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THEMA:    über die Illusionslosigkeit des Alters

 16 Antwort(en).

Hanna begann die Diskussion am 07.06.01 (18:21) mit folgendem Beitrag:

Grundlage für eine gute Diskussion könnte das politische feuilleton vom 7.6. vom Deutschlandradio Berlin sein.
Odo Markquard: Übber die Illusionslosigkeit des Alters. Man könnte sich den Artikel ausdrucken lassen. www.dradio.de
Ich schick das mal auf den Weg. Hanna
hanna-born@foni.net


Heidi antwortete am 07.06.01 (19:57):

;-) Hier der erweiterte Link dazu

https://www.dradio.de/cgi-bin/user/fm1004/es/neu-feuilleton/date/today/aktuell.html

ab morgen wahrscheinlich im Archiv zu finden

(Internet-Tipp: https://www.dradio.de/cgi-bin/user/fm1004/es/neu-feuilleton/date/today/aktuell.html)


Wolfgang antwortete am 07.06.01 (20:25):

Ein prima Hinweis, Hanna... Ich mag das, was der (alte) Philosoph Odo MARQUARD da sagt. Eine wohltuende ruhige Stimme inmitten der hektischen Zeit. Ich mag besonders, dass er den Tod erwähnt, der zwangsläufig immer näher rückt. Und dass sich dadurch die Masstäbe verschieben. Und dass man deswegen noch lange nicht verzweifeln muss. Nur ändern sollte man sich, weil einem eben nicht mehr so viel Zeit bleibt.

"Also: Im Alter schrumpft die eigene Zukunft gegen null." - Echt cool, der Alte, sagt mein kleiner Sohn dazu. So ganz begriffen hat er es wohl noch nicht. Aber er hat ja auch noch viel Zeit vor sich... :-)


Hanna Born antwortete am 08.06.01 (21:23):

Danke, Wolfgang, daß Du auf meinen Anstoß hin geantwortet hast. Es haben sicher noch ein paar mehr mitgelesen. Daeum diese erweiterung. Ich finde ja eine Frucht des Alterns ist die Freiheit. Man muß nicht unbedingt allen gefallen, man muß nicht alles wissen und nicht überall hinkommen .Man hat den Tag,

den man hat. Und nur immer wieder nur den Tag, den man hat......Und an diesem Tag kann man seine Gänseblümchen pflücken, wie es in einem amerik. Gedicht heißt.
Und noch ein Gedicht:
Wir sehn mit Grauen rundherum
die Leute werden alt und dumm.
Und nur wir selbst im weiten Kreise
wir bleiben jung und werden weise. Eugen Roth
Viele Gtüße an alle "Weisen" von HANNA


Heidi antwortete am 10.06.01 (11:18):

Illusion(lt. Duden):
(dem eigenen Wunschdenken entsprechende) schöne Vorstellung in bezug auf etwas, was in Wirklichkeit nicht oder nicht so ist; Wunschvorstellung, falsche Deutung von tatsächlichen Sinneswahrnehmungen..

Zitate von Odo Marquard (geb.1928) s.o.a.Link

"So gehört zum Alter, daß es uns - aus zunehmenden Mangel an Zukunft - immer schwerer fällt, Zukunftsillusionen zu entwickeln und aufrechtzuerhalten."

"Im Alter - der Lebensperiode des Zukunftschwundes - verschwinden zugleich die Vollendungsillusionen; daß wir wirklich Zeit hätten für die Erreichung unserer Ziele, die Erledigung unserer Aufgaben, die Vollendung unseres Lebens..."

"..im Alter schrumpft die eigene Zukunft gegen null. Dadurch können die Zukunftskonformismen ebenfalls gegen null schrumpfen: die zukunftstaktischen Rücksichten beim Sehen und Sagen können entfallen. Alte Menschen können unbekümmerter nicht nur merken, sondern auch reden... Außerdem ist die Rede der Alten Rede auf Abruf: sie - die alsbald vergessen sein wird - hat weniger das Gewicht letzter Worte, vielmehr die Gewichtslosigkeit von Hinterlassenschaften mit nur noch begrenzter Haltbarkeit. Im Alter kann man das ausnutzen; man kann das eigene Taktbedürfnis einschläfern und dadurch zuweilen schamlos offen sein. Auch das stärkt die Fähigkeit zum So-ist-es-Sagen.Ich verlasse mich, je älter umso mehr, auf das eigene Verschwinden..."

Herr Marquard scheint in der Tat "illusionslos" zu sein. Irgendetwas wehrt sich in mir ganz vehement gegen obige Ausführungen.

Alt = illusionslos, Rede auf Abruf , Ausrichtung meines "Noch-Lebens" nur noch auf den Tod? -

Nein! Solange ich lebe, plane ich auch meine Zukunft und da ich nicht weiß, was sie bringen wird habe ich auch Illusionen darüber.

Ich weiß, ich bin 20 Jahre jünger als Herr Marquard aber ich habe hier im St Menschen kennengelernt, die in seinem Alter sind und die ganz und gar nicht illusionslos sind.

Vollendungsillusionen? - Wer kann schon sagen, wie und wann er sein Leben, seine Ziele, seine Aufgaben vollendet hat? Wer will behaupten, dass das Leben, auch in dem letzten Drittel oder Viertel, nicht noch Überraschungen bringt?

Wer illusionslos ist, hat mit dem Leben abgeschlossen und dagegen wehre ich mich
- bis zum letzten Tag meines Lebens :-)


Georg Segessenmann,alias Georg von Signau antwortete am 11.06.01 (13:51):

Frage: Was unterscheidet den Menschen vom Tier?
Antwort: Dass er Illusionen haben kann.
Beispiel: Ein Tier steht und liegt angekettet im Stall und wird zusätzlich noch misshandelt. Es wird nicht lange gehen und das Tier ist tot. Der Mensch aber kann sich in einer solchen Situation Illusionen machen, Hoffnungen entwickeln, die ihm das Überleben sichern.
Das ist vielleicht ein Vorteil, den der Mensch gegenüber dem Tier hat. Aber es hat auch einen Nachteil: Der Mensch, gerade der ältere, kann sich sein eigenes Ende ausrechen und ausmalen!
Ist es dem Tier da nicht wohler dabei?

Schorsch


Petrone antwortete am 16.06.01 (13:13):

Also ich lebe täglich so, wie wenn das Beste noch vor mir liegt. Das bereichert mir die Gegenwart enorm - weil ich nämlich stets am suchen bin. Was kann ich tun für die Gesundheit und mein Wohlbefinden? Gestern zum Beispiel war wunderschönes Sonnenwetter. Da setzte ich mich auf meiner Terasse in den leichten Schatten einer großen Phönixpalme. Ich genoß die Strahlungswärme der Sonne. Und die Illusion, noch viele Tage und Jahre so genießen zu können, die erhalte ich mir.
Vielleicht sollten wir in unseren Illusionen auch bescheidener sein? Illusion Strahlungswärme - die so gut tut? Ich könnte mir ja einen Wintergarten bauen? Dann hätte ich mindestens das dreifache an Strahlungswärme? Na, mal sehn was die Zukunft bringt. Vielleicht wird aus der Illusion ja Wirklichkeit.


Wolfgang antwortete am 17.06.01 (01:29):

Vielleicht ist es ja so, dass jede(r) ihre/seine eigene Wortwahl hat und unterschiedliche Begriffe verwendet... Illusionen mag ich nicht haben, denn es sind eben Wunschvorstellungen, denen die Wirklichkeit nicht entspricht und nie entsprechen wird. Der Begriff Utopien ist mir da schon lieber. Denn: Utopien sind zwar im Moment noch nicht Wirklichkeit, aber sie können es unter bestimmten Umständen werden.

Aber selbst dieser Begriff - Utopien - ist mir schon zu "hoch"... Ich verwende den Begriff Mission... Ich habe eine - jede(r) hat eine - eigene Mission zu erfüllen. Das mache ich gerne. So lange es diese Mission gibt - in meinem Fall, meinen noch kleinen Sohn aufzuziehen, zu hegen und zu pflegen -, hat mein Leben einen Sinn. Ich möchte nicht allzu lange leben. Nur so lange, wie ich meine Mission erfüllen kann.

Das Sterben gehört zum Leben. Es ist gut, dass man stirbt. Damit die nächste Generation ihre Mission erfüllen kann. - Bis dahin aber will ich leben... Wie gesagt: Nicht sehr lange, aber dafür intensiv. So, dass ich sagen kann: We have joy, we have fun, we have seasons in the sun... :-)))


Georg Segessenmann,alias Georg von antwortete am 18.06.01 (09:34):

An Petrone

Auch ich habe einige Palmen in meinem Garten - leider noch zu klein, um mich in deren Schatten zu legen - und im Winter muss ich sie immer in die Garage nehmen.
Wo steht denn die deinige?

Gruss

Schorsch


Marianne Schmitt antwortete am 24.06.01 (10:43):

meine "Palme" stehen da wo ich sie mir noch ansehen kann und trotz meiner 73 Jahre noch zu in der Lage bin. Ich war vor ein paar Wochen erstmals in Israel und kann nur sagen, daß ist überwältigend. Man sollte das Gefühl kennenlernen was einen in Jerusalem an der Klagemauer oder in der Grabeskirche fast übermannt, sollte erleben wie freundlich und hilfsbereit die Menschen dort sind, dann erübrigen sich viele Fragen, die man sonst nach dem Sinn von Leben und Sterben stellt. Ich empfehle allen mal eine Reise dorthin und lassen Sie sich nicht "scheu" machen von den Medien, die zu Unrecht den Tourismus dort kaputtmachren. Was dort passiert, kann überäll auf der Welt passieren, denken Sie an die ETA in Spanien oder die IRA in England. Israel ist eine Reise wert Gruß Marianne


gerda antwortete am 24.06.01 (16:53):

Hallo Petrone!
ja, das mit dem Wintergarten, genau das ist es! Neulich machte mein Sohn mit mir irgendeinen Test und eine Frage davon war:"Welches Lebensziel haben Sie?"
"Wintergarten", sagte ich. Darauf Sohnemann:"Aber Mama, das ist doch kein Lebensziel!" Lebensziele haben eben den Geruch von Überwältigendem, Illusionärem, zumindest a bissl Utopie sollte doch dabei sein. Na ja, und ich hab nicht einmal eine Mission. Das einzige, das ich aus meiner Jugend herübergerettet habe, ist meine Neugier und was ich gewonnen habe, ist eine enorme Freiheit im Denken, Sagen und Handeln.Ich habe nicht das Gefühl, daß das Beste noch vor mir liegt - das halte ich für eine gefährliche Illusion - aber einfach das Jetzt genießen, kompromißloser als je zuvor, befriedigt mich hinreichend. Und der Wintergarten auf einem Teil meiner großen Dachterrasse wird in ein paar Wochen konkret. Ich werde himmlisches Vergnügen daran haben und arrangiere schon jetzt Feigenbaum, Bougainvillea und sonstige Exoten. Wird das wuchern! Ich werde himmlisches Vergnügen daran haben. Wie lange? Wer läßt fragen?
Liebe Grüße, Gerda


Petrone antwortete am 27.06.01 (09:57):

Ja, Wolfgang, Du hast ne Mission! Ein oder mehrere Kinder aufzuziehen, sie ans Leben heran zu führen und dann loslassen und sehen wie sie sich (positiv) einwickeln, das ist wohl das größte auf der Welt.
Meine Palme, lieber Schorsch ist eine robuste Phönixpalme. Die überwintert noch in einem sogenannten Suttereinraum, einem Halbkeller. Da hat sie Licht und Luft und mäßige Wärme im Winter. mehr braucht die nicht.
Aber die freut sich natürlich auch schon auf "Petrones" Wintergarten. Es soll ein Pflanzengarten werden und kein "Wohnzimmer unter Glas". Ein Pflanzenhaus, in dem auch ich leben darf. Das verstehen so viele Menschen nicht.
Das anderen Menschen beizubringen, könnte mir glatt auch noch mal zur "Mission" werden.
Und Du liebe Gerda, kannst Dir nicht verstellen, dass das Beste im Leben noch vor Dir liegt! Es gibt natürlich Sachen im Leben, die absolut einzigartig waren, beispielweise Wolfgangs Mission. Aber sollen wir deswegen sagen, ja das wars dann und illusionslos weiter leben? Wir brauchen doch immer wieder neue Lebensfreude. Mir gefällt das Wort Illusion in diesem Zusammenhang auch nicht. Wie wäre es da mit Vision. Etwas sehen, es herbei sehen und Wirklichkeit werden lassen? Mit der Kraft unserer Gedanken. So habe ich das immer gemacht. Ich wüßte nicht, warum ich das aufgeben soll - nur weil ich über 60 bin???


gerda antwortete am 27.06.01 (12:17):

Lieber Wolfgang!
Dein Schreiben hat mich nachdenklicher gemacht als ich es eigentlich wollte. Ich würde an Deiner Stelle genauso denken. Ich hätte z.B. sehr gerne Enkel. Hätte Freude an deren (guter) Entwicklung und würde wohl auch hie und da meinen Senf dazugeben und möglichst viel Spaß mit ihnen haben. Aber ich würde mich nicht mehr verantwortlich fühlen wie Du logischerweise als Vater.
Ich will nicht bestreiten, daß es ältere und auch alte Menschen gibt, die noch eine Lebensaufgabe zu erfüllen haben (oder es ernsthaft glauben). Die Mehrheit hat das nicht mehr, vielleicht auch nie gehabt, und dies ist für viele ein Grund, am Leben zu verzweifeln. Die Selbstmordgefährdung und die Selbstmordrate sind bei alten Menschen in unserem Kulturkreis am höchsten. Marquard legt klar und realistisch den Finger genau in die Wunde. Es schmerzt, belanglos zu werden, und doch, bei genauer Lektüre, öffnet er gleichzeitig immense Chancen. Weisheit, über den Dingen stehen, eigene Grenzen erkennen und darüber lächeln können. Das ist Würde des Alters und mein Leitbild. Nicht dem Alter trotzen, sondern es annehmen mit seiner ganzen Vergänglichkeit. Deshalb muß Alter nicht freudlos sein. Anteil am Leben nehmen ohne dem Drang, mitgestalten zu müssen. Unverblümt die Meinung sagen ohne Wunsch nach Durchsetzung. Natürlich Freude am Leben haben, sich Herzenswünsche erfüllen so weit wie möglich, Begegnungen mit Menschen genießen, neugierig sein, Anteil nehmen. Aber vielleicht sind wir alle in unseren Einstellungen gar nicht so weit entfernt und ich bin nur sehr rigide in der Unterscheidung zwischen Illusion (Utopie, Mission) und irgendetwas noch haben oder genießen wollen.


hanna born antwortete am 29.06.01 (13:59):

Hallo, an alle Mitdenker! Ich hätte nie geglaubt, dass mein Diskussionsanstoß soviel bewirkt. das war (ist?)doch eine nachdenklich machende und Hoffnung machende Runde. danke an alle.
Könnte man noch ein wenig weiterspinnen?
Frage: Hängt die gute bewältigung des Alters vielleicht auch damit zusammen, daß der Mensch auf jeder seiner Stufen seinen "Sinn" finden mu?? Und vielleicht ist das im Alter schwieriger, besonders wenn Beschwerden auftauchen? usw.
Gruß HANNA


Werner Weber antwortete am 22.07.01 (11:44):

Hallo wer ist da des Alters wegen so pessimistisch?
Diese Diskussion kann ich nicht verstehen. Bitte seht mal in meine Homepage: https://www.aktivundfitimalter.de , die ist gerade von uns deswegen gemacht, dass man mit mehr Optimismus das Alter angehen und auch begehen sollte. Viel Spass wünscht Werner

(Internet-Tipp: https://www.aktivundfitimalter.de)


Rosmarie V. antwortete am 03.08.01 (16:50):

Ich möchte sehr gerne wieder das Thema ZEIT in den Vordergrund rücken. Immer wieder begegnet mir der Satz:"Ich habe keine Zeit!"
Dazu gebracht, wieder mehr über Zeit nachzudenken hat mich die nachfolgende "Isländische Weisheit" übersetzt aus dem Französischen.

NIMM DIR ZEIT

Nimm dir Zeit um zu arbeiten
es ist der Preis des Erfolges

Nimm dir Zeit um nachzudenken
es ist die Quelle der Kraft

Nimm dir Zeit um zu spielen
es ist das Geheimnis der Jugend

Nimm dir Zeit um freundlich zu sein
es ist das Tor zum Glücklichsein

Nimm dir Zeit zum Träumen
es ist der Weg zu den Sternen

Nimm dir Zeit um zu lieben
es ist die wahre Lebensfreude

Nimm dir Zeit um froh zu sein
es ist die Musik der Seele


Clärchen antwortete am 17.08.01 (05:51):

Der Eintrag von Wolfgang gefällt mir sehr - so sehe ich auch mein Altern (74) und lebe danach. Alles, was ich an Werten, Ideen, Wissen und Können vermitteln kann, gebe ich weiter. Dadurch fühle ich mich noch dazugehörig. Natürlich ist Bescheidenheit und nicht Besserwisserei angesagt. Wenn man irgendwo aneckt, hat man es, so meine ich, immer sich selber zuzuschreiben.
Im übrigen verweise auch ich auf meine beiden Homepages:
www.heilenmitkohljak.de und
www.unserbiogarten,de
Es grüßt
Clärchen

(Internet-Tipp: https://unserbiogarten.de)