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THEMA:   Der Traum als Dichtung und als Reparaturwerkstatt der Seele?

 95 Antwort(en).

Enigma begann die Diskussion am 10.01.05 (12:14) :

Johann Gottfried Herder
Ein Traum ist unser Leben

Ein Traum, ein Traum ist
unser Leben
auf Erden hier.
Wie Schatten auf den
Wolken schweben
und schwinden wir.
Und messen unsre trägen
Tritte
nach Raum und Zeit;
Und sind (und wissen`s
nicht) in Mitte
der Ewigkeit...

Die Gemeinsamkeiten zwischen Dichtung und Traum sind offensichlich und wurden von Dichtern, Wissenschaftlern und Psychologen immer wieder beschrieben.
Die große Gemeinsamkeit ist die Fantasie, die sich nicht an reale Grenzen halten muss.
Vor einigen Tagen habe ich eine Abhandlung darüber gefunden, die mir ganz gut gefällt, die aber auch gewisse Unterschiede aufzeigt - siehe URL! -

Was haben bekannte Menschen zum Traum - zum Träumen gesagt?:

Novalis
Nach Innen geht der geheimnisvolle Weg.
Der Traum ist prophetisch im Sinne der Selbstoffenbarung. Er zeigt uns an, was wir im Wachen noch nicht wissen oder überhaupt nicht wissen können.
Die Träume haben sehr viel zur Kultur und Bildung der Menschheit beigetragen.
Daher mit Recht das grosse Ansehen der Träume.
Der Traum belehrt uns auf eine merkwürdige Weise von der Leichtigkeit unserer Seele, in jedes Objekt einzudringen, sich in jedes sogleich zu verwandeln.

Plato
Im Schlaf tritt die seherische Kraft der Seele hervor.

Hildebrandt
Der Traum lässt uns bisweilen in Tiefen und Falten unseres Wesens blicken, die uns im Zustand des Wachens meist verschlossen bleiben.

- Fortsetzung -

Internet-Tipp: https://www.psy-knowhow.de/dreams4.htm


 Enigma antwortete am 10.01.05 (12:44):

- Fortsetzung -

noch einige Zitate und eine Definition -URL- zum "Traum":

Wilhelm Lichtenberg
Träume - der Mut zu einer Phantasie, die man im Wachsein nicht hat.

Anonym
Traum - Reparturwerkstatt der Seele

George Bernard Shaw
Ihr seht und sagt: Warum?
Aber ich träume und sage: Warum nicht?

Konfuzius
Wer unsere Träume stiehlt, gibt uns den Tod.

Aber oft benutzen wir den Begriff "unser Traum" auch für eine Hoffnung, eine Vision, die wir haben.
Da denke ich z.B an die Rede von Martin Luther King "I had a dream", die seinerzeit so viel Aufsehen erregt hat.
Und auch wenn er selbst nicht mehr da ist, sind seine Ideen nicht gestorben.
www.dadalos-d.org/deutsch/Vorbilder/vorbilder/mlk/traum.htm
Wenn Euch zu dem Thema etwas einfällt, würde ich mich gerne noch damit beschäftigen.

Gruss Enigma

Internet-Tipp: https://traum.adlexikon.de/Traum.shtml


 iustitia antwortete am 10.01.05 (19:28):

Ein tolles Thema!

Von Franz Kafka weiß man, dass er Nächte lang schreiben konnte, in Wachträumen. Die hatten therapeutische Funktion - als ein Stückchen Erholung, auch wenn die "Erlebnisse" häufig in Todesfallen endeten...
Meistens waren es ja Albträume - für die Leser und Schüler sind sie es geblieben...
Kafka und seine Freunde konnten übe solche Grotesken lachen - der düstere Franz hatte sich ja auch überlebt...:

Franz Kafka; Kleine Fabel

"Ach", sagte die Maus, "die Welt wird enger mit jedem Tag. Zuerst war sie so breit, daß ich Angst hatte, ich lief weiter und war glücklich, daß ich endlich rechts und links in der Ferne Mauern sah, aber diese langen Mauern eilen so schnell aufeinander zu, daß ich schon im letzten Zimmer bin, und dort im Winkel steht die Falle, in die ich laufe." - "Du mußt nur die Laufrichtung ändern", sagte die Katze und fraß sie.
*
Wenn die Maus schon nicht mehr die "Laufrichtung" verändern kann - der Leser kann es versuchen. Egal, welcher Katze er sich ausgeliefert fühlt.
Frech - wie Franz! (Das ist leider keine Parole geworden...)
*
URL - schaun mer mal!

Internet-Tipp: https://www.argoviesion.ch/_admin/bilder/franz_kafka.gif


 Enigma antwortete am 11.01.05 (10:04):

Guten Morgen,

...also, vorsichtshalber habe ich schon mal heute morgen die Laufrichtung geändert. :-)
Die kleine Fabel hatte ich auch schon mal gelesen. Danke!

Friedrich Julius Hammer
Stör`nicht den Traum der Kinder

Stör`nicht den Traum der Kinder,
wenn eine Lust sie herzt;
ihr Weh schmerzt sie nicht minder,
als dich das deine schmerzt!

Es trägt wohl mancher Alte,
deß Herz längst nicht mehr flammt,
im Antlitz eine Falte,
die aus der Kindheit stammt.

Leicht welkt die Blum`, eh`s Abend,
weil achtlos du verwischt
den Tropfen Tau, der labend
am Morgen sie erfrischt.

Ja, auch Kinder träumen natürlich, und sie können - leider - auch Albträume haben.

Michael Ende hat dazu eine wunderschöne Geschichte geschrieben, die "Das Traumfresserchen" heisst:

"Das Traumfresserchen"
In Schlummerland ist das Wichtigste für alle Leute das Schlafen. Deshalb heißt das Land so. Dabei kommt es aber nicht so sehr darauf an, wie viel oder wie lange einer schlafen kann, sondern wie gut. Das ist der Unterschied. Wer gut schlafen kann, so meinen die Schlummerländer, der hat ein freundliches Gemüt und einen klaren Kopf. Und deswegen machen sie denjenigen, der am besten schlafen kann, zu ihrem König....." mehr über das Traumfresserchen und Prinzessin Schlafittchen erfahrt Ihr unter der - URL -
(Öffnen oder Download möglich).

Foto vom "Traumfresserchen", damit ihr Euch vorstellen könnt, wie es aussieht: :-)
https://www.elronds-haus.de/ende2.htm

Internet-Tipp: https://www.cvjm-bayern.de/service/downloads/traumfresserchen.doc


 Enigma antwortete am 12.01.05 (07:43):

Guten Morgen alle,

bin immer noch beim Thema. :-)

"Der Schriftsteller hat versucht, die unzusammenhängende, aber scheinbar logische Form des Traumes nachzuahmen. Alles kann geschehen, alles ist möglich und wahrscheinlich. Zeit und Raum sind nicht vorhanden, auf einem unbedeutenden wirklichen Boden spinnt die Einbildung weiter und webt neue Muster: eine Mischung von Erinnerungen, Erlebnissen, freien Einfällen, Unwahrscheinlichkeiten und Gelegenheitsdichtungen.
(August Strindberg)

Strindberg hat in diesen Sätzen die Möglichkeiten zusammengefaßt, die der Traum dem Dichter bietet. Diese Möglichkeiten hat in noch größerem Maße der Filmregisseur, in etwas geringerem der Maler. Wir wollen nun sehen, wie sie genutzt werden...."
So beginnt ein Auszug aus einer Freud-Biographie von Christfried Tögel mit dem Titel "Traum und Kunst".Nachzulesen she. URL!
Quelle auch abrufbar unter: www.freud-biographik.de/traumbinh.htm

Was mir daran so gefällt, ist, dass nicht nur die Literatur, sondern auch der Film und die Malerei hier einbezogen sind. Unter "gemalte Träume" befinden sich einige Bilder, die sicher, zumindest zum Teil, bekannt sein werden. Einige konnten wohl leider aus urheberrechtlichen Gründen nicht abgedruckt werden.
Beeindruckt hat mich auch eines, das ich bisher nicht kannte, nämlich "Nachtmahr" von Johann Heinrich Fuessli. Ich finde es schon für mich sehr eingängig, wie der Alb?? da auf der Schläferin hockt und sie zu bedrängen scheint. scheint.

Aber es erscheinen auch Verweise auf Filme von Chaplin,
Bergman und vor allem auch Bunuel, die u.a. die Verzahnung von Werken der Dichter, Maler und Filmschaffenden aufzeigen.
Neu war für mich auch, dass Bunuel zwei Filme nach Drehbüchern von Salvador Dali gemacht hat (oder ich hatte einfach nicht darauf geachtet).
Enthalten ist auch das Hesse-Gedicht "Traum". Da verweise ich auch auf die URL. Denn soviel ich weiss, haben die Hesse-Erben "Urheberrechts-Prozesse" im Sinn und die Anwälte haben bereits Abmahnungen versandt. Und das kann ja teuer werden!

Gruss an alle und einen schönen Tag
Enigma

Internet-Tipp: https://www.freud-biographik.de/traumb9.htm


 schorsch antwortete am 12.01.05 (10:03):

Kinder, die nicht sooo sehr mit Gütern gesegnet sind (resp. die Eltern haben, die sich nicht viel leisten können), entwickeln oft eine blühende Fantasie, die ihnen erlaubt, auch tagsüber in ein Traumland zu entschwinden.

Ich weiss das aus eigener Erfahrung.....


 schorsch antwortete am 12.01.05 (10:03):

....und ich träume noch heute manchmal tagsüber (;--))))


 Enigma antwortete am 12.01.05 (15:38):

Ich auch Schorsch,

aber ist doch auch schön. Dann hat man nie Langeweile.:-))


 schorsch antwortete am 13.01.05 (09:26):

Ja, wer sich mit sich selber unterhalten kann, der/die kommt nie in die Zwickmühle, anderer Meinung zu sein... (;--))))


 Enigma antwortete am 14.01.05 (08:33):

Oder doch auch manchmal, Schorsch? ;-))

Wim Wenders, ein Regisseur des neuen deutschen Films....
Vielleicht habe ich eine besondere Beziehung zu ihm, weil seine Familie und er Jahre in meiner Stadt gelebt haben?
Hier habe ich ihn auch bei den "Kurzfilmtagen" erlebt.
Ein schöner Ausspruch:
Ohne sie, die Kurzfilmtage, wäre Wim Wenders vielleicht Schaffner geworden.
(Claudia Hantrop, VDInachrichten, 30. April 2004).

Na, Schaffner vielleicht nicht gerade.
Aber immerhin hatte Wenders zunächst Medizin (der Vater war auch Arzt) und Philosophie studiert, bevor er dieses Studium 1965 abbrach und nach Paris ging, wo er Filmgeschichte studierte..........

In einem Artikel in "Die Zeit" erzählt Wim Wenders, wie ihn Musik zum Träumen bringt und ihn bestärkt hat, seine Karriere zu beginnen:

"Wenn es nicht die Beatles, Van Morrison, die Kinks, die Troggs, die Pretty Things,die Stones und vor allem Bob Dylan gegeben hätte, ich hätte mich nie und nimmer getraut, das Studieren an den Nagel zu hängen und auf ein so unsicheres Terrain wie auf die eigene Kreativität zu setzen..."
Und weiter:
"Als Filmemacher hat man viele Jobs gleichzeitig. Man ist Psychiater, Organisator, Buchhalter, Rechtsanwalt, Reiseleiter, Promotor, Architekt, Manipulator, Fotograf, Geschichtenerzähler, Werbefachmann, Sklaventreiber, Autor und noch einiges mehr, was eher nicht so glamourös und kreativ erscheinen mag. Eigentlich alles kein richtiger Beruf, vieles nur Fassade und Beiwerk, wenn man ehrlich sein will. Im Grunde stecken dahinter, für mich jedenfalls, nur zwei wirkliche Berufungen: Zum Reisenden und zum Träumer. Beide sind voneinander nicht zu trennen. Filme sind immer Reisen, nach außen oder nach innen. Und ohne sich erstmal irgendwohin geträumt zu haben, macht sich kein Reisender auf den Weg. Und umgekehrt: Ohne das Reisen gehen einem die Träume aus oder sie fahren sich fest...."

Wen es interessiert weiterzulesen, she. URL!

Internet-Tipp: https://www.zeit.de/2003/41/Traum_2fWenders


 Enigma antwortete am 15.01.05 (14:32):

Wilhelm Busch:Zu guter Letzt
Der Traum

Ich schlief. Da hatt`ich einen Traum.
Mein Ich verließ den Seelenraum.
Frei vom gemeinen Tagesleben,
vermocht ich leicht dahinzuschweben.
So, angenehm mich fortbewegend,
erreicht ich eine schöne Gegend.
Wohin ich schwebte, wuchs empor
alsbald ein bunter Blumenflor,
und lustig schwärmten um die Dolden
viel tausend Falter, rot und golden.
Ganz nah auf einem Lilienstengel,
einsam und sinnend, saß ein Engel.
Und weil das Land mir unbekannt,
fragt ich: Wie nennt sich dieses Land?
Hier, sprach er, ändern sich die Dinge.
Du bist im Reich der Schmetterlinge.
Ich aber, wohlgemut und heiter,
zog achtlos meines Weges weiter.
Da kam, wie ich so weiter glitt,
ein Frauenbild und schwebte mit
als ein willkommenes Geleite,
anmutig lächelnd mir zur Seite,
und um sie nie mehr loszulassen,
dacht ich die Holde zu umfassen;
doch eh ich Zeit dazu gefunden,
schlüpft sie hinweg und ist verschwunden.
Mir war so schwül. Ich mußte trinken.
Nicht fern sah ich ein Bächlein blinken.
Ich bückte mich hinab zum Wasser,
gleich faßt ein Arm, ein kalter, blasser,
vom Grund herauf mich beim Genick.
Zwar zog ich eilig mich zurück,
allein der Hals war steif und krumm,
nur mühsam dreht ich ihn herum,
und ach, wie war es ringsumher
auf einmal traurig, öd und leer.
Von Schmetterlingen nichts zu sehn,
die Blumen, eben noch so schön,
sämtlich verdorrt, zerknickt, verkrumpelt.
So bin ich seufzend fortgehumpelt,
denn mit dem Fliegen, leicht und frei,
war es nun leider auch vorbei.

...schade....:-))


 Enigma antwortete am 16.01.05 (13:17):

Auch Anne-Sophie Mutter, die Violinistin, hat einen Traum.
So möchte sie z.B. zum Mond fliegen und dort das erste Konzert geben.
Sie findet:

"Musik ist nichts Reales. Vielmehr ist sie eine Klangvorstellung, die immer wieder neue aufersteht. Wenn ich Violine spiele, arbeite ich an der Musik wie an einer Skulptur, die niemals fertig wird. Im Grunde ist Musik wie Nebel, der nach dem Konzert verflogen ist. Bestenfalls bleibt sie in unserem Kopf und beflügelt die Fantasie. Da ist nichts Greifbares, nichts Messbares. Sie ist zwar auf dem Papier festgehalten, aber die Seele der Musik, die Spannung, die Empfindungen und die Emotionen, die sie auslöst: All das steht nicht auf dem Papier. Deshalb ist Musik wie ein Traum, eine Verbindung zu unserer Spiritualität - versinnbildlicht etwa durch die sich beinahe berührenden Finger Gottes und Adams in der Sixtinischen Kapelle....".

Und an anderer Stelle des Interviews:

"Es wird einem ja beispielsweise gerne unterstellt, dass man wie im 18. oder 19. Jahrhundert fühlen müsse, wenn man Musik aus dieser Zeit interpretiert. Völlig vergessen wird, dass Mozart und Beethoven Visionäre waren und ihrer Zeit weit voraus. Beide hatten einen Traum. Ich bin nicht der Meinung, dass man eine so genannte authentische Spielweise, die man ja auch nur in der Relativität authentisch nennen kann, darbieten muss. Vielmehr begegne ich der Musik alter Komponisten - von Mozart, Beethoven oder Haydn - mit den Sichtweisen meines zurückliegenden Musiker-Lebens. So habe ich meine Geige aus dem 18. Jahrhundert an die Musikherausforderungen der heutigen Zeit angepasst - mit einem längeren Hals und moderner Besaitung ist sie nuancenreicher denn je....."
Und wie wunderbar ausgedrückt, wenn sie sagt:
"....Der Traum, mich und meine Fähigkeiten stets weiterzuentwickeln, gar auf dem Mond für Kosmosnachbarn zu spielen, hat auch etwas mit meinem Verständnis von Geschwindigkeit zu tun. Wer stehen bleibt, wird zu einer Schnecke und irgendwann überholt.
Unstillbare Neugier heißt der Virus, den ich in mir trage... usw. usw.
Ich bin begeistert von dieser Sicht der Anne-Sophie Mutter.

Nachzulesen ist alles unter der URL.

Internet-Tipp: https://zeus.zeit.de/text/2004/47/Traum_2fMutter_47


 Enigma antwortete am 17.01.05 (09:25):

Rainer Maria Rilke
Und sagen sie, das Leben sei ein Traum.....

Und sagen sie, das Leben sei ein Traum: das nicht;
nicht Traum allein. Traum ist ein Stück vom Leben.
Ein wirres Stück, in welchem sich Gesicht
und Sein verbeißt und ineinanderflicht
wie goldne Tiere, Königen von Theben
aus ihrem Tod genommen (der zerbricht).

Traum ist Brokat, der von dir niederfließt.
Traum ist ein Baum, ein Glanz, der geht, ein Laut-;
ein Fühlen, das in dir beginnt und schließt,
ist Traum; ein Tier, das dir ins Auge schaut,
ist Traum; ein Engel, welcher dich genießt,
ist Traum. Traum ist das Wort, das sanften Falles
in dein Gefühl fällt wie ein Blütenblatt,
das wir im Haar bleibt: licht, verwirrt und matt-,
hebst du die Hände auf: auch dann kommt Traum,
kommt in sie wie das Fallen eines Balles -;
fast alles träumt -,
du aber trägst das alles.

Du trägst das alles. Und wie trägst du`s schön.
So wie mit deinem Haar damit beladen.
Und aus den Tiefen kommt es, von den Höhn
kommt es zu dir und wird von deinen Gnaden...

Da wo du bist, hat nichts umsonst geharrt,
um dich die Dinge nehmen nirgend Schaden,
und mir ist so, als hätt ich schon gesehn,
daß Tiere sich in deinen Blicken baden
und trinken deine klare Gegenwart.

Nur wer du bist: das weiß ich nicht. Ich weiß
nur deinen Preis zu singen: Sagenkreis
um eine Seele,
Garten um ein Haus,
in dessen Fenstern ich den Himmel sah -.

Und wenn es Nacht ist, -; was für große Sterne
müssen sich nicht in diesen Fenstern spiegeln...

Aus: Die Gedichte 1906 bis 1910 (Paris, Juni 1906)


 Enigma antwortete am 22.01.05 (10:03):

Mascha Kaléko
Der Traum des Tschuangtse

Ihm träumte einst, er wär ein Schmetterling,
der flatternd durch den blauen Äther ging,
berauscht von Duft und Morgenluft und Sonne.
Das Leben war die reinste Falterwonne!
Es fiel ihm nicht einmal im Traume ein,
er könnte jemals jemand andrer sein.
Als er jedoch in seinem Bett erwachte,
war er durchaus kein Schmetterling und dachte:
Ich wüßte gar zu gern, wie sich das reimt!
- Wie, wenn von dem "Erwachen" ich erwachte?
Dann lächelte er leise vor sich hin:
Wie weiß ich nun, ob ich der Tschuangtse bin
oder nur "Tschuangtse", den der Falter träumt...?


 iustitia antwortete am 24.01.05 (18:43):

Ein eigenartiger "Traum" ...
von dem Kölner Autor -
(der nicht der Freiburger Parapsychologie gleichen Namens ist):


Hans Bender:

Die Wege gehen nie zu Ende.
Das Jahr vergeht. Die Luft wird kalt.
Der Wind beißt sich in meine Hände.
Die wunden Füße schlurfen alt.

Den schlaf noch einmal überwinden,
in leere Bäume eingekeilt.
Im Traum den jungen Reiter finden,
der seinen Mantel für mich teilt.

https://www.adwmainz.de/nossack/Bender.jpg
*
Zum Autor:
https://www.lyrikwelt.de/autoren/bender.htm

Internet-Tipp: https://pictures.abebooks.com/FUCHSECK/152112788.jpg


 iustitia antwortete am 25.01.05 (10:16):

Klassenfahrt nach Oberhausen
- Albtraum einer Leherin -

Nach der Besichtigung des Gasometers.
Eine halbe Stunde später.
Jan, Heiner und Smetty, bürgerlich Swantje, unterwegs im CentrO.
Jan-Immer-Voran: "Passt mal auf, was ich hier aufreiße!"
Sie glauben es zwar nicht, aber Swantje und Heiner bleiben bei Jan. Da wird es nie langweilig, egal ob im Kursraum oder in einem Kaufhaus.
"Wieviel Geld hast du, Swantje?" Sie zuckt mit den Schultern: �Zu wenig!�
"Wetten, Herzchen, daß ich dir in einer halben Stunde ein Tagesbudget, von sagen wir mal - etwa 30 DM - auslegen kann?�
Nach zehn Minuten unauffälligen Suchens, die zwei im Tross, hat Jan einen am Kassentisch runtergefallenen Bon an sich genommen; er zeigt den Kassendruck 28 DM.
Dann weiht er die anderen ein, jedenfalls halb; er selber residiert im Restaurant bei Milchkaffe und Apfelstrudel und lässt sich vom Kellner eine Zigarette anzünden.
"Sucht mal in irgendeiner Abteilung eine Ware, die genau 28 DM kostet!" Als sie sich nach zehn Minuten wieder treffen, lässt sich Jan berichten: Zwei Waren sind ausgekundschaftet worden: eine Stoffpuppe, ein mittelgroßer Hein Blöd mit Warzennase. (Der Käpt'n Blaubär kostet sieben Mark mehr!)
"Und eine CD, die als Hit des Sommers und Preisknüller angeboten wird: für 28 Mark Super-Modern-Talking!" hat Swantje erfahren.
"Okay, kann losgehen!" Und Jan tigert los. Nach sechs Minuten ist er wieder da, mit dem Hein Blöd unterm Arm und nimmt seine Kurskameraden mit zur Umtauschkasse in den zweiten Stock: Hier bedient Sie Frau EINZIGER.
�Hier, diese Puppe! Die hat meine Mutter meinem Bruder zum Geburtstag gekauft, und ich weiß, dass er den blöden Hein total blöd findet und lieber eine CD von den Spice Girls oder so hätte. Könnte ich -"
"Gerne, sofort. Kann ich die Quittung mal sehen? Ja, danke. - Geht in Ordnung. Ich zahle Ihnen den Betrag aus, und Sie können ja, wenn Sie wollen, in der Musik-Abteilung im 2. Stock was für Ihren Bruder aussuchen."
"Auf Wiedersehen, äh, Frau Wagner!"
"In Kleinigkeiten zeigt sich der Meister!" Da ist Jan korrekt: grinst; seine Lippen setzten kaum merklich zum Küsschen an.

Langsam, ganz langsam wechselt Jan die Abteilung.
"Du! Hej! Du!" Swantje hat sich von ihrem Schreck erholt, redet auf ihn ein: "Die Kassen haben doch verschiedene Nummern, je nach den Abteilungen. Hast Du darauf geachtet?"
"Was soll's? Glück des Tüchtigen!"
Untergehakt flanieren und flachsen sie weiter.
"Hej, Swanny, was knispelst du die ganze Zeit schon mit dem Blatt Papier da in deiner Tasche? - Ach, des Paukers Auftrag! Schleimerchen, das Ratespielchen, und Swanny mit dem Eimerchen des Eifers dabei. Gib den Wisch her! Ich verbrenn's. Basta! Gib rüber!"
Und er zückt das Sturmfeuerzeug über einem Papierkorb.
�ÄH! M e i n e Unterhaltung ist geiler! - Auf! Noch in den Media-Markt! Da warten noch Zuschauer auf mich!
Und Sonderangebote ohne Mehrwertsteuer!�
�Mensch � Jan!�
�Ja � was -?�
*
URL: Leonardo store CentrO

Internet-Tipp: https://www.treffpunkt-tisch.de/haendlersuche/images/Leonardo-Store-Centro-Oberhausen_04_fs.jpg


 Enigma antwortete am 25.01.05 (16:21):

Danke iustitia,

ein interessantes Gedicht (von Bender) und ein fantasievoller Albtraum der Lehrerin. :-)).

Dann will ich mal Cecilia Bartoli, die erfolgreiche Opernsängerin, ihren Traum "erzählen" lassen. Ich liebe ihren Mezzosopran sehr und habe einiges von ihr "im Plattenschrank", das "Italian Songbook" (da singt sie Bellini, Donizetti und Rossini) und z.B. Italienische Lieder aus dem 18. Jahrhundert. Aber sehr gut ist sie auch als Mozart-Interpretin und...und....und...

Sie sagt:
"...Musik und Dichtung gehören zu meiner Realität. Warum gehen die Menschen in die Oper? Es ist eine Suche; ein Versuch, das Alltägliche hinter sich zu lassen, an einen Ort unwirklicher Wirklichkeit zu gelangen, an eine Art Traumort. Es gibt dort schöne und schlimme, glückliche und melancholische Träume - all das, was die Musik zusammen mit dem Text hervorbringen kann.

Gleichzeitig liebe ich Dinge, die ganz eindeutig real sind: Berge, Wälder, das Meer, meine Familie. Die sind mir sehr wichtig. Eine permanente Traumwelt, ohne dieses Gegengewicht, würde für mich bald ihre Faszination verlieren...".
(Das empfinde ich übrigens ganz genau so, dass beides, Traum und Realität, unbedingt zusammengehören. Eines ohne das andere wäre für mich unvollständig).

An anderer Stelle nennt sie als den Traum für ihr eigenes Leben "immer die Neugier auf das Leben zu behalten."....
und:
"Das Wichtigste ist, dass man im Laufe seines Lebens seine Seele bereichert. Die Neugier ist dazu eine wichtige Voraussetzung. Wenn man ganz intensiv zuhört - dann sind wir wie ein Schwamm, der alles aufsaugt. Das, was wir nehmen, können wir auch geben, in der Musik, in der Familie. Ich möchte auf keinen Fall eine bittere Person werden. Natürlich ist das Leben oft auch sehr schwer, uhd wenn es zu schwer ist, kann die Seele nicht wachsen. Ich wünsche mir die Energie, weiterhin viel geben und nehmen zu können....."

Wer alles lesen möchte, findet den ganzen Artikel in der URL.

Grüsse
Enigma

Internet-Tipp: https://www.zeit.de/archiv/2001/42/200142_traum_cecilia_ba.xml


 iustitia antwortete am 26.01.05 (12:19):

In einer anderen Quelle fand ich noch einen Titel zu diesem Gedicht von Bender, so dass gesagt wird, auf wen sich der Traum bezieht (wobei deutlich ist, dass jeder Mensch sich dieser Existenz bewusst bleiben kann):

Hans Bender:
Der Bettler

Die Wege gehen nie zu Ende.
Das Jahr vergeht. Die Luft wird kalt.
Der Wind beißt sich in meine Hände.
Die wunden Füße schlurfen alt.

Den Schlaf noch einmal überwinden,
in leere Bäume eingekeilt.
Im Traum den jungen Reiter finden,
der seinen Mantel für mich teilt.
*
Es ist also, in vordergründig, realistischer Sicht, ein St.-Martins-Gedicht.
*
URL - Stadtwappen eines Luftkurorts namens Sankt Martin:

Internet-Tipp: https://www.sankt-martin.de/images/st.martin.JPG


 yankee antwortete am 26.01.05 (17:33):

Ganz unwissentschaftlich geniesse ich die Gedichte über Träume, z.B. dieses

Hans Christian Andersen

Die Mutter betet herzig und schaut

Entzückt auf den schlummernden Kleinen.

Er ruht in der Wiege so sanft und traut.

Ein Engel muß er ihr scheinen.

Sie küßt ihn und herzt ihn, sie hält sich kaum.

Vergessen der irdischen Schmerzen,

Es schweift in der Zukunft ihr Hoffnungstraum,

So träumen Mütter im Herzen.

Der Rab indes mit der Sippschaft sein

Kreischt draußen am Fenster die Weise :

Dein Engel, dein Engel wird unser sein,

Der Räuber dient uns zur Speise.


 Medea. antwortete am 26.01.05 (18:10):

Der weiße Hirsch

Es gingen drei Jäger wohl auf die Pirsch,
sie wollten erjagen den weißen Hirsch.
Sie legten sich unter den Tannenbaum,;
da hatten die drei einen seltsamen Traum.

Der erste.
Mir hat geträumt, ich klopf auf den Busch,
da rauschte der Hirsch heraus, husch, husch.

Der zweite.
Und als er sprang mit der Hunde Geklaff,
da brannte ich ihn auf das Fell, piff, paff.

Der dritte.
Und als ich den Hirsch an der Erde sah,
da stieß ich lustig ins Horn, trara.


So lagen sie da und sprachen die drei,
da rannte der weiße Hirsch vorbei.
Und eh die drei Jäger ihn recht gesehn,
so war er davon über Tiefen und Höhn.
Husch, husch! Piff paff! Trara!

(Ludwig Uhland)


 Enigma antwortete am 27.01.05 (09:27):

Guten Morgen
und vielen Dank für die schönen Beiträge, die ich alle schon mit Freude gelesen habe.

Hugo von Hofmannsthal
Ein Traum von großer Magie

Viel königlicher als ein Perlenband
und kühn wie junges Meer im Morgenduft.
So war ein großer Traum - wie ich ihn fand.

Durch offene Glastüren ging die Luft.
Ich schlief im Pavillon zu ebner Erde.
Und durch vier offne Türen ging die Luft -

Und früher liefen schon geschirrte Pferde
hindurch und Hunde eine ganze Schaar
an meinem Bett vorbei. Doch die Gebärde

des Magiers - des Ersten, Großen - war
auf einmal zwischen mir und einer Wand:
Sein stolzes Nicken, königliches Haar.

Und hinter ihm nicht Mauer: es entstand
ein weiter Prunk von Abgrund, dunklem Meer
und grünen Matten hinter seiner Hand.

Er bückte sich und zog das Tiefe her.
Er bückte sich, und seine Finger gingen
im Boden so, als ob es Wasser wär.

Vom dünnen Quellenwasser aber fingen
sich riesige Opale in den Händen
und fielen tönend wieder ab in Ringen.

Dann warf er sich mit leichtem Schwung der Lenden
wie nur aus Stolz - der nächsten Klippe zu;
an ihm sah ich die Macht der Schwere enden.

In seinen Augen aber war die Ruh
von schlafend- doch lebendgen Edelsteinen
Er setzte sich und sprach ein solches Du.

zu Tagen, die uns ganz vergangen scheinen
daß sie herkamen, trauervoll und groß;
Das freute ihn zu lachen und zu weinen.

Er fühlte traumhaft aller Menschen Los,
so wie er seine eignen Glieder fühlte.
Ihm war nichts nah und fern, nichts klein und groß.

Und wie tief unten sich die Erde kühlte,
das Dunkel aus den Tiefen aufwärts drang,
die Nacht das Laue aus den Wipfeln wühlte,

genoß er allen Lebens großen Gang
so sehr - daß er in großer Trunkenheit
so wie ein Löwe über Klippen sprang.

Cherub und hoher Herr ist unser Geist -
wohnt nicht in uns, und in die obern Sterne
setzt er den Stuhl und läßt uns viel verwaist:

Doch er ist Feuer uns im tiefsten Kerne
- so ahnte mir, da ich den Traum da fand -
und redet mit den Feuern jener Ferne

und lebt in mir wie ich in meiner Hand.

Internet-Tipp: https://www.literaturhaus.at/buch/buch/rez/brochhofmannsthal


 yankee antwortete am 27.01.05 (11:27):

Es gibt Träume die gibts gar nicht :-)

Paul (Karl Wilhelm) Scheerbart
(auch: Kuno Küfer)

Ein Säufertraum

Ich war im Traume betrunken
Und sah ein altes Kamel,
Das war zu Boden gesunken --
Es lachte -- bei meiner Seel!
Und bald lag mein ganzes Genie
Neben dem lachenden Vieh.
Der Himmel lachte über mir,
Und ich trank immer noch für Vier.

Mein Kamel kam nicht zu kurz dabei;
Ich ließ es trinken fast für Drei.
Dies war meine schönste Zecherei;
Ich fühlte mich so groß und frei.

Ich trinke -- bei meiner ewigen Seele! --
Nur noch mit einem alten Kamele.
Mit Menschen trinken ist der größte Kohl --
Kamele nur verstehn den Alkohol.


 yankee antwortete am 27.01.05 (13:34):

Noch eins von Paul Scheerbart

Ich hab die ganze Nacht gelacht --
Natürlich -- nur im Traume!
Jetzt bin ich endlich aufgewacht --
Natürlich -- noch im Raume!
Ich kann nun nicht mehr lachen!
Was soll ich also machen?
Weiterwachen?


 yankee antwortete am 27.01.05 (15:48):

Hermann von Lingg

Kleines Glück.

Sie geht in aller Frühe,
noch eh die Dämmrung schwand,
den Weg zur Tagesmühe
im ärmlichen Gewand.
Die dunklen Nebel feuchten
noch in der Straße dicht,
sonst sähe man beleuchten
ein Lächeln ihr Gesicht.
Die Götter mögen wissen,
warum sie heimlich lacht -
es weiß es nur das Kissen,
was ihr geträumt heut nacht.


 Enigma antwortete am 28.01.05 (08:11):

Guten Morgen alle,

hallo Yankee, die sind aber nett und witzig. Danke!

Und mit dem nächtlichen Kissen, das ist so eine Sache. Man kann ja auch was drunterlegen, und am nächsten Tag kann man es dann. Jedenfalls war das früher immer ein Joke, wenn man eigentlich für die Schule lernen sollte....
Man legte einfach das entsprechende Buch unter das Kopfkissen und am nächsten Morgen beherrschte man dann den Stoff... Praktisch!! :-)))

Aber man kann noch mehr lernen mit dieser Methode:

Sidonie Grünwald-Zerkowitz
Im Traum

Als ich des Abends zur Ruh gegangen,
besah ich des Liebsten Bildnis bewegt,
und daß ich mich davon mich trennen nicht müßte,
hab`unter das Kissen ich`s heimlich gelegt.

Das Bild, das ist aber dort nicht geblieben;
Im Traum ist`s mir näher und näher gerückt-
gewandelt zu meinem leibhaftigen Liebchen,
hat`s Küsse mir überall hin gedrückt.

Das Bild, das ich nachts unterm Kissen geborgen,
das machte - ob auch der Liebste entfernt -
daß ich die Küsse der Liebe alle-
hab`alle ...im Traume... gründlich erlernt....

Internet-Tipp: https://www.wortblume.de/dichterinnen/gruenz_b.htm


 DorisW antwortete am 28.01.05 (08:42):

*lol*
Habt ihr gemerkt, was für schlaue Anzeigen zum Thema "Der Traum als Dichtung und als Reparaturwerkstatt der Seele?" im Kopfteil dieses Themas (Google-Anzeigen) angeboten werden?

"Tür und Fensterdichtungen / Große Auswahl zu unschlagbaren Preisen!"
"Dichtungen in jeder Form aus TPE, Gummi, Silikon, Kunststoff Viton, FKM oder Moosgummi."
"Dichtungen Tür + Fenster / Das Haus der Dichtungen führt über 2000 Dichtungsprofile!"

Merke: nicht jeder, der was mit Dichtungen zu tun hat, ist ein Dichter :-))


 Enigma antwortete am 28.01.05 (10:15):

:-)))
@Doris W
Aber dafür kann er was "abdichten"!!
Kann ja auch wichtig sein!!

Gruss Enigma


 Karl antwortete am 28.01.05 (15:14):

Klaro, Dichtung und Reparaturwerkstatt, macht es Google doch auch nicht so schwer ;-)) Wunderbares Lehrbeispiel, das zeigt, dass diese Roboterprogramme noch meilenweit von wirklichem Sprachverständnis entfernt sind.


 yankee antwortete am 28.01.05 (16:10):

Um Dichtung und Traum wieder zu verbinden, hier nun der Traum des Dichters.

Joachim Ringelnatz

Über meinen gestrigen Traum

Wie kam ich gerade auf ein Gestirn?
Du sagst: Ich stöhnte träumend ganz laut.
Vielleicht steigt die Phantasie ins Hirn,
Wenn der Magen verdaut.

Man sollte kurz vorm Schlafengehen
Nichts essen. Auch war ich gestern bezecht.
Doch warum träume ich immer nur schlecht,
Nie gut. Das kann ich nicht verstehen.

Oh auf der Seite, ob auf dem Rücken
Oder auch auf dem Bauch �
Immer nur Schlimmes. �Alpdrücken.�
Aber Name ist Schall und Rauch.

Meist von der Schule und vom Militär �
Als ob ich schuldbeladen wär �
Und wenn ich aufwache, schwitze ich
Und manchmal kniee ich oder sitze ich,
Du weißt ja, wie neulich!
Oh, es ist greulich.

Warum man das überhaupt weitererzählt?
Hat doch niemand Vergnügen daran,
Weil man da frei heraus lügen kann. �
Aber so ein Traum quält.

Gestern hab ich noch anders geträumt:
Da waren etwa hundert Personen.
Die haben die Dachwohnung ausgeräumt,
Wo die Buchbinders wohnen.

Dann haben wir auf dem Dachsims getanzt.
Dann hast du mich, sagst du, aufgeweckt,
Und ich, sagst du, sagte noch träumend erschreckt:
�Ich habe ein Sternschnüppchen gepflanzt.�

Ich weiß nur noch: ich war vom Dach
Plötzlich fort und bei dir und war wach.
Und du streicheltest mich wie ein Püppchen
Und fragtest mich � ach, so rührend war das �
Fragtest mich immer wieder: �Was
Hast du gepflanzt!? Ein Sternschnüppchen?�


 iustitia antwortete am 28.01.05 (19:56):

THEODOR KRAMER (1897-1958)
Traum

Ein Kind kam in der Nacht zu mir, im Traum,
Und sagte: �Weil ich reisen muß,
So kam ich heute.�

Ich fühlte einen sanften Kuß,
Doch als ich's näher zog, war es ein Baum,
Der auf mich seine Blüten streute.

Es sprach der Baum: �Nun ist's geschehn,
Nun hast du alle Huld genossen,
Du wirst mich nie mehr wiedersehn.�

Erschüttert rief ich: �Wen?�
Ein altes Buch schlug auf, doch war es eine Gruft,
Und während meine Tränen flossen,
Erwachte ich von einem starken Blütenduft.

URL - https://www.literaturnetz.com/modules.php?name=News&file=article&sid=2086
*

Theodor Kramer: Gesammelte Gedichte. Mit der revidierten Neuauflage des zweiten Bandes ist die dreibändige Ausgabe der Gesammelten Gedichte nun wieder komplett lieferbar.

Über den Autor: Theodor Kramer, 1897 in Niederhollabrunn geboren, begann ein Studium in Wien, brach es ab und arbeitete im Buchhandel. Sein Werk umfaßt mehr als 10.000 Gedichte. Kramer starb 1958, wenige Monate nach seiner Rückkehr aus dem 18jährigen britischen Exil.


 Enigma antwortete am 29.01.05 (14:36):

@Yankee
...ein Sternschnüppchen pflanzen, was für eine zauberhafte Idee... habe ich leider noch nie geträumt....*lol*

@iustitia
..nicht weniger schön, dass ein Baum auf jemanden Blüten streut. Nur schade, dass dann damit "alle Huld genossen ist".. :-)))


Isolde Kurz
Schlummerflocken

Niedersank der Tag. Aus dunklen Toren
sternenäugig wird die Nacht geboren.
Ohne Steuer, jetzt vom Land gestoßen,
schwebt die Seele überm Bodenlosen.
Selig wie erlöste Geister schwanken
in dem Kahn der Nacht die Traumgedanken.
Und ein Albatros im Schiff zu Gaste
breitet weiße Schwingen überm Maste.
Seh ich Wolkenzüge windgetragen?
Sind`s Gebirge, die aus Traumland ragen?
Ferne durch zerrissne Nebel blinken
seines Wunderports Korallenzinken.
Alle Segel ein, die Winde stocken.
Leise, leise fallen Schlummerflocken.

Internet-Tipp: https://www.jiii.de/dichterinnen-2002/Kurz


 yankee antwortete am 31.01.05 (15:31):

@Enigma
Schlummerflocken stell ich mir wirklich traumhaft vor. Ein Gedicht zum träumen.
@iustitia
dieses Gedicht von Kramer entspricht meiner Meinung nach tatsächlich einem Traum im Schlaf. Die sind meistens so bizarr sodaß es einer Deutung bedarf. Während die meisten Gedichte über Träume doch eher Tagträume sind. Seltenes und schönes Beispiel.

Auch ein Sonnenuntergang kann traumhaft sein.

Hugo Ball
(1886-1927)

Sonnuntergang

Nun steh ich vor gewaltigem Schein
Und staune in's Abendrot hinein.
Am Walde lehnt mein Rücken an:
Der Wald raunt nur noch dann und wann,
Ob all die Stämme beisammen sind
Und ängstlich geht der Wächter Wind.
Und vor mir sinkt die Stadt hinunter
Wie ein unglaubhaft Traumeswunder.
Von Dörfern Rauch zieht dicht und schwer
Wie über Kohlenmeiler her.
Mich aber flügelt gewaltiger Schein
In die gleißenden Abendrotwirbel hinein.


 yankee antwortete am 31.01.05 (16:30):

Passend zum Abendrot nun das Dämmergrau

Otto Julius Bierbaum

Traum durch die Dämmerung

Weite Wiesen im Dämmergrau;
die Sonne verglomm, die Sterne ziehn,
nun geh' ich hin zu der schönsten Frau,
weit über Wiesen im Dämmergrau,
tief in den Busch von Jasmin.

Durch Dämmergrau in der Liebe Land;
ich gehe nicht schnell, ich eile nicht;
mich zieht ein weiches samtenes Band
durch Dämmergrau in der Liebe Land,
in ein blaues mildes Licht.


 Enigma antwortete am 31.01.05 (20:20):

"Träume sind die Sonntage des Denkens".
Henri Frédéric Amiel

Schönen Dank, lieber "Amerikaner". Hat mir sehr gefallen.

Johann Wilhelm Ludwig Gleim
Das Leben ist ein Traum!

Wir schlüpfen in die Welt und streben
mit trunknem Sinn, erwachet kaum,
nach ihrem Wahn und ihrem Schaum,
bis wir nicht mehr an Erde kleben.
Und dann, was ist`s? Was ist das Leben?
Das Leben ist ein Traum.

Wir lieben, unsre Herzen schlagen,
und Herz mit Herz vereinet kaum,
wid Lieb und Scherz ein leerer Schaum,
ist hingeschwunden, unter Klagen.
Was ist das Leben? hör ich fragen.
Das Leben ist ein Traum.


 yankee antwortete am 01.02.05 (11:52):

Friedrich Theodor Vischer

Stille.

Still, still, still!
Es schweiget Feld und See und Wald,
Kein Vogel singt, kein Fußtritt hallt;
Bald, bald
Kommt weiß und kalt
Der todte Winter
Ueber dich, Erde,
Und deine Kinder.

Auch du wirst still,
Mein Herz; der Sturm, der sonst so wild
Dich rüttelt, schweigt. Ein jedes Bild
Verhüllt.
Ganz, ganz gestillt
Liegst du im Schlummer.
Es schweigt die Freude,
Es schläft der Kummer.

Still, still, still!
Er kommt, er kommt, der stille Traum
Von einem stillen kleinen Raum.
Kaum, kaum,
Du müder Baum,
Kannst du noch stehen.
Bald wird dich kein Auge
Mehr sehen.


 yankee antwortete am 01.02.05 (12:07):

Hat zwar nur am Rande mit dem Traum zu tun, könnte man aber gerade noch durchgehen lassen.

Friedrich Theodor Vischer

Wunder.
Daß die Lerchen wieder singen,
Daß sich Schmetterlinge schwingen,
Gelb und schwarz mit goldnem Saum,
Daß sich grüne Gräser treiben,
Auch nicht eins zurück will bleiben,
Man glaubt es kaum.

Daß sie bricht, die starre Binde,
Daß die lauen Abendwinde
Knospen zieh'n aus Busch und Baum,
Daß die Amsel tiefe, volle
Töne durch die Wälder rolle,
Man glaubt es kaum.

Daß man durch die Luft, so milde,
Kinderschaaren, liebe wilde,
Jauchzen hört im fernen Raum �
Lang im dumpfen Haus gesessen,
Aber schnelle, schnell vergessen �
Man glaubt es kaum.

Und es will mich immer fragen,
Mir in's Ohr ein Wörtlein sagen,
Und es ist mir wie im Traum,
Daß ich selbst vor Jahren, Jahren
Spielte mit den Kinderschaaren,
Man glaubt es kaum.


 Enigma antwortete am 01.02.05 (12:59):

Danke Yankee, sehr stimmungsvoll, die beiden Gedichte.

Rose Ausländer
In den Traum

Komm, laß uns lautlos in den Abend gehn
und immer tiefer in den Wald der Nacht,
wo Sterne hoch und weiß wie Lilien stehn
und noch ein Märchenmund im Monde wacht.
Hier sind wir nicht daheim. Es ist kein Raum
so groß, daß unsre Sehnsucht ihn erfüllt.
Wir steigen tausend Treppen in den Traum
wo Gott das Licht in tausend Farben hüllt.


 yankee antwortete am 01.02.05 (13:35):

Jetzt widme ich mich auch mal den weiblichen Dichtern.

Maria Luise Weissmann
(1899-1929)

Traumbrücke

Über die Tage, über die hellen,
Wenn sie der Abend verdunkelt hat,
Schießen die langen, schießen die schnellen
Brücken des Traumes von Stadt zu Stadt.

Über die Wälder, über die Meere
Wölbt sich mitternächtig ihr Flug,
Weit wie der Wolken schweifende Heere,
Breit wie der Vögel wandernder Zug,

Vogelgleich, wolkenhaft, ohne Entgleiten,
Denn ihre Pfeiler stehn nahe bewahrt;
Aber die Ufer, aber die Weiten
Ziehn sich entgegen in rasender Fahrt:

Und es hebt sich zu der Spieluhr
Leisem Gang die Schlange weiß,
Die aus Königsgräbern auffuhr
In dem blitzgebahnten Gleis.

Und es schnellen tausendfachen
Winkes Götter Arm um Arm,
Von den Schalen, alten, flachen
Nährt sich ihrer Finger Schwarm.

Und es schwimmen nahe Wände
Fort in Urwald und Gestade,
Drinnen schlingen ohne Ende
Sich die vielbegangnen Pfade.

Unverhaltbar müssen spalten
Munde sich in langen Schrein
Und es brechen die Gestalten,
Die befreiten, in sich ein.

Aber beim Scheine des Morgens beschlugen
Sich die Gesichter mit Ferne und Licht,
Und die sich töteten und die sich trugen,
Liegen allein und erkannten sich nicht.


 yankee antwortete am 01.02.05 (15:58):

Mascha Kaleko

Träumer mittleren Alters

Wie einen doch der große Weltschmerz quälte,
Als man so etwa zwanzig Jahre zählte!
Nun wird man niemals wieder Zwanzig sein.
Oft ist in mir ein seltsames Bedauern:
Daß ich nicht traurig bin, das macht mich trauern
Und hüllt mich in die alte Wolke ein.

Soll man die Wohlgeratenen beneiden,
Die kühl und praktisch nie an Weltschmerz leiden,
Weil ihre Herzen längst gestorben sind?
Ach, der Gedanke schon läßt mich verzagen...
Mein Schicksal bleibt es, Träumen nachzujagen,
Ein hoffnungslos verlornes großes Kind.


 pilli antwortete am 02.02.05 (07:34):

Der Mohn

Wie dort, gewiegt von Westen,
Des Mohnes Blüte glänzt!
Die Blume, die am besten
Des Traumgotts Schläfe kränzt;
Bald purpurhell, als spiele
Der Abendröte Schein,
Bald weiß und bleich, als fiele
Des Mondes Schimmer ein.

Zur Warnung hört ich sagen,
Daß, der im Mohne schlief,
Hinunter ward getragen
In Träume schwer und tief;
Dem Wachen selbst geblieben
Sei irren Wahnes Spur,
Die Nahen und die Lieben
Halt' er für Schemen nur.

In meiner Tage Morgen,
Da lag auch ich einmal,
Von Blumen ganz verborgen,
In einem schönen Tal.
Sie dufteten so milde!
Da ward, ich fühlt es kaum,
Das Leben mir zum Bilde,
Das Wirkliche zum Traum.

Seitdem ist mir beständig,
Als wär es nur so recht,
Mein Bild der Welt lebendig,
Mein Traum nur wahr und echt;
Die Schatten, die ich sehe,
Sie sind wie Sterne klar.
O Mohn der Dichtung! wehe
Ums Haupt mir immerdar!

Ludwig Uhland


 Enigma antwortete am 02.02.05 (08:53):

Danke Pilli und Yankee,

da fängt der Tag doch gut an......

Gustav Falke
Närrische Träume

Heute Nacht träumte ich mir, ich hielt
den Mond in der Hand
wie eine große, gelbe Kegelkugel
und schob ihn ins Land,
als gälte es alle Neune.
Er warf einen Wald um, eine alte Scheune,
zwei Kirchen mitsamt den Küstern, o weh
und rollte in den See.

Heute Nacht träumte mir, ich warf
den Mond ins Meer.
Die Fische alle erschracken, und die Wellen
spritzten umher
und löschten alle Sterne.

Und eine Stimme, ganz aus der Ferne,
schalt: Wer pustet mir mein Licht aus?
Jetzt ist`s dunkel im Haus.

Heute Nacht träumte mir, es war
rabenfinster rings.
Da kam was leise auf mich zugegangen,
wie auf Zehen ging`s.
Da wollt ich mich verstecken,
stolperte über den Wald, über die Scheune vor Schrecken,
über die Kirchen mitsamt den Küstern, o weh,
und fiel in den See.

Heute Nacht träumte mir, ich sei
der Mond im Meer.
Die Fische alle glotzten und standen
im Kreis umher.
So lag ich seit Jahren,
sah über mir hoch die Schiffe fahren
und dacht, wenn jetzt wer über Bord sich biegt
und sieht, wer hier liegt
zwischen Schollen und Flundern,
wie wird der sich wundern!

Internet-Tipp: https://gutenberg.spiegel.de/autoren/falke.htm


 yankee antwortete am 02.02.05 (09:55):

Vielleicht wohnt Gott in einem Haus mit vielen Räumen.
Vielleicht ist ein Zimmer der Weltenraum, indem wir schlafend unser Leben träumen.
Vielleicht kam Gott nur mal kurz nach seinen Kindern schauen, öffnete die Tür, knipste das Licht an und lächelt gütig auf uns herab.
Vielleicht wachen wir irgendwann auf, stehen vor ihm und er fragt uns: Na, habt ihr gut geschlafen?

yankee


Sophie Albrecht

An die Träume

Bunte Kinder schwarzer Nacht,
Die ihr Lebensmüden
Oft das Leben reizend macht,
Und mit süßem Frieden

Gern den Traurenden erfreut,
Und dem Hoffnungslosen
Eure Rosenlauben leiht,
Wo ihn Freuden kosen,

Webt aus sanfter Phantasie,
Aus den schönsten Bildern,
Hold wie Engel Melodie,
Wenn sie Himmel schildern -

Ruhig wie des Morgens Gruß,
Wie des Abends Wehen -
Leise, wie der Weste Kuß,
Wie der Elbe Blähen -

Reizend, wie sein eignes Bild -
Träume meinem Holden;
Liebe, die mein Herz erfüllt,
Soll den Traum vergolden.


 Enigma antwortete am 03.02.05 (07:57):

...danke Yankee...

Hans Kruppa
Die Überraschung

Ich träumte mich in ein Zugabteil
der Deutschen Bundesbahn hinein.
Ein Kontrolleur riß die Tür auf
und wollte meine Fahrkarte sehen.
Ich brauche keine Fahrkarte,
sagte ich freundlich,
ich bin nur im Traum hier,
aber der Schaffner glaubte mir nicht.
Er dachte, ich wollte ihn hochnehmen,
und wurde richtig böse.

Als er mich zu beschimpfen begann
und mit der Polizei drohte,
öffnete ich das Fenster
und flog ins Freie.

Internet-Tipp: https://hans-kruppa.de


 yankee antwortete am 03.02.05 (14:55):

Richard Fedor Leopold Dehmel

Träume, träume, du mein süßes Leben

Träume, träume, du mein süßes Leben,
Von dem Himmel, der die Blumen bringt.
Blüten schimmern da, die leben
Von dem Lied, das deine Mutter singt.

Träume, träume, Knospe meiner Sorgen,
Von dem Tage, da die Blume sproß;
Von dem hellen Blütenmorgen,
Da dein Seelchen sich der Welt erschloß.

Träume, träume, Blüte meiner Liebe,
Von der stillen, von der heilgen Nacht,
Da die Blume seiner Liebe
Diese Welt zum Himmel mir gemacht.


 yankee antwortete am 03.02.05 (15:11):

Erich Kästner

Ein Traum macht Vorschläge

Ich träume - man kann das ja ruhig gestehen - fast nie.
Ich schlafe lieber, sobald ich liege.
Aber kürzlich hab ich trotzdem geträumt, wissen Sie.
Und zwar vom kommenden Kriege.
Aus den Gräbern krochen Millionen Männer hervor
(lauter Freiwillige, wie eine Stimme betonte),
die hoben ihre Gewehre zur Schulter empor
und prüften, wen zu erschießen sich lohnte.

Sie kamen einander entgegen, fertig zum Schuß und stumm...
Doch da schrie eine Stimme, als wäre jemand in Not!
Da drehten die Männer, wie auf Kommando,
die Flinten herum und schossen sich selber tot.
Sie fielen um in endlosen Reihn.
Ich träume doch eigentlich nie...
Und wer mag das nur gewesen sein,
der so schrie?


 marie2 antwortete am 03.02.05 (15:11):

Tagtraum

Ich bin so müde
daß ich
wenn ich durstig bin
mit geschlossenen Augen
die Tasse neige
und trinke

Denn wenn ich die Augen
aufmache
ist sie nicht da
und ich bin zu müde
um zu gehen
und Tee zu kochen

Ich bin so wach
daß ich dich küsse
und streichle
und daß ich dich höre
und nach jedem Schluck
zu dir spreche

Und ich bin zu wach
um die Augen zu öffnen
und dich sehen zu wollen
und zu sehen
daß du
nicht da bist

Erich Fried


 Enigma antwortete am 03.02.05 (17:48):

Bruno Wille
Der frühe Tag

Tag mit deinen kalten Blicken,
wie so frühe bist du da!
Meinen Traum hast du vertrieben,
ach den lieben
Traum, darin ich Liebchen sah.

Grünlich bleich wie eine Greisin
blickt in mein Gemach die Welt.
Weib, du wirst mit öden Händen
nimmer spenden,
was der Traum mir lieb gesellt.

Schließe, Tag, dein kaltes Auge.
Bleib ein Weilchen noch zurück.
Laß mich blind und reglos säumen
und erträumen
heimlich noch ein wenig Glück.

Internet-Tipp: https://www.friedrichshagener-dichterkreis.de/dwille.htm


 yankee antwortete am 04.02.05 (09:18):

Nikolaus Lenau

Traumgewalten

Der Traum war so wild, der Traum war so schaurig
So tief erschütternd, unendlich traurig.
Ich möchte gerne mir sagen:
Daß ich ja fest geschlafen hab,
Daß ich ja nicht geträumt hab,
Doch rinnen mir noch die Tränen herab,
Ich höre mein Herz noch schlagen.

Ich bin erwacht in banger Ermattung,
Ich finde mein Tuch durchnäßt am Kissen,
Wie mans heimbringt von einer Bestattung;
Hab ichs im Traume hervorgerissen
Und mir getrocknet das Gesicht?
Ich weiß es nicht.
Doch waren sie da, die schlimmen Gäste,
Sie waren da zum nächtlichen Feste.

Ich schlief, mein Haus war preisgegeben,
Sie führten darin ein wüstes Leben.
Nun sind sie fort, die wilden Naturen;
In diesen Tränen find ich die Spuren,
Wie sie mir alles zusammengerüttet
Und über den Tisch den Wein geschüttet.


 Enigma antwortete am 04.02.05 (11:48):

Max Dauthendey
Von dir lachen noch meine Träume

Dein Leib ist reich gewirkt wie ein Feld voll Honig
und königlicher Blumen
Und kommt weich und heimlich wie der Mond in mein Bett.

Von dir lachen noch meine Träume und bewachen dich.
Und wie die Hähne kämpfen mit erhitztem Sporn,
so töt`ich den, der dich im Traum begehrt.

aus: Die ewige Hochzeit, Liebeslieder


 yankee antwortete am 04.02.05 (12:16):

Theodor Körner

Zur Nacht

Gute Nacht!
Allen Müden sei's gebracht!
Neigt der Tag sich schnell zum Ende,
Ruhen alle fleiß'gen Hände,
Bis der Morgen neu erwacht.
Gute Nacht!

Geht zur Ruh!
Schließt die müden Augen zu!
Stiller wird es auf den Straßen,
Und den Wächter hört man blasen,
Und die Nacht ruft allen zu:
Geht zur Ruh!

Schlummert süß!
Träumt euch euer Paradies!
Wem die Liebe raubt den Frieden,
Sei ein schöner Traum beschieden,
Als ob Liebchen ihn begrüß'!
Schlummert süß!

Gute Nacht!
Schlummert, bis der Tag erwacht!
Schlummert, bis der neue Morgen
Kommt mit seinen neuen Sorgen!
Ohne Furcht! Der Vater wacht.
Gute Nacht!


 mart antwortete am 04.02.05 (12:31):

"Nun, Volk steh auf und Sturm brich los!"

Nicht nur von Körner ein Traum, sondern auch von Goebbels; Nicht umsonst die Einleitung seiner Sportpalastrede.

Brauchen wir Körner tatsächlich heute noch?


 yankee antwortete am 04.02.05 (12:32):

Frühlingstraum

Wilhelm Müller

Ich träumte von bunten Blumen,
So wie sie wohl blühen im Mai;
Ich träumte von grünen Wiesen,
Von lustigem Vogelgeschrei.

Und als die Hähne krähten,
Da ward mein Auge wach;
Da war es kalt und finster,
Es schrien die Raben vom Dach.

Doch an den Fensterscheiben,
Wer malte die Blätter da?
Ihr lacht wohl über den Träumer,
Der Blumen im Winter sah?

Ich träumte von Lieb' und Liebe,
Von einer schönen Maid,
Von Herzen und von Küssen,
Von Wonne und Seligkeit.

Und als die Hähne kräten,
Da ward mein Herze wach;
Nun sitz ich hier alleine
Und denke dem Traume nach.

Die Augen schließ' ich wieder,
Noch schlägt das Herz so warm.
Wann grünt ihr Blätter am Fenster?
Wann halt' ich mein Liebchen im Arm?


 mart antwortete am 04.02.05 (12:33):

"Du Schwert an meiner Linken, / Was soll dein heitres Blinken? / Schaust mich so freundlich an, / Hab' meine Freude dran. - Hurra!"

Internet-Tipp: https://zeus.zeit.de/text/zeitlaeufte/koerner


 yankee antwortete am 04.02.05 (12:40):

@mart
"Nun, Volk steh auf und Sturm brich los!"

Nicht nur von Körner ein Traum, sondern auch von Goebbels; Nicht umsonst die Einleitung seiner Sportpalastrede.

Brauchen wir Körner tatsächlich heute noch?
_____________________________________________________

Also ich brauch ihn nicht um nach Schwertern zu rufen. Aber es gibt ja auch andere Menschen. Nehmen wir z.B. George W. Bush :-))


 yankee antwortete am 04.02.05 (13:40):

Renata Illig

Der Traum

Die Hoffnung ist ein Wagen
Der führt uns in den Traum
Doch dies darf man nicht sagen
Weil Traum verweht wie Schaum.


 Enigma antwortete am 04.02.05 (17:44):

Pit Polenke
Der Morgen war ganz himmelblau

Der Morgen war ganz himmelblau und neu
als wir uns trafen
du
meine Zwischenzeitbekanntschaft
aus meinem Traum gelaufen
mit mir erwacht
um einmal in den Tag zu gucken
das Bild zu prüfen
das mir eine andre schenkte
und wie ein Kuss auf Hauptbahnhöfen
an mir vorbei
in meinen Traum zurückzulaufen.

Leider weiss ich nicht mehr über Pit Polenke. Ich hatte nur das Gedicht gefunden, und es gefiel mir.
Wenn jemand mehr über ihn wissen sollte, wäre ich für Informationen dankbar.

Gruss
Enigma


 marie2 antwortete am 04.02.05 (17:51):

Der Mann im Mond

Der Mann im Mond hängt bunte Träume,
die seine Mondfrau spinnt aus Licht,
allnächtlich in die Abendbäume,
mit einem Lächeln im Gesicht.

Da gibt es gelbe, rote, grüne
und Träume ganz in Himmelblau.
Mit Gold durchwirkte, zarte, kühne,
für Bub und Mädel, Mann und Frau.

Auch Träume, die auf Reisen führen
in Fernen, abenteuerlich.
- Da hängen sie an Silberschnüren!
Und einer davon ist für dich.

Mascha Kaléko


 Enigma antwortete am 04.02.05 (18:08):

Wunderschön ist das, Marie.
Ich nehme mir einen von der Silberschnur...

Rose Ausländer
Im Traum

Warum hat dieser Kies solch süßen Ton?
Ist es an meinem, deinem Schritt gelegen?
Ein Duft von Hyazinthen regt sich schon
und Silbersaiten spannt der sanfte Regen.
Die Amsel im Gebüsch weiß sich daheim,
die Bienen dienen singend ihrem Schwarme,
du taumelst auch im Rausch von Reim zu Reim
uns sinkst ermattet in die dunklen Arme
der Nacht, der zaubrischen, die sich bauscht
im schwarzen Bogen über deinem Raume.
Du lebst, du rufst nach mir, du bist berauscht -
ich folge dir, wir treffen uns im Traume.


 marie2 antwortete am 04.02.05 (18:28):

Ich liebe es auch sehr, Enigma.
Dann schicke ich Dir noch gleich eines von Rückert hinterher, dass ich auch wunderschön finde. Es ist die ursprüngliche Fassung, die meist veröffentliche spätereForm viel von dem Zauber verloren.

Guten Abend!

Meiner träumenden, meiner lieben
Freundin,
Die sich wundert, den Himmel, die sie
träumte,
Nicht auf Erden zu finden, wünsch� ich
eben
Auch so träumender einen guten Abend,
Einen inneren guten Seelenaben,
Zum Einschlafen und Träumen schöner
Träume
Diese irdische lange dunkle Nacht durch.
Senket, schönste der Träume, die ihr
träumet,
Sie in selige Traumvergessenheiten,
Und nie wecke die Wirklichkeit sie hart auf,
Sie zu mahnen, dass, was sie träumt, ein
Traum sey:
Bis die Träume des Lebens hingeträumt sind,
Und die Erde zum Himmel wird; dann
wünsch� ich
Dort zum Wachen ihr einen guten Morgen.

Friedrich Rückert (1788-1866)


 Enigma antwortete am 06.02.05 (18:58):

Danke Marie!

"Nenne dich nicht arm, weil deine Träume nicht in Erfüllung gegangen sind. Wirklich arm ist nur, wer nie geträumt hat."
(Marie von Ebner-Eschenbach)

Eine für mich interessante Seite zum Thema habe ich im Internet gefunden.
Sie heißt: "Licht aus - Traum an" und stammt von einem Studenten-Team der Uni Duiburg/Essen.
Sehr schön fand ich auch hier die Geschichte über den "Prophetischen Traum", den wir alle aus der Bibel kennen....

Nachzulesen: she. URL!

Internet-Tipp: https://heineken3.uni-duisburg.de/typo3/index.php?id=66


 yankee antwortete am 07.02.05 (10:42):

Traumgekrönt

Das war der Tag der weißen Chrysanthemem,
Mir bangte fast vor seiner Pracht...
Und dann, dann kamst du mir die Seele nehmen
Tief in der Nacht.
Mir war so bang, und du kamst lieb und leise,
Ich hatte grad im Traum an dich gedacht.
Du kamst, und leis' wie eine Märchenweise
Erklang die Nacht.

Rainer Maria Rilke


 yankee antwortete am 07.02.05 (10:45):

Traum der eignen Tage

Traum der eignen Tage,
Die nun ferne sind.
Tochter meiner Tochter,
Du mein süßes Kind,
Nimm, bevor die Müde
Deckt das Leichentuch,
Nimm ins frische Leben
Meinen Segensspruch.


Siehst mich grau von Haaren,
Abgezehrt und bleich,
Bin, wie du, gewesen
Jung und wonnereich,
Liebte, so wie du liebst,
Ward, wie du, auch Braut,
Und auch du wirst altern,
So wie ich ergraut.


Laß die Zeit im Fluge
Wandeln fort und fort,
Nur beständig wahre
Deines Busens Hort;
Hab ich's einst gesprochen,
Nehm ich's nicht zurück:
Glück ist nur die Liebe,
Liebe nur ist Glück.


Als ich, den ich liebte,
In das grab gelegt,
Hab ich meine Liebe
True in mir gehegt:
War mein Herz gebrochen,
Blieb mir fest der Mut,
Und des Alters Asche
Wahrt die heilge Glut.


Nimm, bevor die Müde
Deckt das Leichentuch,
Nimm ins frische Leben
Meinen Segensspruch:
Muß das Herz dir brechen,
Bleibe fest dein Mut,
Sei der Schmerz der Liebe
Dann dein höchstes Gut.

Adelbert von Chamisso


 Enigma antwortete am 07.02.05 (14:16):

Cäsar Flaischlen

Ganz still zuweilen wie ein Traum
klingt in dir auf ein fernes Lied...
Du weißt nicht, wie es plötzlich kam,
du weißt nicht, was es von dir will...
und wie ein Traum ganz leis und still
verklingt es wieder, wie es kam...

Wie plötzlich mitten im Gewühl
der Straße, mitten oft im Winter
ein Hauch von Rosen dich umweht,
wie oder dann und wann ein Bild
aus längst vergessenen Kindertagen
mit fragenden Augen vor dir steht...

Ganz still und leise, wie ein Traum...
Du weißt nicht, wie es plötzlich kam,
du weißt nicht, was es von dir will,
und wie ein Traum ganz leis und still
verblaßt es wieder, wie es kam.

Internet-Tipp: https://www.flaischlen.de/ingelfingen.htm


 Enigma antwortete am 09.02.05 (09:40):

Friederike Kempner (1836 - 1904)
Der Dichter lebt im Traume

Der Dichter lebt im Traume,
er spielt im Weltenraume
mit Zeit und Ewigkeit -
verscherzet Glück und Zeit!

Und wenn er nichts erzielet
als das, was er gespielet,
so ist`s doch immer viel,
denn wertvoll ist sein Spiel.

Internet-Tipp: https://gutenberg.spiegel.de/autoren/kempner.htm


 schorsch antwortete am 09.02.05 (09:57):

Wer nicht das Kleingeld hat, in fernen Ländern an Palmenstränden zu flanieren, muss dafür die Fantasie haben, es in seinen Tagträumen zu tun!

Unschön ist nur, wenn man dann unsanft aus diesen Träumen gerissen wird.....


 Enigma antwortete am 13.02.05 (11:29):

Karoline von Günderode
Der Kuß im Traume

Es hat ein Kuß mir Leben
eingehaucht,
gestillet meines Busens tiefstes
Schmachten,
komm, Dunkelheit! Mich traulich
zu umnachten.
Daß neue Wonne meine Lippe saugt.
In Träume war solch Leben
eingetaucht,
drum leb ich, ewig Träume zu
betrachten,
kann aller andern Freuden Glanz
verachten,
weil nur die Nacht so süßen
Balsam haucht.
Der Tag ist karg an liebesüßen
Wonnen.
Es schmerzt mich seines Lichtes
eitles Prangen
und mich verzehren seiner Sonne
Gluten.
drum birg dich Aug dem Glanze
ird`scher Sonnen!
Hüll dich in Nacht, sie stillet dein
Verlangen
und heilt den Schmerz, wie
Lethes kühle Fluten.


 Enigma antwortete am 20.02.05 (09:37):

Gäbe es keine Träume und Illusionen, so würde des armen Mannes Seele ihn verlassen.
(Sprichwort aus der Türkei)

Alles, was wir sehn und scheinen,
ist nur ein Traum in einem Traum.
(Edgar Allan Poe)

Nach jedem Traum gibt es ein Erwachen, auch nach dem erfüllten.
(Sam Peckinpah)


 Enigma antwortete am 20.02.05 (09:45):

Isolde Ahr
Ich träume mich satt

Ich träume mich satt
schwebe dahin
mit Flügeln aus Silben gewebt
verborgen im Gefieder
Zeilen der Hoffnung
verweile an Ufern
aus grünenden Versen
vergesse mich
in Geschichten aus sternenden Worten
verlasse lachend
einengende Grenzen der Unzulänglichkeit
verliere meine Welt
aus Schmerz voll bittersüßer Vergänglichkeit
und träume mich satt am Leben

Internet-Tipp: https://hometown.aol.com/isoldeahr


 rumpelstilzchen antwortete am 06.03.05 (16:43):

yankee, wußtest du , daß das Gedicht von Wilhelm Müller in der Winterreise von Schubert vertont ist?
Ihr habt hier alle so schöne Gedichte zusammengetragen! Ich las diesen ganzen Ordner mit vergnügen.

BG
Claudine


 yankee antwortete am 07.03.05 (14:52):

@rumpelstilzchen
Vielen Dank für den Hinweis. War mir nicht bekannt.
Ich finde das Thema auch sehr interessant, denn sehr viele Dichter haben teilweise sehr viel in diesem Zusammenhang geschrieben - Traum und Seele - das hat was :-)


 Enigma antwortete am 07.03.05 (18:10):

....hatte ich ja fast vergessen, dass es den Thread noch gibt.

Wer im Dunkeln sitzt, zündet sich einen Traum an.
(Nelly Sachs)

Anne Steinwart
Träume

Im Mondlicht
schmückt sich die Nacht
das Meer
ist ihr Spiegel

Schön ist die Nacht
aus Samt und Seide
ihr Kleid
bestielt
mit goldenen Sternen

Wenn alle schlafen
umarmt die Nacht
jedes Haus
öffnet Türen und Herzen
und erzählt
wahre Märchen

Tausend und eins.


 pilli antwortete am 07.03.05 (21:56):

ach hier find ich euch? :-)

von beginn an habe ich die variationen zum traum, gedichtet oder als "eigenes", soeben gelesen und fand manche stelle, die zur traum-reise anregte.

aber ich erinnerte mich in den vergangenen wochen beim lesen des themas auch wieder an einen traum, den ich vor vielen jahren als junge frau in den letzten wochen der schwangerschaft träumte, und der mich all die jahre in der erinnerung begleitet hat...später dann nicht mehr so erschreckend, wie ich ihn seinerzeit empfand, aber immer noch mit der spur von angst, die ich so stark und so lange erlebte, irgendwann einmal so zu reagieren, wie ich es in diesem traum tat:

einen kleinen vogel hatte es in einem käfig, der im keller stand, den ich im traume schon von weit her zwitschern hörte und den ich jeweils mit futter und wasser versorgte. geträumt habe ich dann, daß ich den gelb-grünen vogel aber immer weniger versorgte und so nachlässig wurde, daß ich ihn "vergessen" wollte, weil ich es nicht mehr wagte, die türe zu öffnen um zu schauen, ob er noch lebte. das eigenartige ist, daß mir bewußt war, dass ich träumte und doch konnte ich mich nicht dazu bewegen, diese kellertüre zu öffnen und nachzuschauen. ich erinnere mich, daß ich erwacht bin und geweint habe; danach wieder einschlief und dann sehr langsam doch die keller-türe geöffnet habe und da saß der kleine vogel, sehr still und schaute mich an. erleichtert, ihn noch lebend anzutreffen, habe ich die käfigtüre geöffnet und futter und wasser für ihn bereit gestellt.

ich weiß nicht zu sagen, wie oft ich gedacht habe, lasse nie mehr zu, geträumt oder real, so nachlässig zu sein und doch hat es mich dann und wann wieder erwischt, das gefühl...ach...wird schon werden...:-)

aber ab und an fliegt dann das geträumte vögelchen durch meine gedanken und beeinflußt nach so vielen jahren noch manche entscheidung.

:-)


 Marina antwortete am 08.03.05 (22:01):

@pilli,
ich lese gerade deinen Traum und bin total "von den Socken". Denn ob du es glaubst oder nicht - das ist genau der Traum, der mich in verschiedenen Variationen jahrelang begleitet hat. Ich habe ihn nicht nur einmal, sondern oft geträumt, immer mit wechselnden Tieren. Meistens ging er so aus, dass ich furchtbar erleichtert war, dass ein von mir vergessenes Tier doch noch lebte, wenn ich nachsah, aber in einem Fall ging er so aus, dass das betr. Tier gestorben war, und ich war daran schuld.
Ist das nicht merkwürdig? Dass wir die gleichen Träume hatten, obwohl wir wahrscheinlich sehr verschieden sind?
Es handelt sich wohl um so eine Art Archetraum, der etwas ganz Wichtiges sagen will, der vielleicht in bestimmten Situationen auftreten kann. Ich habe sehr oft über den Traum nachgedacht, er war jedesmal furchtbar, ein richtiger Alptraum, habe mir auch für mich eine Erklärung zurechtgelegt, was der Traum mir sagen will, aber die werde ich hier nicht preisgeben.


 pilli antwortete am 08.03.05 (23:08):

wenn ich einen alptraum nennen und beschreiben sollte, dann würde ich gleich an meinen zwitscher-vögelchen-traum, den ich aber nur einmal geträumt habe, denken. :-)

erst gestern sprach ich wieder mit meiner tochter über diesen alptraum, die, nun selbst hochschwanger, etwas für sie sehr selbstverständliches und besonders angenehmes geträumt hatte. wir hatten am vortag über die noch zu packende notfall-tasche gesprochen, und sie meinte lachend, wozu? mein liebelein weiß doch viel besser, was...wo im schrank bereit liegt. (er ist verantwortlich für waschen und bügeln). in der nacht dann hat sie geträumt, dass menschlein habe sie, auf der couch liegend, im schlafe geboren und ihr herzallerliebster hat es ihr, gebadet und frisch gewickelt auf dem arm...sie sanft weckend, präsentiert und gemeint: "so, datt köfferchen packen hat sich jetzt wohl erledigt" :-)

so unterschiedlich können träume sein, die ja während einer schwangerschaft sehr intensiv sein sollen?

als ich vor ca. zwei wochen meine teilnahme an einer reise nach Paris, auf die ich mich lange gefreut habe, zwei tage vor abfahrt abgesagt habe, weil meine mum sich gerade im "Stift" befand und es galt, fix die wohnung aufzulösen, da habe ich mal laut gedacht :-)während der autofahrt und gerufen: "na, oller vogel, biste jetzt endlich zufrieden" ?
ma gucken, wie datt mit dem erinnern sich zukünftig gestaltet.

:-)


 Enigma antwortete am 09.03.05 (13:05):

Marina und Pilli,

das sich rächende Vögelchen lässt Euch sicher jetzt in Ruhe....:-)


Plato
Im Schlaf tritt die seherische Kraft der Seele hervor.

Heinrich Heine
Ich dacht...

Ich dacht an sie den ganzen Tag
und dacht an sie die halbe Nacht.
Und als ich fest im Schlafe lag,
hat mich ein Traum zu ihr gebracht.

Sie blüht wie eine junge Ros,
und sitzt so ruhig, still beglückt.
Ein Rahmen ruht auf ihrem Schoß,
worauf sie weiße Lämmchen stickt.

Sie schaut so sanft, begreift es nicht,
warum ich traurig vor ihr steh.
"Was ist so blaß dein Angesicht,
Heinrich, sag mirs, wo tuts dir weh?"

Sie schaut so sanft, und staunt, daß ich
still weinend ihr ins Auge seh.
"Was weinest du so bitterlich,
Heinrich, sag mirs, wer tut dir weh?"

Sie schaut mich an mit milder Ruh,
ich aber fast vor Schmerz vergeh.
"Wer weh mit tat, mein Lieb, bist du,
und in der Brust, da sitzt das Weh."

Da steht sie auf, und legt die Hand
mir auf die Brust ganz feierlich;
Und plötzlich all mein Weh verschwand,
und heitern Sinns erwachte ich.

Den kann man aber besser träumen....:-))


 Marina antwortete am 09.03.05 (14:38):

Ja Enigma, seit ein paar Jahren habe ich den Alptraum nicht mehr, Gott sei Dank.

Hier Terzinen von Hofmannsthal aus "Über Vergänglichkeit III":

Wir sind aus solchem Zeug wie das zu Träumen,
Und Träume schlagen so die Augen auf
Wie kleine Kinder unter Kirschenbäumen,

Aus deren Krone den blaßgoldnen Lauf
Der Vollmond anhebt durch die große Nacht
... Nicht anders tauchen unsre Träume auf,

sind da und leben wie ein Kind, das lacht,
Nicht minder groß im Auf- und Niederschweben
Als Vollmond, aus Baumkronen aufgewacht.

Das Innerste ist offen ihrem Weben;
Wie Geisterhände in versperrtem Raum
Sind sie in uns und haben immer Leben.

Und drei sind Eins: ein Mensch, ein Ding, ein Traum.


 Marina antwortete am 09.03.05 (14:49):

Georg Heym

Alle Landschaften haben
Sich mit Blau erfüllt,
Alle Büsche und Bäume des Stromes,
Der weit in den Norden schwillt.

Leichte Geschwader,Wolken,
Weiße Segel, dicht,
Die Gestade des Himmels dahinter
Zergehen in Wind und Licht.

Wenn die Abende sinken
Und wir schlafen ein,
Gehen die Träume, die schönen,
Mit leichten Füßen herein.

Cymbeln lassen sie klingen
In den Händen licht.
Manche flüstern und halten
Kerzen vor ihr Gesicht.


 Marina antwortete am 09.03.05 (14:53):

Vorwort

Was im einzelnen gefügt
Wort ist und nicht mehr kann rücken,
Daß es nicht im ganzen trügt,
Geh du fort auf Traumes Stücken -

Nein, der Sinn versinkt wie Traum
In dem auferwachten Tage,
Und du suchst im ganzen Raum
Endlos deine eigne Sage.

Konrad Weiss


 Enigma antwortete am 09.03.05 (15:23):

...du bist aber in Fahrt gekommen, Marina :-)).


Friederike Kempner

Und wo seid ihr, meine Träume,
und wo bist du, höchstes Glück!
Das ich stets und tief empfunden;
Ach ihr seid nur weiße Schäume!
Schäume, die ins Meer gesunken,
in das Meer der Wirklichkeit,
jenes trübe, graue Wasser. -
Und das Glück ist drin ertrunken!


 iustitia antwortete am 15.03.05 (13:28):

Hermann Hesse: Wieder auf der Schulbank

Nun also war ich (im Traum) wachgeworden, öffnete langsam die Augen, stützte mich langsam auf meinem eingeschlafenen und gefühllos gewordenen Arm ein wenig in die Höhe, sah durch das fremde Fenster graues Tageslicht fallen, und plötzlich gab es mir einen Ruck, es durchfuhr mich ein Unbehagen und etwas wie Angst oder schlechtes Gewissen, und ich griff hastig nach der Taschenuhr, um nach der Zeit zu sehen. Richtig, hole es der Teufel, es war zehn Uhr vorbei, schon beinah halb elf, und ich war ja doch seit Monaten Schüler oder Gast in einem Gymnasium, wo ich fleißig und heldenhaft ein altes Versäumnis gutmachen und die letzten Klassen nachholen wollte. Mein Gott, und nun war es halb elf, und seit acht Uhr hätte ich in der Schule sitzen sollen, und wenn ich auch dem Rektor, wie schon neulich einmall, mein Versagen mit den zunehmenden Altersbehinderungen erklären konnte, ja seines Verstehens :im voraus gewiß war, so hatte ich eben doch diesen Vormittag versäumt und war nicht einmal sicher, ob ich nachmittags wohl genug sein werde, im die Schule zu gehen, und inzwischen ging dort der Unterricht weiter, und mein Mitkommen in der Klasse wurde zweifelhafter und zweifelhafter, und jetzt würde sich ja wohl auch plötzlich einmal irgendeine erschreckende Erklärung für die Tatsache einstellen, daß ich zu meiner Beunruhigung in diesen paar Monaten seit meinem Wiedereintritt ins Gymnasium noch keine einzige griechische Lektion gehabt und in meiner schweren Schulmappe, die oft so mühsam zu tragen war, noch nie eine griechische Grammatik hatte finden können. Ach, vielleicht war es nichts mit meinem edlen Entschluß, meine versäumten Pflichten gegen die Welt und die Schule nachzuholen und doch noch etwas Rechtes zu werden, und vielleicht war der Rektor, der mich dort immer so verständnisvoll behandelte, längst und schon von Anfang an von der Verstiegenheit meines Unternehmens überzeugt, auch kannte er mich ja einigermaßen aus einigen meiner Bücher. Sollte ich am Ende lieber die Uhr wieder hinlegen, die Augen wieder zumachen und den Vormittag vollends im Bett bleiben, und vielleicht auch gleich den Nachmittag, und damit zugeben, daß ich mich auf etwas Unmögliches eingelassen hatte? Auf jeden Fall: für den Vormittag hatte es keinen Sinn mehr, sich aufzuraffen; er war vertan. Und kaum hatte ich in der fremden Stube im fremden Bett diese Gedanken gedacht, so erwachte ich wirklich, sah einen dünnen Strahl Licht vom Fenster kommen, und fand mich im eigenen Zimmer und eigenen Bett, wußte unten das Frühstück und die viele Briefpost warten, und erhob mich unlustig, von diesem Schlaf und diesem Traum in keiner Weise gestärkt, aber doch erstaunt und ein klein wenig zum Mitlachen geneigt über diesen Künstler von Traum, der mich so vor den Spiegel gestellt und dabei von den Tricks der Surrealistik so sparsamen Gebrauch gemacht hatte.

(Aus. H.H.: Traumgeschenk. Betrachtungen, Tagebücher, Erzählungen und Gedicht über das Träumen. Ffm. 1996.)


 Enigma antwortete am 16.03.05 (09:11):

Christian Morgenstern
Träume
Das Bild

Aus seinem Rahmen trat dein Bild
und schlang den Arm mir ums Genick -
und, eingewurzelt Blick in Blick,
durchgingen wir ein fremd Gefild ...



Und gingen stumm und unverwandt
und tranken unsrer Seelen Glanz
und wurden eine Seele ganz
und fühlten, was wir nie gekannt ...



Da schlug ein Lärm an unser Ohr �
ich sprach ein Wort � du fuhrst zurück -.
Zerflossen war das kurze Glück,
und alles wieder wie zuvor.


 Enigma antwortete am 22.03.05 (07:46):

Alles, was man vergessen hat, schreit im Traum um Hilfe.
(Elias Canetti)

Das Gespräch mit Marina über Bertolucci und einige seiner Filme machte mich neugierig, noch mehr über Bertolucci zu erfahren als ich bisher wusste.
Insbesondere die Gewalt seiner Bilder hat mich immer schon fasziniert, wie auch einige - nicht alle - seiner Filme.

Nun, ich fand etwas, über Bertolucci und seine Träume, und das war sehr interessant für mich. Seine Einstellung zur Politik, der Einfluss von Politik auch in seinem privaten Leben.
Der Einfluss von Freud in seinem Leben, seine verschiedenen Analysen bei verschiedenen Therapeuten, der Einfluss, den er diesen Analysen auf die Gestaltung seiner Filme einräumt (weg vom Monolog zum Dialog). Er spricht auch über sein Verhältnis zu seinem Vater.
Und über die Welt des Films. Das hat mich besonders berührt:
..."Die Welt des Films ist unser kollektiver Traum. Das fängt schon beim Kino selbst an. Die Dunkelheit umfängt uns wie ein großer Schlaf. Wir träumen mit offenen Augen. Jeder erlebt den Traum auf seine Weise. Fragt man zehn Leute, die aus dem Saal kommen, was die Geschichte des Films war, wird man zehn verschiedene Versionen hören...."

Und das ist doch das Schöne!.....

Internet-Tipp: https://www.zeit.de/2004/05/Traum_2fBertolucci


 iustitia antwortete am 22.03.05 (09:45):

Ingeborg Bachmann
(Ein Vatertraum)

Mein Vater nimmt mir die Schlüssel weg, er wirft meine Klei�der aus dem Fenster auf die Straße, die ich aber gleich ans Rote Kreuz weitergebe, nachdem ich den Staut aus ihnen geschüttelt habe, denn ich muß noch einmal zurück ins Haus, ich habe. die Spießgesellen hineingehen gesehen, und der erste zerschlägt die Teller und das Glas, aber ein paar Gläser hat mein Vater auf die Seite räumen lassen, und während ich zitternd in die Tür trete und ihm näher komme, nimmt er das erste und wirft es nach mir, dann eines vor mich auf den Boden, er wirft und wirft alle Gläser, er zielt so genau, nur wenige Splitter treffen mich, aber das Blut kommt im kleinen Rinnsalen von der Stirn, läuft vom Ohr weg, entspringt am Kinn, das Kleid verschmiert sich mit Blut, weil ein paar ganz feine Glasstücke durch den Stoff gedrungen sind, von meinen Knien tropft es stiller, aber ach will etwas, ich muß es ihm sagen. Er sagt: Bleib nur, bleib, und schau zu! Ich verstehe nun nichts mehr, aber weiß, daß Anlaß zur Furcht ist, und dann ist die Befürchtung noch nicht das schlimmste gewesen, denn mein Vater ordnet an, daß meine Büchergestelle abgerissen werden sollen, ja, er sagt >abreißen<, und ich will mich vor die Bücher stellen, aber die Männer stellen sich grinsend davor, ich werfe mich vor ih�nen auf den Boden und sage: Nur meine Bücher laßt in Ruhe, nur diese Bücher, macht mit mir, was ihr wollt, mach, was du willst, so wirf mich doch aus denn Fenster, so versuch es doch noch einmal, wie damals! Aber mein Vater tut, als wüßte er nichts mehr von dem Versuch, von damals, und er beginnt, fünf, sechs Bücher auf einmal zu nehmen, wie einen Packen Ziegelsteine, und er wirft sie, so daß sie auf den Kopf fallen, in einen alten Schrank. Die Gesellen mit frostigen klammen Fingern ziehen die Gestelle weg, es kracht alles nieder, die Totenmaske von Kleist flattert eine Weile vor mir und Hölderlins Bild, unter dem steht: dich Erde, Heb ich, trauerst du doch mit mir! und nur diese Bilder fange ich und drücke ich an mich, die kleinen Balzacbände wirbeln herum, die Aeneis bekommt einen Knick, die Gesellen geben Lukrez und Horaz einen Fußtritt, aber ein anderer fängt an, ohne zu wissen, was er in die Hand nimmt, wieder einiges ordentlich zu stapeln, in einer Ecke, mein Vater stößt den Mann in die Rippen (wo habe ich den Mann schon einmal gesehen, er hat mir in der Beatrixgasse ein Buch zerstört), er sagt freundschaftlich zu ihm: Was, das hätte dir wohl gepaßt, auch mit ihr, was? Und nun blinzelt mein Vater an mir herüber, und ich weiß, was er meint, denn der Mann lächelt verlegen und sagt, er möchte schon, und mir zuliebe tut er auch so, als wolle er mit meinen Büchern wieder gut umgehen, aber ich reiße ihm voller Haß die französischen Bücher aus der Hand, denn Malina hat sie mir gegeben, und ich sage: Sie bekommen mich nicht! Und zu meinem Vater sage ich: Du hast uns doch immer alle verschachert. Aber mein Vater brüllt: Was, jetzt auf einmal willst du nicht, ich werde, ich werde!
Die Männer verlassen das Haus, jeder hat ein Trinkgeld be�kommen, sie schwenken ihre großen Taschentücher, infam: Buchheil, und zu den Nachbarn und allen, die neugierig her�umstehen, sagen sie: Wir haben ganze Arbeit geleistet,. Jetzt sind mir die HOLZWEGE heruntergefallen, auch ECCE HOMO, und ich hocke betäubt und blutend inmitten der Bü�cher, es hat ja so kommen müssen, denn ich habe sie gestrei�chelt jeden Abend vor dem Schlafengehen, und Malina hat mir die schönsten Bücher geschenkt, das verzeiht mein Vater mir nie, und unlesbar sind alle geworden, das hat ja so kommen müssen, es ist keine Ordnung mehr, und ich werde nie wieder wissen, wo der Kürnberger und wo der Lafcadio Hearn gestan�den sind. Ich lege mich zwischen die Bücher, ich streichle sie wieder, eines nach dem anderen, im Anfang waren es nur drei, dann fünfzehn gewesen, dann schon über hundert, und im Pyjama lief ich zu dem ersten Regal. (...)
(Aus: I. B.: Malina. Roman)


 Marina antwortete am 22.03.05 (11:15):

Enigma, vielen Dank für den Hinweis, das fand ich sehr interessant zu lesen. Endlich mal wieder einer der wenigen, die dem Mainstream widerstreben und sich nicht verbiegen zu lassen scheinen. Hinsichtlich seiner Analysen erinnert er mich an Woody Allen, übrigens auch einer meiner großen Favoriten.
Sehr gefallen hat mir der Satz:

"Aber wir haben das Recht auf Illusionen, das Recht zu träumen."


 Enigma antwortete am 25.03.05 (09:42):

Guten Morgen Marina,

Du kannst nicht von Woody Allen anfangen und damit rechnen, dass ich dann meiner Begeisterung nicht Ausdruck gebe.
Unvergessen sind viele Filme von ihm für mich, ganz besonders "Der Stadtneurotiker" oder auch "Manhattan" und viele, viele andere.
Machen wir doch weiter, mit "Film II" oder so....??
Denn Du stapelst tief, was Dein Repertoire angeht. Du kennst doch so viele, tolle Filme.


 Enigma antwortete am 29.03.05 (09:05):

Emmy Hennings
Traum

Ich bin so vielfach in den Nächten.
Ich steige aus den dunklen Schächten.
Wie bunt entfaltet sich mein Anderssein.
So selbstverloren in dem Grunde,
Nachtwache ich, bin Traumesrunde
und Wunder aus dem Heiligenschrein.
Und öffnen sich mir alle Pforten,
bin ich nicht da, bin ich nicht dorten?
Bin ich entstiegen einem Märchenbuch?
Vielleicht geht ein Gedicht in ferne Welten,
vielleicht verwehen meine Vielfachheiten,
ein einsam flatternd, blasses Fahnentuch...

Internet-Tipp: https://www.lyrikwelt.de/autoren/ball-hennings.htm


 iustitia antwortete am 07.04.05 (16:11):

Frau und Mann:
- Eine junge Frau träumt -

Ich gehe mit meinem Mann auf die Straße und sage zu ihm: �Die Schneeglöckchen sind traurig!�
Mein Mann antwortet: �Was du schon wieder hast, die wachsen da.�
Die Frau hatte nie gelernt Gefühle mitzuteilen. Der Traum war ein letzter Versuch, ihrem Mann zu erklären, was sie im Inneren empfand. Wenig später kam sie in die Psychiatrie. Das Traumbild hätte ihrem Mann sagen können und wohl auch sollen: �Eigentlich hätte ich so viel innere Kraft und Schönheit, der Sonne mehr zu glauben als der Kälte des Winters; und alles in mir wäre bereit aufzublühen, läge nicht eine dicke Schicht von gefrorenen Tränen auf mir, die alles Leben hindern. Der Grund dieser Kälte aber bist du, mein Mann, der kein einziges Gefühl versteht.�
Der Mann aber sagt im Traum nur: �Schneeglöckchen sind Blumen und Blumen haben keine Gefühle. Sie wachsen da, und alles andere siehst du in diese Blumen hinein. Also hör auf mit diesem Blödsinn!�
Dieser Mann ist ein ehrenwerter Mensch, der im bürgerlichen Sinne nichts Falsches sagt. Aber er begreift nicht, dass er mit seiner Antwort genau die Kritik der Frau an ihm bestätigt. Wie Recht hat die Frau, wenn sie darauf aufmerksam macht, dass die versperrten Gefühle, die unterdrückten Bilder der Seele, die Unfähigkeit, die Bilder der Träume zu verstehen, auf Dauer krank machen muss.
(Eugen Drewermann, aus seiner therapeutischen Praxis. In: Publik-Forum � EXTRA. 1/2005. S. 5)
*
URL - zwei Schneeglöckchen; eins traurig, eins gedankenlos?

Internet-Tipp: https://www.liesing.at/laab/Landschaft_2003/Schneegloeckchen.JPG


 Enigma antwortete am 11.04.05 (12:24):

Lieber möchte ich zu den geringsten Menschen gehören, mit Träumen und dem Verlangen, sie zu erfüllen, als der Größte zu sein, ohne Träume und ohne Verlangen.
(Khalil Gibran)


 yankee antwortete am 14.04.05 (15:19):

Ein echter Männertraum :-))

Johann Peter Uz

Ein Traum
O Traum, der mich entzücket!
Vom schönsten Traum berücket,
Lag, sorglos hingestrecket,
Ich, durch's Gebüsch verdecket,
Das einen Teich, der silbern floß,
Im schattenvollen Tal umschloß.

Da sah ich durch die Sträuche
Mein Mädchen bei dem Teiche:
Das hatte sich zum Baden
Der Kleider meist entladen,
Bis auf ein untreu weiß Gewand,
Das keinem Lüftchen widerstand.

Nun hob mit Jugendfeuer
Die schöne Brust sich freier:
Mein Blick blieb lüstern stehen
Bei diesen regen Höhen,
Wo Zephyr unter Lilien blies.
Und sich die Wollust küssen ließ.

Sie fing nun an, o Freuden!
Sich vollends auszukleiden:
Ach! aber eh's geschiehet,
Erwach' ich, und sie fliehet.
O schlief ich doch von neuem ein!
Nun wird sie wohl im Wasser sein.


 Enigma antwortete am 16.04.05 (08:39):

Francisca Stoecklin

Im Traum

Ich ritt auf einem schwarzen Pferde
Durch die Nacht.
Ich ahnte nicht,
Daß das so stolz und traurig macht.
Ich war ein junger Edelmann,
Und hatte goldene Kleider an.
Doch auch der Sterne reiche Pracht.
Sie konnte mich nicht trösten.
Ich wußte nicht, woher ich kam.
Ich wußte nicht, wohin ich ritt.
Ich wußte nur, daß ich unsäglich litt.
Die Bäume und die Steine um mich waren fremd.
Und meine schweren Kleider
Froren wie ein Totenhemd.
Ich kannte meinen Namen nicht mehr,
Nicht mein Schloß.
Sehr weit schien mir ein Wunderbares,
Und versunken.
- Einmal hab ich doch auch mit Menschen
Schmerz und Lust getrunken? -

Jetzt bin ich mir so fremd und unenträtselt
Wie mein Roß.


 Marina antwortete am 16.04.05 (15:19):

Ich weiß nicht, warum die Gestalten und die Ausdrucksformen des Traums sich mir stärker einprägen als die der Wirklichkeit. Mehr als Landschaften und Geschöpfe sind die Traumbilder E m p f i n d u n g e n für mich.
Es ist die Empfindung eines Dorfes, die ich träume, die Empfindung einer Person. Deshalb verursachen die Züge und Farben eine beinahe schmerzhafte Rührung. Gestern hatte ich, ich weiß nicht warum, an Lea S. gedacht. Alles oder fast alles an jener Frau stört mich. Ihre etwas ausladenden, schlaffen Formen, ihr Geruch, ihre weibliche Bosheit und List, ihre Wichtigtuerei und unangebrachte Aufgeblasenheit, die Sinnlichkeit etc.
Heute nacht habe ich geträumt, sie sei sehr arm, ein wenig verbittert, ihr Gesichtsausdruck war der eines kleinen Mädchens mit Ponyfrisur. "Renata D.", sagte sie, "hat mir einen Mantel für diesen Winter geschenkt. Der Kragen ist nämlich aus ihrer alten, abgeschabten Pelzmütze gemacht, verstehst du . . ." Sie machte ein fügsames Gesicht, während sie das sagte, eher naiv und schwankend zwischen einem Lächeln und Tränen. Mit Schrecken dachte ich: "Wie weit ist es mit den alleinstehenden, freien Frauen gekommen!"

Aus �Traumtagebuch� von
Elsa Morante (1912-1985)


 Enigma antwortete am 16.04.05 (18:21):

Hallo Marina,

ein eigentümlicher Traum, aber manchmal empfinde ich Träume auch intensiver als die Realität... :-)

Dein Antlitz. . .
Hugo von Hofmannsthal

Dein Antlitz war mit Träumen ganz beladen.
Ich schwieg und sah dich an mit stummem Beben.
Wie stieg das auf! Daß ich mich einmal schon
In frühern Nächten völlig hingegeben

Dem Mond und dem zuviel geliebten Tal,
Wo auf den leeren Hängen auseinander
Die magern Bäume standen und dazwischen
Die niedern kleinen Nebelwolken gingen

Und durch die Stille hin die immer frischen
Und immer fremden silberweißen Wasser
Der Fluß hinrauschen ließ - wie stieg das auf !

Wie stieg das auf! Denn allen diesen Dingen
Und ihrer Schönheit - die unfruchtbar war -
Hingab ich mich in großer Sehnsucht ganz,
Wie jetzt für das Anschaun von deinem Haar
Und zwischen deinen Lidern diesen Glanz!


 Enigma antwortete am 16.04.05 (18:27):

Jetzt bin ich ganz enttäuscht.
Jedesmal probiere ich es wieder mit den "Firefox", obwohl der mich so oft enttäuscht.... :-)

Jetzt wieder mit dem IE, der dann doch wohl - zumindest in der Wiedergabe - zuverlässiger ist.

Dein Antlitz. . .
Hugo von Hofmannsthal

Dein Antlitz war mit Träumen ganz beladen.
Ich schwieg und sah dich an mit stummem Beben.
Wie stieg das auf! Daß ich mich einmal schon
In frühern Nächten völlig hingegeben

Dem Mond und dem zuviel geliebten Tal,
Wo auf den leeren Hängen auseinander
Die magern Bäume standen und dazwischen
Die niedern kleinen Nebelwolken gingen

Und durch die Stille hin die immer frischen
Und immer fremden silberweißen Wasser
Der Fluß hinrauschen ließ - wie stieg das auf !

Wie stieg das auf! Denn allen diesen Dingen
Und ihrer Schönheit - die unfruchtbar war -
Hingab ich mich in großer Sehnsucht ganz,
Wie jetzt für das Anschaun von deinem Haar
Und zwischen deinen Lidern diesen Glanz!


 Enigma antwortete am 24.04.05 (19:35):

Eduard Mörike
Nächtliche Fahrt

Juengst im Traum ward ich getragen
Ueber fremdes Heideland;
Vor den halbverschlossnen Wagen
Schien ein Trauerzug gespannt.

Dann durch mondbeglaenzte Waelder
Ging die sonderbare Fahrt,
Bis der Anblick offner Felder
Endlich mir bekannter ward.

Wie im lustigen Gewimmel
Tanzt nun Busch und Baum vorbei!
Und ein Dorf nun - guter Himmel!
O mir ahnet, was es sei.

Sah ich doch vor Zeiten gerne
Diese Haeuser oft und viel,
Die am Wagen die Laterne
Streift im stummen Schattenspiel.

Ja, dort unterm Giebeldache
Schlummerst du, vergesslich Herz!
Und dass dein Getreuer wache,
Sagt dir kein geheimer Schmerz.

- Ferne waren schon die Huetten;
Sieh, da flatterts durch den Wind!
Eine Gabe zu erbitten
Schien ein armes, holdes Kind.

Wie vom boesen Geist getrieben,
Werf ich rasch der Bettlerin
Ein Geschenk von meiner Lieben,
Jene goldne Kette, hin.

Ploetzlich scheint ein Rad gebunden,
Und der Wagen steht gebannt,
Und das schoene Maedchen unten
Haelt mich schelmisch bei der Hand.

"Denkt man so damit zu schalten?
So entdeck ich den Betrug?
Doch den Wagen festzuhalten,
War die Kette stark genug.

Willst du, dass ich dir verzeihe,
Sei erst selber wieder gut!
Oder wo ist deine Treue,
Boeser Junge, falsches Blut?"

Und sie streichelt mir die Wange,
Kuesst mir das erfrorne Kinn,
Steht und laechelt, weinet lange
Als die schoenste Buesserin.

Doch mir bleibt der Mund verschlossen,
Und kaum weiss ich, was geschehn;
Ganz in ihren Arm gegossen
Schien ich selig zu vergehn.

Und nun fliegt mit uns, ihr Pferde,
In die graue Welt hinein!
Unter uns vergeh die Erde,
Und kein Morgen soll mehr sein!


 Marina antwortete am 24.04.05 (21:26):

O Mensch! Gib acht!
Was spricht die tiefe Mitternacht?
Ich schlief, ich schlief -,
Aus tiefem Traum bin ich erwacht -
Die Welt ist tief,

Und tiefer als der Tag gedacht.
Tief ist ihr Weh -,
Lust, tiefer noch als Herzeleid:
Weh spricht: Vergeh!
Doch alle Lust will Ewigkeit -,
- will tiefe, tiefe Ewigkeit!

Friedrich Nietzsche


 Enigma antwortete am 25.04.05 (09:39):

May Ayim
Träume

ich träume
fliederblüten
seerosen
erdbeeren und
sommernächte
träume
glückliche stunden
in einsame zeiten
ich träume
von küssen und scherzen
umarmungen
heitere sehnsucht
ich träume wälder und
wiesen und felder
in graue schluchten
träume ich
träume
ich träume

Internet-Tipp: https://www.mitglied.lycos.de/beschka/inhalt/Ayim.htm