"DER LETZTE APFEL" (ohne humorlose Zusatzstoffe) von Retlawk


Auszüge:   

Der letzte Apfel

Ein Apfel rief: »kommt her geschwind
und pflückt mich endlich doch,
ich schaukle hier im kalten Wind,
wer weiß, wie lange noch.

Hier oben bin ich, Menschenskind,
du musst nicht lange suchen,
all meine Kameraden sind
schon längst auf einem Kuchen.

Warum ich rot geworden bin
und fleckig, schrumplig, klein?
In mir steckt eine Made drin,
da muss man sauer sein.«

Das ist der Apfel immer noch,
denn wie wir heute wissen,
hat, obgleich er sehr gut roch,
noch keiner rein gebissen..


Glücksrad
Jahreswechsel stand vor der Tür und die Elfriede in der Küche, um Pfannkuchen zu backen. Dazu summte sie Morgen Kinder, wird’s was geben!
Sie hatten ihren Ostfried, einer Wohltätigkeitsidee folgend, in ein Fernsehstudio geladen, dort durfte er in der Unterhaltungssendung Glücksrad mitspielen..
Diesmal wurden ausschließlich Bewerber aus den neuen Bundesländern genommen, weil sie materiell den alten Bundesländern noch hinterher hinkten.
Elfriede saß mit der Nachbarin vorm Fernseher.
»Da ist mein Ostfried!« rief sie euphorisch und zeigte auf die Nummer drei der Kandidaten.
»Unser Ostfried!« begeisterte sich auch die Nachbarin.
»Mein Ostfried«, verbesserte Elfriede, sie war seit dreißig Jahren mit ihm verheiratet.
Der Moderator stellte die Kandidaten vor.
»Ihr Beruf, bitte?«
»Kurzarbeiterin«, antwortete die Nummer eins, eine Randberlinerin mit Speckgürtel um den Hüften.
Was sie vorher gemacht habe, wollte der Frager wissen, wartete aber die Antwort nicht ab, denn Zeit ist Geld beim Fernsehen. Nummer zwei, ein hageres Männchen aus Thüringen verkündete stolz, bereits selbständig zu arbeiten, als Harkenzinkenschnitzer in einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, derweil seine Frau Bratwürstel verkaufe.
Bei den Würsteln unterbrach ihn, sich den Mund beleckend, der Moderator, denn da war noch Ostfried, die Nummer drei aus Brandenburg.
Elfriede rutschte unruhig im Sessel hin und her.
»Hoffentlich hat er die Blutdrucktabletten genommen«, bangte sie.
Aber Ostfried schien gefasst, er gab ausgiebig seinen Vorruhestand bekannt und antwortete auf die Frage nach seinen Hobbys: »Skat kloppen, Sense kloppen, Teppich kloppen!«
»Der ist bekloppt!« rief Elfriede, denn immerhin sah das halbe Dorf zu.
Die erste Runde ging an die forsche Randberlinerin, magere dreihundert Mark.
Ostfried hatte Konsonanten mit Vokalen verwechselt und das Rad dreimal auf Bankrott gedreht.
Die zweite Runde ging an den Thüringer Harkenzinkenschnitzer. Er räumte die gesamte Palette ab, vom Luxuskaffeesieb bis zur Ausrüstung einer Seilschaft.
»Noch ist nicht aller Tage Abend«, meinte Elfriedes Nachbarin, die insgeheim auf den Sonderpreis, eine Reise in die Schwarzwaldklinik, hoffte. Nicht uneigennützig, denn Elfriede war schlecht zu Fuß mit ihren Krampfadern.
Jetzt drehte Ostfried wieder das Rad.
Elfriede schrie auf, die Zuschauer grölten und der Zeiger zeigte auf die Höchstsumme Fünftausend.
Ostfried, in Anbetracht der rosigen Aussichten etwas durcheinander, brachte seine ureigenen Wünsche über die Lippen.
»Ich kaufe ein Lokal!« rief er unter dem Gejohle des Publikums.
»Einen Vokal«, verbesserte der Moderator, »sie meinen einen Vokal.«
Elfriede drückte hastig den Knopf der Fernbedienung, um Ostfried, der einen hochroten Kopf bekommen hatte, etwas Farbe wegzunehmen.
Dann aber sollte sich zeigen, was wirklich in ihrem Ostfried steckte.
»Wer A sagt, muss auch B sagen!« rief er und kaufte U und E, setzte R und M ein und auf der Tafel erschien das Wort Mauer.
»Mauerblümchen!« schrie Elfriede und zeigte beschwörend zum Blumentopf auf ihrer Fensterbank.
War es Zufall oder Telepathie, was vom kleinen Dorf bis in’s Berliner Fernsehstudio reichte, Ostfried wiederholte, was Elfriede vorgesagt hatte und gewann.
Die Assistentin zeigte ihr Perlweiß-Lächeln und Ostfrieds Stimme überschlug sich.
»Für meine Elfriede das Lockenwickler-Set«, waren die letzten Worte nach der langen Aufzählung der Preise.
Elfriede war stolz auf Ostfried, Freudentränen kullerten ihr über die Wangen.
Die Freude der Nachbarin war verhalten, sie hatte vergeblich auf die Reise in die Schwarzwaldklinik gehofft.
Ostfried aber wurde Tagessieger und durfte um den Hauptpreis spielen. Dabei lief er zu großer Form auf, drei Buchstaben kamen wie aus der Pistole geschossen, reihten sich zu dem Wort Ost aneinander.
»Ostfried!« rief er.
»Nicht Persönlichkeiten, Ereignisse sind gefragt!« korrigierte der Moderator.
Und dann hatte Ostfried den lichtesten Moment seines Lebens. »Aufschwung Ost!« schrie er.
Augenblicklich zischten in den Farben Schwarz-Rot-Gold Feuerwerkskörper durchs Studio und Beethovens Neunte erklang. Dazu fiel Konfetti von der Decke und verfing sich im Haar der Assistentin.
Ostfried war Gewinner eines nagelneuen »Trabant de Lux« mit Hänger-Kupplung.
»Aber den haben wir schon!« rief Elfriede entsetzt, während eine Hintergrundstimme die endlosen Vorteile der Pappe pries.
Letzteres konnte Elfriede nicht mehr hören, sie war ihrer Nachbarin ohnmächtig in die Arme gesunken.


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Wagemut

Wer dick sich auf die Waage wagt
und danach sein Gewicht dir sagt,
besitzt, obgleich er schwer sich tut,
ne ganze Menge Waage-Mut.

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Osterfest

Eier laufen? Da bin ich dabei,
sagte der Hase und legte ein Ei
auf seine Löffel, um zu riskieren,
es unfallfrei zu balancieren.

Die Kinder führten bald um Längen,
der Hase ließ die Löffel hängen.
Das Ende werdet ihr schon kennen:
Ei fiel zu Boden, Hase aus dem Rennen.

Hase 150.jpg


 


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