Margret Hölle I

Autor: ehemaliges Mitglied

Zur Welt gekommen ist Margret Hölle 1927 in Neumarkt in der Oberpfalz. Dort, wo Bayern arm ist (was nicht viel heisst, denn Bayern ist ein reiches Land). Dort, wo die Oberpfälzer wohnen, die Moosbüffel, wie man auch sagt. In der Vorkriegsoberpfalz gab es wenig Autos, dafür viele Kühe (inklusive Kuhfladen) und viele Pferde (inklusive Pferdeäppel). In einer Kleine-Leute-Welt wuchs die Dichterin auf. Die Bibel gab es in den Kleine-Leute-Haushalten. Ein Kalender noch. Das war's. Eine Enge. Und doch, ohne diese Enge würde es ihre Sprache nicht geben und nicht ihre wunderbaren Gedichte.

Heute ist die Enge weg. Auch in der Oberpfalz ist es weit geworden. So weit wie überall. Grenzenlose jubeln, dass die Grenzen gefallen sind, dass alles Ständische und Stehende verdampft ist, dass das Tauschwertige alleiniger Maßstab geworden ist, dass der Fetisch triumphiert. Der Empfindsame aber merkt: Mit der Sprache ist etwas passiert. Es fehlt etwas. Es fehlt etwas, was offensichtlich die Enge brauchte, damit es gedeihen konnte.

Margret Hölle ist längst in München sesshaft. Mundartgedichte, ihre Spezialität, sind nicht gerade en vogue (um den Verlust vorsichtig zu beschreiben). Empfindsame trauern darob.
Oberpfälzer Psalm (von Margret Hölle)

Wipfelknarrendes Wälderland, finsteres.
Rauhes Hügelland, buckliges.
Windgefegtes Steinfeldland.
Burgenland, sagenwisperndes.
Wacholder-Schlehen-Beerenland,
distelsilbriges.
Sirrend summendes,
dunkeläugiges Weiherland.
Schwarzflügel-schwingendes
Krähenland, kreischendes.
Erdäpfel-Nebelland, abergläubisches.
Kienspan-harziges Rauchfeuerland.
Wundnarbiges Grenzland.
Dienstbotenland, geschundenes.
Erbärmliches Hungerland.
Dulderland, wurzelzähes.
Wallfahrendes Litaneiland, bußfertiges.
Tanzboden-Zwiefacher-Musikantenland,
übermütiges.
Rauflustiges Wirtshausland.
Erdtreues, herzfunkelndes,
uraltes Sprachland –
oberpfälzisches.

Anzeige

Kommentare (0)


Anzeige