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THEMA:   Mobilitätswahnsinn

 14 Antwort(en).

Manfred Franz begann die Diskussion am 12.11.00 (11:55) mit folgendem Beitrag:

Gestern ging die Meldung durch die Medien, dass allein im 1.Halbjahr 2000 450 Personen auf den Autobahnen ihr Leben verloren haben. Bezeichnenderweise wird die Statistik nicht mit Zahlen anderer Verkehrsmittel verglichen. Als Hauptgründe wurden Raserei, zu dichtes Auffahren, und Übermüdung der LKW-fahrer genannt. Alkohol ist nicht mehr eine der Hauptursachen. Insgesamt ist die Zahl der Verkehrstoten weiter angestiegen. Was müsste dagegen unternommen werden, was ist gegen den drohenden Verkehrskollaps zu tun, in dessen Folge heute schon beträchtliche (vor allem Frei-)Zeitmengen im Stau vergeudet werden?


Ilse W. antwortete am 12.11.00 (16:48):

Mich wundert eigentlich, daß die Zahl der Verkehrstoten nicht höher ist. Dieser Tage gab es einen TV-Bericht über Raserei und Verkehrsverstöße - haarsträubend! Leider wird nur ein kleiner Teil dieser Chaoten erwischt. Wenn ich mich an die Verkehrsregeln halte, komme ich mir oft wie ein Idiot vor; da wird dicht aufgefahren, gehupt, gegrinst, rechts überholt. An die Geschwindigkeitsregeln hält sich kaum jemand, wobei die übelsten Raser meist ungeschoren davonkommen. Und ich armes Luder mußte neulich für 8 km überhöhte Geschwindigkeit DM 30,- berappen!


Wolfgang antwortete am 23.11.00 (10:54):

Rasen, betrunken oder rücksichtslos fahren... natürlich, viele Tote und Verletzte gibt es aufgrund solcher Fehlverhalten. Aber, ich meine, der "Mobilitätswahnsinn" ist so wahnsinnig gar nicht, sondern ein völlig normales und sozial erwünschtes und politisch gefördertes Verhalten der Menschen. Denn hinter dem ganzen Mobilitätswahnsinn stecken handfeste wirtschaftliche Interessen.

Ich behaupte sogar, dass unser Wirtschaftssystem - so, wie es zur Zeit gestaltet ist - ohne den Mobilitätswahnsinn überhaupt nicht auskommen kann. Ganze Industriezweige - vorneweg die Automobilindustrie, aber auch andere Industrien zur Steigerung der Mobilität, hier vor allem die Tourismusindustrie - prägen entscheidend das Leben moderner Menschen in sogenannten entwickelten Volkswirtschaften. Dass sich die Menschen dann auch entsprechend verhalten und mobil sind oder es immer mehr werden - wen kann das überraschen.

In Diskussionen fällt mir oft auf: Über die Auswüchse eines Verhaltens regen sich alle auf, die diesen Auswüchsen zugrundeliegenden technischen, wirtschaftlichen und politischen Strukturen dagegen werden verteidigt. Aber, jede(r) sollte das eigentlich wissen: Für alles im Leben muss ein Preis bezahlt werden - im Fall unserer wahnsinnigen Mobilität sind es manchmal der Tod und Verletzungen, mit jedem Kilometer Bewegung werden aber auch ein Stück der Natur und der Vorräte der Natur aufgezehrt. In einem riesigen Ausmass und unverantwortlich... der tägliche und ganz normale Wahnsinn.


Manfred Franz antwortete am 24.11.00 (21:08):

Es geht nicht um die Mobilität an sich. Es geht um den Kult, der da herum gemacht wird, der schon an Wahnsinn grenzt. Reisen bildet (manchmal wenigstens). Wie oft wird die Mobilität aber nur zur Angeberei genutzt, nicht dazu, fremde Länder, Menschen und Kulturen kennen zu lernen? Wie oft ist sie (die Reise) nur Statussymbol? So wie der PKW es auch ist, viel weniger als ein notwendiges Fortbewegungsmittel.
Die gewonnenen Kenntnisse und Erkenntnisse halten oft nicht der einfachsten Prüfung stand.....Und dafür opfern wir Geld, Freizeit, Umwelt, Gesundheit und, wenn wir Pech haben, unser Leben!


Wolfgang antwortete am 09.01.01 (08:52):

"Verkehr ist nichts Gegebenes. ... Verkehr entsteht. ... Der Verkehr selbst ist keine wertschöpfende Aktivität, höchstens ein notwendiges Übel. Wo immer er stattfindet, belastet er den Lebensraum." - Das schreibt Frederic Vester, Biokybernetiker und Systemforscher und Mitglied des Club of Rome. Der Mann spricht mir aus der Seele. Er weist auch darauf hin, dass sich unser Denken ändern muss und als Folge davon unsere Produktions- und Konsumtionsmuster auf den Prüfstand gehören.

Mobilität macht angeblich unser Leben lebenswert. Tatsächlich sägen wir an dem Ast, auf dem wir (noch und scheinbar sicher) sitzen.

Frederic Vester:
Verkehr ist nicht gottgegeben
Politik und Automobilindustrie blockieren den Wandel

https://www.fr-aktuell.de/fr/211/t211009.htm

(Internet-Tipp: https://www.fr-aktuell.de/fr/211/t211009.htm)


Klaus D antwortete am 11.01.01 (20:33):

Wenn ich Parma-Schinken in Bremen kaufe,hat er unter Umständen folgenden Weg hinter sich:

Von Oldenburg nach Parma - von Parma nach Bremen!
Diese Beispiele lassen sich ergänzen.

Wahnsinn!


Albert Steinbichl antwortete am 01.02.01 (06:58):

Wenn ich auf der Autobahn 100 km/h fahre, überholen mich sogar noch die schweren LKW`s, das ist schon der wahre Verkehrswahnsinn. Die Verkehrsdichte nimmt immer mehr zu- und die Vernunft der Autofahrer ab. Haben es wirklich alle so eilig, das sie das Eigene Leben und daß Ihrer Mitmenschen täglich riskieren. Dabei kommt mir vor als ob die Regierung und die �lkonzerne mit ihren Preiserhöhungen alles daran setzen, das sich immer weniger das Autofahren leisten können.


Peter antwortete am 01.02.01 (16:50):

Ich plädiere für ein generelles Überholverbot für LKWs auf zweispurigen Autobahnen (jawohl, die gibt es noch). Und ich plädiere für 0 Promille im Blut. Schade, daß die Politik nicht gleich von 8 auf 0 gegangen ist und erstmal die 5 Promille zwischengeschaltet hat.


Wolfgang antwortete am 02.02.01 (10:11):

Es gibt seit langem eine Empfehlung der EU-Kommission, für jugendliche Fahranfänger einen 0,2-Promillegrenzwert einzuführen. Das wäre erst mal ein Schritt auf dem Weg zu den 0,0-Promille. Ich meine, das sollte dann aber für alle Altersgruppen gelten. Vielleicht werden die Strassen dann etwas sicherer.

Den Mobilitätswahnsinn wird das nicht stoppen. Das, meine ich, sollte über den Preis gehen (schliesslich leben wir in einer Marktwirtschaft). Wenn die Gesellschaft aufhören würde, Autofahrern und Fluggästen ihren Luxus zu subventionieren, jene also reelle Preise zahlen müssten, Preise, die die Kosten für den immensen Naturverbrauch einschliessen, das würde die Lust auf Mobilität sicher dämpfen.


Manfred Franz antwortete am 03.02.01 (07:08):

Jeder sollte bei sich anfangen, dem Mobilitätswahn zu begegnen. Man darf sich selbst doch fragen: Ist die Fahrt überhaupt notwendig? Oder fahre ich aus Spaß an der Freude? Ist das Verkehrsmittel das Richtige? Fahre ich energiesparend? Lasse ich mich von Rasern und Dränglern treiben?
Schon allein die vernünftige Beantwortung dieser Fragen, nur für sich selbst, und die Realisierung der Antworten, könnte wesentlich zur Beruhigung überschäumender Mobilität beitragen.
Deshalb finde ich auch die sog.�kosteuer garnicht so schlecht. Man kann mit vernünftiger Fahrweise mehr einsparen, als die �kosteuer ausmacht. Lediglich die Art der Anwendung ist stark kritikwürdig. (Auf Flugbenzin keine, dafür aber auf von der Bahn selbst ihn Wasserkraftwerken(!) erzeugten Strom, auch Besteuerung des öffentlichen Verkehrs, Verwendung der Mittel nicht zur ökologischen Stimulierung, sondern um Haushaltlöcher zu stopfen)
Am ausuferndem Mobilitätswahn sind nicht nur die böse Industrie und die unfähige Politik schuld. Jeder Ei


Klaus Rabe antwortete am 18.04.01 (09:49):

Hallo Albert STEINGICHL!
Dir, und anderen möchte ich sagen,dass Leute die 100 auf der Autobahn fahren dort nichts zu suchen haben.Bei dieser Fahrweise werden Unfälle provoziert,bleibt lieber auf der Landsrasse.


Manfred Franz antwortete am 18.04.01 (13:12):

Da hat Klaus Rabe Recht. Die Autobahn gehört den immer wieder gegen Morgen aus "ungeklärter Ursache" von der Fahrbahn abkommenden "Königen der Autobahn" und einigen unbelehrbaren Rasern. Wer SICHER und SCHNELL an ein entferntes Ziel kommen will, der kann ja die Eisenbahn nutzen und mit 280 Sachen im gut klimatisiertem ICE an den im Stau schwitzenden Autofahrern vorbeirauschen. So er es sich leisten kann. Denn diese noble Art der Fortbewegung ist heute ja wohl den etwas "besser verdienenden" Umweltfreaks vorbehalten. :,-(
Wer nur spazieren fährt, der sollte sich dagegen besser einfache Landstraßen aussuchen.


Wolfgang antwortete am 25.04.01 (12:00):

Zahlen zu der Deutschen liebstes Spielzeug... zum Auto. Laut Statistischem Bundesamt sind im Jahr 2000 auf Deutschlands Strassen bei Verkehrsunfällen rund 504.000 Menschen verletzt und 7.487 Menschen getötet worden.

Kommentar der Bundesregierung zum alltäglichen Wahnsinn: So WENIG Verkehrstote waren es noch nie...

Sozialpolitische Umschau - Ausgabe Nr. 10, 98/2001: Straßenverkehrsunfallbilanz 2000: 4 Prozent weniger Getötete und 3 Prozent weniger Verletzte

https://www.bundesregierung.de/top/dokumente/Bericht/ix_36211.htm?template=single&id=36211&script=1&ixepf=_36211

(Internet-Tipp: https://www.bundesregierung.de/top/dokumente/Bericht/ix_36211.htm?template=single&id=36211&script=1&ixepf=_36211)


seewolf antwortete am 25.04.01 (14:20):

am besten gefällt mir der beitrag von klaus d. mit dem parma-schinken... er beschreibt den totalen wahnsinn, der aus der "globalisierung" des konsums entstehen mußte. nordseekrabben müssen von büsum nach marokko zum puhlen gekarrt werden, um anschließend in husum zu erzielbaren preisen angeboten werden zu können. man kann auch nicht abwarten, bis deutscher spargel zum stechen reif ist - es muß vorher welcher aus anderen ländern auf deutsche wochenmärkte gekarrt werden. und - weil ja jeder "parma"-schinken braucht, aber in der region parma nicht soviel schinken "wächst", muß natürlich oldenburger schinken dorthin gekarrt werden, damit er den namen bekommen kann, um den oldenburger "parma"-schinken-freund zufriedenzustellen - nach rücktransport... die zunahme des güterverkehrs entspricht der zunahme der verzehr- und konsumsucht breitester verbraucherkreise, die sich mit heimischen erzeugnissen nicht mehr auskömmlich ernähren und versorgen können... der private verkehr wird natürlich auch weiterwachsen, weil man unbedingt 100 km und mehr fahren muß, um den sonntag in einem mega-möbelhaus zu verbringen, wo man endlich mal was zu sehen bekommt...

angesichts dieser umstände, nämlich rasant anwachsender kilometer"leistung" pro person insgesamt gesehen, ist die relativ gesunkene todesfallquote in der tat bemerkenswert.


Manfred Franz antwortete am 26.04.01 (12:10):

Ihr habt ja Alle so Recht. Die Zahl der Verkehrstoten im Straßenverkehr wird ja allgenmein weggedrückt. Aber wenn �mal auf einer Eisenbahn etwas passiert. Da hat die Journaille gleich wochenlang Stoff! Das nenne ich echt populistisch! Wer lässt sich den gern sagen, dass er sich falsch verhält? Viel schöner ist es doch, sich bestätigt zu sehen. Und komme mir Niemand mit dem Argument, es ginge ohne Auto nicht. Sicher, in bestimmten Situationen. Aber ich getraue mir zu sagen, dass die Hälfte aller Fahrten weder notwendig noch mit dem richtigenm Verkehrsmittel erfolgt. Aber wer will das beurteilen? Der Autowahn endet erst, wenn die Spritpreise nicht mehr bezahlbar und der Zeitaufwand im Dauerstau zu hoch wird. Keinen Tag eher!