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THEMA:   Thema: Mutter

 72 Antwort(en).

Enigma begann die Diskussion am 04.02.05 (12:20) :

Der Himmel ist zu Füßen der Mütter
(deutsches Sprichwort)

Die Mutter

Ach wehe, meine Mutter reißt mich ein.
Da hab ich Stein auf Stein zu mir gelegt,
und stand schon wie ein kleines Haus,
um das sich groß der Tag bewegt,
sogar allein.
Nun kommt die Mutter, kommt und reißt mich ein.

Sie reißt mich ein, indem sie kommt und schaut.
Sie sieht es nicht, daß einer baut.
Sie geht mir mitten durch die Wand von Stein.
Ach wehe, meine Mutter reißt mich ein.

Die Vögel fliegen leichter um mich her.
Die fremden Hunde wissen: das ist der.
Nur einzig meine Mutter kennt es nicht,
mein langsam mehr gewordenes Gesicht.

Von ihr zu mir war nie ein warmer Wind.
Sie lebt nicht dorten, wo die Lüfte sind.
Sie liegt in einem hohen Herz-Verschlag
und Christus kommt und wäscht sie jeden Tag.

Rainer Maria Rilke, 1915
Aus: Die Gedichte 1910 bis 1922)


 yankee antwortete am 04.02.05 (14:31):

Sidonie Grünwald-Zerkowitz
(1852-1907)

Die verlassene Mutter am Krankenlager
ihres Kindes

Einsam bei des Lämpchens Scheine
Wach' am Bettchen ich und weine -
Alle nächtlichen Gespenster
Grinsen durch das klirrende Fenster -
Heulend pocht daran der Wind.
Auf dem Kissen fieberrot,
Kraftlos ringend mit dem Tod,
Ächzt und stöhnt mein armes Kind!
All mein Atmen ist ein Beten:
�Herr, o nimm mir nicht mein Kind!
Sieh, wie ich hier, angstzertreten,
Mich im Staube vor Dir wind'!
Laß mir meines Lebens Leben,
Das allgütig Du gegeben,
Daß es mich ans Dasein binde,
Wo ich keine Freud' mehr finde!�
... Als ob meiner Seel' Verzweifeln
Zum Gespött wär' grausen Teufeln,
Gellt mir tief durch Mark und Bein
- Meinem Flehen als Bescheid -
Von dem morschen Ast nicht weit
Totenvogels Ruf herein!


 yankee antwortete am 04.02.05 (14:33):

Clara Müller

Mutter Erde

Mitternächtges Dunkel spinnt
um die Welt ein heimlich Träumen;
leise singt der Frühlingswind
in den knospenschweren Bäumen.

Fern noch einer Lampe Schein,
und der Himmel schwarz verhangen - -
in den dunklen Birkenhain
bin ich einsam ausgegangen.

Schmeichelnd um die Stirne streicht
mir der Lenznacht weicher Odem,
aus den feuchten Beeten steigt
Erdgeruch und Nebelbrodem.

Aus dem Schoß der Wolken fällt
groß und warm der erste Tropfen -
und mir ist, das Herz der Welt
hör ich in der Stille klopfen.

Durch die Nacht, so kirchenstill,
geht ein Raunen und ein Regen,
jedes kleinste Pflänzchen will
Zwiesprach mit dem Schöpfer pflegen.

Was in dunklen Tiefen schlief,
ruft ans Licht ein neues Werde -
und die Kniee beug ich tief
zur gebenedeiten Erde. -


 yankee antwortete am 04.02.05 (14:36):

Anna Ritter
(1865-1921)

Und hab' so große Sehnsucht doch

Ich hab' kein' Mutter, die mich hegt,
Die Mutter schläft im Grund,
Ich hab' kein' Buhlen, der mich küßt,
Auf meinen rothen Mund.

Und hab' so große Sehnsucht doch,
Und hab' so jungen Sinn -
Was hab' ich dir, o Gott, gethan,
Daß ich so einsam bin?


 yankee antwortete am 04.02.05 (14:50):

Elisabeth Kulmann
(1808-1825)

An eine Sperlingsmutter

Sei ruhig, nicht zum Kummer
Hab' ich dein Nest entdeckt,
Im Winkel zweier Sparren
Des Daches klug versteckt.

Von nun an theil' ich täglich
Mit deiner Brut mein Brot:
So viel wird Gott schon geben,
Er läßt uns nicht in Noth.

Gewöhnt an mich allmählig
Sich deiner Kinder Sinn,
Sag ihnen, wenn sie fragen,
Daß ich die Ahnin bin.


 Enigma antwortete am 04.02.05 (17:37):

Oh Yankee, das geht ja immer so schnell bei Dir, und nicht nur schnell, sondern auch immer so passend.
Danke!

Was man von der Mutter hat, das sitzt fest und läßt sich nicht ausreden.
(Wilhelm Raabe)


Annette von Droste-Hülshoff
Für meine Mutter

So gern hätt`ich ein schönes Lied gemacht
von deiner Liebe, deiner treuen Weise.
Die Gabe, die für andre immer wacht,
hätt`ich so gern geweckt zu deinem Preise.
Doch wie ich auch gesonnen mehr und mehr,
und wie ich auch die Reime mochte stellen,
des Herzens Fluten wallten drüber her,
zerstörten mir des Liedes zarte Wellen.
So nimm die einfach schlichte Gabe hin,
von einfach ungeschmücktem Wort getragen,
und meine ganze Seele nimm darin:
Wo man am meisten fühlt, weiß man nicht viel zu sagen.


 Marieke antwortete am 04.02.05 (19:26):

"Ich habe nichts so lieb, so lieb,
wie dich mein Mütterlein-
es müsste denn der liebe Gott im Himmel droben sein.
Den lieb ich, weil er dich mir gab
und weil er mir erhält
das allerbeste Mütterlein
auf weiter, großer Welt."
Autor mir unbekannt-

wir schrieben das in der Grundschule in Schönschrift(!) für den Muttertag...wahrscheinlich war es 1944!
(Ich kann es heute noch auswendig, weil ich damals genötigt wurde(durchaus auf nette Art von der Lehrerin, meine ich) es einige Male neu zu schreiben- ich hatte vor dem Lieben Gott statt "denn" "drum"- geschrieben- war mir wohl einleuchtender, warum wohl?

Long ago,
Marieke


 Medea. antwortete am 04.02.05 (19:58):

Die feinen Ohren

Du warst allein,
ich sah durchs Schlüsselloch
den zarten Schein der späten Lampe noch.

Was stand ich nur und trat nicht ein?
und war mir doch, es müßte sein,
daß ich noch einmal deine Stirne strich
und zärtle flüstere, wie lieb ich dich.

Die alte böse Scheu,
dir ganz mein Herz zu zeigen.
Sie quält mich immer neu.

Doch einmal hab ich leis gelacht,
was sorgst du noch, sie weiß es doch,
sie hat gar feine Ohren.
Ihr geht von deines Herzens Schlag,
auch wenn die Lippe schweigen mag,
doch nicht ein leiser Ton verloren.


 Joan antwortete am 05.02.05 (16:36):

Abgenabelt.

Wir waren nah beisammen
im Traum vergangne Nacht:
Laut rief ich deinen Namen-
da bin ich aufgewacht.

Ich träumte:Schwer beladen
hingst du in steiler Wand-
Aus Angst,du kämst zu Schaden
griff ich nach deiner Hand

und durfte dich nicht halten-
Fest an den Fels gekrallt
warfst du in Gletscherspalten
was ich dir aufgeschnallt.

All das,was unerbeten
dir jetzt die Luft abdreht
s�Korsett mit meinen Gräten
Weils um dein Leben geht

versuchst du dich im Rahmen
nur dir gemäßer Fracht.
Du hattest viele Namen
mein Sohn in dieser Nacht.
Joan

Internet-Tipp: https://www.federlesen.de


 marie2 antwortete am 05.02.05 (17:27):

Meine Mutter

War sie der große Engel
Der neben mir ging ?

Oder liegt meine Mutter begraben
Unter dem Himmel von Rauch -
Nie blühte es blau über ihrem Tode.

Wenn meine Augen doch hell schienen
Und ihr Licht brächten.

Wäre mein Lächeln nicht versunken im Antlitz
Ich würde es über ihr Grab hängen.

Aber ich weiß einen Stern,
Auf dem immer Tag ist;
Den will ich über ihre Erde tragen.

Ich werde jetzt immer ganz allein sein
Wie der große Engel,
Der neben mir ging.

Else Lasker-Schüler


 mart antwortete am 05.02.05 (20:35):

ESPENBAUM (Paul Celan)


Dein Laub blickt weiß ins Dunkel


Meiner Mutter Haar ward nimmer weiß


Löwenzahn, so grün ist die Ukraine


Meine blonde Mutter kam nicht heim


Regenwolke, säumst du an den Brunnen


Meine leise Mutter weint für alle


Runder Stern, du schlingst die goldene Schleife


Meiner Mutter Herz ward wund von Blei


Eichne Tür wer hob dich aus den Angeln


Meine sanfte Mutter kann nicht kommen


 pilli antwortete am 06.02.05 (09:16):

Mutter

Ich trage dich wie eine Wunde
auf meiner Stirn, die sich nicht schliesst.
Sie schmerzt nicht immer. Und es fliesst
das Herz sich nicht draus tot.
Nur manchmal plötzlich bin ich blind und spüre
Blut im Munde.

(Gottfried Benn)


 pilli antwortete am 06.02.05 (09:42):

"Eine Mutter ist nicht jemand zum Anlehnen,
sie macht es unnötig,
jemanden zum Anlehnen zu brauchen."

(Dorothy Fisher)

...

"Das Beste an mir, ich hab's von ihr."
(Peter Rosegger)

...

"Doch, liebe Mutter, offen will ich's sagen:
Wie mächtig auch mein stolzer Mut sich blähe,
In deiner selig süßen, trauten Nähe
Ergreift mich oft ein demutvolles Zagen.
Ist es dein Geist, der heimlich mich bezwinget,
Dein hoher Geist, der alles kühn durchdringet,
Und blitzend sich zum Himmelslichte schwinget?"
(Heinrich Heine)


 schorsch antwortete am 06.02.05 (10:10):

Auch noch gerade zum Thema passend:

Das Säugetier

Kaum ist der kleine Mensch geboren,
lässt er uns nicht ungeschoren;
von morgens vier bis abends acht,
demonstriert er seine Macht.
Erst beherrscht er seine Mutter,
schreit nach Milch und anderem Futter
und kann so, mit stetem Schreien,
junge Eltern schon entzweien.
Später dann im Flegelalter,
nützt kein Fluchen mehr noch Psalter,
nützen Märchen nichts noch Fabeln;
der Mensch beginnt, sich abzunabeln.
Und statt seine Eltern ehren,
tut er meistens dies verkehren;
grunzt und rülpst, wäscht nicht die Ohren,
und tut stattdessen - Nasen bohren.
Ja, man merkt`s mit Schaudern schier:
der Mensch ist halt ein Säu-Getier!


April 1995, schorsch, alias Georg von Signau


 mart antwortete am 06.02.05 (10:59):

Neue Mütter" - Dramolett von Antonio Fian
Der kleine Stowasser und der Nobelpreis

(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14.10.2004)


"2009. Bürgerliches Wohnzimmer. Ein Stutzflügel.
An der Wand darüber in einem prächtigen Rahmen eine Kinderzeichnung mit dem Titel "Elfriede Jelinek erhält den Literaturnobelpreis". Am Instrument ein fünfjähriges Mädchen. Sie spielt Schumanns "Träumerei". Auf einem Sessel neben ihr ihre Mutter. Sie nickt im Takt dazu. Die Tochter hat das Stück zu Ende gespielt und blickt nun stumm auf die Zeichnung.

DIE MUTTER: Was haben wir uns vorgenommen?
DIE TOCHTER: Wenn ich groß bin, werde ich Literaturnobelpreisträgerin und unterstütze Frauenprojekte.
DIE MUTTER: Brav. Aber bis dahin musst du noch viel lernen. Aus welcher Sprache kommt das Wort "Projekt"?
DIE TOCHTER: Latein. Das muss das P. P. P. von proicio sein. Proicio 3, proieci, proiectus.
DIE MUTTER: Und was heißt proicio?
DIE TOCHTER: Irgendwas mit werfen.
DIE MUTTER: Das will ich schon genauer wissen.
(Sie reicht ihr den "Kleinen Stowasser".)
DIE TOCHTER (blättert einige Zeit und liest dann vor): Vorwerfen, vorstrecken, vorhalten. Hinaus-, fortjagen. Verbannen, zum Beispiel in insulam. Hinwerfen, zu Boden, beiseite, wegwerfen. Fahren lassen. (Sie kichert, konzentriert sich aber sofort wieder.) Auf-, preisgeben, verschmähen. Hinziehen, verweisen. Davon proiectus: Erstens hervortretend, hervorragend, geneigt. Zweitens am Boden liegend, niedrig, verächtlich, auch demütig.
DIE MUTTER (schließt die Augen, genießerisch): Am Boden liegend, niedrig, verächtlich, richtig. Auch demütig.
DIE TOCHTER (eifrig): Demütig zum Beispiel mit vultus.
DIE MUTTER (öffnet die Augen): Was heißt vultus?
DIE TOCHTER (blättert, liest vor): Vultus, vultus, masculinum. Gesichtsausdruck, Miene, Gesicht, Blick.
DIE MUTTER: Richtig. Und was ist das nächste Wort?
DIE TOCHTER: Vulva. Femininum.
DIE MUTTER: Heißt?
DIE TOCHTER: Da steht nur: Siehe volva.
DIE MUTTER: Na dann, siehe volva. (Sie schließt die Augen und lehnt sich zurück.)
DIE TOCHTER (blätternd, ihrer Sache sicher): Sicher was mit rollen. Volvo 3, volvi, volutus. (Sie hört auf zu blättern, öffnet den Mund, um vorzulesen, schreit auf und stürzt ohnmächtig zu Boden. Pause.)
DIE MUTTER (steht auf, Augen geschlossen. Mit Hochgenuss): "Gebärmutter (der Sau als Leckerbissen)"! Ja! Die einzige Bedeutung! (Pause. Sie kniet sich neben ihre Tochter und tätschelt ihre Wange.) Auf dich wartet noch viel Arbeit, Kind.
(Vorhang)"


 Enigma antwortete am 06.02.05 (18:12):

Hallo alle,

ich danke allen Schreiber(innen) für die schönen und interessanten Beiträge, die ich voller Freude nach Rückkehr von einem zweitägigen Aufenthalt auf "dem Lande"
(der schön war, aber die Rückkehr nachhause auch) vorfinde und wirklich geniesse, jeden auf seine Art.
Danke Euch!

Friederike Mayröcker
Meine Mutter mit den offenen Armen

Meine Mutter mit den offenen Armen
wenn sie mich grüßte wenn ich zu ihr kam

meine Mutter mit den zärtlichen Worten
wenn ich sie anrief daß ich nicht kommen könne

meine Mutter mit dem abgewandten Gesicht
als sie noch sprechen wollte aber es nicht mehr konnte

meine Mutter mit den geschlossenen Augen
als ich zu spät kam sie ein letztes Mal zu umarmen

Internet-Tipp: https://www.lyrikwelt.de/autoren/mayroecker.htm


 yankee antwortete am 07.02.05 (10:38):

Die junge Mutter

Im grün verhangnen duftigen Gemach,
auf weißen Kissen liegt die junge Mutter;
wie brennt die Stirn! sie hebt das Auge schwach
zum Bauer, wo die Nachtigall das Futter
den nackten Jungen reicht: �Mein armes Tier,�
so flüstert sie, �und bist du auch gefangen
gleich mir, wenn draußen Lenz und Sonne prangen,
so hast du deine Kleinen doch bei dir.�

Den Vorhang hebt die graue Wärterin
und legt den Finger mahnend auf die Lippen;
die Kranke dreht das schwere Auge hin,
gefällig will sie von dem Tranke nippen;
er mundet schon, und ihre bleiche Hand
faßt fester den Kristall, - o milde Labe! -
�Elisabeth, was macht mein kleiner Knabe?�
�Er schläft,� versetzt die Alte abgewandt.

Wie mag er zierlich liegen! - Kleines Ding! -
und selig lächelnd sinkt sie in die Kissen;
ob man den Schleier um die Wiege hing,
den Schleier, der am Erntefest zerrissen?
Man sieht es kaum, sie flickte ihn so nett,
daß alle Frauen höchlich es gepriesen.
Und eine Ranke ließ sie drüber sprießen.
�Was läutet man im Dom, Elisabeth?�

�Madame, wir haben heut' Mariatag.�
So hoch im Mond? sie kann sich nicht besinnen. -
Wie war es nur? - Doch ihr Gehirn ist schwach,
und leise suchend zieht sie aus den Linnen
ein Häubchen, in dem Strahle kümmerlich
läßt sie den Faden in die Nadel gleiten;
so ganz verborgen will sie es bereiten,
und leise, leise zieht sie Stich um Stich.

Da öffnet knarrend sich die Kammertür,
vorsicht'ge Schritte übern Teppich schleichen.
�Ich schlafe nicht, Rainer, komm her, komm hier!
Wann wird man endlich mir den Knaben reichen?�
Der Gatte blickt verstohlen himmelwärts,
küßt wie ein Hauch die kleinen weißen Hände:
�Geduld, Geduld, mein Liebchen, bis zum Ende!
Du bist noch gar zu leidend, gutes Herz.�

�Du duftest Weihrauch, Mann.� - �Ich war im Dom;
schlaf, Kind!� und wieder gleitet er von dannen.
Sie aber näht, und liebliches Phantom
spielt um ihr Aug' von Auen, Blumen, Tannen. -
Ach, wenn du wieder siehst die grüne Au,
siehst über einem kleinen Hügel schwanken
den Tannenzweig und Blumen drüber ranken,
dann tröste Gott dich, arme junge Frau!

Anette von Droste-Hülshoff


 tiramisusi antwortete am 07.02.05 (10:46):

"Mütterlein"
von Georg Kreisler

Ich sitz oft zu Hause,
wenn Dämm'rung beginnt.
Doch zünd' ich die Lampe nicht an.
Ich denke der Jahre, die hinter mir sind,
und frage mich ehrlich sodann:

Wem soll ich für das, was ich bin dankbar sein?
Der Schule, dem Zufall, dem Galück?
Nein, mein Dank der gebührt einer Frau ganz allein,
und an sie denk' im immer zurück.

Mütterlein, Mütterlein,
du warst mehr als Gold und Geld,
man kann beinah' sagen ohne dich,
wär ich heut' nicht auf der Welt.

Mütterlein, Mütterlein,
oh wie gut warst du zu mir.
Pokerspielen und Motorradfahr'n
all das kann ich nur von dir.

Nie warst du mit mir despotisch,
was du nahmst das nahmst du schnell.
Glücklich war ich und neurotisch,
sorgenfrei und kriminell.

Nie ließt du mir etwas fehlen,
nein, es war ein stiller Brauch,
was benötigt wird zu stehlen,
was man nicht benötigt auch.

Als ich bei Herrn Meier einbrach,
zeigtest du mir jeden Schitt.
Als ich mir dabei ein Bein brach,
da nahmst du die Beute mit.

Messer immer scharf zu schleifen,
brachtest du mir liebend bei.
Nie Revolver anzugreifen,
ausser ge'ng die Polizei.

Mütterlein, Mütterlein,
war mir je etwas nicht klar,
hast du alles mir genau erklärt,
nur nicht wer mein Vater war.

Warum kannst du heute nicht mehr bei mir sein?
Wie gern hätt' ich dich noch gebabt!
Doch du brachst vor zwei Jahren in die Länderbank ein,
und dabei ham' sie dich geschnappt.

Du sitzt hinter Gittern und sehnst dich heraus,
und glaubst gar, man läßt dich im Stich.
Nein, Nein! Mütterlein, Mütterlein mach dir nichts draus
die Länderbank knack ich für dich!

Mütterlein, Mütterlein,
weilst du jetzt auch fern von mir,
weiss ich doch es wird nicht lang so sein,
eines Tags komm ich zu dir.

Kinderlein, Kinderlein,
darum sage ich euch heut,
habt ihr Freundes Geld, versaufet es,
habt ihr Schwesterlein, verkaufet es,
habt ihr Kinderlein, verjaget sie,
habt ihr Ehefraun, erschlaget sie, doch habt ihr noch ein Mütterlein, macht ihr recht viel Freud'!

� Georg Kreisler

sorry, ich konnte nicht widerstehen -
meine Mama und ich haben oft herzlich über das Lied gelacht.


 yankee antwortete am 07.02.05 (11:48):

@tiramisusi
Da bin ich richtig froh, daß du dich nicht zurückhalten konntest. Solche Gedichte findet man nicht so leicht. Weiter so :-)


Erbauliche Bescheidenheit
Wilhelm Busch

Sehr schlecht befand sich Mutter Klöhn.
Sie kann nicht gehn,
Ist krumm und lahm
Und liegt zu Bett und rührt sich nicht.
Seit zwanzig Jahren hat sie schon die Gicht.
Herr Küster Bötel, welcher häufig kam,
Um gute Beßrung ihr zu wünschen,
Erzählt ihr auch des weitern,
Um sie ein wenig zu erheitern,
Die Mordgeschichte, die man jüngst verbrochen.
Ja, denken Sie nur mal,
Der Präsident von Frankreich ist erstochen
Von einem Strolch
Mit einem Dolch.
Ist das nicht ein Skandal?
Oh, Lüh und Kinners, rief sie voller Graun,
Wat gift et doch vär Minschen.
Sau wat könnt eck doch nich e daun!!
Herr Bötel sprach und sah sie freundlich an:
Dies Wort von Ihnen mag ich leiden.
Ein guter Mensch ist niemals unbescheiden
Und tut nicht mehr, als was er kann.
Adieu, Frau Klöhn!
Auf fröhlich Wiedersehn!


 tiramisusi antwortete am 07.02.05 (13:12):

@ Yankee - dann hast Du sicher auch Spass an diesen Verschen - stammt so aus den 70ern und wurde von Insterburg & Co. interpretiert und später auch mal von "Mayers Dampfkapelle" ..

Es stammt von Hans Scheibner aus dem Büchlein
"Spott ist allmächtig - Lästerlyrik"

Das hat mein Mütterlein mir beigebracht

Daß ich gehorsam bin und so bescheiden
und immer aufsteh' in der Straßenbahn,
und laß mir wöchentlich die Haare schneiden:
Das hat mein Mütterlein mir angetan!

Daß ich vor Vorgesetzten mich verneige,
nie in der Kneipe sitz' bis in die Nacht,
dem Alter mich in tiefer Ehrfurcht beuge:
Das hat mein Mütterlein aus mir gemacht!

Daß ich die Mädchen nicht am Busen fasse
und warte bis ich drankomm' in Geduld
und mich von meinem Chef beschimpfen lasse:
Das ist mein liebes Mütterlein dran schuld!

Daß ich zur Kirche geh, die Hände falte,
den Katechismus rauf- und runterbet'
und was der Pfarrer sagt, für heilig halte:
Das hat mein Mütterlein so hingedreht!

Daß ich mich morgens auch da unten wasche,
weil Sauberkeit zu frohem Herzen führt
und nehme hübsch die Hände aus der Tasche:
Das hat mein Mütterlein mir andressiert!

Daß ich mich um die Nieren warm anziehe
und nie was trinke, was betrunken macht,
ein frohes Liedchen flöte in der Frühe:
Das hat mein Mütterlein mir beigebracht!

Daß Neger riechen, Italiener klauen
(den besten Kaffee kochen doch nur wir)
daß alle Türken hauen ihre Frauen:
Mein liebes Mütterlein, verdank ich dir!

Daß jeder Polizist grundsätzlich recht hat
und daß man sparsam ist und sich nichts borgt,
daß der Verbrecher es im Knast nicht schlecht hat:
Da hat mein Mütterlein schon für gesorgt!

O, Mütterlein, du weißt es doch: ich habe
Gehorsam dir erwiesen so viel Jahr'.
Nun steh' ich weinend hier an deinem Grabe:
Nur weil ich bis zuletzt gehorsam war!

Mit hocherhobnem Eisenhammer stand ich.
Und du, mein Mütterlein, was sagtest du?
"O, untersteh dich!"- Und ich unterstand mich:
Mein armes Mütterlein, da schlug ich zu!

Was ich auch ganz bestimmt nicht wieder tu...


 Enigma antwortete am 07.02.05 (14:03):

:-))
Ja, dann halte ich mich auch mal nicht zurück...

Eduard Mörike
Wenn meine Mutter hexen könnt`.

Wenn meine Mutter hexen könnt`,
da müßt`sie mit dem Regiment,
nach Frankreich, überall mit hin,
und wär` die Marketenderin.

Im Lager wohl um Mitternacht,
wenn niemand auf ist als die Wacht,
und alles schnarchet, Roß und Mann,
vor meiner Trommel säß`ich dann.

Die Trommel müßt`eine Schüssel sein,
ein warmes Sauerkraut darein;
Die Schlegel Messer und Gabel,
eine lange Wurst mein Sabel.

Mein Tschako wär`ein Humpen gut,
den füll`ich mit Burgunderblut.
Und weil es mir an Lichte fehlt,
da scheint der Mond in mein Gezelt.

Scheint er auch auf Franzö`sch herein,
mir fällt doch meine Liebste ein.
Ach weh! Ach weh! Ach weh! weh!
Jetzt hat der Spaß ein End`!
Wenn nur meine Mutter hexen könnt`!
Wenn meine Mutter hexen könnt`!


 yankee antwortete am 07.02.05 (14:16):

:-))

Nun seh ich mich als braver Bub doch wirklich gezwungen, der Lästerlyrik über Mütter einiges entgegenzuhalten.

Wenn du noch eine Mutter hast, so danke Gott und sei zufrieden;
nicht allen auf dem Erdenrund ist dieses hohe Glück beschieden.�
(Friedrich Wilhelm Kaulisch)


 yankee antwortete am 07.02.05 (14:18):

Gott konnte nicht überall zur gleichen Zeit sein,
und deswegen erschuf er die Mütter.
(Jüdisches Sprichwort)


 yankee antwortete am 07.02.05 (14:20):

Ich habe heute ein paar Blumen
für Dich nicht gepflückt,
um Dir ihr Leben mitzubringen.
(Christian Morgenstern)


 yankee antwortete am 07.02.05 (14:21):

An meine Mutter

So gern hätt' ich ein schönes Lied gemacht
Von Deiner Liebe, deiner treuen Weise;
Die Gabe, die für andre immer wacht,
Hätt' ich so gern geweckt zu deinem Preise.

Doch wie ich auch gesonnen mehr und mehr,
Und wie ich auch die Reime mochte stellen,
Des Herzens Fluten wallten darüber her,
Zerstörten mir des Liedes zarte Wellen.

So nimm die einfach schlichte Gabe hin,
Von einfach ungeschmücktem Wort getragen,
Und meine ganze Seele nimm darin:
Wo man am meisten fühlt, weiß man nicht viel zu sagen.

(Annette von Droste-Hülshoff )


 yankee antwortete am 07.02.05 (14:23):

@Enigma

Von Mörike gibt es noch eins. Hat er extra für seine Mutter gedichtet.

An meine Mutter

Siehe, von allen den Liedern
nicht eines gilt dir, o Mutter,
dich zu preisen, o glaub's !
bin ich zu arm und zu reich.

Ein noch ungesungenes Lied,
ruhst du mir am Busen,
keinem vernehmbar sonst,
mich nur zu trösten bestimmt,

wenn sich das Herz unmutig
der Welt abwendet
und einsam seines himmlischen Teils
ewigen Frieden bedenkt.

(Eduard Mörike)


 Enigma antwortete am 07.02.05 (14:24):

Der Muttertrieb ist gefährlicher als die Atombombe.
(Loriot) :-)


 Enigma antwortete am 07.02.05 (14:30):

Matthias Claudius
Die Mutter bei der Wiege

Schlaf, süßer Knabe, süß und mild!
Du deines Vaters Ebenbild!
Das bist du, zwar dein Vater spricht,
du habest seine Nase nicht. Nur eben itzo war er hier
und sah dir ins Gesicht.

Und sprach:"Viel hat er zwar von mir,
doch meine Nase nicht."
Mich dünkt es selbst, sie ist zu klein,
doch muß es seine Nase sein;
Denn wenn`s nicht seine Nase wär,

wo hättest du denn die Nase her?
Schlaf, Knabe, was dein Vater spricht,
spricht er wohl nur im Scherz;
Hab immer seine Nase nicht,
und habe nur sein Herz!


 Enigma antwortete am 07.02.05 (14:50):

@Yankee

Danke für das zweite Mörike-Gedicht

Friedrich Wilhelm Güll
Meine Mutter

Kein Vogel sitzt in Flaum und Moos
in seinem Nest so warm
als ich auf meiner Mutter Schoß,
auf meiner Mutter Arm.

Und tut mir weh mein Kopf und Fuß,
vergeht mir aller Schmerz,
gibt mir die Mutter einen Kuß
und drückt mich an ihr Herz.


 pilli antwortete am 07.02.05 (15:38):

lach tiramisusi;

da haut`s die mutter glatt vom hocker;
wann wird`s denn hier wohl wieder locker?

welcome back!

*freu*...*grins* und heiss auf mehr!

:-)


 mart antwortete am 07.02.05 (16:26):

Heißt das, daß das Deutsche Biedermaier jetzt öfters durchbrochen wird?:-))

Schön, dich wieder zu lesen!!!!!!!!!!


 tiramisusi antwortete am 07.02.05 (21:13):

@ mart - vielleicht machen sich grosszügig-barocke Kringel hier und da mit ab und zu einem kleinen Widerhaken ja ganz gut auf den Biedermeiereien :-)


 mart antwortete am 08.02.05 (08:20):

Mutter
Stiefmutter
Schwiegermutter


:-))


 Enigma antwortete am 08.02.05 (08:40):

Guten Morgen alle,
hallo Mart, so hatte ich auch schon assoziiert....*lach*
Danke!

Meine Mutter hatte einen Haufen Ärger mit mir, aber ich glaube, sie hat es genossen.
(Mark Twain)


 schorsch antwortete am 08.02.05 (08:57):

Meine Mutter nannte mich Nazi; das war damals die schlimmste Beschimpfung.....


......aber am Ende ihrer Tage war wie froh über mich.....


 Enigma antwortete am 08.02.05 (09:47):

Fast jedesmal, wenn ich an dieses Thema denke, fällt mir ein Film ein, den ich vor einigen Jahren gesehen habe, und der mich sehr beeindruckt hat.
Er heisst: "Die Asche meiner Mutter",nach dem gleichnamigen Roman von Frank McCourt gedreht.

In dem Film regnete es an dem Schauplatz Limerick fast unentwegt. Das unterstrich die bedrückende Seite der Geschichte, obwohl sie auch andere hatte.
Als wir dann aus dem Kino wieder raus kamen, regnete es ebenso, und ich fühlte mich voller "Tristesse" (die intensive Wirkung des Films).

"Die Asche meiner Mutter" bedeutet übrigens nicht, wie man vielleicht vermuten mag, dass das die Überbleibsel der Verstorbenen waren, sondern bezog sich auf deren Angewohnheit, "in die verglühte Kaminasche zu murmeln..."

Internet-Tipp: https://www.filmstarts.de/kritiken/Die%20Asche%20meiner%20Mutter.html


 marie2 antwortete am 08.02.05 (10:09):

Die Rabenmutter
1. Sollte ein'm da das Herz nicht bluten,
wenn man höhret die Geschicht,
|: Wie in Hamburg eine Mutter
ihrem Kind das Urteil spricht. :|

2. Einst hat sie ein Kind geboren,
das jetzt sieben Jahr alt war,
als den Mann sie hat verloren,
und nun eine Witwe war.

3. Jetzt wollt sie ein andrer haben,
doch er sprach: "wenn's Kind nicht wär!"
und sie ließ dem Manne sagen
"Dieses Kind lebt bald nicht mehr!"

4. Einmal tat sie es probieren,
nahm das Kindlein bei der Hand,
In den Keller tat sie's führen
und verriegelt Schloß und Band.

5. So hier sollst du fortan weilen,
bis du leidest deinen Tod!"
"Mutter,Mutter! hab Erbarmen!
Gib mir doch ein Stückchen Brot!"

6. Lange mußt sie's Kind ertragen,
Bis es fand den Tod so arg.
Und dem Manne ließ sie sagen,
das er mach den Todensarg.

7. Und der Sarg war fix und fertig,
und die Träger standen da,
auch die Mutter gegenwärtig,
die nun auf ihr Kindlein sah.

8. Und beim ersten Glockenschlage
Dreht das Kind sich einmal um.
Und beim zweiten Glockenschlage
fing das Kind zu sprechen an:

9. "Du bist schuld an meinem Leiden,
du bist schuld an meinem Tod.
Morgen willst du Hochzeit feiern,
Ich verklage dich bei Gott.

10. Morgen soll die Hochzeit sein,
die dich führen soll ins Glück.
Doch die Glocken die da läuten,
die beschließen dein Geschick.

11. Und du trittst im Unschuldsschleier
in die dunkle Kirche ein.
Doch die Männer die dich führen,
werden Henkersknechte sein!"

12. Und sie mußt am Galgen enden,
Als die Sühne für die Tat,
zu der die falsche Liebe und
Eitelkeit getrieben hat.


 Enigma antwortete am 09.02.05 (09:23):

...ja Marie, und so siegt die Gerechtigkeit... :-)))

"Ach, so tapfer ist das gar nicht, Budd! Jeder andere mit derselben Todesverachtung hätte auch deine Mutter geheiratet!"

Al Bundy, Figur in der Serie "Eine schrecklich nette Familie"


 pilli antwortete am 12.02.05 (05:43):

Altersheim

Komm` Sie rein !
Na kommen Sie !
Ich bin Schwester Annelie.
Das ist also ihre Mutter.
Na dann wolln wir uns mal umschaun !
Hier im Flur sind die Toiletten.
Alles Zimmer mit zwei Betten.
Ein paar Bilder und ein Sessel
dürfen mitgenommen werden.
Das ist unser Kätchen Schnirkel.
Die macht Mittwochs Häkelzirkel.
Ja, so lustig ist die immer.
Kätchen, geh mal auf dein Zimmer !
Mama, das ist doch wirklich was für dich !
Prima !
Na hier gefällt`s dir sicherlich.
Mama.

Hier im Klubraum wird bis zehn jeden Abend ferngesehn,
und am Sonntag ist Besuchszeit.
Gell, da freun Sie sich schon jetzt drauf.
Manche sind ja nicht ganz reinlich,
deshalb riecht es hier wahrscheinlich
noch nach Formali�n vom Wischen.
Das ist alles nur Gewöhnung !
Hier ist ihre Zimmernummer.
Da im Bett schläft Frau Kummer.
Die schweigt schon seit ein paar Tagen.
Na, sie werd`n sich schon vertragen.
Mama, nun sag doch
das es dir gefällt.
So schön hab ich`s mir gar nicht vorgestellt.
Mama.

Unser Haus ist abgelegen.
Diese Ruhe ist ein Segen.
Na, nun schaun Sie aus dem Fenster.
Ist das nicht ein schöner Rasen ?
Keine Kinder, die sie stören,
überhaupt kein Mucks zu hören,
höchstens wenn der Müll geholt wird.
Doch das werden Sie verkraften.
So, das wär`s .
Hab`n Sie noch Fragen ?
Gell, ich darf doch Omi sagen ?
Na, wer wird denn plötzlich weinen ?
Alles prima, will ich meinen.
Mama, jetzt ist es höchste Zeit für mich.
Kopf hoch !
Und halt die Ohren steif, versprich !
Mama .

(Gerhard Schöne)



 Enigma antwortete am 12.02.05 (07:53):

Guten Morgen alle,

Pilli, toll ist das Gedicht.
Meiner Mutter, die leider nicht mehr lebt, hättest Du damit aus der Seele gesprochen in ihrer Befürchtung, dass alte Menschen oft nicht mehr als vollwertige Partner akzeptiert werden, auch wenn der Kopf noch funktioniert.
Und abgelehnt hat sie auch diese "gönnerhafte" Sprache, die wohl liebevoll sein soll, aber im Grunde abwertend ist.
Aber ich kenne auch gute Altersheime, wo das nicht der "Stil des Hauses" ist, Gott sei Dank....

Betty Paoli
Dunkle Einsamkeit

Als meine Mutter krank und nah der letzten Reise,
da ward verändert viel auf mannigfache Weise.

Zuerst befahl der Arzt, die Blumen wegzutragen,
die gerne sie gepflegt in frühern bessern Tagen.

Dann ward dem Tageslicht der Eingang auch verwehrt -
Es hieß, damit die Ruh`der Kranken ungestört.

Und als der Priester kam, die Hostie ihr zu reichen,
da mußte selbst ihr Kind aus ihrem Zimmer weichen.

So, losgerissen längst, und längst schon im Entschweben
verhauchte sie zuletzt nur einen Schein von Leben.-

Auch mir ward nach und nach Duft, Licht und Lieb`genommen.
Ich lieg`in stiller Nacht - wird wohl der Tod bald kommen.

Internet-Tipp: https://www.litlinks.it/p/paoli_b.htm


 pilli antwortete am 12.02.05 (08:41):

Enigma :-),

mit ein grund, das ich mich bissel rar gemacht habe, ist die neue lebens-situation meiner mum, die wir am Montag morgen begleiten werden auf ihrem weg vom krankenhaus in ein Stift, das ich mit sehr viel glück auswählen durfte, da es vom gleichen träger verwaltet wird, wie auch der Altentreff, wo ich so viele schöne stunden im vergangenen jahr verlebt habe. wir hatten knappe zwei wochen zeit, uns zum einen zu freuen, das sie so weit stabilisiert wurde und zum anderen den weg zu gehen, von dem ich dachte, es sei der mum die gnade vergönnt, das procedere nicht mehr mit der kraft ihres verstandes zu begleiten. dem war aber nicht so...ganz im gegenteil!

es galt also ohne wenn und aber im gemeinsamen gespräch innerhalb weniger tage abschied von fast 50 jahren wohnen in einer wohnung zu nehmen. heute werden wir mit einigen wenigen privaten dingen versuchen, bissel atmosphäre zu schaffen aber es ist halt nur deko...für mehr ist vorerst kein raum.

vielleicht haben wir ab Montag mehr zeit, all das zu begreifen, was wir zur zeit nur mechanisch erledigen?

liebe grüsse,

pilli


 Enigma antwortete am 12.02.05 (09:17):

Pilli,
da wünsche ich Dir viel, viel Kraft.
Aus eigener Erfahrung weiss ich, dass sowas an die Substanz geht.


Rose Ausländer
Meine Nachtigall

Meine Mutter war einmal ein Reh
Die goldbraunen Augen
die Anmut
blieben ihr aus der Rehzeit

Hier war sie
halb Engel halb Mensch-
die Mitte war Mutter
Als ich sie fragte was sie gern geworden wäre
sagte sie: Eine Nachtigall

Jetzt ist sie eine Nachtigall
Nacht um Nacht höre ich sie
im Garten meines schlaflosen Traumes
Sie singt das Zion der Ahnen
sie singt das alte Österreich,
sie singt die Berge und Buchenwälder
der Bukowina
Wiegenlieder
singt mir Nacht um Nacht
meine Nachtigall
im Garten meines schlaflosen Traumes


 schorsch antwortete am 12.02.05 (15:14):

Wie dankbar bin ich meiner Mutter;
sie gab mir Jahre Milch und Futter.
Doch heut muss selber ich mich futtern;
ach könnt ichs immer noch bei Muttern!


 pilli antwortete am 12.02.05 (21:50):

"Die alte Waschfrau"

1. Du siehst geschäftig bei dem Linnen
Die Alte dort in weißem Haar,
Die rüstigste der Wäscherinnen
Im sechsundsiebenzigsten Jahr.
So hat sie stets mit sauerm Schweiß
Ihr Brot in Ehr und Zucht gegessen
Und ausgefüllt mit treuem Fleiß
Den Kreis, den Gott ihr zugemessen.

2. Sie hat in ihren jungen Tagen
Geliebt, gehofft und sich vermählt;
Sie hat des Weibes Los getragen,
Die Sorgen haben nicht gefehlt;
Sie hat den kranken Mann gepflegt,
Sie hat drei Kinder ihm geboren;
Sie hat ihn in das Grab gelegt
Und Glaub' und Hoffnung nicht verloren.

3. Da galt's, die Kinder zu ernähren;
Sie griff es an mit heiterm Mut,
Sie zog sie auf in Zucht und Ehren,
Der Fleiß, die Ordnung sind ihr Gut.
Zu suchen ihren Unterhalt
Entließ sie segnend ihre Lieben,
So stand sie nun allein und alt,
Ihr war ihr heitrer Mut geblieben.

4. Sie hat gespart und hat gesonnen
Und Flachs gekauft und nachts gewacht,
Den Flachs zu feinem Garn gesponnen,
Das Garn dem Weber hingebracht;
Der hat's gewebt zu Leinewand.
Die Schere brauchte sie, die Nadel,
Und nähte sich mit eigner Hand
Ihr Sterbehemde sonder Tadel.

5. Ihr Hemd, ihr Sterbehernd, sie schätzt es,
Verwahrt's im Schrein am Ehrenplatz;
Es ist ihr Erstes und ihr Letztes,
Ihr Kleinod, ihr ersparter Schatz.
Sie legt es an, des Herren Wort
Am Sonntag früh sich einzuprägen;
Dann legt sie's wohlgefällig fort,
Bis sie darin zur Ruh sie legen.

6. Und ich, an meinem Abend, wollte,
Ich hätte, diesem Weibe gleich,
Erfüllt, was ich erfüllen sollte
In meinen Grenzen und Bereich;
Ich wollt', ich hätte so gewußt
Am Kelch des Lebens mich zu laben,
Und könnt' am Ende gleiche Lust
An meinem Sterbehemde haben.

...

1. Es hat euch anzuhören wohl behagt,
Was ich von meiner Waschfrau euch gesagt;
Ihr habt's für eine Fabel wohl gehalten?
Fürwahr, mir selbst erscheint sie fabelhaft;
Der Tod hat längst sie alle hingerafft,
Die jung zugleich gewesen mit den Alten.

2. Dies werdende Geschlecht, es kennt sie nicht
Und geht an ihr vorüber ohne Pflicht
Und ohne Lust, sich ihrer zu erbarmen.
Sie steht allein. Der Arbeit zu gewohnt,
Hat sie, solang' es ging, sich nicht geschont;
Jetzt aber, wehe der vergess'nen Armen!

3. Jetzt drückt darnieder sie der Jahre Last;
Noch emsig thätig, doch entkräftet fast
Gesteht sie ein: "So kann's nicht lange währen.
Mag's werden, wie's der liebe Gott bestimmt;
Wenn er nicht gnädig bald mich zu sich nimmt, -
Nicht schafft's die Hand mehr - muss er mich ernähren."

4. Solang' sie rüstig noch beim Waschtrog stand,
War für den Dürst'gen offen ihre Hand;
Da mochte sie nicht rechnen und nicht sparen.
Sie dachte bloß: "Ich weiß, wie Hunger thut." -
Vor eure Füsse leg' ich meinen Hut,
Sie selber ist im Betteln unerfahren.

5. Ihr Fraun und Herrn, Gott lohn' es euch zumal,
Er geb' euch dieses Weibes Jahre Zahl
Und spät dereinst ein gleiches Sterbekissen!
Denn wohl vor allem, was man Güter heißt,
Sind's diese beiden, die man billig preist:
Ein hohes Alter und ein rein Gewissen.
(Adelbert von Chamisso)


 pilli antwortete am 12.02.05 (21:55):

"Die Mutter spricht zu ihrem Kind"

Du bist Wesen, ich bin Raum,
Du die Frucht und ich der Baum.
Kind, in deine ersten Lüste
Senk ich meine braunen Brüste
Und mein Bild in deinen ersten Traum.

Du wirst jung, ich werde alt,
Vogel du mir, ich dein Wald;
Liebe Stimme, singe, singe,
Echo bin ich, und ich klinge
Heute noch -- wer weiss, ich schweige bald.

Du wirst gross, ich werde klein,
Grosse Träume warten dein -
Doch für deine neuen Lüste
Suchst du nicht der Mutter Brüste,
In der Kammer schlaf ich dann allein,
Dunkel wird der Wald und stille sein.

(Albrecht Goes)


 pilli antwortete am 12.02.05 (21:59):

"Elternlied"

Kinder laufen fort.
Lang her kann's noch gar nicht sein,
kamen sie zur Tür herein,
sassen zwistiglich vereint
alle um den Tisch.

Kinder laufen fort.
Und es ist schon lange her.
Schlechtes Zeugnis kommt nicht mehr,
Stunden Ärgers, Stunden schwer:
Scharlach, Diphterie!

Kinder laufen fort.
Söhne hangen Weibern an.
Töochter haben ihren Mann.
Briefe kommen, dann und wann,
nur auf einen Sprung.

Kinder laufen fort.
Etwas nehmen sie doch mit.
Wir sind ärmer, sie sind quitt.
Und die Uhr geht Schritt für Schritt
um den leeren Tisch.

(Franz Werfel)


 pilli antwortete am 12.02.05 (22:05):

"Alle Mütter..."

Alle Mütter waren einmal klein.
Kinder können das oft gar nicht fassen.
Wenn die Kinderschuhe nicht mehr passen,
Fällt es ihnen wohl zuweilen ein.
Große Kinder suchen fremde Gassen,
Mütter bleiben später oft allein.
Alle Kinder werden einmal groß.
Mütter können das oft nicht begreifen.
Kleines Mädchen mit den bunten Schleifen,
Spieltest gestern noch auf ihrem Schoß;
Kleiner Sohn, mußt du die Welt durchstreifen?
Mütter haben oft das gleiche Los.
Alle Stuben werden einmal leer.
Kahl der Tisch, verwaist und stumm der Garten.
Diele knarrt. Und Mütter schweigen, warten...
Manchmal kommt ein Brief von weitem her.
Stern verlischt. Und all die wohlverwahrten
Tränen tropfen ungeweint ins Meer �

(Mascha Kaléko)


 Enigma antwortete am 13.02.05 (10:18):

...alle berühren mich, Pilli....

Heinrich Heine
An meine Mutter B. Heine
geborene v. Geldern

Im tollen Wahn hatt ich dich einst verlassen,
ich wollte gehn die ganze Welt zu Ende,
und wollte sehn, ob ich die Liebe fände,
um liebevoll die Liebe zu umfassen.

Die Liebe suchte ich auf allen Gassen,
vor jeder Türe streckt ich aus die Hände,
und bettelte um g`ringe Liebesspende -
doch lachend gab man mir nur kaltes Hassen.

Und immer irrte ich nach Liebe, immer
nach Liebe, doch die Liebe fand ich nimmer,
und kehrte um nach Hause, krank und trübe.

Doch da bist du entgegen mir gekommen,
und ach! Was da in deinem Aug`geschwommen,
das war die süße, langgesuchte Liebe.


 tiramisusi antwortete am 13.02.05 (11:21):

Mutters Hände
(Kurt Tucholsky)


Hast uns Stulln jeschnitten und Kaffee
Jekocht un de Töppe rübajeschom �
Und jewischt und jenäht und jemacht
Und jedreht...alles mit deine Hände.

Hast de Milch zujedeckt, uns Bonbons
Jesteckt uns Zeitungen ausjetragen �
Hast de Hemden jezählt un Kartoffeln
Jeschält...alles mit deine Hände.

Hast uns manches Mal bei jrossem
Schkandalauch�n Katzenkopp jejeben,
Hast uns hochjebracht. Wir wahn Sticker acht,
Sechse noch am Leben; alles mit deine Hände.

Heiß war�n se un kalt. Nun sind se alt.
Nu biste bald am Ende. Da stehn wa nu hier,
Und dann komm wa bei dir und streicheln deine Hände.

(unvergleichlich vorgetragen von P. Frankenfeld)


 tiramisusi antwortete am 13.02.05 (17:52):

noch was schrecklich-schönes von Camillo Felgen :-)
Ich hab Ehrfurcht vor schneeweissen Haaren
Aus dem Album: ESC 1960 - Luxemburg

Ich hab Ehrfurcht vor schneeweißen Haaren
Sie verschönern der Mutter Gesicht
Und sie krönen die Arbeit von Jahren
Und ein Leben der Treue und Pflicht
Ich hab Ehrfurcht vor schneeweißen Haaren
Vor den Falten von Sorgen und Leid
Ich will helfen aus den letzten Jahren
Zu machen ihre glücklichste Zeit
Für die lieben alten Menschen
Die das Leben nie verwöhnt
Hat mein Herz ein warmes Plätzchen
Das sie mit der Welt versöhnt
Weil sie in dem harten Leben
Viel mehr Leid als Glück gesehen
Sind sie heut mit weißen Haaren
Doch mit Augen die verstehen
Ich hab Ehrfurcht vor schneeweißen Haaren
Sie verschönern der Mutter Gesicht
Und sie krönen die Arbeit von Jahren
Und ein Leben der Treue und Pflicht
Ich hab Ehrfurcht vor schneeweißen Haaren
Vor den Falten von Sorgen und Leid
Ich will helfen aus den letzten Jahren
Zu machen ihre glücklichste Zeit


 pilli antwortete am 13.02.05 (21:26):

yep...datt ist schööön!

nur :-)...warum hat meine mum sowatt nie gemocht?...hihi:

"mir wird schlecht; möchtest du das weiter hören?" :-)

hat sie gerufen, wenn ich mal wieder abgerutscht bin in die tiefen gefühls-sümpfe von WDR4 und mit tränenumflorten blick auf die wellen des Rheines geschaut habe, während ich sonntags dem wunschkonzert dieses senders gelauscht habe.

und aus war`s wieder mal mit jefühl und sonem kram...

:-)))
p.s.
zieht euch warm an! da habe ich doch heute richtige schätzlein gefunden im bücherschrank von der mum; und schon prasselt mütterliches aus allen forenlöchern auf euch:

es darf gelacht werden und millionen von kleinbürgern werden jetzt jauchzen:

...

Aus: Das Lied von der Glocke von F. Schiller:

Denn wo das Strenge mit dem Zarten,
Wo Starkes sich und Mildes paarten,
Da gibt es einen guten Klang.
Drum prüfe, wer sich ewig bindet,
Ob sich das Herz zum Herzen findet!
Der Wahn ist kurz, die Reu ist lang.
Lieblich in der Bräute Locken
Spielt der jungfräuliche Kranz,
Wenn die hellen Kirchenglocken
Laden zu des Festes Glanz.
Ach! des Lebens schönste Feier
Endigt auch den Lebensmai,
Mit dem Gürtel, mit dem Schleier
Reißt der schöne Wahn entzwei.
Die Leidenschaft flieht!
Die Liebe muß bleiben,
Die Blume verblüht,
Die Frucht muß treiben.
Der Mann muß hinaus
Ins feindliche Leben,
Muß wirken und streben
Und pflanzen und schaffen,
Erlisten, erraffen,
Muß wetten und wagen,
Das Glück zu erjagen.
Da strömet herbei die unendliche Gabe,
Es füllt sich der Speicher mit köstlicher Habe,
Die Räume wachsen, es dehnt sich das Haus.
Und drinnen waltet
Die züchtige Hausfrau,
Die Mutter der Kinder,
Und herrschet weise
Im häuslichen Kreise,
Und lehret die Mädchen
Und wehret den Knaben,
Und reget ohn Ende
Die fleißigen Hände,
Und mehrt den Gewinn
Mit ordnendem Sinn.
Und füllet mit Schätzen die duftenden Laden,
Und dreht um die schnurrende Spindel den Faden,
Und sammelt im reinlich geglätteten Schrein
Die schimmernde Wolle, den schneeigten Lein,
Und füget zum Guten den Glanz und den Schimmer,
Und ruhet nimmer.

...

:-)


 pilli antwortete am 13.02.05 (21:41):

wer möchte und sich der recherche verbunden fühlt, mag dem u.a. link folgen und wird...wenn mann oder frau fleißig nach unten gelesen oder gescrollt haben, belohnt mit dem artikel: "Der Obermieter. Von Peter Panter."

...

"Durch das Aussparen dieser Recherchen entgingen den Tucholsky-Editoren die unten erstmals mitgeteilten Drucke zu Lebzeiten im "Prager Tagblatt", denn sie sind in den bisherigen Verzeichnissen noch nicht aufgeführt. Dabei war nicht nur bekannt, daß Tucholsky regelmäßig Beiträge für das "Prager Tagblatt" geliefert hat, die fehlenden Drucknachweise hätten sich auch spielend leicht ausfindig machen lassen. Diese Editionspraxis verwundert deshalb, weil Michael Hepp, einer der Mitherausgeber, schon 1989 in einem Vortrag vollmundig (und ungeachtet der mustergültigen Editionen beispielsweise der Werke von Friedrich Schiller, Eduard Mörike oder Paul Celan) der Germanistik pauschal vorgeworfen hatte, Archivarbeit stehe wohl nicht auf ihrem Lehrplan. Rätselhaft erschien ihm vor allem, daß die Tucholsky-Forschung "bislang noch fast keine Zeitschrift oder Zeitung gründlich ausgewertet" habe, wisse man doch allein aus den Briefen von Siegfried Jacobsohn, daß Tucholsky nicht nur in der "Weltbühne", sondern auch in anderen Zeitschriften "so viele und so wichtige Beiträge" veröffentlicht habe..."

...

ein winzigkleiner einblick in die welt des Obermieters soll lust auf das walten und schalten der züchtigen hausfrau machen :-):

" Das Gehör ist ein unzuverlässiger soziologischer Sinn; das kontrollierende Auge fehlt, und die Resultate sind meistens etwas kümmerlich. Und nun will ich durch die Decke sehen und mit den Augen hören, was mein Obermieter da treibt. "Und drinnen waltet die züchtige Hausfrau, die Mutter der Kinder. . ." Das kann man wohl sagen. Und ob sie waltet! In Berlin haben die Hausfrauen des bürgerlichen Mittelstandes noch den guten, schlechten, alten Reinmachedämon in sich - sie machen nicht rein - "es" macht rein. Sir Galahad, der europäisch-indische Weise, hat einmal festgestellt, daß man im deutschen Kleinhaushalt noch die seltene Gelegenheit habe, die Arbeitsmethoden der Steinzeit zu bewundern; dem Skandal nach zu urteilen, hat er recht. Das Hausmütterchen fegt in alle Ecken - es bürstet, es tobt, es klopft, es scheint den Teppich abzumähen - es ist unerfreulich, was da oben alles getrieben wird. Und dabei müßten Sie die Frau sehen! Sie sieht aus wie ihr Besen. Denn dies hat der liebe Gott mit Recht so eingerichtet: daß man sich nicht ungestraft an einen solchen Mechanismus wegwirft, wie der Haushalt einer ist. Er frißt einen auf. Ratzekahl."

:-)


 mart antwortete am 13.02.05 (22:35):

Zu <<Ich hab Ehrfurcht vor schneeweißen Haaren<< muß einfach anführen, daß dieses vertonte Lied jahrelang und regelmäßig im Wunschkonzert am Sonntag Nachmittag zu Ehren eines Geburtstages kam. Meistens mit der netten Aufforderung, nun nicht mehr so viel zu arbeiten.

Und meine Mutter fing regelmäßig an zu fluchen ob dieser Heuchlerei.

Fiel mir jetzt nach vielen Jahren wieder ein!:-)


 pilli antwortete am 14.02.05 (06:45):

da hab ich doch den link zu den Tucholsky-Blätter vergessen, bekannt zu machen.

:-)

Internet-Tipp: https://www.tucholsky-blaetter.de/Text-Archiv/Ackermann_Nickel/ackermann_nickel.html


 tiramisusi antwortete am 14.02.05 (08:16):

Also meiner Mutter und auch uns Kindern gingen bei dieser Edelschnulze von Camillo auch die Fussnägel hoch ...

Ein anders Chanson - von Charles Aznavour - fand ich früher einfach nur schrecklich, aber seit dem Tod meiner Mutter höre ich es sehr gerne, auch den Text:

Charles Aznavour
La Mamma

Ils sont venus
Ils sont tous là
Dès qu'ils ont entendu ce cri
Elle va mourir, la mamma
Ils sont venus
Ils sont tous là
Même ceux du sud de l'Italie
Y'a même Giorgio, le fils maudit
Avec des présents plein les bras
Tous les enfants jouent en silence
Autour du lit ou sur le carreau
Mais leurs jeux n'ont pas d'importance
C'est un peu leurs derniers cadeaux
A la mamma

On la réchauffe de baisers
On lui remonte ses oreillers
Elle va mourir, la mamma
Sainte Marie pleine de grâces
Dont la statue est sur la place
Bien sûr vous lui tendez les bras
En lui chantant Ave Maria
Ave Maria
Y'a tant d'amour, de souvenirs
Autour de toi, toi la mamma
Y'a tant de larmes et de sourires
A travers toi, toi la mamma

Et tous les hommes ont eu si chaud
Sur les chemins de grand soleil
Elle va mourir, la mamma
Qu'ils boivent frais le vin nouveau
Le bon vin de la bonne treille
Tandis que s'entrassent pêle-mêle
Sur les bancs, foulards et chapeaux
C'est drôle on ne se sent pas triste
Près du grand lit et de l'affection
Y'a même un oncle guitariste
Qui joue en faisant attention
A la mamma

Et les femmes se souvenant
Des chansons tristes des veillées
Elle va mourir, la mamma
Tout doucement, les yeux fermés
Chantent comme on berce un enfant
Aprés une bonne journée
Pour qu'il sourie en s'endormant
Ave Maria
Y'a tant d'amour, de souvenirs
Autour de toi, toi la mamma
Y'a tant de larmes et de sourires
A travers toi, toi la mamma
Que jamais, jamais, jamai


Deutscher Text:
Und alle , alle kamen sie, aus Roma und aus Napoli,
denn es stand schlimm um La Mamma.
Aus dem fernen Brindisi, kam Giorgi, der verlorene Sohn,
nahm seinen ganzen Monatslohn,
kaufte Geschenke ein für sie.
Die Enkelkinder schweigen still,
sie spielen ein sehr stilles Spiel,
denn sie versteh`n das noch nicht ganz
mit La Mamma.

Sie richten ihr das Kissen auf, sie wärmen sie mit Küssen auf,
denn bald geht sie heim,
La Mamma.
Santa Maria auf dem Platz, wir bringen sie, den letzten Schatz.
Sie zünden viele Kerzen an und singen das Ave Maria.
Ave Maria
Und allen wird`s auf einmal klar, wie schön es bei La Mamma war.
Die Hoffnung wischt die Tränen fort.
Vielleicht geht`s gut mit La Mamma
Man bringt den Krug, denn es wird spät,
weil doch das Leben weitergeht,
steht es auch schlimm um La Mamma.
Und in den Wein, den man ringsum schenkt in die kühlen Becher ein,
fall`n heiße Tränen mit hinein, und die Familie sitzt vereint.
die sich seit Jahren nicht geseh`n, sie haben nun ein Wiedersehen.
Man wär so gern darüber froh,
Madonna ständ es doch nicht so
um La Mamma.
Eine Gitarre leise klingt, bis alles leis Piano singt,
Wie sie es einst für alle sang, ein ganzes langes Leben lang.
und alle beten, schläft sie ein?
Es soll doch nicht für immer sein
Ave Maria
Und allen wird`s auf einmal klar, wie schön es bei La Mamma war.
Die Hoffnung wischt die Tränen fort, vielleicht geht`s gut mit La Mammma
Geh niemals, niemals, niemals von uns fort.


 Enigma antwortete am 14.02.05 (09:58):

Guten Morgen,

wie fantasievoll könnt Ihr nur solche Schätze ausgraben ?? *lach*

Und Pilli hat irgendwie was "schicksalhaftes"; man weiss nie, wann und womit sie kommt....:-))

Joseph Victor von Scheffel
Die Mutterliebe

Ein Kleinod ist das allerbest`,
das pfleg`ich wohl und halt`es fest
und halt`es hoch in Ehren:
Das ist die Mutterliebe gut,
die gibt mir immer neuen Mut
in allen Lebensschweren.

Und ist dein Herz so freudenleer,
und ist dein Aug`so tränenschwer,
blick`in ihr Aug`hinein:
Das hat gar lichten, hellen Strahl
und trocket die Tränen allzumal
wie Frühlings-Sonnenschein.


 tiramisusi antwortete am 14.02.05 (13:13):

Als grosser Fan der Klezmermusik, die ich ab und zu auch mit einigen anderen Frauen mit Begeisterung spiele, möchte ich doch auch dieses Lied dazufügen. Hach, ich denk da immer an eine durchzechte Nacht in einer verqualmten bohemen Kneipe in Amsterdam, wo auch die Musiker, zum Teil recht betagte Herren, schon nicht mehr ganz nüchtern waren und dieses Lied mindestens 20x anfingen aber nie duchsingen konnten, weil einer von ihnen immer in echte Tränen ausbrach und irgendwann heulten wir alle mit - es war so wunderbar "seelenreinigend" imd schööön, aber auch skurril und komisch und hat allen Beteiligten wahrscheinlich mehr gebracht als diverse Stunden beim Therapeuten :-)

A yidische mame
(enstanden 1925 in den USA)
Vielen vielleicht bekannt durch den Sänger Shmuel Rodensky

Hier zunächst die jiddische Fassung:

Ikh vil bay aykh a kashe fregn, enfert ver ez ken.
Mit velkhe tayere farmegn bentsht g�tt alemen ?
Men koyft dos nisht far keyn shum gelt, on oykh
far keyn geveyn. Ver ez hot farloyrn, der veyz
shoyn vos ikh meyn.

Ver iz bay dayn vigele gezezn tog un nakht ?
Ver hot bay dayn kranke-bet keyn oyg nisht tsugemakht ?
Bay vemen zent ir ale tayer, ale sheyn un gut ?
Ver hot far aykh avekgegebn dos letste tropn blut ?

A yidishe mame, nisht git keyn bezerz oyf der velt.
Vi a yidishe mame, oy vey, vi biter ven zi felt.
Oy vi likhtik un sheyn iz in hoyz, ven di mame iz do,
oy vi finzter un biter vet, ven g�tt nemt ir oyf in oylem aboo.

In vazer, in fayer, volt zi gelofn far ir kind,
nisht altn ir trayer, dos iz gevis di grezte tsind.
Oy vi gliklekh un raykh iz der mentsh, vos hot az a tayre mame, gebentsht fun g�tt , az an altitshke,
tayre mame, yidishe mame mayn.

Die Übersetzung:
Ich möchte Euch eine Frage stellen,
sagt mir wer sie beantworten kann.
Mit welchem kostbaren Vermögen, segnet G�tt alle Menschen ? Man kauft es nicht mit keinem Geld, das bekommt man nur umsonst.
Und doch wenn man es verliert, vergießt man viel Tränen. Eine Zweite gibt es nicht, es hilft kein Weinen.
Oh, wer es verloren hat, der weiß schon was ich meine.

Eine "jiddische mame", sie versüßt die ganze Welt, eine "jiddische mame" oh wie bitter, wenn sie fehlt.
Ich darf noch danken G�tt, wer sie noch bei sich hat.
Oh, weh, wie traurig es wird, wenn sie von uns geht.
In Wasser und Feuer würde sie laufen für ihr Kind.

Ihr nicht die Treue zu halten, das ist gewiss die größte Sünde.
Oh, wie glücklich und reich ist der Mensch, der ein schönes Geschenk hat, ein Geschenk von G�tt.
Das einer jiddischen Mutter - meiner Mutter.

Wer ist an Deiner Wiege Tag und Nacht gesessen ?
Wer hat an Deinem Krankenbett kein Auge zugemacht ?
Wer hat für Euch gekocht, gebacken,
gearbeitet wie versklavt ?
Und wer wollte für ihr Kind die letzte Kraft geben ?
Wem seid Ihre alle kostbar, alle schön und gut ?
Wer wollte für weggeben, den letzten Tropfen Blut ?

(Quelle: klesmer-musik.de)

oyyy...gewalt!!! ;-))

Internet-Tipp: https://www.zdf.de/ZDFde/img/25/0,1886,2083417,00.jpg


 Enigma antwortete am 15.02.05 (09:40):

Guten morgen alle,

@tiramisu
Ich bin auch ein grosser Fan der Klezmer-Musik und habe da einige Stücke mit Klarinette und auch von der Gruppe "Kroke".
Ich liebe auch den eigenartigen und unverwechselbaren Klang dieser Musik, der immer bei mir eine besondere Stimmung erzeugt. Gruppe "Kroke" she. URL!
Köstlich ist Deine Schilderung aus der Amsterdamer Kneipe.
Ein Musiker, der von dem, was er spielen soll, so ergriffen ist, dass er immer weinen muss - das vergisst man so schnell nicht mehr. :-))
In den sechziger Jahren hatte ich einen ersten holländischen Freund (später folgte noch ein langjähriger..), der in Amsterdam an der Prinsengracht einen kleinen Grafikbetrieb hatte. Da sind wir dann in unserer damaligen Jugend auch öfter mal "um die Häuser - besser gesagt in die Kneipen" gezogen. Daran hat mich Dein Beitrag jetzt auch erinnert

Aber jetzt wieder zur Sache:

Christian Morgenstern
An Mutter Erde

Sie wolln mich umgarnen,
sie wollen mich fortreißen -
aber ich werfe mich
an deine heilige Brust,
Mutter Erde....
Mit weiten Händen
greif ich in deine Schollen,
mit tiefen Zügen
schlürf ich den herben Duft
deiner Kräuter...
Nein, du
verlassest mich nicht,
du nährst mich,
du stärkst mich,
dass die bösen Geister
mich lassen müssen,
und ich hoch und heiter
wieder des Weges wandere,
den ich mir kor.
Dafür will ich dich auch
ohne End, ohn Ende
lieben und preisen...
Und wenn du mich einst
vom Strahl der Sonne
zurückheischst,
dann will ich
mein Haupt still
in deinen Schoß betten...
Und du wirst
meinen Schlummer behüten
von Ewigkeit
zu Ewigkeit. :-))

Internet-Tipp: https://www.jadu.de/kroke


 Marina antwortete am 15.02.05 (09:48):

Hallo pilli und andere, hier kommt noch ein Tucholsky:

Du bist so schwer, du bist so blaß -
was hast du, Mutter?
Du willst etwas und weiß nicht was -
was hast du, Mutter?
"Ich trag in meinem Leibe ein Kind;
ich weiß, wie seine Geschwister sind:
ohne Stiefel, ohne Wolle, ohne Milch, ohne Butter -
ich bin eine Mutter! Ich will keine Mutter mehr sein!
Laß mich schrein -!
Laß mich schrein -!

Es darf und darf mir nicht zur Welt!
"Frau, was wollen Sie?"
Mein Mann ohne Stellung - wir haben kein Geld!
"Frau, was wollen Sie?"
Ich will nicht, daß man für eine Nacht
mich und die Kinder unglücklich macht!

Dieselben Rechte will ich wie die Reichen,
die ungestraft zum Abtreiber schleichen -
Warum will mich denn keiner befrein?
Laß mich schrein -!
Laß mich schrein -!

Mit Schreien ist da nichts getan -
Wacht auf, ihr Frauen!
Nieder mit kirchlichem Größenwahn!
Wacht auf ihr Frauen!
Ihr krümmt euch vor Schmerzen, und in euer Ohr
tönt heulend der Unternehmerchor:
"Trag es aus! Trag es aus!
Trag es aus im Sturmgebraus!
Wenn der Staat bleibt bestehn,
könnt ihr alle zugrunde gehn!
Ihr habt nichts zu fressen?
Wir brauchen die Kinder für Dortmund und Essen,
für die Reichswehr und für die Büros -
und wenn ihr krepiert, dann sind wir euch los!"

Aus Jodoform und blutigem Leinen
kommt winselnd eines Kindes Weinen.
Es wartet an dem kleinen Bett
bereits ein mächtiges Quartett:
Fabrik, Finanzamt, Schwindsucht, Kirchenzucht.

Das ist das Schicksal einer deutschen Leibesfrucht.

Kurt Tucholsky, 1928

Ich bin immer wieder erstaunt, wie aktuell Tucholsky noch oder wieder ist. Heute würde es wohl heißen: Wir brauchen die Kinder für die Renten.


 seewolf antwortete am 15.02.05 (13:42):

Heute MUSS eine Frau aber NICHT schwanger werden.

Das konnte Tucholsky aber noch nicht wissen.


 Marina antwortete am 15.02.05 (18:27):

Der ewige Zahnarzt

Mutter! Begreif doch: Ich bin erwachsen!
- Ich weiß es. Das warst du schon mit fünf Jahren.
Da konntest du "Möpschen hat Zahnweh" auswendig.
Doch a propos "Mops": Du warst doch beim Zahnarzt?

Mutter! In diesem Jahr werd' ich sechzig!
- Ich weiß es. Du wirktest mit sechs schon so frühreif.
Doch a propos "sechs": Alle sechs Monate
geh bitte Jahr für Jahr zum Zahnarzt.

Mutter! Ich spüre die Schwingen des Todes!
- Ich weiß es. Du hast schon mit sieben gekränkelt.
Doch a propos "kränkeln": Denk an die Gesundheit
und gehe vorm Sterben bitte noch einmal zum Zahnarzt.

Robert Gernhardt


 tiramisusi antwortete am 16.02.05 (00:25):

Noch ein Gedicht:
Mütterlein



Mütterlein Mütterlein

Warum gabst du mich in ein Kinderheim

Fernab von unserem großen Garten

Wo heute noch meine Freunde warten



Mütterlein Mütterlein

Ich saß so gern in unserem Eigenheim

Bei Pudding und den Eingemachten

Nach dem die Kinderherzen schmachten



Mütterlein Mütterlein

Was sollte ich denn in dem Erziehungsheim

Ein Seemann wär ich gern geworden

Wollt alles sehen von Süd bist Osten



Mütterlein Mütterlein

Ein Kapitänspatent das wär heut mein

Die ganze Welt liegt mir zu Füßen

Die Nachbarn würden dich auch grüßen



Mütterlein Mütterlein

Nun sitzt du da in deinem Altersheim

Bei Griesbrei und mit Häkelnadel

Die ohne Schloss verarmter Adel



Mütterlein Mütterlein

Vorbei ist�s mit dem schönen Eigenheim

Der Herbst ist da, Sommer ist rum

Es wird warm im Grämatorium





By Michael Happe

www.michappe.de.vu


 schorsch antwortete am 16.02.05 (10:09):

,,,und reitet dann auf einem Schimmel,
auf einem schwarzen, in den Himmel....


 Enigma antwortete am 19.02.05 (09:42):

...Was passieren kann, wenn die Mutter mal weg ist:

Wilhelm Busch
Der Schreihals


Da, Lina, zieh ihm`s Nachtzeug an,
daß ich die Flasche wärmen kann.

Die Mutter geht, und eh sie scheidet,
wird Willi schon des Hemds entkleidet.

Die Wäscherei gefällt ihm nicht,
vor allen Dingen im Gesicht.

Doch schreit er nicht und hält ganz still
und läßt sich pudern, wo man will.

Kaum aber schnüret man ihn ein,
so fängt er auch schon an zu schrein.

Habäh! So tönt sein Wehgeschrei
und lockt den Vater selbst herbei.

Hier, halt ihn eben mal, Papa
Ich geh und rufe die Mama.

Der Vater trommelt an die Scheiben,
um Willis Trauer zu vermeiden.

Er läßt ihn in den Spiegel schaun -
der Willi schreit, bis daß er braun.

Horch Willi, horch, die Ticktakuhr! -
Der Willi schreit noch ärger nur.

Schau, mein Herz! Schlaf ein, schlaf ein! -
Er fängt noch lauter an zu schrein.

Mit List zeigt er die Zipfelhauben -
umsonst! Der Willi will`s nicht glauben.

Jetzt macht er einen Butzemann -
O weh Nun geht`s noch schlimmer an.

Die Mutter öffnet grad die Tür:
"Mein Herz! Was machen sie mit dir?!!"

Die Mutter macht ein ernst Gesicht
"Ja , was ist das? - Auch dieses nicht?!"

Grad kommt die Tante auf Visite
und ruft erschreckt:"Du meine Güte!"

Voll Weisheit öffnet sie den Bund. -
Da haben wir`s! Das war der Grund! -

Und Willi, der vom Schmerz befreit,
lacht laut vor lauter Heiterkeit.

Wer läßt sich schon gerne "einschnüren"?? :-))

Da müsstet Ihr eigentlich unbedingt die schönen Bilder ansehen - she. URL! -

Internet-Tipp: https://gutenberg.spiegel.de/wbusch/schreihl/schreihl.htm


 Enigma antwortete am 19.02.05 (09:54):

Wieder entstellt?ß

Na gut, mach ich als Strafe nochmal:`

Wilhelm Busch
Der Schreihals

Da, Lina, zieh ihm`s Nachtzeug an,
daß ich die Flasche wärmen kann.

Die Mutter geht, und eh sie scheidet,
wird Willi schon des Hemds entkleidet.

Die Wäscherei gefällt ihm nicht,
vor allen Dingen im Gesicht.

Doch schreit er nicht und hält ganz still
und läßt sich pudern, wo man will.

Kaum aber schnüret man ihn ein,
so fängt er auch schon an zu schrein.

Habäh! So tönt sein Wehgeschrei,
und lockt den Vater selbst herbei.

Hier, halt ihn eben mal, Papa!
Ich geh und rufe die Mama.

Der Vater trommelt an den Scheiben,
um Willis Trauer zu vertreiben.

Er läßt ihn in den Spiegel schaun -
der Willi schreit, bis daß er braun.

Horch Willi, horch, die Ticktakuhr!
Der Willi schreit noch ärger nur.

Susu, mein Herz, schlaf ein, schlag ein! -
Er fängt noch lauter an zu schrein.

Mit List zeigt er die Zipfelhauben -
umsonst! der Willi will`s nicht glaubren.

Jetzt macht er einen Butzemann -
Oh weh! Nun geht`s noch schlimmer an.

Die Mujtter öffnet grad die Tür:
"Mein Herz! Was machen sie mit dir?!"

Die Mutter macht ein ernst Gesicht
"Ja, was ist das? - Auch dieses nicht?!"

Grad kommt die Tante auf Visite
und ruft erschreckt:"Du meine Güte!!"

Voll Weisheit öffnet sie den Bund -
Da haben wir`s! Das war der Grund!

Und Willi, der vom Schmerz befreit,
lacht laut vor lauter Heiterkeit.

So, wenn das jetzt nicht klappt, gebe ich`s auf...:-))

Internet-Tipp: https://gutenberg/spiegel.de/wbusch/schreihl/schreihl.htm


 marie2 antwortete am 19.02.05 (13:53):

An die Mütter

Mütter! die ihr euch erquickt
an der Kinder teuren Zügen;
und mit ahnendem Vergnügen
vieles Künft'ge drin erblickt:

schaut einmal recht tief hinein
und verschafft uns sichre Kunde:
wird der Väter Kampf und Wunde
in den Kindern fruchtbar sein?

Ludwig Uhland


 Enigma antwortete am 26.02.05 (09:55):

Bertolt Brecht
Wiegenlieder einer proletarischen Mutter

1

Als ich dich gebar, schrieen deine Brüder
schon um Suppe, und ich hatte sie nicht.
Als ich dich gebar, hatten wir kein Geld für den Gasmann
So empfingst du von der Welt wenig Licht.

Als ich dich trug all die Monate
sprach ich mit deinem Vater über dich.
Aber wir hatten das Geld nicht für den Doktor
Das brauchten wir für den Brotaufstrich.

Als ich dich empfing, hatten wir
fast schon alle Hoffnung auf Brot und Arbeit begraben
Und nur bei Karl Marx und Lenin stand
wie wir Arbeiter eine Zukunft haben.

2.

Als ich dich in meinem Leibe trug
war es um uns gar nicht gut bestellt
Und ich sagte oft: der, den ich trage
kommt in eine schlechte Welt.

Und ich nahm mir vor zu sorgen
daß er sich da etwa auch nicht irrt.
Den ich trage, der muß sorgen helfen
daß sie endlich besser wird.

Und ich sah die Kohlenberge
mit `nem Zaum drum. Sagt ich: nicht gehärmt!
Den ich trage, der wird sorgen
daß ihn diese Kohle wärmt.

Und ich sah Brot hinter Fenstern
Und es war den Hungrigen verwehrt.
Den ich trage, sagt ich, der wird sorgen
daß ihn dieses Brot da nährt.

Und sie holten seinen Vater
in den Krieg, und ist nicht heimgekehrt.
Den ich trage, sagt`ich, der wird sorgen
daß ihn dieses Brot da nährt.

Als ich dich in meinem Leib trug
sprach ich leise oft in mich hinein:
Du, den ich in meinem Leibe trage
Du mußt unaufhaltsam sein.

Fortsetzung!


 Enigma antwortete am 26.02.05 (10:41):

Fortsetzung!
Bert Brecht
Wiegenlieder einer proletarischen Mutter


3

Ich hab dich ausgetragen
Und das war schon Kampf genug.
Dich empfangen hieß etwas wagen
Und kühn war es, daß ich dich trug.


Der Moltke und der Blücher
Die könnten nicht siegen, mein Kind
Wo schon ein paar Windeln und Tücher
Riesige Siege sind.


Brot und ein Schluck Milch sind Siege!
Warme Stube: gewonnene Schlacht!
Eh ich dich da groß kriege
Muß ich kämpfen Tag und Nacht.


Denn für dich ein Stück Brot zu erringen
Das heißt Streikposten stehn
Und große Generäle bezwingen
Und gegen Tanks angehn.

Doch hab ich im Kampf dich Kleinen
Erst einmal groß gekriegt
Dann hab ich gewonnen einen
Der mit uns kämpft und siegt.


4

Mein Sohn, was immer auch aus dir werde
Sie stehn mit Knüppeln bereit schon jetzt
Denn für dich, mein Sohn, ist auf dieser Erde
Nur der Schuttablagerungsplatz da, und der ist besetzt.


Mein Sohn, laß es dir von deiner Mutter sagen:
Auf dich wartet ein Leben, schlimmer als die Pest
Aber ich habe dich nicht dazu ausgetragen
Daß du dir das einmal ruhig gefallen läßt.


Was du nicht hast, das gib nicht verloren.
Was sie dir nicht geben, sieh zu, daß du's kriegst.
Ich, deine Mutter, hab dich nicht geboren
Daß du einst des Nachts unter Brückenbögen liegst.


Vielleicht bist du nicht aus besonderem Stoffe
Ich habe nicht Geld für dich noch Gebet
Und ich baue auf dich allein, wenn ich hoffe
Daß du nicht an Stempelstellen lungerst und deine Zeit vergeht.


Wenn ich nachts schlaflos neben dir liege
Fühle ich oft nach deiner kleinen Faust.
Sicher, sie planen mit dir jetzt schon Kriege
Was soll ich nur machen, daß du nicht ihren dreckigen Lügen traust?


Deine Mutter, mein Sohn, hat dich nicht betrogen
Daß du etwas ganz Besonderes seist
Aber sie hat dich auch nicht mit Kummer aufgezogen
Daß du einst im Stacheldraht hängst und nach Wasser schreist.


Mein Sohn, darum halte dich an deinesgleichen
Damit ihre Macht wie ein Staub zerstiebt.
Du, mein Sohn, und ich und alle unsresgleichen
Müssen zusammenstehn und müssen erreichen
Daß es auf dieser Welt nicht mehr zweierlei Menschen gibt.


 iustitia antwortete am 28.02.05 (17:20):

Emilie Fontane: Gedicht an ihre Mutter:

Emilie hat in den schönen Letschiner Tagen 1849 ihr poetisches Talent aktiviert und drei achtzeilige Strophen �Für Mutter�, die Frau Kummer, zum neuen Jahr fabriziert, die der Bräutigam mit einer launigen Nachschrift begleitet: er halte es für problematisch, �nach vorstehenden Versen Ihrer talentvollen Tochter� mit einem �prosaischen, wenn auch gutgemeinten Glückwunsch hinterdrein zu humpeln�...
Emilies Gedicht lautet:

E.F.: Für Mutter

Was wir säen, ernten wir
Alle Zeit hienieden;
Und dem Guten wird schon h i e r
Frucht u. Lohn beschieden;
Sieht er vieles sich versagt,
Wird ihm viel genommen, -
Hoffen darf er unverzagt,
Seine Zeit wird kommen.

Spärlich haben Freud u. Glück
D i c h gesucht im Leben,
Zogen schnell die Hand zurück,
Die sie kaum gegeben;
Doch sie werden Dir aufs neu
Und auf lang erscheinen,
Lachen sollst Du sonder Scheu,
Und nicht unter Weinen.

Daß Dein Herz für Fried und Freud
Bald die rechte Stätte, -
Und, was meine Liebe beut,
Nur ein Glied der Kette,
Sieh, das will vom Himmel ich
Heute heiß erflehen
Und wenn nicht um mich, um D i c h
Läßt er's wohl geschehen.
*
(Aus: G. Erler: Emilie Fontane. Das Herz bleibt immer jung. Berlin 2002. S. 41.)
Solche Gelegenheitsgedichte fallen der jungen Emilie nicht schwer. Sie hat in den fünfziger Jahren noch mehrfach dergleichen gereimt, auch für ihren Theodor.
*
URL: Emilie Rouanet-Kummer 1848 (spätere E. Fontane)

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/YtNnAZGJz


 Joan antwortete am 28.02.05 (22:01):

Gibts hier eigentlich nur Kinder,Kinder die ihre Mütter lieben,hassen,verehren,verfluchen,bemitleiden oder usw.
Das Thema ist "Mutter" --über Mutter aber doch auch von Mutter--
und Mutter sagte mal sowas:

Mein Jüngster weint..

Was ist mein kleiner Bub,du hast geweint
und schliefst so gut seit einer Stunde bald--
ach du bist blosgestrampelt wie mir scheint
und ohne Decke war es dir zu kalt

Du liegst in deinem kleinen Bett ganz still
und schaust mit grossen Augen mir entgegen
ich sollt dich,wenn ich dich nicht wecken will
nur ganz behutsam auf die Seite legen.

Doch schnell nehm ich dich nochmal in den Arm-
Das Lockenköpfchen eng an mich gepresst
mit rotgeschlafnen Bäckchen weich und warm
so halt ich dich sekundenlang ganz fest

Am Tag lässt du das nicht so gerne zu
du würdest sicher zappeln und dich wehren-
jetzt bist du müde-oder spürst auch du
wie sehr wir zwei uns immernoch gehören --

Ich bet` darum,dass dieses grosse Glück
für uns das ganze Leben lang besteht---
Doch nun musst du ganz brav ins Bett zurück
geliebter kleiner Sohn,es ist schon spät.-


 Joan antwortete am 28.02.05 (22:13):

Enigma,vergib---ich las die Brecht -Gedichte zu spät.Neben solch elementaren Gedichten sollte meinem Kinderreim kein Platz zustehen.----Ich hätte ihn nicht hingeschrieben,es passiert,wenn man nur so flüchtig immer zu Besuch im ST sein kann. Sorry. Joan


 Enigma antwortete am 01.03.05 (08:52):

Guten Morgen,

hallo Joan,
aber ich habe überhaupt nichts zu "vergeben".
Dein Gedicht hat mich erfreut.
Und Brecht hätte vielleicht auch nichts dagegen gehabt, dass Dein Gedicht "neben seinen steht", denn auch im wirklichen Leben stehen ja die unterschiedlichsten Menschen nebeneinander.....:-)

Oh, Mutter
Gerlach / Stuhler

Du hast es natürlich gut gemeint,
du glaubtest, Verbote können nur nützen,
wir mussten stets pünktlich zu Hause sein,
du wolltest uns vor den Versuchungen schützen.
Du hieltest uns im Elfenbeinturm,
du hieltest uns fern vor den Schmuddelkindern,
wir sollten im Sommer nicht barfuss gehn
und hinter dem Ofen sitzen im Winter.


Oh, Mutter, du hast uns in Liebe umarmt,
oh, Mutter, du wolltest uns bewahren
vor der harten, der rauen, der schrecklichen Welt,
vor wirklichen und vor erdachten Gefahren.


Du wusstest, was gut für uns ist und was nicht,
du hast uns am Sonntag nett angezogen,
wir liefen in Reih, und wir liefen im Glied,
wenn`s nötig schien, hast du uns auch belogen.
Wir wissen von dir, wie`s woanders aussieht,
du hast uns so einige Märchen erzählt,
du hast uns gelehrt, was man wo sagt und wann,
und was man lieber für sich behält.


Oh, Mutter ...


Du hast nur die eine Art Liebe gekannt,
du hast uns die Freuden der Sinne verteufelt,
das spricht man nicht aus, und da fasst man nicht an,
damit kämpfen wir noch heute verzweifelt.
Du hast uns gewarnt vor den süßeren Früchten,
du hast uns gewarnt vor verbotenen Blicken,
du wolltest uns blind, und du wolltest uns ganz,
man konnte in deiner Umarmung ersticken.


Oh, Mutter ...


 Enigma antwortete am 01.03.05 (09:04):

Ob mit "Gerlach" der Lyriker Jens Gerlach gemeint ist und mit "Stuhler" Ed Stuhler, der z.B. auch die Biografie von Margot Honecker geschrieben hat, vermute ich zwar, weiss es aber nicht genau.
Aber es haben offensichtlich kluge Köpfe als Texter für die Songs gearbeitet (she. URL!)

Internet-Tipp: https://www.ostmusik.de/oh_mutter.htm