Forum Kunst und Literatur fuer Autoren und Herausgeber Humor/Satire: Herr Konrad K. macht nicht nur in Versicherungen

fuer Autoren und Herausgeber Humor/Satire: Herr Konrad K. macht nicht nur in Versicherungen

Humor/Satire: Herr Konrad K. macht nicht nur in Versicherungen
geschrieben von ehemaliges Mitglied

Untertitel: Verkaufstraining, Mutationen, Weltuntergang und die Liebesdamen von St.Pauli.

Das Buch - 186 Seiten, Softcover, etliche Abbildungen - ist eine Erweiterung und Überarbeitung der Erstausgabe von 1987, für die ich vom damaligen Deutschen Autoren-Verband e.V. den Literaturpreis für Humor/Satire erhielt. Der Titel zu jener Zeit: Kummerowskis Eskapaden. Für das Preisgeld buchte ich für mich und meine Frau umgehend einen längeren Urlaub auf Mallorca.
Ich bin dabei, ein weiteres Buch mit historischen Novellen zu erarbeiten, danach aber umgehend den Humor-Satire-Band 2. Denn diese Art der Literatur ist für mich ein erholsamer Ausgleich zu meinen ernsten Projektvorstellungen.

Herr Konrad K., als junger Mann voller Hoffnungen und Tatendrang, ist als Direktverkäufer eingestiegen in die Versicherungsbranche, wo er beinahe unglaubliche Aktivitäten entwickelt und durchsetzt, aber auch – ebenfalls von Bedeutung – in privater Hinsicht.
Ein äußerst wichtiges Begleitbuch für alle, die ihren derzeitigen Beruf sausen lassen und Verkäufer im Außendienst werden wollen, die sich darauf einstellen sollten, dass eine Berufung in die Öffentlichkeit oft auch ihr Privatleben berührt. Den Inhalt des Buches können natürlich auch alle anderen ernsthaft denkenden Menschen in sich aufnehmen – glaube ich jedenfalls.




Als Leseprobe biete ich die ersten Seiten des Einführungskapitels mit zugehöriger Überschrift an. (Eingeklammerte Worte sind im Buch gewollt lesbar durchgestrichen):


Zunächst eine etwas ausführlichere Einführung
für eine verständlichere Inhaltsaufnahme

Sehr geehrte Leserinnen und Leser, Direktverkäufer im Außendienst sind Leute, die anscheinend über ein gewisses Kontakt- und Verkaufstalent verfügen. Mithin trifft diese Eigenschaft auch auf Versicherungsvertreter zu. Selbst den sogenannten Spätzündern gerät diese Eigenschaft irgendwann ins Bewusstsein, was folgerichtig auch den landauf und landab geläufigen Ausspruch erklärt: Wer nichts wird, der wird Wirt; ist ihm auch dieses nicht gelungen, dann macht er in Versicherungen. Der nun plötzlich erleuchtete Mensch wird nicht zögern, sich umgehend seiner vermeintlichen Bestimmung zuzuwenden, wobei sein inneres Licht von seiner Einbildung zusätzlich erhellt wird, über einen ansprechenden, Vertrauen erweckenden Gesichtsausdruck zu verfügen. Doch kann dies, nach allzu flüchtigem oder zu langem Blick in den Spiegel, leicht zu einer Überschätzung führen - falls sich der Spiegelgucker erkennt.
      Wir wollen einen von seinem Verkaufstalent überzeugten jungen Berufseinsteiger, der entschlossen ist, mit dem Policenverkauf sein tägliches (Bier) Brot zu verdienen, ein gutes Stück auf seinem Berufs-, überhaupt Lebensweg begleiten. Zwar sollte es sich in der folgenden Geschichte ursprünglich nur um seine beruflichen Belange und deren Auswirkungen drehen, wir kamen aber am Ende reiflicher Überlegungen überein, dass private, nebenhergehende Aktivitäten, Erschütterungen und Begebenheiten nicht außer Acht bleiben sollen. Siehe nachfolgende Kapitel.
      Bei der Ware, mit der unser erwartungsfroher junger Mann das Volk zu beglücken gedenkt, handelt es sich um eine unsichtbare. Natürlich ist die einzelne Police sichtbar, dieWare hingegen, die sie dokumentiert, nämlich finanzielle Absicherung, schwebt dagegen unsichtbar im Raum. Da stellt sich doch gleich die Frage, ob es ein Vertreter beispielsweise für Wespenstich-Gegengifte oder Verhütungsmittel für Feldhamster und chinesische Springmäuse nicht erheblich leichter hat,  weil er seinen potentiellen Kunden Sicht und Greifbares vor Augen führenkann? Das ist gewiss nicht von der Hand zu weisen. Zudem ist der Kauf einer nicht greifbaren Ware oft keine schnell abgeschlossene Angelegenheit, sondern eine Einlassung auf vieleJahre. Aber: Um auch eine unsichtbare Ware ohne große Probleme verkaufen zu können, stehen dem Vertreter gediegene Hilfsmittel zur Verfügung, resultierend aus einzigartig durchdachten, vervollkommneten und festgeschriebenen Konzeptionen.
      Um welche Hilfsmittel es sich handelt? Nun, ein auf seinen untadeligen Ruf bedachtes Unternehmen in Verkaufs- und Dienstleistungsbereichen rüstet seine angehenden Verkäufer oder Dienstleistenden nicht mal eben mit Prämienlisten und Antragsformularen aus, weist sie in die Materie kurz ein und erklärt ihnen abschließend die Lage der Toiletten im Direktionsgebäude und in welchem Zustand sie diese zu verlassen haben und hetzt sie zu guter Letzt – mit der Empfehlung, sich zum Wochenende ja nicht ohne einen rechtsgültigen Antrag wieder blicken zu lassen – auf die Menschheit los. Nein, so natürlich nicht! Zunächst vermitteln seriöse Unternehmen mit großem Engagement den Neulingen das notwendige fachliche Wissen, worauf mit ähnlich großem Einsatz ein verkaufspsychologisch gestaltetes Seminar folgt. In diesem Seminar wird das hohe Lied der Verkaufskunst geübt.
      Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, ahnen es sicherlich: Im Verlauf eines derartigen Seminars wird die zu verkaufende Sache, also jene, die unseren Augen verborgen ist, erst dann bedeutungsvoll, wenn sie mit dem Auftreten des Verkäufers gewissermaßen zusammenfließt und eine Einheit bilden soll, ja muss: Zum einen ist treffsicheres Anbieten des unsichtbaren Produkts gefragt, zum andern muss dies gesteuert werden von einer für den Kunden völlig unbemerkten, vom Vertreter allerdings (rücksichtslos) gefühlvoll angewandten Verkaufs(list)kunst.
      Erstes Kriterium ist also das Vertrautmachen mit dem Produkt: wofür, weshalb, warum. Doch dieses Kriterium lassen wir außen vor und befassen uns vornehmlich mit der Kunst des Verkaufens. Ihnen als Lesende kommt dies entgegen, damit Sie das Verhalten unseres Protagonisten in den folgenden Kapiteln beurteilen und vielleicht auch diskutieren wollen.
Allerdings können Sie ab etwa dem zweitenDrittel dieses Kapitels durchaus alles Folgende mit großer Gleichgültigkeit in sich aufnehmen und sich sagen: Was geht das mich an! Oder Sie schlagen das Buch ganz einfach zu und (verbrennen) lesen es am nächsten Tag.
      Verkaufskunst. - Bekannt sind die Seminare auch unter der unverdächtig sportlichen Bezeichnung Verkaufstraining, zutreffend und deutlich hervorhebend nicht nur in der Versicherungswirtschaft. Dem zukünftigen Verkäufer und somit auch Repräsentanten seines neuen Arbeitgebers wird intensiv nahe gebracht und in Rollenspielen mühsam antrainiert, wie er mit Hilfe bestimmter ausbaldowerter psychologischer Methoden das Vertrauen eines ins Visier Geratenen erschleicht, ihn neugierig macht, was unausweichlich auf ihn zukommen soll. Um es auf den Punkt zu bringen: Der Kunde muss letztendlich wie in einem Spinnennetz gefangen sein, ohne es zu merken. Das Anwenden solch einmaligen Kunst wird dem künftigen Direktverkäufer sehr sorgsam und behutsam eingetrichtert, behutsam, da niemand zum Erfolg gezwungen werden kann. Sich später in der Praxis um die nötige Motivation zu kümmern, das hat der Verkäufer tunlichst selbst zu übernehmen. Erfolg ist, wie gesagt, eine reinfreiwillige Angelegenheit, natürlich immer erstrebenswert und längst nicht nur Treibstoff für beabsichtigte Höhenflüge in beruflicher Hinsicht.
      Der Verkaufstrainer kennt selbstverständlich das sensible,anspornende Gebilde Motivatio aus dem Effeff, und entsprechend bringt er den Begriff seinen Berufs anfängern auch nahe. Andrerseits muss er sich ständig selbst motivieren, gewissenhaft trotz allmorgendlicher Katerstimmung. Denn wie anders wäre es ihm erträglich, anrückenden Frust sich gar nicht erst zum Angriff formieren zu lassen, wenn er erkennen muss, dass unter seinen Seminarteilnehmern einige sitzen, denen die Unbegreiflichkeit oder das Unverständnis ins Gesicht geschrieben steht, die am Ende dennoch mit heftigem Kopfnicken unter gleichzeitigem Herbeisehnen der nächsten Kaffee- und Zigarettenpause und dem Rufe: „Ja, so ist es, ja, so machen wir das!“ absolutes Verstehen vortäuschen? – Doch wer übernommen worden ist, so beruhigt sich derTrainer dann meistens gegen Mittag, kann auch wieder abgeschoben werden. Verstehen Sie, verehrte Leserschaft, was damit gemeint ist? Natürlich verstehen Sie es. (Wenn nicht, kümmert es niemand.)
      Nun soll hier keineswegs das ganze zu vermittelnde psychoträchtige Eintrichterungsprogramm durchgeforstet und unter die Lupe genommen werden. Es genügen voll und ganz einige wenige erklärende und klärende Hinweise und praktische Beispiele. Somit können Sie, liebe Leser, wie schon irgendwo zuvor erwähnt, die Verkaufspraktiken im Nachfolgenden leicht verständlich aufnehmen und verarbeiten. Vielleicht sagen Sie sich am Ende sogar: Donner nochmal! Ich könnte das auch, Sicherheit, Sofas oder Sargnägel verkaufen. Denn schon seit langem ahne und spüre ich: In mir steckt eine Kontaktfreudigkeit, die endlich eingesetzt werden will. Nun, die hier überschlägig dargestellte Materie beeinflusst – hier gerne wiederholt – nicht nur das berufliche Wirken unseres Protagonisten, sondern, um nicht einseitig zu berichten, auch sein privates Leben. In allen Lebensbereichen wird er stets bemüht sein, seine Kunden, seine Umwelt und natürlich auch sich selbst zu (befriedigen) zufrieden zu stellen – meistens. Doch kommen wir unserer Sache jetzt näher. Ist es dem nunmehr mit Wissen und gutem Willen bis in die Haarspitzen aufgefüllten Verkaufsanfänger irgendwie gelungen, mit einem potentiellen Kunden einen Beratungstermin zu vereinbaren, dann wird er, sowie er die Wohnung des Betreffenden betreten hat, sich mit der Höflichkeit eines feinsinnigen und gebildeten Herrn einführen. Er stolpere also nicht mit der Tür ins Haus. Er wird mit ausgewogenen Worten und Gebärden das Psychotrainierte unverzüglich ansetzen, mit anderen Worten: sofort eine innere verbindende Brücke zu der Seele seines Kunden schlagen. Dabei ist er peinlichst darauf bedacht, sich nicht in Übertreibungen oder anmaßenden Deutungen zu ergehen. Aber leider ist es manchmal das Gegenteil, wodurch anfangs ein eilfertiger, aber noch keineswegs genügend verkaufsbegabter Vertreter ins Straucheln gerät, noch dazu, wenn er langatmige, wütende, mit ausholenden Gesten unterstrichene Schimpfkanonaden abfeuert, wobei er die Konkurrenz, falls er es für erforderlich hält, mit einbezieht. (Solcherlei Schnellschüsse und Giftigkeiten stehen in der Regel nur Oppositions-  und Regierungspolitikern zu.) Hingegen das wahrnehmbare Umfeld in Augenschein zu nehmen und anzusprechen, damit kommt ein (raffinierter) guter Vertreter unumwunden ein gutes Stück weiter auf der Brücke in die Seele des Kunden. Sie, sehr verehrte Leserschaft, sind selbstverständlich wiederum in der Lage, erkennen zu können, was gemeint ist. (Wenn nicht, dann ist das auch kein Beinbruch.)
      Gestatten Sie bitte einige Verhaltensbeispiele:
      Anzusprechendes können die geschwungenen Intarsien in einer hochbeinigen Fußbank sein; ein an der Wand baumelndes Nebelhorn mit Wimpel; ein unter der Wohnzimmerdecke angeschraubtes Surfbrett oder ein gediegener Flickenteppich; aber auch – falls vorhanden – das kleine, sich heimlich herbeigeschlichene Töchterlein, welches, meistens den Zeigefinger bis zum Anschlag in derNase, misstrauisch den fremden Besucher einzuschätzen versucht. Bei Knaben, die dem Verkäufer einen Vogelzeigen, ohne vorher die Zigarette aus dem Mund genommen zu haben, die ihm gleich darauf gegen das Hosenbein urinieren und gleichzeitig angrinsen – unter Kindern weiblichen Geschlechts hat dieseArt der Begrüßung noch nicht Fuß gefasst –, genügt in der Regel ein leichtes, also wenig auffallendes Kopfnicken in Richtung des Vaters. Dazu empfiehlt sich ein gleichgültiger,entschärfender Gesichtsausdruck, der größtes Verständnis und tiefe Kinderliebe beweisen soll.
      Das nächste äußerst wichtige Kriterium ist die richtige Wahl des Sitzplatzes. Wird der Verkäufer von dem Kunden nicht gewaltsam auf einen bestimmten Platz gedrängt, dann lässt er sich, soweit der Besuchstermin am helllichten Tage stattfindet, mit dem Fensterlicht im Rücken nieder, einzig zu dem Zweck, des Kunden Augen hellem Lichte auszusetzen. ...



 


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