Zur Seniorentreff Homepage
 Bücher suchen:





Neues ChatPartnersuche (Parship)FreundeLesenReisen LebensbereicheHilfe



Archivübersicht | Impressum

THEMA:   Frühlingsweben...

 36 Antwort(en).

iustitia begann die Diskussion am 28.02.05 (08:56) :

Frühlingsgedichte
� ziemlich was auf Vorrat �

Für später � wenn es nicht so schön wird,
wie es im Bild und Reim verlyrisiert:
wenn Schwalben fliegn,
Seele Flügel kriegn,
Tulpen blüheln,
Hortensien bläueln,
Sonnen glühen�.
Für wenn�s nötig wird,
in die neue Welt zu ziehen.
**
URL - Ein Sprachbild- und Bilderstrecke in der SZ:

Internet-Tipp: https://www.sueddeutsche.de/kultur/bildstrecke/748/47701/b/0/


 schorsch antwortete am 28.02.05 (09:50):

Wenn unterm Schnee die Mäuse nagen,
ans Tageslicht sie sich nicht wagen;
wenn überm Schnee die Vögel frieren,
vor Hunger ihre Kalorien verlieren;
dann bleibt für alle nur das Hoffen,
die Erd` werd` endlich wieder offen
und grün und bunt sich wieder zeigen;
der Winter soll doch endlich schweigen,
sich in den nächsten Tagen nun verziehen
und weit, weit weg nach Grönland fliehen!

28.Februar 05, schorsch, alias Georg von Signau


 Enigma antwortete am 28.02.05 (12:40):

...ja, genau das brauchte ich jetzt, einen schönen Ausblick auf den Frühling.
Der Vorrat aus der Süddeutschen ist ja schon mal toll. Daran erbaue ich mich schon mal.

Und meinetwegen kann sich der Winter in den nächsten Tagen wirklich verziehn und nach Grönland fliehen. Dahin folge ich ihm bestimmt nicht. ;-))

Dann halte ich mich schon lieber hieran:

Es muß doch Frühling werden

Emmanuel Geibel 1815-1884

Und dräut der Winter noch so sehr
Mit trotzigen Gebärden,
Und streut er Eis und Schnee umher,
Es muß doch Frühling werden.

Und drängen Nebel noch so dicht
Sich vor den Blick der Sonne,
Sie wecket doch mit ihrem Licht
Einmal die Welt zur Wonne.

Blast nur ihr Stürme, blast mit Macht,
Mir soll darob nicht bangen,
Auf leisen Sohlen über Nacht,
Kommt doch der Lenz gegangen.
Da wacht die Erde grünend auf,
Weiß nicht, wie ihr geschehen,
Und lacht in den sonnigen Himmel hinauf,
Und möcht vor Lust vergehen.

Sie flicht sich blühende Kränze ins Haar
Und schmückt sich mit Rosen und Ähren,
Und läßt die Brünnlein rieseln klar,
Als wären es Freudenzähren!

Drum still, und wie es frieren mag,
O Herz, gib dich zufrieden,
Es ist ein großer Maientag
Der ganzen Welt beschieden.

Und wenn dir oft auch bangt und graut,
Als sei die Höll' auf Erden:
Nur unverzagt auf Gott gebaut,
Es muß doch Frühling werden.


 Joan antwortete am 28.02.05 (21:19):

März 05

"Frühling lässt sein blaues Band
wieder flattern durch die Lüfte...?"
Denkste! Heuer steht im Land
hoher Schnee uns bis zur Hüfte
dazu friern wir ganz erbärmlich-----
(hoffnungsvoll reimt sich�s auf "wärmlich")


 schorsch antwortete am 28.02.05 (22:38):

Der Winter noch sein Messer wetzt;
doch merke: Hoffnung stirbt zuletzt!


 Enigma antwortete am 01.03.05 (08:19):

Hanns von Gumppenberg
MÄDCHEN IM FRÜHLING

Mein junges Laub zittert im warmen Sturm -
So wach bin ich von mir,
Und doch so sprossend träg und schräg,
Ich sehnendes, dehnendes
Menschenbäumchen!

Mir wird so süß von mir,
Ich bin so süß nach dir,
Liebschlau spiel' ich mich hin vor dich,
Du mein doppelter Tag
Mit deinen zwei Lodersonnen,
Du!

Siehst du denn nicht,
Wie ich so leckerschön bin nach dir,
Wie ich zuckerzucke nach dir?
Jetzt geht meine Seele noch baden,
Dann kommt sie zu dir,
Ja?

nach Peter Hille

Internet-Tipp: https://www.pinselpark.de/literatur/g/gumppenberg/1_gumppenberg.html


 schorsch antwortete am 01.03.05 (08:40):

Noch unsere Gefühle fast erfrieren;
wir müssen mit Schnäpsen sie schmieren.
Doch schon sind die Tage jetzt länger;
zaghaft probiert ein gefiederter Sänger
mit seinem feinen Stimmchen zu üben;
mich dünkt, er übt noch im Trüben!


 pilli antwortete am 01.03.05 (09:39):

Vorfrühling

Es läuft der Frühlingswind
Durch kahle Alleen,
Seltsame Dinge sind
In seinem Wehn.

Er hat sich gewiegt,
Wo Weinen war,
Und hat sich geschmiegt
In zerrüttetes Haar.

Er schüttelte nieder
Akazienblüten
Und kühlte die Glieder,
Die atmend glühten.

Lippen im Lachen
Hat er berührt,
Die weichen und wachen
Fluren durchspürt.

Er glitt durch die Flöte,
Als schluchzender Schrei,
An dämmernder Röte
Flog er vorbei.

Er flog mit Schweigen
Durch flüsternde Zimmer
Und löschte im Neigen
Der Ampel Schimmer.

Es läuft der Frühlingswind
Durch kahle Alleen,
Seltsame Dinge sind
In seinem Wehn.

Durch die glatten
Kahlen Alleen
Treibt sein Wehn
Blasse Schatten

Und den Duft,
Den er gebracht,
Von wo er gekommen
Seit gestern Nacht.

(Hugo von Hoffmannsthal)


 marie2 antwortete am 01.03.05 (11:05):

Frühling auf Vorschuß

Im Grünen ist's noch gar nicht grün.
Das Gras steht ungekämmt im Wald,
als sei es tausend Jahre alt.
Hier also, denkt man, sollen bald
die Glockenblumen blühn?

Die Blätter sind im Dienst ergraut
und rascheln dort und rascheln hier,
als raschle Butterbrotpapier.
Der Wind spielt überm Wald Klavier,
mal leise und mal laut.

Doch wer das Leben kennt, der kennt's.
Und sicher wird's in diesem Jahr
so, wie's in andern Jahren war.
Im Walde sitzt ein Ehepaar
und wartet auf den Lenz.

Man soll die beiden drum nicht schelten.
Sie lieben eben die Naur
und sitzen gern in Wald und Flur.
Man kann's ganz gut verstehen, nur:
sie werden sich erkälten!

Erich Kästner

Für die Bank im Wald ist es wahrlich noch zu kalt. Aber im Web lässt er sich schon finden, der Frühling. Hier noch ein Link dazu. Er führt nicht direkt in den Frühling, sondern zunächst ins Literaturcafe. Dort ist noch der Winter. Anklicken. Auf dieser Seite ist man dann gleich "Dichter am Frühling".

Marie

Internet-Tipp: https://www.literaturcafe.de/


 wanda antwortete am 01.03.05 (12:25):

Manchmal reicht ein Atemzug, um die ganze Welt in sich aufzunehmen.

Einfach, schlicht, mühelos.

Riechst Du den Schnee? Die Luft ist klar, die Gedanken werden gereinigt.

Manchmal reicht ein Blick, um die Gelegenheit zu erkennen.
Durchdringend, hell, aufmerksam.
Erkennst Du das Lachen auf den Gesichtern? Sie zeigen Unbeschwertheit.

Manchmal reicht ein Wort, um das Gefühl zu beschreiben.
Eindeutig, treffend, widerspruchslos.
Es kann nicht anders sein. Was anders ist, macht sprachlos.

Manchmal aber reicht das mir nicht aus.
Verwirrt, überrascht, ratlos.
Überwältigt, berauscht, fasziniert.

Dann kann manchmal gar nicht lang genug sein.

Bettina Laube

Auszug aus dem heutigen "Innehalten"


 Enigma antwortete am 04.03.05 (08:58):

Paul Heyse
Vorfrühling

Stürme brausten über Nacht,
und die kahlen Wipfel troffen.
Frühe war mein Herz erwacht,
schüchtern zwischen Furcht und Hoffen.
Horch, ein trautgeschwätz`ger Ton
dringt zu mir vom Wald hernieder.
Nisten in den Zweigen schon
die geliebten Amseln wieder?

Dort am Weg der weiße Streif -
zweifelnd frag`ich mein Gemüte:
Ist`s ein später Winterreif
oder erste Schlehenblüte?


 pilli antwortete am 04.03.05 (10:22):

Hier lieg ich auf dem Frühlingshügel:
Die Wolke wird mein Flügel,
Ein Vogel fliegt mir voraus.
Ach, sag mir, alleinzige Liebe,
Wo du bleibst, daß ich bei dir bliebe!
Doch du und die Lüfte, ihr habt kein Haus.

Der Sonnenblume gleich
Steht mein Gemüte offen,
Sehnend, sich dehnend
In Lieben und Hoffen.
Frühling, was bist du gewillt?
Wann werd' ich gestillt?

Die Wolke seh ich wandeln und den Fluß,
Es dringt der Sonne goldner Kuß
Mir tief bis ins Geblüt hinein;
Die Augen wunderbar berauschet
Tun, als schliefen sie ein,
Nur noch das Ohr dem Ton der Biene lauschet.

Ich denke dies und denke das,
Ich sehne mich und weiß nicht recht nach was:
Halb ist es Lust, halb ist es Klage;
Mein Herz, o sage,
Was webst du für Erinnerung
In golden Grüner Zweige Dämmerung?
Alte unnennbare Tage!
(Eduard Mörike)


 Enigma antwortete am 05.03.05 (08:15):

Max Dauthendy
Märzveilchen

Mein Zimmer duftet königlich fein,
Veilchenprinzessinnen zogen ein,
schwärmen und wärmen mit weichblauen Augen,
fächeln und hauchen schmachtende Lächeln,
winken mit feinen, vornehmen Gliedern,
laden mich ein.
Ich neige mich nieder,
ihr Page bin ich,
ihre Lippen sind mein.
Ich schwöre ewige, ewige Liebe,
sie schweigen so süß,
schauen so ernst aus schwerblauen Augen.
Meinen sie, Schwüre und Blumen verwelken?
Sie lächeln und weinen,
meine kleinen Prinzessen.


 pilli antwortete am 05.03.05 (10:23):

Frühling auf dem Mont Klamott

Der Winter lag im Sterben, wir lebten immer noch
Aus Mietkasernen dampfte ein warmer Nebel hoch
Die Schornsteine erbrachen den gelben fetten Rauch
Und aus den Hinterhöfen stieg zart ein Frühlingshauch
Da ging ich mit der Dicken die ersten Kätzchen pflücken
Trotz Magistratsverbot zum Mont Klamott

Wir krochen durch Gestrüpp durch und latschen über Gras
zum Liegen war'n die Wiesen uns noch zu tot und nass
Die Apfelsinensonne schwamm groß im Hundeblau
Da wurde uns so mächtig und wurde uns so flau
Wir fühlten neue Kräfte, gewaltig stiegen Säfte
Wir waren wieder flott am Mont Klamott

Wir küssten uns im Gehen und küssten uns im Stehen
Wir sahen 'ne Menge Leute und wurden selbst gesehen
Ich rollte meine Schöne die steilen Hänge rauf
Sie kreischte und ich lachte, sie fiel, ich fing sie auf
Mensch, waren das Genüsse und schmeckten uns're Küsse
Wie Ananaskompott, am Mont Klamott

Und als wir oben standen, die Stadt lag fern und tief
Da hatten wir vom Halse, den ganzen deutschen Mief
Ich legte meine Hände auf ihren warmen Bauch
Und sagte: "Süße Dicke, fühlst Du den Frühling auch?"
Die Tauben und die Spatzen, die ersten Knospen platzen
Auf Trümmern und auf Schrott, am Mont Klamott

Wir saßen auf dem Kehrich vom letzen großen Krieg
Die dicke sprach von Frieden, ich hörte zu und schwieg
Wir saßen, bis die Sonne im Häusermeer absoff
Sahen zu, wie da der Westen die rote Farbe soff
Auf Kirchen und auf Schloten, die selben roten Pfoten
Wir danken Marx und Gott am Mont Klamott
(Wolf Biermann)


 pilli antwortete am 06.03.05 (08:35):

Sonne lag krank im Bett. Sitzt nun am Ofen. Liest Katastrophen. Springflut und Havarie. Sturm und Lawinen, - gibt es denn niemals Ruh drunten bei ihnen? Schaut den Kalender an. Steht drauf: "Es werde!" Greift nach dem Opernglas. Blickt auf die Erde. Schnee vom vergangenen Jahr blieb nicht der gleiche. Liegt wie ein Bettbezug klein auf der Bleiche. Winter macht Inventur. Will sich verändern. Schrieb auf ein Angebot aus anderen Ländern. Mustert im Fortgehn noch Weiden und Erlen. Kätzchen blühn silbergrau. Schimmern wie Perlen. In Baum und Krume regt sich`s allenthalben. Radio meldet schon Störche und Schwalben. Schneeglöckchen ahnen nun, was sie bedeuten. Wenn du die Augen schließt, hörst du sie läuten.
(Erich Kästner)


 tiramisusi antwortete am 06.03.05 (10:41):

Ach, wenn ich doch ein Immchen wär,
Frisch, flink und frei und klein und fein:
An jedem süßem Blumenblatt
Tränk ich im Frühlingsduft mich satt.
Wie wollt ich säugen Tag und Nacht
An all der frischen Frühlingspracht.

Husch! gings zu allen Blumen hin,
Sie wissen schon, daß ich es bin.
Die ganze, ganze Frühlingslust
Sög ich dann ein in meine Brust,
Und hätt ich ihn so ganz in mir,
Den Frühling, Liebchen, brächt ich dir.

(Karl-Wilhelm Osterwald 1820-1887)

Um meinen Nacken schlingt sich
Ein blütenweißer Arm.
Es ruht auf meinem Munde
Ein Frühling jung und warm.

Ich wandle wie im Traume,
Als wär mein Aug' verhüllt.
Du hast mit deiner Liebe
All' meine Welt erfüllt.

Die Welt scheint ganz gestorben,
Wir beide nur allein,
Von Nachtigall'n umklungen,
Im blühenden Rosenhain.

Julius Hart (1859-1930)


 pilli antwortete am 06.03.05 (15:51):

Wer im März
spazieren will,
was tut er? Was beginnt er?
Er jubelt: Frühl.....Dann schweigt er still
und murmelt matt:

Frühlinter!!!

Sein Schuh im Matsch
macht quitsch und quatsch,
halb Frühling ist`s, halb Winter.
Ein bißchen plitsch,
ein bischen platsch,
von jedem was:

Frühlinter!

Wohin das zielt?
Was das bezweckt?
Es kommt kein Mensch dahinter.
Wenn sich ein Kind mit Lust bedreckt,
dann fragt nicht,was dahintersteckt.
Es ist März:

Frühlinter!

(James Krüss)


 Enigma antwortete am 07.03.05 (08:57):

Günter Eich
März

Manche hoffen noch,
das Jahr werde hier enden.
Aber die Abflüsse des Schnees
sind ohne Mitleid.

Schwarz von Schlaf
das Fell des Maulwurfs,
ihm, der dir zugetan ist,
vergehen die Wochen,
während das Hagelkorn
auf deinem Handrücken
schmilzt.

In eine Schiefertafel
eingegraben
kehrt die Kindheit zurück:
Das Gras richtet sich auf
und horcht.


 pilli antwortete am 07.03.05 (09:53):

Wintriger Ausblick

Der Winter, den du mit Reimen empfangen,
ist deshalb doch nicht schneller vergangen.
Nachdem ihn nicht einmal dieses vertrieben,
ist nur das bedrückte Schweigen geblieben.

Ihn stört nicht, ob man ihn preist oder scheltet.
Und wenn es dich etwa nach Wärmerem lustet,
So heißt es nur: "Heute bin ich erkältet."
Und zum Beweise wird dir was gehustet.

So gleichen die Nächte dem eisgrauen Tage.
Du kennst die Antwort, erspar' dir die Frage;
Die Zukunft bringt Sonne und macht dich glücklich,
die Gegenwart freilich bleibt unerquicklich.
(Ernst Loeb)


 pilli antwortete am 07.03.05 (20:44):

Frühling


Wir wollen wie der Mondenschein
Die stille Frühlingsnacht durchwachen,
Wir wollen wie zwei Kinder sein.
Du hüllst mich in dein Leben ein
Und lehrst mich so wie du zu lachen.

Ich sehnte mich nach Mutterlieb
Und Vaterwort und Frühlingsspielen,
Den Fluch, der mich durchs Leben trieb,
Begann ich, da er bei mir blieb,
Wie einen treuen Feind zu lieben.

Nun blühn die Bäume seidenfein
Und Liebe duftet von den Zweigen.
Du mußt mir Mutter und Vater sein
Und Frühlingsspiel und Schätzelein
Und ganz mein eigen.
(Else Lasker-Schüler)


 marie2 antwortete am 08.03.05 (11:54):

Kirschbaum

Ist alles ganz kahl und still,
nicht mal im Grase sichs regen will,
steht alles geduckt,
klappert im Frost und muckt
mit dem Winter. Der putzt es mit Rauhreif auf,
aber keines gibt was drauf.

Doch im Garten
sagt einer: Ich kann warten.
Ist jemand, du kennst ihn wieder kaum,
so dünn ist er worden: der Kirschenbaum.
Schläft er nicht?
Trau einer dem Wicht!
Heute mittag um eins
gabs mal ein Pröbchen Sonnenscheins:
Darin - ich habe
das deutlich gesehn -
mit seinen Knospen
fingerte der alte Knabe,
ein wenig vorsichtig und geziert,
wie man Badewasser probiert.
Und über seine Runzeln
ging ein Schmunzeln.

Ferdinand Avenarius


 Enigma antwortete am 09.03.05 (12:36):

Heinrich Heine

Herz, mein Herz, sei nicht beklommen
und ertrage dein Geschick.
Neuer Frühling gibt zurück,
was der Winter dir genommen.

Und wie viel ist dir geblieben,
und wie schön ist doch die Welt!
Und mein Herz, was dir gefällt,
alles, alles darfst du lieben.


 marie2 antwortete am 10.03.05 (12:39):

Siehe, auch ich - lebe!

Also ihr lebt noch, alle, alle ihr,
am Bach ihr Weiden und am Hang ihr Birken,
und fangt von neuem an, euch auszuwirken,
und wart so lang nur Schlummernde, gleich - mir.

Siehe, du Blume hier, du Vogel dort,
sieh auch ich von neuem mich erhebe...
Voll innern Jubels treib ich Wort auf Wort...
Siehe, auch ich, ich schien nur tot. Ich lebe!

Christian Morgenstern


 Enigma antwortete am 11.03.05 (10:54):

Sophie Mereau
(1770-1806)

Frühling

Düfte wallen - tausend frohe Stimmen
jauchzen in den Lüften um mich her;
die verjüngten trunknen Wesen schwimmen
aufgelös't in einem Wonnemeer.

Welche Klarheit, welches Licht entfließet
lebensvoll der glühenden Natur!
Festlich glänzt der Äther, und umschließet,
wie die Braut der Bräutigam, die Flur.

Leben rauscht von allen Blütenzweigen,
regt sich einsam unter Sumpf und Moor,
quillt, so hoch die öden Gipfel steigen,
emsig zwischen Fels und Sand hervor.

Welch ein zarter wunderbarer Schimmer
überstrahlt den jungen Blütenhain!
Und auf Bergen, um verfallne Trümmer,
buhlt und lächelt milder Sonnenschein.

Dort auf schlanken silberweißen Füßen
weht und wogt der Birken zartes Grün,
und die leichten hellen Zweige fließen
freudig durch den lauen Luftstrom hin.

In ein Meer von süßer Lust versenket,
wallt die Seele staunend auf und ab,
stürzt, von frohen Ahndungen getränket,
sich im Taumel des Gefühls hinab.

Liebe hat die Wesen neu gestaltet;
ihre Gottheit überstrahlt auch mich,
und ein neuer üpp'ger Lenz entfaltet
ahndungsvoll in meiner Seele sich.

Laß an deine Mutterbrust mich sinken,
heil'ge Erde, meine Schöpferin!
Deines Lebens Fülle laß mich trinken,
jauchzen, daß ich dein Erzeugter bin!

Was sich regt auf diesem großen Balle,
diese Bäume, dieser Schmuck der Flur:
Einer Mutter Kind sind wir alle,
Kinder einer ewigen Natur.

Sind wir nicht aus Einem Stoff gewoben?
Hat der Geist, der mächtig sie durchdrang,
nicht auch mir das Herz empor gehoben?
tönt er nicht in meiner Leier Klang?

Was mich so an ihre Freuden bindet,
daß mit wundervoller Harmonie,
meine Brust ihr Leben mitempfindet,
ist, ich fühl' es, heil'ge Sympathie!

Schwelge, schwelge, eh' ein kalt Besinnen
diesen schönen Einklang unterbricht,
ganz in Lust und Liebe zu zerrinnen,
trunknes Herz, und widerstrebe nicht.


 pilli antwortete am 13.03.05 (10:04):

März

Sprich noch nicht vom Frühling, es ist zu früh!
so lockend die Sonne vom Himmel blitzt,
so lockend alles glänzt und glitzt ...
sprich noch nicht vom Frühling, es ist zu früh!
Es werden Tage wieder kommen
bevor erblüht, wovon du träumst,
da alles wie vorher trostlos weh
in Regen sich begräbt und Schnee,
Tage voll Traurigkeit, Tage voll Müh ...
sprich noch nicht vom Frühling, es ist zu früh!

Und doch und dennoch: mit jubelndem Liede
grüße dies frohe befreiende Blau
über all dem farblosen Grau,
freu dich der flimmernden Mittagsstunden,
sonne das Herz dir zu keimender Kraft,
daß es dem müde machenden Winter
und seiner Enttäuschung sich wieder entrafft!

Nur warte, nur wart noch! es wird sich erfüllen,
es wird sich erfüllen, was du ersehnst:
Glutig auflodern wird es am Himmel,
über die Berge her wird es wehn
und wie donnernde Osterglocken
wird es durch die Lande gehn ...
nur warte, nur wart noch und hab Geduld!
So schön und so köstlich dies blitzende Blau
mit seinem süßen stillen Locken,
es kommen Tage noch und Wochen
farblos grau,
da alles wie vorher trostlos weh
in Regen sich begräbt und Schnee,
Tage voll Traurigkeit, Tage voll Müh ...
sprich noch nicht vom Frühling, es ist zu früh!
(Cäsar Flaischlen)


 Enigma antwortete am 14.03.05 (08:24):

Frank Wedekind
Frühling

Willkommen, schöne Schäferin
in deinem leichten Kleide,
mit deinem leichten frohen Sinn,
willkommen auf der Weide.

Sieh, wie so klar mein Bächlein fließt,
zu tränken deine Herde!
Komm, setz dich, wenn du müde bist,
zu mir auf die grüne Erde.

Und trübt sich der Sonne goldiger Schein,
und fällt ein kühlender Regen,
dann ist mein Mantel nicht zu klein,
wollen beide darunter uns legen.


 marie2 antwortete am 14.03.05 (11:49):



März

Es kommt eine Zeit,
da nimmt�s ein böses Ende
mit dem Schneemann.

Er verliert seinen schwarzen Hut,
er verliert seine rote Nase,
und der Besen fällt ihm
aus der Hand.
Kleiner wird er von Tag zu Tag.
Neben ihm wächst ein Grün
und noch ein Grün
und noch ein Grün.
Die Sonne treibt
Vögel vor sich her.
Die wünschen dem Schneemann
eine gute Reise.

-Elisabeth Borchers �


 Enigma antwortete am 15.03.05 (10:03):

Kierkegaard, Sören (1813-1855)
Frühlingsgedicht


Die Vögel kommen
in ganzen Schwärmen,
um dich zu erfreuen.
Das junge Grün spriesst;
und der Wald wächst schön
und steht wie eine Braut da,
um dir Freude zu schenken.

Du bist geschaffen.
Du bist da.
Du bekommst heute
das zum Dasein Nötige.
Du wurdest erschaffen.
Du wurdest Mensch.

Du kannst sehen,
bedenke: Du kannst sehen,
du kannst hören, du kannst
riechen, schmecken, fühlen.


 pilli antwortete am 16.03.05 (23:08):

Humanistisches Frühlingslied

Amsel, Drossel, Star und Fink
singen Lieder vom Frühlink,
machen recht viel Federlesens
von der Gegenwart, vom Präsens.

Krokus, Maiglöckchen und Kressen
haben längst den Schnee vergessen,
auch das winzigste Insekt
denkt nicht mehr ans Imperfekt.

Hase, Hering, Frosch und Lachs,
Elke, Inge, Fritz und Max �
alles, alles freut sich nur
an dem Jetzt. Und aufs Futur.
(Heinz Erhardt)


 Enigma antwortete am 18.03.05 (15:40):

Hallo, alle,

das "Frühlingsweben" hatte bei mir etwas seltsame, vor allem aber arbeitsame Züge angenommen.
Seit 3 Tagen habe ich Haus und Hof (um genau zu sein, Wohnung und Balkon) frühlings- und osterhaft verschönert, jedenfalls das gemacht, was mir als Verschönerung erscheint.
Eine ganz schöne Plackerei. Pflanzen vom Dachboden runterholen, Gefässe schleppen und säubern, Blumen und kleine Stauden kaufen etc. etc. Gestern war es dann so ziemlich geschafft, und ich auch.... So am Nachmittag wusste ich dann jedenfalls, was "lendenlahm" heisst *lach*. Aber nach erholsamem Schlaf ist heute wieder alles o.k. Also weiter so, so lange es geht...... :-)).
Und nun kann ich mich richtig wohlgefällig umsehen...


Richard Dehmel
Der Frühlingskasper

Weil nun wieder Frühling ist,
Leute,
streu ich butterblumengelber Kasper
lachend
lauter lilablaue Asternblüten
hei ins helle Feld!

Lilablaue Astern, liebe Leute,
Astern
blühn im deutschen Vaterland bekanntlich
bloß im Herbst.

Aber Ich, ich butterblumengelber Kasper,
streue,
weil nun wieder heller Frühling ist,
tanzend
tausend dunkelblaue Asternblüten
hei in alle Welt!.


 marie2 antwortete am 20.03.05 (20:24):

Der Lenz ist da!

Das Lenzsymptom zeigt sich zuerst beim Hunde,
dann im Kalender und dann in der Luft,
und endlich hüllt auch Fräulein Adelgunde
sich in die frischgewaschene Frühlingskluft.

Ach ja, der Mensch! Was will er nur vom Lenze?
Ist er denn nicht das ganze Jahr in Brunst?
Doch seine Triebe kennen keine Grenze -
dies Uhrwerk hat der liebe Gott verhunzt.

Der Vorgang ist in jedem Jahr derselbe:
man schwelgt, wo man nur züchtig beten sollt,
und man zerdrückt dem Heiligtum das gelbe
geblümte Kleid - ja, hat das Gott gewollt?

Die ganze Fauna treibt es immer wieder:
Da ist ein Spitz und eine Pudelmaid -
die feine Dame senkt die Augenlider,
der Arbeitsmann hingegen scheint voll Neid.

Durch rauh Gebrüll läßt sich das Paar nicht stören,
ein Fußtritt trifft den armen Romeo -
mich deucht, hier sollten zwei sich nicht gehören...
Und das geht alle, alle Jahre so.

Komm, Mutter, reich mir meine Mandoline,
stell mir den Kaffee auf den Küchentritt. -
Schon dröhnt mein Baß: Sabine, bine, bine...
Was will man tun? Man macht es schließlich mit.

Kurt Tucholsky


 pilli antwortete am 22.03.05 (11:13):

"es liegt was in der luft..." :-) Enigma,

das wohl anregend wirkt, sich dererlei knochenpein freiwillig zu stellen :-)))kaum hat der erste warme sonnenstrahl in der vergangenen woche meine terassenfenster getroffen, bin ich ebenso wild aufgesprungen und habe gewischt und gewuselt, dass am abend alles nur so blitzte.
jetzt gilbt, grünt, blaut und weisselt es in töpfen und nischen, mal gucken watt der osterhase zur belohnung bereit hält? :-)

...

"Frühling soll mit süßen Blicken"

Frühling soll mit süßen Blicken
Mich entzücken und berücken,
Sommer mich mit Frucht und Myrthen
Reich bewirten, froh umgürten.
Herbst, du sollst mich Haushalt lehren,
Zu entbehren, zu begehren,
Und du Winter lehr mich sterben,
Mich verderben, Frühling erben.
(Clemens Brentano)


 marie2 antwortete am 22.03.05 (21:07):



Letzter Frühling

Nimm die Forsythien tief in dich hinein
und wenn der Flieder kommt, vermisch auch diesen
mit deinem Blut und Glück und Elendsein,
dem dunklen Grund, auf den du angewiesen.

Langsame Tage. Alles überwunden.
Und fragst du nicht, ob Ende oder Beginn,
dann tragen dich vielleicht die Stunden
noch bis zum Juni mit den Rosen hin.

Gottfried Benn


 Enigma antwortete am 23.03.05 (10:24):

Georg Britting
VORFRÜHLING

In das große, graue Himmelstuch
Ist ein blauer Streif gerissen.
Aufgeschlagen wie ein Buch
Liegt der Acker. Die zu lesen wissen

Lesen: Frühling! in der groben Schollenschrift.
Ackerfurchen sind wie krumme Zeilen,
Pappeln Ausrufzeichen, und zuweilen
Setzen Tümpel, die ein Lichtstrahl trifft

Hinter einen Satz den Punkt.
Die Scheune mit dem grünen Dach,
Auf Bretterfüßen, morsch und schwach,
Ist von einem Lichterkranz umprunkt.

Drei Krähen, schwarz und in Talaren,
Hocken auf dem Heckenband.
Schlag in die Hand! In Federwindfanfaren
Schaukeln sie zum nächsten Ackerrand.

Ihre schwarzen Schatten schwanken
Spukhaft überm Wasserloch,
Wo sie krächzend niedersanken,
Sich schnell die Maus in ihren Höhlengang verkroch.

Internet-Tipp: https://www.britting.com/gedichte/2-017.html


 Enigma antwortete am 26.03.05 (09:07):

Julius Sturm
Die Bäume im Frühling

Grünende Weide!
Auf klaren Wellen kommt der Lenz gefahren
und reicht als Schmuck dir ein Gewand von Seide.

Hängende Birke!
Der Frühling steigt zu Berg und einen Schleier
bringt er dir mit aus duftigem Gewirke.

Düstere Tannen!
Schon naht der Lenz dem Wald, mit grünen Spitzen
stickt er auch euch das Kleid und eilt von dannen.

Blühende Linde!
Der Sommer kam, der Frühling ist gegangen,
du schickst ihm duftige Grüße mit dem Winde.


 pilli antwortete am 26.03.05 (14:53):

Die Bäume im Ofen lodern.
Die Vögel locken am Grill.
Die Sonnenschirme vermodern.
Im übrigen ist es still.
Es stecken die Spargel aus Dosen
die zarten Köpfchen hervor.
Bunt ranken sich künstliche Rosen
in Faschingsgirlanden empor.

Ein Etwas, wie Glockenklingen,
den Oberkellner bewegt,
mir tausend Eier zu bringen,
von Osterstören gelegt.

Ein süßer Duft von Havanna
verweht in ringelnder Spur,
ich fühle an meiner Susanna
erwachende neue Natur.
Es lohnt sich manchmal, zu lieben,
was kommt, nicht ist oder war.
Ein Frühlingsgedicht, geschrieben
im kältesten Februar.
(Joachim Ringelnatz)


 Enigma antwortete am 28.03.05 (15:03):

Ernst Stadler
Vorfrühling
1914

In dieser Märznacht trat ich spät aus meinem Haus.

Die Straßen waren aufgewühlt von Lenzgeruch und grünem Saatregen.

Winde schlugen an. Durch die verstörte Häusersenkung gieng ich weit hinaus

Bis zu dem unbedecktem Wall und spürte: meinem Herzen schwoll ein neuer Takt entgegen.



In jedem Lufthauch war ein junges Werden ausgespannt.

Ich lauschte, wie die starken Wirbel mir im Blute rollten.

Schon dehnte sich bereitet Acker. In den Horizonten eingebrannt

War schon die Bläue hoher Morgenstunden, die ins Weite führen sollten.



Die Schleusen knirschten. Abenteuer brach aus allen Fernen.

Überm Kanal, den junge Ausfahrtwinde wellten, wuchsen helle Bahnen,

In deren Licht ich trieb. Schicksal stand wartend in umwehten Sternen.

In meinem Herzen lag ein Stürmen wie von aufgerollten Fahnen.

Internet-Tipp: https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Stadler