:

Die Zeit vergeht auch innerhalb der Tage unterschiedlich schnell. Z.B. unterhaltsamer Abend mit Freunden/verpflichtende Sitzung mit langen Reden.....


marie2 antwortete am 28.02.04 (15:01):

Darüber habe ich in den letzten Jahren auch häufig nachgedacht.
Früher dachte ich manchmal, dass die Zeit nur ganz langsam schleiche, heute scheint sie immer zu rasen.
Einen Grund sehe ich darin, dass ich als Kind und Jugendliche immer auf etwas wartete: endlich abends lange aufbleiben zu dürfen, volljährig zu werden, Schule zu beenden usw. Und wenn man auf etwas wartet, kann die Zeit sehr lang werden.
Heute sehe ich ja doch, dass ich dem Ende immer näher kommen. Ich möchte aber noch so viel machen, also möchte die Zeit am liebsten festhalten.
Deinen Aspekt und die Rechnung und Grafik dazu, finde ich sehr interessant und überzeugend Karl.

Marie2


Ruth antwortete am 28.02.04 (17:44):

Auch ich empfinde den Lauf der Zeit als Raserei, aber dies scheint nicht nur eine Begleiterscheinung des Alters zu sein. Sehr viele junge Menschen machen die gleiche Erfahrung und die Frage "Wo sind die Monate oder Jahre nur hingekommen?" beschäftigt auch sie.
Komischerweise aber vergeht meine Zeit daheim, im gewohnten Rahmen um einiges schneller als in Phasen von bewußt erlebtem Ausspannen, wie Urlaub, Ausflug oder kulturelle Veranstaltungen. Da schleichen die Uhrzeiger geradezu.
Früher war das genau umgekehrt und die Ferien zum Beispiel vergingen immer viel zu schnell.
Mir ist der heutige Zustand lieber - sicher verständlich.


wwhp antwortete am 28.02.04 (18:48):

Es ist ganz sicher so, wie es die meisten empfinden und beschrieben haben. Die immer in gleicher Routine verlaufenden Tage lassen die Zeit verfliegen. Ich habe vor 2 Jahren eine Reise nach Laos und im vergangenen Nov / Dez. eine 3-wöchige Vietnam-Reise unternommen. Diese Zeit zählt ganz anders. Ich erinere mich an jeden einzelnen Tag. Ich kann nur sagen: Leute unternehmt was!

Wolfgang

Internet-Tipp: https://www.posselt-homepage.de.vu


chris antwortete am 28.02.04 (19:40):

@ Karl,

kommt mir genauso vor. Als Schulkind von den einen Ferien bis zu den anderen, das kam uns doch unendlich lange vor.
Heute, kaum ist Montag, schon ist wieder Freitag.

Woran es liegt?? vielleicht, weil wir auch privat sehr
viele Interessen haben und diese versuchen auch
unterzubringen. Also wenn der Tag 48 Std. hätte, selbst
dann wäre mir nicht langweilig.



Chris


elena antwortete am 28.02.04 (23:28):

Lieber Karl,

da hast du ein Thema angesprochen, dass uns alle sehr beschäftigt. Wie gut zu erkennen, dass nicht nur ich das so empfinde.

So richtig bewusst ist mir das erst ab Mitte meiner 40-iger Jahre geworden. Jetzt geht es rasend schnell abwärts. Habe mal eben nachgerechnet, ich glaube ich bin seit mehr als 5 Jahren im ST, das ist ein halbes Jahrzehnt:-))

Immer die gleiche Frage, wie lange lebe ich schon hier? Wie lange bin ich schon allein? Das sind dann keine Jahre oder Monate, sondern gleich halbe Jahrzehnte.

Halten wir fest, was wir haben und nehmen wir die Gegenwart wichtig. Damit können wir die rasende Zeit zwar nicht anhalten, aber auskosten.

Allen einen schönen Sonntag.
Gruss Elena

Internet-Tipp: https://ekluge.de.vu


julchen antwortete am 29.02.04 (05:11):

Hallo Karl,
nach dem lesen deiner Thema eroeffnung habe ich
mein Fruehstuecksgeschirr indie Kueche getragen
und mir dabei das mal durch den Kopf gehen lassen.
Dann habe ich 2 - 3 Sachen erledigt und nun habe ich
mich gerade hingesetzt zum Antworten!
Aber weisst Du was? Es wird spaet, der Tag is um!
Wo er geblieben ist wissen die Goetter....
Hoffentlich wird der Morgige Tag nicht noch kuerzer! :))


wanda antwortete am 29.02.04 (07:22):

wwhp, Du bist mir zuvorgekommen, gerade das wollte ich jetzt schreiben, dass die Tage, die man als Reisetage in fremden - möglichst sehr fremden Ländern - verbringt,einem endlos lang vorkommen.
Deshalb meine Vorstellung von der Routine. In Nepal z.B. muss man sich ganz anders benehmen, kann keine Situation vorher einschätzen, muss hellwach sein usw. und dann ist man wieder neugierig wie ein Kind.


juergenschmidb antwortete am 29.02.04 (09:39):

das fühlt sich ja an, als müsste man physisch möglichst oft/lang weit weg sein?

ich denke, das das schon stimmt, aber den "Rest" der Zeit kann man glaube ich, auch hier ganz erfüllt leben.
Nirgends kann eigentlich die Zeit stehen bleiben, aber die gefühlte ist eine andere als die reale Zeit.

Jürgen


marie2 antwortete am 29.02.04 (10:54):

Ja, die Tage und Jahre sausen. Aber die Minuten, die der Bus zu spät kommt, kommen mir immer noch endlos vor, besonders im Winter.

Marie2


Sofia204 antwortete am 29.02.04 (13:44):

wir haben uns so gut im Alltag eingerichtet,
sind daran gewöhnt, daß er uns kaum noch auffällt :-)


navallo antwortete am 29.02.04 (15:05):

Man muß zwischen einem momentanen (Warten auf den Bus) und einem nachträglichen (Urlaubserinnerungen)Zeitempfinden unterscheiden.
Unser Zeitempfinden in der Erinnerung schlingert, weil es von der Summe NEUER Erfahrungen abhängt. Der Alltag verrinnt zunehmend schneller, wenn wir alles schon kennen. Dahingegen scheinen selbst kurze Reisen in ungekannte Regionen länger dauernd als die tatsächlich verbrachte Urlaubsperiode.
Voraussetzung ist, daß wir in der Lage sind die neuen Erfahrungen zu speichern. Zu leben heißt sich erinnern können. Ohne Erinnerung hat man nichts erlebt ( für sich selbst eigentlich nicht gelebt). Wer nichts mehr erinnert, dem schrumpfen Jahre zu Momenten.


Felix antwortete am 29.02.04 (16:32):

Ich sehe dieses Phänomen etwas differenzierter:

Dass die subjektive Empfindung der Zeitdauer vom chronologischen Zeitablauf abweicht ist vermutlich jedem Menschen bekannt.

Die Zeitempfindung hängt mit unterschiedlichen Faktoren zusammen:

- Erwartungshaltung, Warten auf das Eintreffen eines Ereignisses dehnt die empfundene Dauer. Extrem während Unfallsituationen wo Bruchteile von Sekunden zu Lebensabschnitten werden können.
- Traumerleben kann auch zu extremen Zeitdehnungen führen.
- Künstlich erzeugbare Zeitempfindungsstörung sind auch bei Psychopharmaka wie z.B. LSD bekannt.
- Zeitabschnitte, die reich an Neuerlebnisse sind, werden meist als länger empfunden als routinemässige Abläufe.
Bei einem Ferienaufenthalt in einer fremden Umgebung werden die ersten Tage viel länger empfunden als nach einer gewissen Angewöhnung. Die letzten Tage verfliegen oft viel zu schnell!
- In jungen Jahren, vorallem in der frühen Kindheit, werden wir ständig von Neuem überschüttet. Die subjektive Zeitempfindung bleibt über lange Zeiträume gedehnt.
- Beim alternden Menschen werden neue Erlebnissituationen immer seltener ... dafür überwiegt der zur Routine gewordene gleichförmige Tagesablauf. Zeitmarken sind weniger häufig, die Zeit zwischen diesen schmilzt. So werden Zeitintervalle scheinbar verkürzt, und somit empfindet man den Zeitablauf als beschleunigt.

Mein perönliches Erleben des Zeitablaufes hängt somit stark von meinen Aktivitäten zusammen. Bei meinen häufigen Reisen in mir noch fremde Länder, das bewusste Setzen von neuen Zeitmarken durch erlebnisreiche Unternehmungen wie neue Bekanntschaften machen, etwas Neues wagen, Besuch von Ausstellungen, Konzerten, Vorträgen, Theaterveranstaltungen, Feste etc. werde die Tage von neuem Erleben erfüllt und erscheinen damit länger als die Routinetage dazwischen.

Die Zeitempfindung ist also steuerbar!


elena antwortete am 01.03.04 (02:12):

Sehr kluge Leute haben heute Nacht mit Volker Panzer über das Thema:

*Der geschenkte Tag, wie relativ ist die Zeit?* diskutiert.

Die Gäste waren -
Till Roenneberg, Chronobiologie
Harald Lesch, Astrophysiker
Thomas Macho, Kulturwissenschaftler

Auszug daraus:

Eigentlich müssten wir ja immer mehr Zeit haben: Autos, Flugzeuge, Bahnen fahren immer schneller, Nachrichten werden per E-mail, SMS oder via Satellit in Bruchteilen von Sekunden um die Welt geschickt und per Mouseclick findet man im Computer Informationen, nach denen Bibliothekare stundenlang recherchieren mussten. Doch die Beschleunigung all dieser temporalen Prozesse hat nicht zu einer größeren Verfügbarkeit von Zeit geführt. Ganz im Gegenteil: Immer mehr Zeit muss aufgewendet werden, um immer weniger Zeit sinnvoll zu gestalten und da nützt es auch wenig, dass uns der Kalender in einem Schaltjahr alle vier Jahre am 29. Februar einen Tag schenkt.

Unabhängig von der durch Kalender und Uhren gemessenen physikalischen Zeit haben wir aber auch ein subjektives Zeitgefühl und wissen was das "Jetzt", die "Vergangenheit" und was die "Zukunft" sind. Wir empfinden unsere Zeitlichkeit und auch die zeitliche Begrenztheit unseres Daseins. Biologische Uhren steuern unser Leben. Auch unsere Sinneswahrnehmung und kognitiven Prozesse im Gehirn zeigen charakteristische zeitliche Strukturen. Nach neuesten Erkenntnissen spielt sich unsere unmittelbare Wahrnehmung in einem Zeitfenster von 3 Sekunden ab.

Woher wissen wir, was Zeit ist? Welche Zeitvorstellungen gibt und gab es in den verschiedenen Kulturen? Wie messen wir unsere Zeit und warum gibt es alle vier Jahre einen Schalttag? Wie arbeitet unsere innere Uhr? Welche Chronotypen gibt es?

Die Sendung wird am Mittwoch um 10 h in 3Sat wiederholt. Sie ist hochinteressant und wer interessiert ist, sollte sie sich unbedingt ansehen.

Internet-Tipp: https://ekluge.de.vu


Ursula antwortete am 01.03.04 (12:59):

Liebe elena,

danke für Deinen TV-Tipp, habe mir den Termin notiert ...

Gruß, Ursula


kdriemer antwortete am 02.03.04 (12:15):

Auch mir geht es so wie Euch. Ich möchte behaupten, die Ursache ist in den vielseitigen Ablenkungen, Informationen und Anregungen, wie u.a. Fernsehen, Internet, Werbung usw., zu finden.

Allein schon eine Minderung dieser im normaltäglichen, kurzlebigen Tagesablauf auf uns einstürmenden Informationsflut lenkt uns weniger ab vom Wesentlichen. Ein bischen weniger "Tagesstress" läßt uns wieder mehr zu uns selbst finden.

Man erlebt wieder b e w u ß t das tägliche Geschehen.

Die Probe:
macht eine Wanderung oder setzt Euch auf das Fahrrad und macht eine Tagestour -
wie lange bleibt diese in der Erinnerung!
Oder
wieviel Wertschöpfung bringt z.B. ein Tag Gartenarbeit bzw. bewußtes Erleben in der Natur (Blumenschau, Zoobesuch, Beobachtung von Tieren o.ä.).

Meiner Meinung nach deckt sich diese, von mir gemachte Erfahrung, auch mit den bereits in den vorstehenden Mails erwähnten gemachten Urlaubserfahrungen.

Vielleicht waren diese Zeilen einen Versuch wert, ähnliche Erfahrungen zu machen?

Herzliche Grüße
Klaus


schorsch antwortete am 02.03.04 (19:11):

Meine Frau und ich waren heute tanzen. Um 17.00 Uhr war Ende. Meine Frau sagte: "Was - schon?" Ich aber dachte: "Endlich!"

So hat eben Jeder und Jede seine/ihre eigene Auffassung vom Dahinfliessen der Zeit.....


linus antwortete am 07.03.04 (06:04):

@karl
Du hast eine interessante und grundsätzliche Frage gestellt, die sowohl in die Psychologie als auch in die Philosophie fällt.

Nach Kant ist die Zeit die (a priori) Form unserer Sinneswahrnehmung und Bedingung der Möglichkeit unseres Denkens. Dem schließe ich mich schlicht mal an ...

Für mich bedeutet sie zu dem Kausalität in der inneren und äußeren Wahrnehmung; ich erlebe, dass in mir oder in der Welt immer etwas passiert oder eben nicht.

Wenn nichts passiert bedeutet das, meine (selektive) Wahrnehmung ist durch Gewöhnung abgestumpft. Alles ist langweilig geworden, man kennt alles (im Prinzip). Jeder Tag ist, wie alle Tage, es macht auf mich nichts mehr Eindruck , wie es früher permanent der Fall war (die Welt war eine bunte Bühne voller Geheimnisse). Das ist der Übergang zum psychologischen Aspekt. Merkwürdigerweise entsteht durch Langweile (a posteriori) das Gefühl, dass 'die Zeit schnell vergeht', obwohl die Zahl der Abfolgen von Wirkung - Ursache - Wirkung (drinnen und drausen) objektiv sicher gleich ist.

Ich habe mir hier geholfen, indem ich mich mit Philosophie beschäftige. Dort ist (aus dieser Wahrnehmungsperspektive) alles (wieder) neu und aufregend (für mich). Jeder Philosoph zeigt seine eigene originelle Sicht auf die Welt. Die Dinge werden aus diesem neuen Blickwinkel gleichsam wieder 'aufregend', interessant und manchmal sogar geheimnisvoll.

Allein die Komplexität und Kompliziertheit dieser (Meta-)Welt, lässt mich auf ein kurzweiliges, langes Leben hoffen ...

Deine Graphik ist (fast...)sensationell - wirklich sehr gut, den Blickwinkel derart zu ändern um so auch im 'Alltag' neue Einsichten zu gewinnen !


rosenblatt antwortete am 07.03.04 (15:27):

Lieber Karl,
das war auch wieder ein sehr interessantes Thema im ST-Forum !
Wie öfters geschehen, bin ich wohl wieder einmal die letzte, die noch etwas zu diesem Thema zu sagen hat:
Ganz schwierig ist ein Zeitauflauf einzuschätzen, wenn man hochbetagte Menschen, noch dazu im dementen Zustand,
ein bis zwei Jahre bis zum letzten Tag begleitet und wenn man nichts anderes mehr tun kann, als pflegen, pflegen und nochmals pflegen!
Denn "Abschiebung" in irgendein Heim stand nicht zur Diskussion.

Aber eine solch traurige Situation ist wie ein absoluter Stillstand im eigenen Leben.
Man verzichtet dann auf viele insbesonders kulturelle
Events, nicht zu reden von Urlaubsreisen.
So sehen die Zeitabläufe rund herum in meinem Alter und meinem Bekanntenkreis aus.

Nun habe ich immer noch keine Zeit für mich und das Schreiben zu den vielen Themen geht aus ähnlichen Gründen nicht, deshalb ist wohl mein Beitrag hierzu offensichtlich eine Art Schlusswort.

Schade, dass Elenas Thema zur "Abschaffung der Todesstrafe"
auch schon wieder in's Archiv verschwunden ist ???

Herzlichen Gruss insbesondere an Dich, lieber Karl.


linus antwortete am 07.03.04 (16:39):

@rosenblatt
Karl hat möglicherweise das wichtigste Thema angesprochen, was man (hier) in den Blick nehmen kann: Zeitlichkeit zum Tode (Du hast einen sehr dirkten Bezug dazu hergestellt)


wwhp antwortete am 08.03.04 (11:19):

Vielleicht ist dieses Zitat von Jakob Wassermann ein letztes Schlusswort (mit Bezug auf den Beitrag von rosenblatt).
Es hat sich mir schon in jungen Jahren ins Gedächtnis gebrannt:

..."und wenn wir alt werden, lasst uns nicht vergessen rechtzeitig zu sterben!"

( J. Wassermann ist durch Suizid aus dem Leben geschieden)

Internet-Tipp: https://www.posselt-homepage.de.vu


schorsch antwortete am 08.03.04 (11:54):

@ wwhap

Leider ist den meisten Menschen die Möglichkeit dazu vorenthalten.....


matti antwortete am 09.03.04 (11:53):

Manche Beiträge machen nachdenklich. Meine persönliche Einstellung dazu ist: Vorsorge zu treffen, wenn das Leben sich erfüllt hat, daß frau/mann dann gehen darf, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist.

Aber Schorsch hat es richtig erkannt. Bin ich dann dazu noch in der Lage? Wann ist der Zeitpunkt, daß ich es noch selbst entscheiden kann?

Rosenblatt berichtet sehr klar aus eigener Erfahrung. Die Zeit, die sie für andere, wenn auch geliebte Menschen, aufwendet geht ihr verloren und sie verzichtet auf sehr viel.

Damit hat sie und auch andere, die gleiches tun, meine große Bewunderung. Es kann nur durch die Liebe, die zurückfließt ein wenig ausgeglichen werden und das wünsche ich ihr.

@ Rosenblatt, - magst du mir die Frage beantworten, ob du das als verlorene Zeit empfindest?


mart antwortete am 09.03.04 (12:56):

Hallo,

in ähnl. Lage wie Rosenblatt, kann ich nur sagen: nein, keine verlorene Zeit - auch wenn sehr vieles auf der Strecke bleibt (bleiben muß) - anderes tritt in den Vordergrund.

Besonders wenn man sieht, wie erfolgreich die Betreuung ist und wie innerhalb eines Jahres aus einem ans Bett gebundenen, geistig weggetretenen Menschen wieder der alter Mensch wird, den man kennt - der sich am Leben freut, der im normalen Rahmen kommunizieren kann, der sich anziehen, waschen und wieder gehen kann (Natürlich mit Hilfe)und natürlich Tag und Nacht wieder ohne Windeln auskommt.

Das gibt mir und der ganzen Familie tiefe Freude, sodaß ich nur selten daran denke, was mir im "wirklichen" Leben entgeht.


werner antwortete am 22.03.04 (09:27):

Klasse, ein gutes Thema. Als erstes fiel mir beim Durchgehen der Beiträge die mathematische Lösung ein, die ich dann auch bei Karl fand.
Das Zweite, was mir dazu einfiel: Wieviel Zeit habt Ihr mit der Auseinandersetzung an diesem Thema verbracht? Ich wollte deshalb schon einmal frustriert diesen ST verlassen, da draussen das wirkliche Leben tobt und nicht vor dem Computer. Aber wo ist schon Wirklichkeit?
Das Dritte: Die technische Entwicklung wird laufend beschleunigt. Dies spiegelt sich auch in der Musik wieder. Ob klassisch oder Schlagergesäusel. Mit diesen Tempi lockt man nicht mehr viel Jugend hinter der Heizung hervor oder vom Computer weg. Gut, es gibt auch jugendliche Liebhaber klassischer Musik und nicht wenige. Haben die ein anderes Zeitgefühl?
Vermutlich verschleudern wir unser Leben am Computer.
Früher war eine Italienreise eine einmalige Sache, die das ganze Leben beeinflusste falls man jemals dahinkam. Heute geht man mal kurz übers Wochenende nach Venedig (wenn man es sich leisten kann).
Geschwindigkeit? Versucht doch mal mit 140 kmh auf die Überholspur zu kommen.
Als Laie vermute ich, dass das individuelle Empfinden der Zeit eine Kombination aus beiden ist: Der mathematische Anteil unseres Restlebens und die beschleunigte technische Entwicklung.
Zwei Themen dominieren mein oben angeführtes Restleben:
Was ist Zeit?
und
Was ist Leben?
Schliesslich leben wir als Anhäufung von Molekülen nicht in der Gegenwart. Im Gegenteil, wir wissen überhaupt nicht was Gegenwart ist.


werner antwortete am 22.03.04 (09:30):

Ich habe jetzt die Abstimmungsfrage gelesen. Warum nur die subjektive Wahrnehmung? Wäre der Zeitablauf individuell so könnte es doch auch der objektive Ablauf sein. Vertraue keiner Uhr. Sie entspringt menschlichen und somit beschränkten Denkvorgängen. Vielleicht stellen wir irgendwann unsere gesamte Naturwissenschaft in Frage.


mart antwortete am 22.03.04 (10:07):

Es ist ein Konstrukt des modernen Denkens und bedurfte einer längeren Entwicklung die Zeit als Abstraktum und immer gleichmäßig verlaufend dazustellen.

Nur in der klassischen Physik wird die Zeit als unabhängige Größe angenommen. Daß das seit Einstein viel differenzierter gesehen werden muß, wurde doch auch schon durch Experimente hinreichend nachgewiesen.

Diese Annahmen der Zeit als Kontinuum von einer Vergangenheit über den Augenblick bis in die Zukunft stimmt allerhöchstens in den Dimensionen, in denen unser Gehirn gelernt hat zu denken.


werner antwortete am 23.03.04 (15:08):

also müssen wir lernen Begriffe wie 'Zeit' oder 'Leben' flexibel zu sehen. Nichts ist wie es scheint.
Bleibe ich beim gegenwärtigen Verständnis des Begriffs 'Zeit' so liegt die Schwierigkeit auf anderes Leben zu treffen (nennen wir sie Ausserirdische) nicht darin unser Sandkorn Erde zu treffen sondern den korrekten Zeitpunkt in welchem Leben vorhanden ist.
Oder anders: Ich kann das Kolosseum in Rom besuchen. Null Problemo. Aber den Zeitpunkt als dort ein alter Gladiator in der Arena kämpfte verschwindet theoretisch als Lichtpunkt im Weltall. Selbst wenn ich das Zeitkontinuum zurückgehen könnte, wäre es eine Meisterleistung an Präzision um exakt auf diesen Punkt zu treffen. Eigentlich unmöglich.
Dazu kommt noch, dass wir überhaupt nicht wissen wann wir leben. Das heisst zu welchem Zeitpunkt unser menschliches System lebt. Erstens leben wir als menschliches Gesamtsystem konstant in der Vergangenheit. Wir können nicht sagen was Gegenwart eigentlich ist.
Unseren Körper in Einzelteile zerlegt - die Grösse der Teile mag variieren - können wir ebenfalls nicht feststellen wann wir leben. Teile sterben ab, neue Teile wachsen nach und beteiligen sich an unserem System Mensch.
Und dann kommt noch das Problem Entscheidungsfindung. Da wir so gesehen, keine Entscheidungsfreiheit haben. Denn all unser Tun ist unwiderruflich also unumkehrbar.
Vermutlich ist unser gesamtes Gedankenbild falsch.
Man entschuldige meine laienhafte Darstellung und für Informationen wäre ich dankbar. Oder sind wir hier an der Grenze?


werner antwortete am 24.03.04 (10:57):

gibt es denn niemand der darüber nachdenkt und Erklärungen liefern kann?


radefeld antwortete am 25.03.04 (08:36):

Doch, Werner. Auch ich habe schon viel über diese Begriffe- und das sind es doch wohl zu allererst-
nachgedacht. ICH glaube jedenfalls, dass das Abbild, das wir in unserem Gehirn von der Zeit entwerfen, im
wesentlichen der Natur entspricht. Könnten wir sonst überhaupt leben?
Ein anderes Thema hast Du hier kurz angerissen: Das der "unbegrenzten Weltraumfahrt", also die zu
ANDEREN Sternsystemen, gar GALAXIEN, wie das einige Fernsehmacher den Menschen so wunderbar
vorführen.
ICH jedenfalls glaube, dass die nicht und niemals verwirklichbar sein wird. Eben aus dem Grunde der
Zeitdifferenzen- und der daraus entstehenden Probleme beim Zusammentreffen mit anderen lebenden
Wesen. Welche Kathastrophe war für die Naturvölker schon das Zusammentreffen mit den Europäern. Dabei
waren die technischen Entwicklungsunterschiede gerade die einiger Jahrhunderte. Wie sollte sich das erst
gestalten, wenn Zeitunterschiede von Millionen oder gar Milliarden von Jahren zusammentreffen? Das ist
bestenfalls etwas für Buch- oder Film-Autoren. Die haben wenigstens EINEN Vorteil von unser aller
Nichtwissen: Sie können ganz gut davon leben!
Mal unabhängig von den riesigen Entfernungen und den allein daraus entstehenden menschlichen
Problemen: Wer würde sich freiwillig von allem, was ihm hier umgibt, endgültig und für immer
verabschieden, um in Zeiten wieder aufzutauchen, in denen ER dann ein lebendes Fossil wäre? -Einmal
vorausgesetzt, dass die Zeitdehnung und die langen Beschleunigungs- und Abbremszeiten technisch
beherrschbar wären.
Aber das könnte schon wieder ein eigenes Thema zur Diskussion werden.