Zur Seniorentreff Homepage
 Bücher suchen:





Neues ChatPartnersuche (Parship)FreundeLesenReisen LebensbereicheHilfe



Archivübersicht | Impressum

THEMA:   Geschichten und Gedichte über Friedhöfe....

 50 Antwort(en).

Enigma begann die Diskussion am 13.03.05 (11:28) :

Guten Morgen alle,

der Film "Harold und Maude", in dem die Protagonisten in einem umfrisierten Leichenwagen herumreisten und laufend Begräbnisse besuchten, hat mich wohl so "angetörnt", dass ich in meiner Erinnerung mal herumgekramt habe nach Geschichten oder auch Gedichten, die irgendwie mit Friedhöfen zu tun haben.
War ganz interessant!:-)

Zunächst fiel mir mal Paris ein, nicht Père-Lachaise, sondern der Friedhof am Montmartre, auf dem viele Intellektuelle begraben sind, u.a. auch Heinrich Heine.

Heine hat natürlich auch Gedichte geschrieben, die mit "letzten Ruhestätten" zu tun haben, u.a. dieses:

Wo wird einst des Wandermüden...

Wo wird einst des Wandermüden
letzte Ruhestätte sein?
Unter Palmen in dem Süden?
Unter Linden an dem Rhein?

Werd`ich wo in einer Wüste
eingescharrt von fremder Hand?
Oder ruh`ich an der Küste
eines Meeres in dem Sand?

Immerhin, mich wird umgeben
Gottes Himmel, dort wie hier,
und als Totenlampen schweben
nachts die Sterne über mir.

Nun liegt er ja doch auf einem ganz "normalen" Friedhof...

Ein Erlebnis ganz besonderer Art war der Wiener Zentralfriedhof.
Vor Jahren war ich mit einer Reisefreundin in Wien, und wir sind vom 1. Bezirk aus, wo wir in einer kleinen Pension wohnten, zu Fuss zum Zentralfriedhof "getippelt". Ganz schön weit (das wussten wir glücklicherweise vorher nicht so genau), und man kam auch durch etwas öde Stadtansichten, aber der Friedhof selbst hat dann überreichlich für alle Unbillen entschädigt. Und die Namen auf den Grabmälern ähneln teilweise, so könnte man heute sagen, einer VIP-Liste. *lach*
Für die, die den Zentralfriedhof noch nicht kennen sollten, ein Link - she URL! -

Fortsetzung!

Internet-Tipp: https://www.ditzi.com/friedhof.html


 Enigma antwortete am 13.03.05 (11:47):

Fortsetzung!

Einem ganz anderen Friedhof sind wir begegnet im Ostseebad Zingst. Hier ist ein alter Friedhof auch auf seine Art sehenswert. Er ist natürlich sehr klein, aber es befindet sich dort ein prachtvolles Kapitänsgrab und die Grabstätte von Martha Müller-Grählert, der Dichterin des Heimatliedes "Wo die Ostseewellen trecken an den Strand" ("Nordseewellen", wie oft auch gesungen wird, ist also falsch).:-)Diese Information haben wir mitgenommen.

Im Laufe seines Lebens hat man ja in der Regel schon viele Friedhöfe gesehen, auch besonders auf Reisen.
Einer, der aber in meiner Erinnerung namenlos geblieben ist, befand sich "irgendwo in Italien".
Er war so überreichlich geschmückt, mit Fotos der verstorbenen Angehörigen, künstlichen Röschen (praktisch waren sie also auch....) und auch mit tollen Grabmälern.

Aber eine Geschichte will ich noch erzählen, die wirklich so passiert ist.
Vor längeren Jahren waren wir mal in Hollywood, und plötzlich fiel mir ein, dass ich bei dieser Gelegenheit das Grab von Rudolfo Valentino sehen müsste. Meine Reisefreundin, die an meine manchmal sprunghaften Ideen schon etwas gewöhnt ist, zog mit.... und los ging es, wieder zu Fuss.
Und das war auch eine ziemlich Entfernung! Und, was schwieriger war und worauf man ja in Amerika schon achten sollte, wir kamen auch durch "nicht gute Gegenden". Da war eben die Vorbereitung nicht sorgfältig genug gewesen.
Aber schliesslich erreichten wir doch den Friedhof, fanden aber den guten Rudolfo nicht auf Anhieb.
Ein Friedhofsgärtner wurde befragt, und schliesslich und endlich fanden wir ihn, in einem Fach (er war wohl eingeäschert worden). Und dort war immer noch, nach so vielen Jahren seit seinem Tode, eine rote Rose - eine echte - befestigt worden.

Kennt Ihr auch Geschichten von oder über Friedhöfe(n)?? Oder Gedichte? Dann lasst doch mal hören.......


 Enigma antwortete am 13.03.05 (13:10):

Friedrich Gottlieb Klopstock
Die frühen Gräber

Willkommen, o silberner Mond,
Schöner, stiller Gefährt der Nacht!
Du entfliehst? Eile nicht, bleib, Gedankenfreund!
Sehet, er bleibt, das Gewölk wallte nur hin.

Des Mayes Erwachen ist nur
Schöner noch, wie die Sommernacht,
Wenn ihm Thau, hell wie Licht, aus der Locke träuft,
Und zu dem Hügel herauf röthlich er kömt.

Ihr Edleren, ach es bewächst
Eure Maale schon ernstes Moos!
O wie war glücklich ich, als ich noch mit euch
Sahe sich röthen den Tag, schimmern die Nacht.

:-)


 tiramisusi antwortete am 13.03.05 (13:32):

Na das ist mal ein schönes Thema :-) Ich liebe Friedhöfe und bin schon zu Orten gereist, nur um mir dort bestimmte Friedhöfe oder Gräber anzusehen. Ganz oben steht da Paris und Umgebund mit seinen wunderbaren Fiedhöfen - den malerischsten aber habe ich bisher in Rumänien in Dörfchen Sapanta in den Karparten gesehen. Der Friedhof dort, gerne auch der "lustige Friedhof" genannt - besticht durch seine fröhlich bemalten Grabkreuze. Seit mitte der 30er Jahre des letzten Jahrhundert erst hat sich das eingebürgert und jedes Grabkreuz ist bunt verziert, der Untergrund meistens blau, ein hübsch naiv gemaltes Bild zeigt den Verstorbenen - entweder bei seinem Beruf oder so, wie man ihn kannte - oder auch tragisch in der Darstellung seines Todes - dazu ein holperiger Vers, der an die Marterlverse erinnert.

Meine eigenen Bilder habe ich nicht online aber hier ist ein Link, da bekommt man einen kleinen Eindruck. Fröhlich wirkt der Friedhof wirklich - und irgendwie heiter bis prall ist auch das Verhältnis der Menschen dort zum Tod und den Verstorbenen. Man schafft keine Distanz - man küsst die Toten zum Abschied, man klagt laut und lanage - meist mit eigens engagierten Klageweibern, die gut bezahlt werden, man trägt sie unter Anteilnahme des ganzen Dorfes zu Grabe und anschliessend feiert man - und wacht morgens mit einem dicken Kopf aber getröstet auf - mir gefällt diese Art Abchied und Gedenken auf dem Friedhof, ist sie doch auch gleich eine Art Therapie, um wirklich Abschied zu nehmen.

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/9LihysPFq


 tiramisusi antwortete am 13.03.05 (13:34):

übrigens ... ein kleines Rätsel:

Wer weiss, wessen Grab bzw Grabmahl mit einem wunderschönen Teppich aus kostbarem Mosaik verziert ist?


 tiramisusi antwortete am 13.03.05 (14:13):

Noch was spannendes fällt mir ein.. die freidhöfe von new Orleans - ca 50 gibt es dort in und um die Stadt herum. Fast 90% der Bestattungen finden in Steingruften über der Erde statt - wegen des Sumpflandes und der möglichen Vergiftung des Grundwassers - nur sehr wenige Stellen gibt es, in denen Erdbestattungen möglich und vor allem auch gestattet sind. Dabei handelt es sich vor allem um jüdische Grabstätten, die - der Tradition entsprechend - IN der Erde sein müssen.

Man sagt, wer in New Orleans heiraten und leben will, braucht eine eigene Grabstätte mindestens so dringend wie eine eigene Wohnung. So gibt es vor allem viele Familiengruften.

Eine schöne Tradition, wie ich finde, sind die auf dem feidhif üblichen Picknicks - an Gedenktagen treffen sich Angehörige und Freunde am Grab und nicht selten dient das überirdische Grab als "Picknicktisch".

Einer der schönsten Friedhöfe war zuvor das Areal des exclusivsten Golfclubs der Stadt. Ein in den USA sehr reich gewordener Armenier, dem man - ob wegen seiner Herkunft oder wegen seines verkrüppelten Aussehens - über viele Jahre hinweg die Mitgliedsschaft verweigerte, kaufte den Club schliesslich über Strohmänner und machte daraus - einen Friedhof :-)

Ich weiss nich genau ob es dort war oder auf einem anderen der alten Friedhöfe: Eine exzentrische reiche Lady der High Society hatte testamentarisch verfügt, so beerdigt zu werden, wie man sie tot auffindet - nun war die Arme aber in ihrer Badewanne ertrunken ... immerhin... ihr Grabmal tiehrt eine grosse weisse Marmorbadewanne ..

Ist schon etwas her aber der Besuch von new Orleans war immer ein erlebnis - man sollte dort aber nicht alleine auf die Friedhöfe gehen, schon gar nicht an das Grab der Voodoo-Königin Marie Laveau ..


 Medea. antwortete am 13.03.05 (15:30):

Der Friedhof von Montmartre hat mich nicht nur durch seine kleinen "Grabhäuschen" beeindruckt, sondern auch durch die vielen, vielen Katzen, die dort ziemlich unbehelligt von der Obrigkeit ihr Wesen treiben dürfen.

Und unverwechselbar gehören die alten Damen dazu, die ihre
Lieblinge unbeirrbar mit Nahrung versorgen.


 Medea. antwortete am 13.03.05 (15:31):

an Tiramisusi:

vieleicht das Grabmal Tadsch Mahal?
Habe ich aber jetzt geraten, denn in Indien war ich noch nie.


 tiramisusi antwortete am 13.03.05 (16:13):

nein, medea.
aber ch zeige dir mal ein Bild....
ein Meisterwerk für einen Grossmeister...
Rätst Du es?...Das Grab befindet sich auch in Paris...

Internet-Tipp: " target="_blank">


 tiramisusi antwortete am 13.03.05 (16:15):

Es sind tausende von kleinen Mosaiksteinen ...

Internet-Tipp: " target="_blank">


 pilli antwortete am 13.03.05 (19:37):

eine aufforderung zum totentanz enigma? :-)

aber gerne doch und zum auftakt:

...

Johann Wolfgang von Goethe
Der Totentanz

Der Türmer, der schaut zu mitten der Nacht
Hinab auf die Gräber in Lage;
Der Mond, der hat alles ins Helle gebracht:
Der Kirchhof, er liegt wie am Tage.
Da regt sich ein Grab und ein anderes dann:
Sie kommen hervor, ein Weib da, ein Mann,
in weißen und schleppenden Hemden.

Das reckt nun, es will sich ergötzen sogleich,
Die Knöchel zur Runde, zum Kranze,
So arm und so jung und so alt und so reich;
Doch hindern die Schleppen am Tanze.
Und weil nun die Scham hier nun nicht weiter gebeut,
Sie schütteln sich alle: da liegen zerstreut
Die Hemdlein über den Hügeln.

Nun hebt sich der Schenkel, nun wackelt das Bein,
Gebärden da gibt es, vertrackte;
Dann klippert's und klappert's mitunter hinein,
Als schlüg' man die Hölzlein zum Takte.
Das kommt nun dem Türmer so lächerlich vor;
Da raunt ihm der Schalk, der Versucher, ins Ohr:
Geh! hole dir einen der Laken.

Getan wie gedacht! und er flüchtet sich schnell
Nun hinter geheiligte Türen.
Der Mond, und noch immer er scheinet so hell
Zum Tanz, den sie schauderlich führen.
Doch endlich verlieret sich dieser und der,
Schleicht eins nach dem andern gekleidet einher,
Und husch! ist es unter dem Rasen.

Nur einer, der trippelt und stolpert zuletzt
Und tappet und grapst an den Grüften;
Doch hat kein Geselle so schwer ihn verletzt,
Er wittert das Tuch in den Lüften.
Er rüttelt die Turmtür, sie schlägt ihn zurück,
Geziert und gesegnet, dem Türmer zum Glück:
Sie blinkt von metallenen Kreuzen.

Das Hemd muß er haben, da rastet er nicht,
Da gilt auch kein langes Besinnen,
Den gotischen Zierat ergreift nun der Wicht
Und klettert von Zinnen zu Zinnen.
Nun ist's um den armen, den Türmer getan!
Es ruckt sich von Schnörkel zu Schnörkel hinan,
Langbeinigen Spinnen vergleichbar.

Der Türmer erbleichet, der Türmer erbebt,
Gern gäb' er ihn wieder, den Laken.
Da häkelt - jetzt hat er am längsten gelebt -
Den Zipfel ein eiserner Zacken.
Schon trübet der Mond sich verschwindenden Scheins,
Die Glocke, sie donnert ein mächtiges Eins,
Und unten zerschellt das Gerippe.

...

"Die Gemeinschaft von Forschern, Künstlern und Sammlern..." stellt sich im u.a. link facettenreich vor.

:-)

Internet-Tipp: https://www.totentanz-online.de/totentanz.htm


 elena antwortete am 13.03.05 (21:00):

Mir geht es wie euch auch. Friedhöfe ziehen mich magisch an.
Der Zentralfriedhof in Wien, die verschiedenen Friedhöfe in Paris, aber auch in Toldeo und Malaga sind von unterschiedlichem Reiz. Darf frau so etwas eigentlich sagen?

Zum Thema passend: wie habt ihr es denn für euch geplant? Meinen Kindern habe ich gesagt, wie ich es möchte. Einäscherung und dann bei Sonnenuntergang nach einer fröhlichen Fete am Strand .....ab ins Mittelmeer ......noch einmal um die ganze Welt.

Grüsse von Elena


 Medea. antwortete am 13.03.05 (21:37):

Irgendwie erinnert mich das geheimnisvolle Grab in Paris an Rußland - sollte es vielleicht die Grabstätte des begnadenten Tänzers Nurejew sein?


 Medea. antwortete am 13.03.05 (21:39):

Er ist, glaube ich, auf dem Russischen Friedhof in Paris begraben.


 marie2 antwortete am 13.03.05 (23:07):


Ländlicher Friedhof

Über schiefen Kreuzen Efeuhang,
Sanfte Sonne, Duft und Bienensang

Selig Ihr, die ihr geborgen liegt,
An der guten Erde Herz geschmiegt

Selig, die ihr sanft und namenlos
Heimgekehrte, ruht im Mutterschoß!

Aber horch: aus Bienenflug und Blust
Atmet Lebensgier und Daseinslust

Aus der Tiefe Wurzelträumen bricht
Längst erloschener Wesen Drang ans Licht,

Lebenstrümmer dunkel eingescharrt
Wandeln sich und heischen Gegenwart

Und die Erdenmutter königlich
Rührt in drängenden Geburten sich

Nein, der Friedenshort im Grabesschacht
Wiegt nicht schwerer als ein Traum der Nacht;

Trüber Rauch nur ist der Traum vom Tod
Unter dem des Lebens Feuer loht

Hermann Hesse

Auf meinen Reisen schaue ich mir auch immer wieder Friedhöfe an. Ein kleiner mit kunstvollen Grabkreuzen in Kupfer und Bronze liegt in Karthaus im Schnalstal in Südtirol. Mit sehr schönem Blick hinunter ins Tal und auf den kleinen Ort Katharinenberg auf der gegenüberliegenden Talseite.
In Sète in Südfrankreich gibt es einen Friedhof mit wunderschöner Meersicht.Ich habe im Web Bilder dazu gefunden.
https://www.jlphotoart.ch/ag4/se.htm

Internet-Tipp: https://www.jlphotoart.ch/ag4/se.html


 tiramisusi antwortete am 13.03.05 (23:17):

die Kandidatin hat 100 Punkte :-)
Es ist das Grab des wunderbaren Rudolf Hametovich Nureyew, geboren am 17.März 1938 in einem Eisenbahnzug in der Nähe von Irkuz und gestorben an Aids am 6. Januar 1993. Obwohl in der UDSSR ein grosser Star, verstiess er bei einer Gasttournee 1961 gegen die Regeln und hatte "Kontakt zum Feind" - daraufhin sollte er zurückgeschickt werden und - floh auf dem Flugplatz Paris, sprang quasi über die Absperrung des gates in die feiheit und wurde gefeierter Star auf allen Weltbühnen. Er war wohl wirklich einer, den die Götter liebten - hatte er doch nicht nur ein begnadetes Talent und war der beste Tänzer einer Epoche - er sah auch noch bestechend schön aus und Drauen wie Männer lagen ihm zu Füssen .. 1983 wurde er Direktor des Pariser Opernballets und in diese Jahren muss er sich auch mit dem tötlichen Virus infizuert haben. Lange konnte er es verheimlichen aber 1990 brach die Krankheit dann sichtbar aus und ruinierte seinen Körper ...sein letzter Auftritt war 1992 o, Palais Garnier, hier wurde ihm Frankreichs höchte kulturelle Ehrung verliehen, der Chevalier de l'Ordre des Artes et Lettres. Wenige Monate später starb er mit nur 54 Jahren. Nun lieg er auf dem Russischen Friedhof bei Paris, an der Seite von Felix Yusupov, dem Mörder von Rasputin ... Die Skulpur auf seinem Grab stellt einmen gossen Reisekoffer dar, über den ein kostbarer orientalischer Teppich drappiert ist - der Tänzer liebte kostbare Teppiche und der Bildhauer Ezio Frigerio empfand das Mosaikmuster dem Lieblingsteppich des Tänzers nach ..
für mich.. eines der schönsten Gräber, die ich je besucht habe.


 tiramisusi antwortete am 13.03.05 (23:20):

Dem Auge fern, dem Herzen nah!
Als ich die alte Grabschrift sah
Im eingesunknen Marmorstein,
Da fiel mein totes Lieb mir ein.
O Gott, ich schrieb schon tausendmal
Das gleiche Lied aus gleicher Qual,
Und war doch keins wie dieses da:
Dem Auge fern, dem Herzen nah!
(Ludwig Jacobowski, 1868-1900 )


 tiramisusi antwortete am 13.03.05 (23:23):

Mein Grab
Sollt' einst ein Grabkreuz mich bewachen,
ihr tätet mir das größte Arg,
doch will ich noch im Himmel lachen,
stoßt ihr ein Schwert mir in den Sarg.

Und drüber hängt die Schellenkappe,
dass sie im Winde lustig klingt,
und dran ein Zepterchen von Pappe,
das neckisch in der Sonne schwingt!

Und tritt ans Grab dem Treuelosen
ein Kind einst, das den Mund mir bot -:
Schutt' aus die Schürze, schwer von Rosen!
Das nenn' ich tot sein, heiter tot!

(Chr. Morgenstern)


 marie2 antwortete am 13.03.05 (23:24):

Paul Celans Grab...

Keine Blumen gepflanzt
das sei überflüssig
Nichts überflüssiges
nur
wilder
Klatsch-Mohn
schwarzzüngig
ruft
uns ins Gedächtnis
wer unter ihm
blühte.

Rose Ausländer


 tiramisusi antwortete am 13.03.05 (23:28):

meine eigene Beerdigung? Vor wenigen Wochen war ich auf der Beerdigung eines Freundes im Hinterland von Valencia - seine Schwestern und seine Mutter sowie einige enge Freunde fihren mit der Urne imd seiner Asche zu einer Hügelkette oberhalb eines wunderschönen malerischen Tals. Von dort oben verstreuten wir seine Asche, so wie es sein Wunsch war, in den Wind. Das würde mir auch gefallen - oder nich lieber wäre mir, wenn meine Asche an der europäischen Wasserscheide in den Schweizer Alpen ins Wasser geschüttet wird - die Vorstellung, ein Teil von mir fliesst über die Rhone ins Mittelmer, ein anderer über den Rhein in die Nordsee und der Rest über den Inn in die Donau und dann ins Schwarze Meer.. das würde meinem unruhigen und viel gereistem Seelchen gefallen :-)


 wanda antwortete am 14.03.05 (07:47):

ja,. schönes Thema - auch ich lasse kaum einen Friedhof aus - es sind oft ganz einfache Gräber, bezw. Gräber von weniger bekannten Menschen, die mich fazcinieren.... und natürlich die Inschriften. Z.B. auf dem großen Moskauer Friedhof - die meisten in Deutsch....


 schorsch antwortete am 14.03.05 (09:37):

Kennt ihr den weltweit lustigsten Friedhof in Kramsach Tirol?

https://museumsfriedhof.4050.org/html/lustigeFriedhof.html

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/G3B6AHjag


 Enigma antwortete am 14.03.05 (09:38):

Guten Morgen alle,

also, da bin ich aber baff, so viele schöne Beiträge, Fotos und Hinweise und Texte, und alles innerhalb von 24 Stunden.
Also, wenn das nicht für die Qualität der Foristen hier spricht....???:-)
Nurejew`s Grab war mir unbekannt, ein Tipp, wenn ich nochmal nach Paris kommen sollte.
Ihr erinnert Euch sicher noch, wie er der "Dame Margot Fonteyn" zu einem zweiten - tänzerischen - Frühling verholfen hat. Ich fand ihn auch grossartig. Der hatte für mich immer so etwas "Ungezähmtes" *lach*
Und der "lustige Friedhof", der Friedhof am Meer in Sète und die vielen schönen Texte....
Danke.

Jetzt noch was von mir bzw. von Frank Wedekind:

Einkehr

Du stille Friedhofsmauer,
scheu tret`ich ein bei dir.
Willst du nicht meiner Trauer
schirmende Heimat sein?

In deinem tiefen Frieden,
in deinem kühlen Schoß,
wird allen Ruh beschieden,
die krank und ruhelos.

Wo dunkle Stämme ragen
um dichtumkränzten Stein.
Fernen vergangnen Tagen
geb ich ein Stelldichein.

Süßselige heilige Schauer
lösen mir Aug und Sinn -
du stille Friedhofmauer,
du meine Beschützerin.

Entflohn dem Weltgetriebe
tret gern ich bei dir ein;
Willst du begrabener Liebe
schirmende Heimat sein?


 marie2 antwortete am 14.03.05 (11:45):

Meine Gräber

Kein Erbbegräbnis mich stolz erfreut;
meine Gräber liegen zu weit zerstreut,
weit zerstreut über Stadt und Land,
aber all in märkischem Sand.

Verfallene Hügel, die Schwalben ziehn,
vorüber schlängelt sich der Rhin,
über weiße Steine, zerbröckelt all',
blickt der alte Ruppiner Wall,
die Buchen stehn, die Eichen rauschen,
die Gräberbüsche Zwiesprach tauschen,
und Haferfelder weit auf und ab, -
da ist meiner Mutter Grab.

Und ein andrer Platz, dem verbunden ich bin:
Berglehnen, die Oder fließt dran hin,
zieht vorüber in trägem Lauf,
gelbe Mummeln schwimmen darauf.
Am Ufer Werft und Schilf und Rohr,
und am Abhange schimmern Kreuze hervor,
auf eines fällt heller Sonnenschein, -
da hat mein Vater seinen Stein.

Der Dritte, seines Todes froh,
liegt auf dem weiten Teltow-Plateau,
Dächer von Ziegel, Dächer von Schiefer,
dann und wann eine Krüppelkiefer,
ein stiller Graben die Wasserscheide,
Birken hier und da eine Weide,
zuletzt eine Pappel am Horizont, -
im Abendstrahle sie sich sonnt.
Auf den Gräbern Blumen und Aschenkrüge,
vorüber in Ferne rasseln die Züge,
still bleibt das Grab und der Schläfer drin, -
der Wind, der Wind geht drüber hin.

Theodor Fontane

@tiramisu
Eine Amerikanerin erzählte mir, dass ihr Opa seine Asche aus einem Flugzeug verstreuen lassen wollte. Als die Hinterbliebenen die Urne öffneten, um die Asche in der Luft zu verstreuen, hatten sie wohl nicht die Windrichtung beachtet. Die Asche flog durch das Flugzeug und der Enkelin ins Gesicht. Seit diesem Erlebnis hat sie nie wieder ein Flugzeug bestiegen.
Hundertwasser hat ein Bild "Im Garten der glücklichen Toten" gemalt. Das fiel mir wieder ein als ich Deine Hinweise auf den lustigen Friedhof las, er würde mir auch gefallen.
Marie

Internet-Tipp: https://www.bildungsservice.at/faecher/be/Kunstwerk/bild499.htm


 schorsch antwortete am 14.03.05 (18:01):

Den Wunsch, meine Asche dreinst aus dem Flugzeug über meiner Heimat auszustreuen, habe ich mit meinem Schwiegersohn schon vor Jahren besprochen - er ist Privatpilot im Nebenamt und als Fluglehrer tätig. Er hat es mir zwar versprochen. Aber: Der Mann denkt und die Frau lenkt ):--((((


 iustitia antwortete am 14.03.05 (23:29):

ANGABEN ZU FONTANES GEDICHT
�MEINE GRÄBER�

Entstanden 1888, vermutlich im Zusammenhang mit dem Gedicht �Am Jahrestag�. In: �Gedichte. 2.Aufl.�; dann noch in den Ausgaben 1889,1892,1898. - Im Romanmanuskript �Mathilde Möhring� (FAP) blieb ein Entwurf des Gedichts (Gräber korr. zu: Meine Gräber) erhalten; Tinte, mit Bleistift korrigiert)

Mutter -
Emilie Fontaine, gest. am 13. Dezember 1869, liegt in Neuruppin begraben (Vgl. FB, Bd. I, H.7,1968; S. 379).

Vater -
Louis Henri Fontane; Apotheker; gest. am 5. Oktober 1867, wurde auf dem Friedhof in Neutornow bei Schiffsmühle (nahe Freienwalde) begraben (vgl FBL, Bd. 1, H. 6,196, S. 286).

Der "dritte" Sohn] -
Fontanes ältester Sohn, George; Soldat und Lehrer an einer Waffenschule; gest. am 24. September 1887 im Alter von 36 Jahren, an einer Blinddarmentzündung; er wurde am 27. September auf dem Friedhof in Berlin-Lichterfelde begraben.

*

Von diesem Sohn verrät er also keine Einzelheiten, sondern gibt die Charakterisierung an , dass er "seines Todes froh" gewesen sei; bei der medizinisch damals nicht heilbaren Entzündung wohl verständlich.
Dieser Abschied vom Sohn gerät zu einem friedlichen Naturbild: Grab, das nur noch vom Wind, dem Naturzeichen Wind gekennzeichnet ist; von keinerlei religiöser Hoffnung begleitet.


 tiramisusi antwortete am 14.03.05 (23:49):

ja, es passieren schon komische Geschichten auf Beerdigungen - meine Lieblingsgeschiche ist immer noch die aus "So herrlich war Sulejken" von Siegfried Lenz..."als das Tantchen Arafra jestorrrben warrr und de Leichenfeier war soo schön und die Leut haben tanzen wollen, un d weil so wenig Platz war, haben se das Tantchen in ihrem Sarg sänggrächt an de Wand jestellt" ... wunderbar :-)

Übrigens: Auf der TANAEXPO (benannt nach Thanatos, dem griechischen Gott des Todes) werden jedes Jahr in Modena die neuesten Entwicklungen und Trends der Bestattungsindustrie vorgestellt.

Auf einer der letzten Messen war das schrägste Non-Plus-Ultra aus den USA eine Wegwerf-Webcam für den Sarg und ein Feuerwerk zur Zerstreuung der Totenasche. Die Wegwerf-Webcam im Sarg erlaubt zu spät gekommenen Trauergästen noch einen letzten Blick auf den Dahingeschiedenen. Und die vom Anbieter sogenannte "pyrotechnische Urne" jagt mit Farbenspiel und Geheul in den Himmel, um die Asche des Toten in alle Winde zu zerstreuen. Oma wie eine Rakete an den Himmel schiessen und dann sehen, wie sie in tausenden funkelnden Sternen zur Erde niederrieselt - was für ein Erlebnis. Eine weitere Neuerung ist das Grab, das nachts fluoreszierend leuchtet ... mehr? Hier:

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/ICLJWMOzV


 Enigma antwortete am 15.03.05 (09:25):

Guten Morgen alle,

was für eine Fülle von Informationen, von dem "lustigen Friedhof" in Kramsach über das schöne Bild und die Idee von Hundertwasser, das Malheur mit "Opas Asche aus dem Flugzeug", die Angaben zu Fontanes Gedicht "meine Gräber" bis hin zu der Geschichte von Lenz und den "schrägen Trends".
Sowas habe ich schon lange nicht mehr gelesen. :-))Danke!

Heute kurz etwas von mir auch zu einem besonderen Friedhof:
Im letzten Jahr habe ich eine kleine Rundreise durch Polen unternommen, Krakau natürlich inbegriffen.
Dort besuchten wir dann auch das Ghetto, einen kleinen jüdischen Friedhof und die REMU-Synagoge.
Ein besonderes Erlebnis, das leider dadurch etwas getrübt wurde, dass die Stadtführerin stimmlich nicht besonders disponiert war (Sie sprach viel zu leise und undeutlich). Und dann fehlte ihr noch etwas, leider. Sie gehörte zu den Menschen, die sicher ein ganz enormes Wissen haben, aber dieses nicht lebendig "rüberbringen" können (dann gibt es ja wieder andere Erzähler, die fast ein Gesetzbuch spannend erzählen können). Dadurch war die Gruppe eigentlich nicht so aufmerksam, wie es eigentlich dem Anlass angemessen gewesen wäre, und viele beschränkten sich mehr auf das Anschauen als auf das Zuhören. Schade!
Aber ein besonderes Erlebnis war es dennoch.

Grüsse für heute
Enigma

Internet-Tipp: https://www.schalomnet.de/webthums


 Medea. antwortete am 15.03.05 (11:42):

Enigma, Tiramisusi @ all -

in diesen Reigen unvergeßlicher Geschichten aus "So zärtlich war Suleyken" gehört unbedingt noch die vom Onkelchen Manoah und seinem Neffen Alec und den vielen Gläubigern und dem Schnippchen, das diesen geschlagen werden sollte mit dem angeblich so plötzlichen Tode Manoahs.

"Diese versammelten sich in schweigender Anklage um den in einer Ecke lehnenden Manoah, als erwarteten sie von ihm Aufklärung und Bezahlung. Zuletzt trat auch Alec hinzu, mit bangem Herzen, aber voll Vertrauen in Onkel Manoahs Listenreichtum, und er trat an ihn heran, tippte ihm auf die Schulter, und als Manoah sich nicht rührte, drehte er ihn vorsichtig um. Da sahen alle, daß Onkel Manoah tot war und sie bemerkten das triumphierende Lachen in seinem Gesicht, und die Scham machte sie unruhig und drängte sie zum Aufbruch. Sie beeilten sich, von Bord zu kommen und ihre Eile war aufrichtig.

Alec wandte sich, des Lobes voll, an Manoah und sagte wörtlich: "Manches, Onkel Manoah, habe ich in meinem Leben erfahren, aber noch nie, daß sich jemand so vollkommen tot stellen konnte. Die Gläubiger sind weg, die Gefahr ist vorüber, nichts hindert Euch, wieder lebendig zu werden und ein neues Täßchen Kaffee zu trinken."

Aber Manoah, groß und starr, lehnte in der Ecke und bewegte sich nicht. Der schöne Alec begann ihn ängstlich abzutasten und zu untersuchen, hastig und mit ehrfurchtsvollem Erschrecken, und dann entdeckte er, daß Onkel Manoah wirklich gestorben war.

Da verneigte sich Alec tief und flüsterte:
"Auf solch ein Schnippchen, Onkelchen, wahrhaftig, war ich nicht gefaßt."

(Schlußabsatz des Geschichtchens/Siegfried Lenz)


 iustitia antwortete am 15.03.05 (13:27):

Nachtrag zu Hesses Friedhofs-Gedicht:

URL:
Hesses Grabstein in Montagnola

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/LtRlLiLqG


 tiramisusi antwortete am 15.03.05 (13:37):

und wer gerne auf Friedhöfen nach Gräbern Bekannter oder Unbekannter stöbern möchte, dem sei "findagrave.com" (leider nur in englischer Sprache) enpfohlen.

Internet-Tipp: https://www.findagrave.com


 marie2 antwortete am 15.03.05 (14:02):

Mit Farbenspiel und Geheul in den Himmel und dann als Sternchen zur Erde zurück � ja das hat was. Ich werde es mir überlegen.

Noch reizt mich eine solche Ruhestätte mehr:

Stille Anweisung

Ruh dich aus
Mir brauchst du das Gras nicht zu schneiden.
Laß es mitsamt dem unbändigen Unkraut
weiterwachsen auf meinem Hügel.

Horch lieber, ob dir nicht under der Erde
eine schon dicht vergrünte Stimme
immer nocht sagt:: "Ich wachse dir zu..."

Christina Busta

Wer sich für monumentale Grabmäler interessiert, der sollte den Friedhof in Genua besuchen. Unten sind die Gräberfelder der Armen und auf den Hügeln die Mausoleen der Reichen zu sehen.

Radio Bremen hat eine ganz interessante Seite zum Thema Friedhöfe

Internet-Tipp: https://www.radiobremen.de/online/friedhoefe/


 Enigma antwortete am 16.03.05 (08:14):

Danke an alle für die neuen Beiträge.
Und nun noch was von Ferdinand Freiligrath:


O Lieb, solang du lieben kannst!

(Aus "Zwischen den Garben", 1849)



O lieb, solang du lieben kannst!
O lieb, solang du lieben magst!
Die Stunde kommt, die Stunde kommt,
Wo du an Gräbern stehst und klagst!

Und sorge, daß dein Herze glüht
Und Liebe hegt und Liebe trägt,
Solang ihm noch ein ander Herz
In Liebe warm entgegenschlägt!

Und wer dir seine Brust erschließt,
O tu ihm, was du kannst, zulieb!
Und mach ihm jede Stunde froh,
Und mach ihm keine Stunde trüb!

Und hüte deine Zunge wohl,
Bald ist ein böses Wort gesagt!
O Gott, es war nicht bös gemeint, -
Der andre aber geht und klagt.

O lieb, solang du lieben kannst!
O lieb, solang du lieben magst!
Die Stunde kommt, die Stunde kommt,
Wo du an Gräbern stehst und klagst!

Dann kniest du nieder an der Gruft
Und birgst die Augen, trüb und naß,
- Sie sehn den andern nimmermehr -
Ins lange, feuchte Kirchhofsgras.

Und sprichst: O schau auf mich herab,
Der hier an deinem Grabe weint!
Vergib, daß ich gekränkt dich hab!
O Gott, es war nicht bös gemeint!

Er aber sieht und hört dich nicht,
Kommt nicht, daß du ihn froh umfängst;
Der Mund, der oft dich küßte, spricht
Nie wieder: Ich vergab dir längst!

Er tat's, vergab dir lange schon,
Doch manche heiße Träne fiel
Um dich und um dein herbes Wort -
Doch still - er ruht, er ist am Ziel!

O lieb, solang du lieben kannst!
O lieb, solang du lieben magst!
Die Stunde kommt, die Stunde kommt,
Wo du an Gräbern stehst und klagst!


 schorsch antwortete am 16.03.05 (11:09):

Freu dich an den Blumen
den vielen schönen bunten;
einmal wirst du sie nicht
mehr seh`n - von unten!

Schorsch


 marie2 antwortete am 16.03.05 (13:10):

Die Leiche Schorsch

Im Grab lag eine Leiche,
schon lange war sie tot.
Sie lag bequem und weiche
in feinem Maulwurfskot.
Der Grabstein war verwittert,
der Sarg ein bisschen morsch.
Sie war darob erbittert,
die Leiche namens Schorsch.

Rudi Marvin

@ Schorsch
Das fand ich zufällig im Web. Also doch lieber beim Schwiegersohn und Flugzeug bleiben. Vielleicht überzeugt das Deine Frau. ;-))


 pilli antwortete am 16.03.05 (23:33):

Ballade vom Hugenottenfriedhof - Wolf Biermann

Wir gehn manchmal zwanzig Minuten
Die Mittagszeit nicht zu verliern
Zum Friedhof der Hugenotten
Gleich hier ums Eck spaziern
Da duftet und zwitschert es mitten
Im Häusermeer blüht es. Und nach
Paar wohlvertrauten Schritten
Hörst du keinen Straßenkrach

Wir hakeln uns Hand in Hand ein
Und schlendern zu Brecht seinem Grab
Aus grauem Granit da, sein Grabstein
Paßt grade für Brecht nicht schlecht
Und neben ihm liegt Helene
Die große Weigel ruht aus
Von all dem Theaterspielen
Und Kochen und Waschen im Haus

Dann freun wir uns und gehen weiter
Und denken noch beim Küssegeben:
Wie nah sind uns manche Toten, doch
Wie tot sind uns manche, die leben

Wir treffen das uralte Weiblein
Das harkt da und pflanzt da und macht
Und sieht sie uns beide kommen
Dann winkt sie uns ran und lacht
Die Alte erzählt von Achtzehn
Novemberrevolution:
"Hier schossen sich die Spartakisten
Mit Kaiserlichen, die flohn
Karl Liebknecht und Luxemburg Rosa
- so muß es den Menschen wohl gehen! -
Lebendig und totgeschlagen
Hab ich sie noch beide gesehen!
Als ich noch ein junges Ding war
- ich bin ja schon viel zu alt! -
Von hier bis zur Friedrichsstraße
War alles noch dichter Wald"

Dann freun wir uns und gehen weiter
Und denken noch beim Küssegeben:
Wie nah sind uns manche Toten, doch
Wie tot sind uns manche, die leben

Da liegt allerhand große Leute
Und liegen auch viel kleine Leut
Da stehn riesengroße Platanen
Daß es die Augen freut
Wir gehn auch mal rüber zu Hegel
Und besuchen dann dicht dabei
Hanns Eisler, Wolf Langhoff. John Heartfield
Wohnt gleich in der Nachbarreih'

Von Becher kannst du da lesen
Ein ganzes Gedicht schön in Stein
Der hübsche Stein da aus Sandstein
Ich glaub, der wird haltbar sein
Die Sonne steht steil in den Büschen
Die Spatzen jagen sich wild
Wir halten uns fest und tanzen
Durch dieses grüne Bild

Dann freun wir uns und gehen weiter
Und denken noch beim Küssegeben:
Wie nah sind uns manche Toten, doch
Wie tot sind uns manche, die leben

...

link zum Dorotheenstädtischer Friedhof in Berlin.

:-)

Internet-Tipp: https://home.snafu.de/hartwig/friedhof/dorst_fr/dor_ind1.htm


 pilli antwortete am 17.03.05 (08:11):

W. Hartwig lädt auf der u.a. seite, die ich bereits angegeben hatte, zum besuch der historischen friedhöfe Berlins ein.

als nachtrag biete ich euch das Personenregister dieser seite an; von Lorenz Adlon bis Arnold Zweig, sind alle gelistet, die hier ihre letzte ruhestätte fanden und mit einem klick auf den namen zeigt sich ein foto der jeweiligen grabstätte.

Internet-Tipp: https://home.snafu.de/hartwig/friedhof/persreg.htm


 schorsch antwortete am 17.03.05 (08:53):

marie2

Doch meinem Leben weiche
ich nur als starre Leiche!


 marie2 antwortete am 17.03.05 (09:32):

Nur zu Besuch
- ein Lied von den Toten Hosen -

Immer wenn ich dich besuch� fühl ich mich grenzenlos.
Alles andere ist von hieraus so weit weg.
Ich mag die Ruhe hier zwischen all den Bäumen �
als ob es den Frieden auf Erden wirklich gibt.

Es ist ein schöner Weg, der unauffällig zu dir führt.
Ja, ich hab ihn gern, weil er so hell und freundlich wirkt.
Ich habe Blumen mit - weiß nicht ob du sie magst.
Damals hättest du dich wahrscheinlich sehr gefreut.
Wenn sie dir nicht gefallen störe dich nicht weiter dran.
Sie werden ganz bestimmt bald wieder weggeräumt.
Wie es mir geht, die Frage stellst du jedes Mal.
Ich bin O.K., will nicht, dass du dir Sorgen machst.

Und so red� ich mit dir wie immer,
so als ob es wie früher wär,
so als hätten wir jede Menge Zeit.
Ich spür� dich ganz nah hier bei mir,
kann deine Stimme im Wind hören,
und wenn es regnet, weiß ich, dass du manchmal weinst �
bis die Sonne scheint; bis sie wieder scheint.

Ich soll dich grüßen von den anderen �
sie denken alle noch ganz oft an dich.
Und dein Garten, es geht ihm wirklich gut,
obwohl man merkt, dass du ihm doch sehr fehlst.
Und es kommt immer noch Post, ganz fett adressiert an dich,
obwohl doch jeder weiß, dass du weggezogen bist.

Und so red� ich mit dir wie immer,
und ich verspreche dir,
wir haben irgendwann wieder jede Menge Zeit.
Dann werden wir uns wiedersehen �
du kannst dich ja kümmern, wenn du willst,
dass die Sonne an diesem Tag auch auf mein Grab schein
- dass die Sonne scheint, dass sie wieder scheint...



@schorsch
Recht hast!
Bleib uns noch lang erhalten,
das möge Gott doch walten


 pilli antwortete am 17.03.05 (15:24):

Berliner Mittelstandsbegräbnis

In einer Margarinekiste habe ich sie begraben.
Ein Leihsarg war nicht mehr zu haben.
Die Kosten für einen Begräbnisplatz könnt ich nicht erschwingen:
Ich mußte die Margarinekiste mit der teueren Entschlafenen auf einem Handwagen in die Laubenkolonie am Schlesischen Bahnhof bringen.

Dort habe ich sie in stockfinsterer Nacht
Unter Kohlrüben zur ewigen Ruhe gebracht.
Aber im Frühling werden aus der Erde Kohlrüben, die sie mit ihrem Leibe gedüngt, zum himmlischen Lichte sprießen,
Und der Hilfsweichensteller Kraschunke wird sie zum Nachtmahl genießen.

Während sie noch in der Pfanne (in Margarine-Ersatz) schmoren und braten,
Bemerkt Frau Kraschunke erfreut: �Die Kohlrüben sind dieses Jahr aber ungewöhnlich groß geraten...
(Klabund)


 Medea. antwortete am 17.03.05 (16:55):

Der frohe Tote

In einer fetten Erde voll von Schnecken,
da richt ich eine tiefe Grube her.
Da will ich frei die alten Glieder recken -
vergessen schlafen wie ein Hai im Meer.

Ich will nicht Testament noch Grab und Stein -
ich will von Menschen keine Träne heischen.
Ich lade lieber mir die Raben ein,
daß sie den ganzen morschen Leib zerfleischen.

Ihr Würmer! Augen- ohrenlos Gekreuch!
Ein freier froher Toter kommt zu Euch!
Ihr heitre Weise: aufgenährt im Kot!
Durch meine Reste dringet ohne Sorgen
und sagt: blieb eine Qual mir noch verborgen,
mir ohne Seele unter Toten tot?

(Charles Baudelaire)


 tiramisusi antwortete am 17.03.05 (17:05):

Grabinschrift

Im Grab schläft hier ein Mann, der war
Mit Amors Pfeilen gut bekannt,
Ein kleiner Bettler, ein Scholar,
Der sich François Villon genannt.
Und er besaß kein Fleckchen Land,
Verschenkte alles bis aufs Hemd:
Tisch, Richtblock, Mitgift, Brot und Tand.
Mit diesem Psalm ihr sein gedenkt:


Rondo

Herr, schenke ihm den ewgen Frieden
Und auch des Himmels stete Helle,
Er hatte weder Napf, noch Teller,
Kein Petersilienblatt hienieden.
Kein Haar war seinem Kopf verblieben,
Glich einer Rübe, die man schälte.
Herr, schenke ihm den ewgen Frieden.
Lang war ihm das Exil beschieden,
Sein Arsch bekam so manche Delle,
Sein Schrei �Ich widerspreche!� gellte,
Ein Wort, das besser er vermieden.
Herr, schenke ihm den ewgen Frieden.

(François Villon)


 marie2 antwortete am 17.03.05 (17:33):

Mein Grablied

Mein Grablied sei ein froher Klang,
ein lustig Lied der Vögelein,
ein frühlingsheiterer Gesang
im hellen Morgenschein.

Kein Kreuz bezeichne meine Ruh,
kein Stein mit toter Worte Glanz;
mit einer Träne deckt mich zu
und weiht mir einen Blumenkranz.

Mein Name stirbt mit seinem Herrn,
nur meine Lieder klingen nach,
sie mögen klingen nah und fern,
in Wald und Tal, in Wies' und Bach.

Wenn eine einz'ge junge Brust
das Lied versteht und singt und ehrt
in Liebesschmerz und Frühlingslust,
so ist mein letzter Wunsch gewährt.

Hermann Hesse


 Sonnenblume antwortete am 17.03.05 (18:49):

Auch ich habe einen Liebelingsfriedhof, den ich allen Wientouristen und auch den Wienern,die ihn nicht kennen, ans Herz legen möchte.
Der Josefsdorfer Friedhof am Kahlenberg. Er wurde 1783 eröffnet und es ruht dort, "das schönste Fräulein vom Wiener Kongress" Caroline Traunwieser.
Zu dieser Zeit wurde Österreich vom Josephinischen Zeitalter beherrscht, das kirchliche Angelegenheiten wie Wallfahrten, Prozessionen und Ablässe mit neuen Verordnungen versah. Ein besonders unglückliches Gebot bestand darin, unbekleidete Leichen in Säcken in Kalkgruben zu beerdigen. Joseph II., der in allen seinen Erlässen als "Aufklärer" erscheinen wollte, rief zumindest in seinen Andachts-Ordnungen heftigen Widerstand hervor. Demgemäß ruht auch im Josefsdorfer Waldfriedhof kein einziger Toter in einem groben Jutesack.
Nach dem Friedhofsbesuch kann man zum nahegelegenen Heurigen spazieren, von woaus man einen wunderschönen Ausblick über die Donau und Wien genießen kann:-)


 schorsch antwortete am 17.03.05 (19:00):

Bin heute an unserem Dorffriedhof vorbei spaziert auf welchem ein Bagger soeben die alten Gräber ausbaggerte und die weissen Knochen an einen Haufen schichtete.....

....ich möchte nicht, dass mich in 20 oder 30 Jahren ein schlecht bezahlter Baggerführer ausbuddelt und über meine von den Bodenmikroben gebleichten Gebeine flucht, die immer wieder in die Grube fallen ):--((((


 Sonnenblume antwortete am 18.03.05 (21:12):

Lieber Schorsch, das wünschen wir uns wohl alle, dass wir EWIG in Frieden ruhen dürfen:-)
Viel schrecklicher finde ich aber, dass man mit Leichen Crash Tests für Autos macht. Haben sie gestern von der Grazer-Uni berichtet, fürchterlich.Darf man gar nicht darüber nachdenken.......


 tiramisusi antwortete am 19.03.05 (20:43):

..on einem anderen Forum gab es mal eine Diskussion darüber, welche Musik man gerne auf seiner eigenen Beerdigung gespielt haben möchte. Ich selbst kam für mich zu dem Schluss, dass "Ding-Dong the Witch is dead" aus dem "Zauberer von Oz" ganz in meinem Sinne wäre (und nicht nur in dem) :-) Naja... es darf auch "Eine kleine Frühlingsweise" oder "Liebesleid" von den Comedian Harmonists sein ..

Welches Musikstück fällt Euch denn ein?


 iustitia antwortete am 19.03.05 (21:28):

Zur Erinnerung...? Ich habe "Solvejgs Lied" von Grieg (gesungen von Lucia Popp) "festgelegt" für mich; ob d i e es hören wollen bei dem Anlass...?
*

Viele werden in Prag den alten jüdischen Friedhof kennen...
*
René Possél:
Der alte jüdische Friedhof

Durch dichte Bäume dringt kein Sonnenschein.
Es krächzen Raben ihren grellen Spott.
Die Hand auf einem halbversunknen Stein
wiegt sich ein Jude im Gebet vor Gott.

Die Erde unter ihm: So viel Gebeine!
Millionen fuhrn als Asche in die Luft.
Gibt's einmal einen Friedenshof für seine,
für seiner Brüder Ruhe eine Gruft?

Im Friedhofswinkel liegt ein Hund begraben.
Der alte Haß warf ihn auf diesen Grund.
"Was tot ist, soll hier seine Bleibe haben!"
So tat der Rabbi Löw den Seinen kund.

Die keinen Ort auf dieser Welt gefunden,
sie teilen sich ihr Grab noch mit den Hunden.
*

URL: Wer hat da auch schon mal ein STeinchen vorgesorgt...?

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/8jUF0IRmr


 Enigma antwortete am 23.03.05 (10:02):

Das nachfolgende Gedicht von Emily Dickinson spricht zwar nicht von einem Friedhof oder Gräbern, aber beschreibt die "letzte Reise" für mich so schön und ruhig, ohne Hast an den Stationen des Lebens vorbei, dass ich es doch hier einstellen möchte:

Because I could not stop for Death � (1863)
von Emily Dickinson


Because I could not stop for Death �
He kindly stopped for me �
The Carriage held but just Ourselves �
And Immortality.

We slowly drove � He knew no haste �
And I had put away
My labor and my leisure too,
For His Civility �

We passed the School � where Children strove
At Recess � in the Ring �
We passed the Fields of Gazing Grain �
We passed the Setting Sun �

Or rather � He passed Us �
The Dews drew quivering and chill �
For only Gossamer, my Gown �
My Tippet � only Tulle �

We paused before a House that seemed
A Swelling of the Ground �
The Roof was scarcely visible �
The Cornice � in the Ground �

Since then � 'tis Centuries � and yet
Feels shorter than the Day
I first surmised the Horses' Heads
Were toward Eternity �

Deutsche Fassung

Der Wagen

Dem ich mich nie gestellt, der Tod,
Stand gütig mir bereit;
Und sein Gefährt trug nur uns zwei
Und die Unsterblichkeit.
Wir fuhren langsam, ohne Hast,
Und ich tat von mir weit
Mein Mühen und mein Müßigsein
Dank seiner Freundlichkeit.
Wir sahn die Schule, wo das Spiel
Der Kinder laut erklang;
Sahn Felder starrenden Getreids,
Sahn Sonnenuntergang.
Er hielt vor einem Haus, das war
Wie schwellender Erdengrund;
Das Dach war kaum zu sehen, das
Gesims ein Hügelrund.
Äonen sinds seitdem; doch sie
Sind kürzer als die Zeit,
Da ich geahnt, der Pferde Trab
Ging in die Ewigkeit.


 TouchMe antwortete am 25.03.05 (10:01):

Im Hof des Friedens!

Im Hof des Friedens bin ich hier,
hab Sehnsucht zur Stille im Gespür.
Hab Ehrfurcht vor den alten Kunden
und Freude an hier heilenden tödlichen Wunden.

Weiß, der Krieg des Lebens hat
diesen Hof mit vielen Tränen erbaut -
und dass man Frieden nur in sich selbst erschaut.

Ich kann die Freude voll Entzücken spüren -
hat man diesen Seelenort einmal gefunden,
kann man ihn niemals mehr verlieren.

Er ist das Ziel, dass uns im Leben treibt
es ist die Wahrheit, die in unserem Herzen schreit.
Im Hof des Friedens feiern wir unser Freudenfest
so lange unser Verstand unsere Seelen lieben lä0t.

TouchMe

Internet-Tipp: https://acutouchpointer.at


 Enigma antwortete am 02.04.05 (08:16):

Johann Nepomuk Vogl
Ein Friedhofbesuch

Beim Totengräber pocht es an:
"Mach auf, mach auf, du greiser Mann!
Tu auf die Tür und nimm den Stab,
Mußt zeigen mir ein teures Grab!"

Ein Fremder spricht's mit strupp'gem Bart,
Verbrannt und rauh nach Kriegerart.
"Wie heißt der Teure, der euch starb
Und sich ein Pfühl bei mir erwarb?"

"Die Mutter ist es, kennt ihr nicht
Der Martha Sohn mehr am Gesicht?"
"Hilf Gott, wie groß, wie braungebrannt!
Hätt' nun und nimmer euch erkannt;

Doch kommt und seht, hier ist der Ort,
Nach dem gefragt mich Euer Wort.
Hier wohnt, verhüllt von Erd' und Stein,
Nun Euer totes Mütterlein".

Er steht und starrt zum teuren Grab
Mit tränenfeuchtem Blick hinab.
Dann schüttelt er sein Haupt und spricht:
"Ihr irrt, hier wohnt die Tote nicht.
Wie schlöss' ein Raum, so eng und klein,
Die Liebe einer Mutter ein!"

Internet-Tipp: https://www.litlinks.it/v/vogl_jn.htm