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THEMA:   Ein Buch, das mich beeinflusst hat: "Off Limits für das Gewissen

 3 Antwort(en).

Enigma begann die Diskussion am 19.01.05 (09:37) :

Kürzlich habe ich - zufällig - ein paar Gedichte gefunden, die sich "mit den Kindern von Hiroshima" befasst haben.
Bedrückende Gedichte, mahnende Gedichte.
Eines möchte ich noch voran stellen:

Sankichi Toge
Gib die Menschen wieder.

Gib meinen Vater wieder und meine Mutter.
Gib meine Geschwister zurück.
Gib mir meine Söhne und Töchter.
Gib mir mich selbst zurück. Gib die Menschheit wieder.
Solange dieses Leben dauert, dieses Leben,
gib den Frieden wieder, der nie mehr endet.


Das hat mich erinnert an ein Buch, das mich vor Jahren - als ziemlich junge Frau - beeindruckt und auch beeinflusst hat.
Es heisst: "Off Limits für das Gewissen".
Autor war Günther Anders, Herausgeber Robert Jungk.

Inhalt ist ein Briefwechsel zwischen Günther Anders und Claude Eatherley, einem der beiden Hiroshima-Piloten.
Eatherley bereute seinen "militärischen Gehorsam" bitterlich. Er schrieb Briefe an die Überlebenden in Japan, um sich zu entschuldigen.
Er wurde straffällig, verübte kleinere Bankeinbrüche, durch die er "schuldig werden wollte", und wurde von der Armee in ein Irrenhaus gesteckt, zum Schluss wohl in die geschlossene Abteilung.
Mit seinen Briefen versuchte ihm Anders zu helfen.
In einem dieser Briefe hatte er (Anders) an Eatherley geschrieben:
"...Die Befehlsmaschinerie hatte lückenlos funktioniert. Sie haben es also getan. Nur durch Sie können wir erfahren, wie es uns ergehen würde, wenn wir an Ihrer Stelle gestanden hätten. Sie sehen, Sie sind ungeheuer wichtig für uns, geradezu unentbehrlich. Gewissermassen unser Lehrer. Für uns ist die Tatsache, dass Sie mit dem Geschehenen nicht fertig werden, tröstlich. Sie geben ein Zeugnis davon ab, dass Sie Ihr Gewissen haben wach halten können, obwohl Sie einmal als Maschinenstück in einen technischen Apparat eingeschaltet gewesen und in diesem erfolgreich verwendet worden waren. Es ist ein Zeichen Ihrer moralischen Gesundheit, denn Ihre Reaktion beweist die Lebendigkeit Ihres Gewissens... So schuldig zu sein wie Sie es sind und trotzdem von der Öffentlichkeit als schuldlos klassifiziert, ja auf Grund der Schuld sogar als smiling hero gepriesen zu werden, dass muss für einen anständigen Menschen ein unerträglicher Zustand sein...".

Der zweite Pilot, Paul Tibbets, bedauerte nicht.
Eine seiner Aussagen:
"Tibbets: Ich bedaure überhaupt nichts. Zum Zeitpunkt des Bombenabwurfs war ich von seiner Notwendigkeit überzeugt, und daran hat sich bis heute nichts geändert...."

Aber haben wir wirklich aus "Hiroshima" gelernt oder ist es in ähnlicher Form wieder möglich?



Mehr über dieses Thema nachzulesen - she. URL! -

Internet-Tipp: https://www.uni-muenster.de/PeaCon/wuf/wf-95/9510901m.htm


 iustitia antwortete am 20.01.05 (10:21):

Mein frühestes, wichtiges Lese- und Bewusstseins-Erlebnis:die Memoiren der Margarete Buber-Neumann, 1958 geschrieben, "Als Gefangene bei Stalin und Hitler".
Ich las die Erinnerungen der Sozialistin, die ihr und des KPD-Mannes Heinz Neumann Schicksal beschreibt, in Sibirien und anschließend, nach einer Auslieferung 1940 nach Hitler-Deutschland, im KZ Ravensbrück. (Es gab diese Zusammenarbeit zwischen Hitler und Stalin.)
Es war mein erstes Kennenlernen von KZ-Erfahrungen in autobiografischen Aufzeichnungen, auch über "Karaganda", dem russischen "Arbeitsbesserungslager". Viel später kam der Begriff GULAG nach Deutschland.
Ich kaufte mir das Taschenbuch (dtv-Band 44) als Schüler 1962 und habe es noch heute. (3.60 DM kostete es; ich konnte mir wöchentlich ein Taschenbuch leisten, durch Hilfsarbeiten in der Buchhandlung.)
*
Erst später las ich Anne Franks Tagebuch; und erst fast zehn Jahre später erfuhr ich von den tausend anderen jüdischen Überlebenserfahrungen im Holocaust.
*
URL - über Buber-Neumann.

Internet-Tipp: https://www.ravensbrueck.de/mgr/deutsch/forschung/publikationen/buber-neumann.htm


 Enigma antwortete am 21.01.05 (08:55):

Guten Morgen,

danke iustitia.
Ja, so haben wohl viele von uns prägende Erfahrungen.
Das Buch von Margarete Buber-Neumann kenne ich leider nicht.
Aber ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Du schon als Schüler Geld für Bücher ausgegeben hast. :-))

Grüsse und ein schönes WE.
Enigma


 Enigma antwortete am 01.02.05 (13:16):

Marie Luise Kaschnitz
Hiroshima

Der den Tod auf Hiroshima warf
ging ins Kloster, läutete dort die Glocken.
Der den Tod auf Hiroshima warf,
sprang vom Stuhl in die Schlinge, erwürgte sich.
Der den Tod auf Hiroshima warf,
fiel in Wahnsinn, wehrt Gespenster ab.
Hunderttausend, die ihn angehen nächtlich
Auferstandene aus Staub für ihn.

Nichts von alledem ist wahr.
Erst vor kurzem sah ich ihn
im Garten seines Hauses vor der Stadt.
Die Hecken waren noch jung und die
Rosenbüsche zierlich
Das wächst nicht so schnell, daß sich einer
verbergen könnte
im Wald des Vergessens.
Gut zu sehen war
das nackte Vorstadthaus, die junge Frau,
die neben ihm stand im Blumenkleid,
das kleine Mädchen an ihrer Hand,
der Knabe, der auf seinem Rücken saß
und über seinem Kopf die Peitsche schwang.
Sehr gut erkennbar war er selbst,
vierbeinig auf dem Grasplatz, das Gesicht
verzerrt vor Lachen, weil der Photograph
hinter der Hecke stand, das Auge der Welt.