Zur Seniorentreff Homepage
 Bücher suchen:





Neues ChatPartnersuche (Parship)FreundeLesenReisen LebensbereicheHilfe



Archivübersicht | Impressum

THEMA:   Robert Odemann - ein Humorist

 17 Antwort(en).

Literaturfreund begann die Diskussion am 24.06.05 (23:39) :

Robert T. Odeman:
Monolog vor dem Schillerdenkmal im Morgengrauen

Wenn ich noch einmal resümiere,
nachdem das letzte Geld dahin,
dann waren es an fünfzehn Biere
und noch diverse Rum und Gin.
Dann hab' ich Labskaus wohl gegessen
und einen Rettich dazu noch,
und was dann kam, hab' ich vergessen.
Mein neuer Arnzug hat ein Loch.

Nun steh' ich vor dir, großer Dichter
mit deiner Form aus Lehm gebrannt,
du hast ja plötzlich zwei Gesichter,
das war mir noch ganz unbekannt –
Du schwankst ja auch ganz schön da oben
auf deinem Piede - Pie - destal,
du, deine Frau, die wird schön toben,
kommst du nach Haus, na, warte mal.
Die Tauben haben dich bekleckert,
Mensch, Schiller, das ist ein Skandal!
Ob deine Alte auch so meckert?
Ich komm' mal rauf, Momentchen mal.
Ich wisch' die Schultern und den Kragen
dir ab mit meinem Taschentuch,
dann kann sie überhaupt nichts sagen ...
Ja, ja, das ist des Sängers Fluch.
Die Männer soll'n zusammenhalten,
doch prima Aussicht hast du hier,
da kann der Geist sich schön entfalten.
Ach, weißt du was? Ich bleib' bei dir!
Die Weiber werden zu Hyänen,
das hast du selber mal erklärt.
Um jeden Scheißdreck gibt es Szenen.
Weißt du, ob schon die U-Bahn fährt?
Ist auch ganz Wurscht, wenn ich ihr sage:
Ich war bei Schillern heute nacht.
Mein bester Leumund, ohne Frage,
in Ordnung, Friedrich, abgemacht.
Ich setz' mich mal zu dir ein wenig,
das nimmst du doch nicht übel, wie?
Langschäfter trägst du, Dichterkönig?
Warst du auch bei der Infantrie?
Ich war bei einer Panzertruppe
bis 45, stets vorm Feind.
Jetzt aber ist mir alles schnuppe,
ich schlaf bei dir, du bist mein Freund.
*
(Aus: Das große Robert T. Odeman-Buch. Berlin S. 40f.)
URL.: Das Schiller-Denkmal auf der Höhe des Schiller-Nationalmuseums in Marbach.

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/bPCdyrALy


 Literaturfreund antwortete am 25.06.05 (05:29):

Robert T. Odeman:
Wurzen geht in die Literaturgeschichte ein

Oft geht in die Geschichte ein
ein Ort, durch einen kurzen
Moment, an sich so winzig klein...
Wie steht es nun mit Wurzen?
Bisher hat diese brave Stadt
kaum achtbare Akzente,
die ein Chronist zu buchen hat.
Als einziges er könnte

den wunderschönen Dialekt
dort rühmen besten Falles,
der unserm Ohr so köstlich schmeckt,
das wäre dann auch alles.
Im Urfaust sagt zwar Goethe mal
verdrossen vom Verkehre,
es sei sehr langsam und fatal
dort auf dem Fluß die Fähre.

Napoleon schlief eine Nacht
in Würzen an der Mulde,
verlor bei Leipzig drauf die Schlacht.
War Würzen etwa schulde?
Und dann geschah lang gar nichts mehr,
das Städtchen döste sachte,
bis eines Tags bei Bötticher
der Storch ein Knäblein brachte.

Am siebten Achten zum Kaffee
im Jahre dreiundachtzig,
da ging's mit Wurzen in die Höh',
das Schicksal sprach: Es macht sich.
Es selber ahnte aber nicht,
wer damals dort geboren.
Wer eigentlich der kleine Wicht,
kam später ihm zu Ohren.

Ein schrullig Kind, verschnickt, verschnackt,
ein Nasenkauz, ein kleiner,
verhuscht und maritim verpackt,
und doch ein wunderfeiner.
Der kleine Hans bei Böttichers
ging ein in die Geschichte,
er kritzelte manch frechen Vers
und herrliche Gedichte.

Und Wurzen ist nicht mehr ein Platz,
an den der Spott sich kettet.
Sein Sohn Joachim Ringelnatz
hat es davor gerettet.
*
(Aus: Das große Robert T. Odeman-Buch. Berlin S. 225f.)
*
URL.: Ringelnatz, gemalt von Prechtl; für Werbung umgestaltet...

Internet-Tipp: https://www.gloth.de/ringelnatz.JPG


 Enigma antwortete am 25.06.05 (08:32):

Ein Würstchen-Drama

In einer großen Metzgerei,
inmitten riesiger Girlanden,
entdeckten sich sofort die Zwei
und gleich sich ihre Herzen fanden.
Sie war zu Haus in Frankfurt/Main,
von schlankem Wuchs, wie eine Gerte,
er war aus Regensburg und klein,
was aber sie durchaus nicht störte.

In seiner graden Bayern-Art
erklärte er ihr auf der Stelle:
�I bin total in di vernarrt.�
Ein Schaudern ging ihr durch die Pelle.
Sie hauchte nur: �Ich hab's gewusst
beim ersten Blick, du bist der Rechte.
Cupido traf mich in die Brust,
so dass ich keinen andern möchte.�

Sie liebte sehr die Poesie
und setzte ausgewählt die Worte.
�Bin ich mit Goethe�, sagte sie,
�geboren doch am gleichen Orte.�
�I hob' für sulche Spriach koa Hirn�,
entgegnete er sehr bescheiden.
�Oaber i siach, du bist a saubre Diarn,
do wärs scho richti mit uns Beiden -- �

Doch diesen Tag im Liebes-Mai
zerriss Frau Klempnermeister Krause,
sie kochte grade Erbsenbrei
und hatte keine Wurst im Hause.
Sie sprach: �Zwei Pfund von jenen dort�,
womit sie Regensburger meinte.
Schon nahm das Schicksal wieder fort,
was sie vor kurzem erst vereinte.

Der Metzger warf zusammen ihn
mit seinen Brüdern auf die Waage,
schon sah sie ihn von dannen ziehn,
die Frankfurt-Maid verging vor Klage.
Den letzten Blick auf dem Papier
warf er ihr zu mit einem Zipfel -
mit Messern schnitt's ins Herze ihr,
das Leid erreichte seinen Gipfel.

Stumpfsinnig und verlassen hing
im Laden nun das arme Bräutchen,
wo es bald an zu welken fing
und Runzelchen bekam ihr Häutchen.
Ein Knoblauch-Bengel warb um sie,
ein ordinärer Kerl aus Polen.
Sie sagte angewidert: �Nie!�
Und er: �Soll dich doch Deibel holen!�

Allein nun ihre Stunde schlug,
sie kam zum Pastor Franz Vermehren,
in dessen Küche man sie trug
mit ihrem Herz, dem überschweren.
Bald schmorte sie im Sauerkraut,
die nie gekannt des Herzens Manna.
Sie blieb wie eine reine Braut
wie einst die �Heilige Johanna�!

Die Hitze stieg, sie wurde prall,
was sie als tiefe Schmach empfunden,
dann platzte sie mit leisem Knall ---
nun hatte sie es überwunden!
Beim Mittagsmahl nach dem Gebet,
als der Pastor schon lüstern schmatzte,
rief er: �Verflixt und zugenäht!�
Und schmiss vom Teller die Geplatzte.

Doch wär ihm je was hier passiert,
was diesem Würstchen widerfahren,
so predigte er tief gerührt,
darüber sind wir uns im Klaren.
Was ist der kluge Mensch doch dumm,
indem er richtet, herzlos scheidet.
Und ahnt nicht, welch Martyrium
das kleinste Würstchen auch erleidet!
Robert T. Odemann


 Enigma antwortete am 25.06.05 (08:48):

Die Rächerin von Robert T. Odemann

Es wohnte eine Kirchenmaus so ganz allein im Gotteshaus,
denn ihre Eltern und Geschwister die fing mit Fallen sich der Küster.
Sie schlief betrübt im Klingelbeutel auf dem stand "es ist alles eitel"!
Hier sann sie über Rache nach, doch sie sah ein, sie war zu schwach.
Sie kannte zwar die zehn Gebote, (denn schliesslich war sie Kirchenmaus)
und ballt im Hass die kleine Pfote: "Ich räche mich, trotz Gotteshaus!"
Am nächsten Sonntag wie zum Lohne fand sie in einer Kirchenbank
ein Stanniol so blinkeblank, und das war eine Cognakbohne!
Sie roch daran und knabberte, dann kam ein Saft! - sie schlabberte.
Potztausend, hat sie sich gewundert, und dann bekam sie Mut für hundert!
Die Kirche füllte sich nun bald, ein frommes Orgelspiel erschallt,
der droben spielt in vollem Zuge von Bach die große g-moll-Fuge.
Da sprang das Mäuslein rauf zum Küster, just als er saß in Künstlerpose,
und sprach: "Jetzt ziehe ich Register" und biß ihm dreimal in die Hose.
Dann sprang das Luder auf die Tasten und fing an drauf herum zu hasten.
"Wer nur den lieben Gott lässt walten" spielt er und muss die Tasten halten.
Doch Mäuslein mit dem langen Schwänzchen improvisiert dazu Kadenzchen.
Es trillert mit dem hohen fis und sprang nach as und b und cis
und biss dem Küster in die Pfoten. Der spielte bereits gottverboten.
Das Mäuslein feixte:" na mein Schatz, das klingt schon akkurat wie Jazz!
Das wird besonders fromm empfunden!" Rutscht ein Glissando, ist
verschwunden.
Und als der Gottesdienst vorüber, da rief der Pastor "Blasphemie,
das hat ein Nachspiel noch, mein Lieber, sie sind besoffen, gehen Sie!"
So rächte Eltern und Geschwister das Kirchenmäuslein an dem Küster.


 Enigma antwortete am 25.06.05 (08:56):

Schmerzlicher Irrtum

Die Beinchen dick mit Mull verbunden,
ein Glühwurmmännchen traurig saß,
auch war sein Bäuchlein ganz zerschunden,
bis in die Fühler war es blaß.

Die alte Feldmaus Irmgard Klette
kam grad auf einen Klön vorbei
und sagte: "Anatol, ich wette,
du warst bei einer Schlägerei!"

"Ach, Unsinn", sagte der Blessierte,
"ich hasse Brachialgewalt.
Nimm Platz und höre, was passierte.
Es hat den Anschein, man wird alt.

Vorgestern streife ich gemütlich,
still vor mich leuchtend, durch den Hain,
da sehe ich, unsagbar niedlich,
ein Glühwurmmädchen, dessen Schein

war magisch, wie ich's nie gesehen.
Der Abendstern ist nicht so schön.
Da war es schon um mich geschehen,
ich musste einfach zu ihm gehn.

Jedoch anstatt wie Faust zu fragen,
als er das Gretchen einst erblickt':
'Mein schönes Fräulein, darf ich's wagen...',
tat ich es nicht, ich war verrückt!

Von Sinnen brachte mich die Kleine,
ich war verliebt, aus Rand und Band,
Ich dachte: diese oder keine.
Gleich hat die Gier mich übermannt.

In meinen schon gesetzten Jahren,
da sieht man nicht mehr so genau.
Ich sah nur auf den wunderbaren
Karfunkelstein der süßen Frau.

Von hinten hab' ich sie umschlungen
und drückte fest sie an mein Herz,
doch gleich bin ich zurückgesprungen:
Ich spürte einen wilden Schmerz

und warf mich in das Moos und stöhnte.
Spät wurde mir der Irrtum klar,
daß nämlich die von mir Ersehnte
ein Zigarettenstummel war."


Robert T. Odemann


 schorsch antwortete am 25.06.05 (16:39):

Tja,
Irrtum sprach der Igel
als er vom Kaktus stieg
(:--))))


 Literaturfreund antwortete am 26.06.05 (10:34):

Robert T. Odeman:
Variationen zum Thema K ä s e:

Goethe

Wer rollet so spät durch Nacht und Wind?
Es ist der Schweizer, mein liebes Kind!
Er muß an den Bahnhof, zum letzten Zug.
Hörst du denn nicht, wie sein Herze laut schlug?

Er rollet an einem Brötchen vorbei,
es lockt ihn und flüstert: ,,Du Kleiner, ahoi!
Willst feiner Käse du mit mir gehn?
Wir werden uns beide gar köstlich verstehn.

Ich kenne ein herrliches Restaurant
mit reizenden Därmen, Klimbim und Chantant,."
Dem Käse grauset' s, er rollet geschwind
und ging mit dem lockeren, lüsternen Kind.

Er glaubte dem Brötchen, das gurrte und sang.
Nie kam er zum Bahnhof, sein Rollen mißlang.
Er ging in die Netze, der arme fromage.
Gott gnade dem Käslein, ihr Leute, weg warsch!

*
URL.: - eine englische Seite über Robert T. Odeman, über den man wenig im Netz findet.

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/tb3vIdyw1


 Literaturfreund antwortete am 26.06.05 (10:41):

Odeman hat seine stilitischen Variationen über den "Käse" fortgesetzt...:

Robert T. Odeman:
Variationen zum Thema Käse:

Schiller:

Zum Kampf der Käse gegen Schinken
rollt Camembert im Silberblinken,
in gleißend blankem Stanniol,
ihm war so sieggewiß und wohl.
Ihm schenkte des Gestankes Gabe
der Gärungspilz, Herr Schimmelmann,
auf daß er so zum Bahnhof trabe
und messe im Turnier sich dann.

Da sperrten auf gedrängten Wegen
zween Hunde ohne Überlegen
dem armen Camembert den Lauf
und fraßen ihn ganz einfach auf.
Zum Bahnhof ist er nie gekommen,
sein Ende fand er längst vorher.
In Tränen ist die Stadt zerschwommen
ob Ibikus, des Camembert.
*
URL.: Schiller, original, nicht "Käsiges" verhandelnd.

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/X4gXTQ3Ae


 Enigma antwortete am 27.06.05 (07:28):

Das kommt davon

Man bat mich, in ein Gästebuch zu schreiben,
und drückte mir die Feder in die Hand.
Ich dachte mir: das lass' ich lieber bleiben,
weil ich den Abend so abscheulich fand.

Weshalb bin ich denn bloß dahin gegangen?
Mich warnte doch ganz spürbar mein Instinkt.
Jetzt sitz' ich hilflos da und bin gefangen
und hoffe, dass mir ein Erguss gelingt.

Um ihn in diesen Monsterband zu schmieren,
in Leder und in echtem Pergament,
wie sie bei diesen Leuten existieren,
die man, pfui Teufel, besser gar nicht kennt.

Nun heißt es danken für die Artischocken,
die du ja schließlich mitgefressen hast.
Sie liegen nunmehr mit dem Henkell Trocken
in deinem Bauch wie eine Zentnerlast.

Die Pute samt dem Salm schwimmt auch darinnen,
auch die geeisten Erdbeer'n, das Kompott,
beginnen dir im Magen zu gerinnen.
Was schreibst du bloß? Oh Gott, oh Gott, oh Gott!

Bekunde ehrlich: Einfach unvergesslich!
Das kann ja nega so wie posi sein.
Drauf schäme dich und werde klein und hässlich
und sage zu dir selbst: Du dummes Schwein!!!

Robert T. Odeman


 Literaturfreund antwortete am 28.06.05 (08:51):

Immer heiter weiter - mit dem dichtenden Robert...!
*
Robert T. Odeman:
Es hat noch mehr Variationen zum Thema "Käse" geschrieben, heute à la Gustav Schwab, bei dem es, wer kennt es nicht, doch mal tüchtig gewitterte; so blitzte es auch bei Uhland, bei Heinz Erhardt, dem Erfinder der "Uhland"-Straße"...
Hier aber erst mal Odemännisch "Schwäbisch":

*
Gustav Schwab:

Edamer, Holländer und Allgäuer Kind
im Bahnhofsschuppen versammelt sind.
Edamer spricht: "Oh, Holländer, hör,
ich leide in dieser Hitze so schwer.

Wir sind als Expreßgut deklariert?
Mein Gott, wenn uns bloß nichts passiert!"
Allgäuer sprach: "'s ist Sonnabend,
wie unbarmherzig die Sonne brennt.

Ich hab' das Empfinden, daß man ums vergißt.
Ihr Brüder, bedenkt, daß schon Nachmittag ist!"
Wie ward allen dreien da schwach,
denn morgen war Feiertag!

Im glutheißen Schuppen vergaß man sie,
sie wurden verladen am Montag erst: früh.

Allein da waren die kläglichen drei
in ihrer Kiste ein formloser Brei.

Drei Käse endete ein Schlag,
weil gestern war Feiertag.

*
URL.: Was über Schwab:

Internet-Tipp: https://www.gunnis.de/gedichte/a0087.htm


 Enigma antwortete am 28.06.05 (09:18):

Wie schon die Fee bei Odeman riet, sollte man vielleicht doch etwas länger nachdenken, welche Wünsche genau man äussert
:-))

Robert T. Odeman

Drei Wünsche

Ein grantig Jüngferlein spazierte
mit finstrer Miene durch den Wald.
Es brummelte und meditierte:
�Jetzt, wo ich fünfundfünfzig alt,
da kommt kein Freier mehr in Frage,
sie meiden mich geflissentlich.
Mein Leben ist mir eine Plage....�
Sie räsonierte fürchterlich.

Der Zufall spielt absurd im Leben.
Es kam die gute Fee daher,
die wollte einen Trost ihr geben,
und sprach: �Du tust mir Leid, komm her.
Drei Wünsche will ich dir erfüllen,
Jetzt such dir etwas Schönes aus,
nur überleg es dir im Stillen.
Beschlaf es dreimal, geh nach Haus!�

Misstrauisch wie sehr viele Leute,
entgegnete die Alte: �Nein,
erfülle mir die Wünsche heute.
Das kann ja auch ein Schwindel sein.�
Drauf runzelte die Fee die Brauen
und sagte: �Wie du willst, na schön.
Du hast zu mir zwar kein Vertrauen,
doch wähle, und es soll geschehen.�

�Ich finde alles Warten grässlich,
erfüll den Ersten mir sofort.
Reich will ich werden, unermesslich...�
Da sprach die Fee: �Ich gab mein Wort.
Nimm diesen Blanko-Scheck entgegen,
trage die Summe selber ein.
Jetzt musst du klüglich überlegen,
was darf es denn noch weiter sein?�

�Du sollst mich jung und schön gestalten.�
(Das Luder sagt' nie: Bitte sehr.)
Die Fee erfüllte dies der Alten
und sprach: �Was möchtest du noch mehr?�
Und von Besitzwut schier zerfressen,
nachdem auch dieser Wunsch erfüllt,
war sie auf eins nur noch versessen:
Jetzt wurde hektisch sie und wild.

�Nun mache mir aus meinem alten
und braven Kater einen Mann,
der soll mich in den Armen halten....�
�Von mir aus .... sprach die Fee und dann ---
hat es Sekunden nur gedauert ---
stand plötzlich vor ihr ein Apoll.
Sein Anblick hat sie heiß durchschauert.
�Komm, küsse mich!� rief sie wie toll.

Sie streckt' die Arme ihm entgegen,
die Fee zog lächelnd sich zurück.
Der Bursche sagte: �Meinetwegen,
jedoch es wird kein reines Glück.
Wohl kann ich an die Brust dich pressen,
doch das ist alles was passiert.
Ich wurd', das hast du wohl vergessen,
auf deinen eignen Wunsch kastriert!�


 Enigma antwortete am 28.06.05 (10:13):

DER KLUGE GÄRTNERSMANN

Gegen alle gärtnerischen Sitten
gieße ich mit Pilsner Bier und Rum
meinen Garten: Äpfel, Pflaumen, Quitten
schaukeln selig im Delirium.

"Weshalb dieses Tränken, dies absurde?"
hat man sehr verwundert mich gefragt.
Weil von meinem Hausarzt neulich wurde
jeder Alkohol mir untersagt.

"Vegetarisch müssen Sie jetzt leben,
und Ihr Organismus wird entschlackt."
Ja, aus diesem Grunde hab' ich eben
bei den eignen Worten ihn gepackt.

Darum halte ich seit ein paar Wochen
meinen Garten feucht ganz raffiniert.
Habe wirklich nicht mein Wort gebrochen,
doch der Doktor grübelt und sinniert:

"Dieser Fall ist mir ganz unerklärlich,
denn obschon Sie wirklich haargenau
meinen Rat befolgen, sag' ich ehrlich:
Jetzt sind Sie noch mehr als früher blau!"

Robert T. Odeman


 Enigma antwortete am 29.06.05 (07:25):


Nichts war so süß...

Wenn ich vor Ladenscheiben stehe,
bemerke ich oft kleine Flecken
in etwa einem Meter Höhe,
die ein Gefühl in mir erwecken

aus alten längst vergessnen Zeiten
wo mich das Spielzeug auch beglückte
und ich vor all den Herrlichkeiten
auch meine kleine Nase drückte.

Einsdreiundachtzig meß ich heute,
ich drück mich nicht mehr an die Scheiben,
das machen keine großen Leute,
das muß gefälligst unterbleiben.

Ich mach ganz offen das Geständnis,
gern möcht ich mich niederbücken.
Mir dämmert leise die Erkenntnis:
Nichts war so süß wie Scheibendrücken.

Robert T. Odeman (1904-1985)


 Literaturfreund antwortete am 29.06.05 (18:40):

Ich komme fast zu spät - habe mich wieder beim Thema "Käse" aufgehalten:

Robert T. Odeman: Variationen zum Thema Käse:

Heinrich Heine:

Traurig spürt der Bahnhofswirt
einen Duft ganz leise,
macht ihn sehnsuchtsvoll verwirrt
um sein Riechgehäuse.
Gorgonzolalein rollt jetzt,
ohn' ihn zu beachten.
Bahnhofswirt steht tief verletzt,
ist schon am Verschmachten.

"Gorgon", ruft er, "roll dahin,
hast mein Herz zerrissen.
Wenn du einen Zola siehst,
sag, ich lass' ihn grüßen."
*
URL.: Heines Grabbüste - wo ist denn die?
Nein, nicht in seiner Geburtsstadt.

Internet-Tipp: https://www.ilexikon.com/images/f/f6/Heine-Grab.jpg


 Enigma antwortete am 30.06.05 (09:29):

Nicht von der Hand zu weisen

(Robert T. Odeman)

Nach jedem Kriege reden sie emphatisch,
die Herren an der Spitze der Nation,
vom Frieden philantropisch hochdramatisch,
ergriffen von der eignen Emotion:
�Wir wollen alle hüten ihn und hegen.
Kein Mann braucht künftig wieder ein Gewehr
auf einen andern Menschen anzulegen.
Wir wollen Menschen und kein Militär.�

Die dies mit einem Bibber uns versprochen
und Kloß im Halse vor Ergriffensein,
die haben schon sehr bald ihr Wort gebrochen
und ziehn die jungen Männer wieder ein.
Verdrehen uns mit honigsüßen Worten
ins Gegenteil, was vorher sie gesagt.
Und sie befehlen wieder allerorten,
wenn denen auch die Willkür nicht behagt.

Den �Bunten Rock�, das �Ehrenkleid� zu tragen.
Gewaltsam steckt man sie in die Montur.
Sie pflegen sie erst lange nicht zu fragen,
ob sie das möchten, aber keine Spur!
Der Eingezogene hat sich zu fügen.
Er kriegt per Post..... �Sie haben sich...!�
Man kennt die Tonart, sie macht kein Vergnügen.
Und weigert man sich, wird es fürchterlich.

Gesetzt den Fall, dies einmal angenommen,
die Jungen hätten in der ganzen Welt,
wenn die Befehle mit der Post gekommen,
sich völlig unberührt dazu gestellt.
Und jeder hätte diesen Wisch zerrissen,
wie einen x-beliebigen Prospekt.
Ihn achselzuckend ins Klosett geschmissen.
Welch ein Epoche machender Effekt!

Da blieben unbevölkert die Kasernen.
Die Mäuse wohnten friedlich dort im Spind.
An diesem Beispiel könnte man viel lernen,
wie machtlos dann die Vorgesetzten sind.
Mit offnen Mäulern hätten sie gestanden.
Was nun? Herr Hauptmann? Herr General?
Ganz plötzlich kein Interesse mehr vorhanden?
Der Menschen-Markt ist lustlos. Ein Skandal!

Da könnten alle Panzer und Gewehre
verrosten, denn die fasst kein Mensch mehr an.
Und auch das sogenannte Feld der Ehre
mit seinem Heldentod wär endlich dann
undenkbar, wenn an diesem schönen Tage
die Jugend einer jeglichen Nation
erklärte - das kommt nicht in Frage.
Doch leider bleibt dies vorerst Illusion.

Internet-Tipp: https://www.theblueorange.de/?view=gedichte.php&seitentitel=gedichte


 Literaturfreund antwortete am 01.07.05 (16:10):

Robert T. Odeman:
Verwirrung der Gefühle,
- aber nicht von Stefan Zweig -

Ein Regenwurm stieß aus dem Lehm
und blickte selig in die Runde,
er fand das Weltbild angenehm,
vom Kirchturm schlug die Mittagsstunde.
Kein Angler nah, die Sonne schien,
es gaukelten die Schmetterlinge,
die Amsel sang, das Gras war grün,
der Wurm war wirklich guter Dinge.

Er blickte links, er blickte rechts
und sagte dann verlegen schließlich:
Wenn ein Jemand des Geschlechts
von mir hier war, das war ersprießlich!
Denn auf der weiten großen Welt
als Wurm und Eremit zu leben,
ist etwas, was mir nicht gefällt ...
da sah das Erdreich er erbeben.

Und noch ein zweites Exemplar
ist aus dem Boden rausgekrochen,
so rosarot und wunderbar,
da hat das Würmchen eins gesprochen:
Bon jour, good morning und grüß Gott,
er sprach, um sicher gleich zu gehen
mit diesem Fremden, polyglott,
da er so auswärts ausgesehen.
Der lächelte nun vor sich hin
und schüttelte die Spitze leise.

Der erste sprach: Pardon, ich bin
so angetan von Ihrer Weise.
Sie sind so überaus charmant,
wie ich noch keinen hab getroffen,
ich frage Sie ganz unverwandt:
Darf ich auf Ihre Neigung hoffen?

Ich bin, wenn's Ihnen angenehm,
entschlossen gleich zu einer Ehe,
es ist so triste da im Lehm.
Da sprach der Neue: Ja, ich sehe,
die Liebe macht tatsächlich blind,
denn dieser Unsinn füllt schon Bände,
du bist des Wahnsinns Beute, Kind,
denn ich bin doch dein andres Ende.
*
URL.: Ob's passt?

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/Su7LqAI0w


 Literaturfreund antwortete am 03.07.05 (05:11):

Robert T. Odeman:
Rezept gegen lästigen Besuch

Man schneide einen alten Schuh
in Streifen, so zwei Finger breit,
und füge englisch Mustard zu.
Dies lasse man dann eine Zeit
in Nagellackentferner liegen,
dann muß man Pferdeäpfel wiegen,
darüber gießt man Fliegenleim
und eine Unze Honigseim;
Nun muß man Ziegenkäse reiben
und alles dann zur Gärung treiben,
wozu man frische Hefe nimmt,
bis alles grün wie Phosphor glimmt.
Dies läßt man jetzt drei Tage stehen,
und dann muß man den schweren Brei
ganz langsam durch den Fleischwolf drehen,
fügt etwas Fleckentferner bei
und schneidet diesen Sud in Scheiben
und bäckt ihn in der Auflaufform,
doch muß stets gleiche Hitze bleiben.
Der Wohlgeschmack steigt dann enorm.
Drauf wird es umgestürzt serviert
und mit Syndetikon garniert.
Hast du bereitet alles fein,
dann lade die Verwandtschaft ein, '
die immer nur des Fressens wegen
erscheint, und sage ganz verlegen:
„Nun nehmt vorlieb, bon Appetit!"
Und was dann hinterher geschieht,
fall' deinem Herzen nicht zur Last,
weil du es gern gegeben hast.

*

Anm.: Syndetikon s. Bild!

Internet-Tipp: https://elib.tu-darmstadt.de/image/Syndetikon.jpg


 Enigma antwortete am 07.07.05 (07:03):

Die kleine Jenny Köhler aus Bremen

von Robert T. Odeman

Wenn Hein sechs Monat' auf dem Pott
sich abgerackert hat,
stinkt er nach Tran und Schiet und Sott
und hat die Seefahrt satt!
Und weil er von der Weiblichkeit
war allzulang' getrennt,
sehnt er sich schon seit langer Zeit
nach einer, die er kennt:

Das ist die Jenny Köhler aus Bremen,
die weiß die Lords und den Käptn zu nehmen.
Die ist reinlich
und nicht kleinlich
und so herrlich modelliert.
Alle Chargen, alle Ränge
haben das schon ausprobiert.
Vor ihrem Haus ist Tag und Nacht Gedränge.

Er bringt ihr mit ein Tee-Service
und auch ein Eisbbärfell.
Sie ist beglückt und flötet süß:
�Ach, Hein, eventuell
wärst du der rechte Mann für mich.
Komm, gründen wir ein Heim.�
Er wird nervös ganz fürchterlich,
er spürt den Fliegenleim:

�Verdammt die Jenny Köhler aus Bremen,
die will mit Haut und Haaren mich nehmen.
Höchstwahrscheinlich
wird das peinlich.
Nee, da hau ich lieber ab.
Meine Freiheit preiszugeben
wäre für mich wie das Grab.
Ich bleib' nicht gern in einem Hafen kleben!�

Die Zeit vergeht, und sieben Jahr'
er nun schon wieder fährt.
Hein sehnt sich jetzt, wie sonderbar,
nach eignem Haus und Herd.
Er will zu ihr zurück, er rennt
bis an ihr Bremer Haus.
Aus diesem tritt, sehr korpulent,
jetzt eine Frau heraus:

Das war die Jenny, die hieß jetzt Binder,
und um sie rum fünf niedliche Kinder,
nicht sehr reinlich
Augenscheinlich
kommt das sechste Wohl auch bald.
Hein stand da, die Kiemen offen.
Ganz bleich ist er zurückgeprallt.
Und dann war er drei Tage lang besoffen.