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Plaudereien Säufernasen, Seuchennasen und Quetschnasen (Teil 2)

EmilWachkopp
EmilWachkopp
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Säufernasen, Seuchennasen und Quetschnasen (Teil 2)
geschrieben von EmilWachkopp
Auch Ärzte sind nicht immer das Gelbe vons Ei. Unter denen gibt’s richtig faule Eier.
Aber das habe ich eigentlich schon erzählt und muss es nicht wiederholen. Versuchen wir es darum mit einer anderen Einleitung.

Menschen haben unterschiedliche Nasen.
Wie ich zu dieser eminenten Erkenntnis kommen konnte, davon handelt die folgende Erzählung. Die Einleitung ist perfekt. Geradezu hervorragend. Aber wie setzen wir jetzt fort?

Ich hatte es mir zur Gewohnheit gemacht, einmal in die Woche richtig einen auf feudal zu machen. D.h. ich ging ganz groß aus. Zun Essen. Zu Curry Harry ging ich. In seine Imbissstube, weil er doch so schöne Currywürste hatte. Mit Currysauce obenauf. Und wenn man es wollte, konnte man für 20 Pfennig extra einen Klacks Majonäse auf die Pommes Frites geklatscht kriegen. Und für hundert Mark sogar ein ganzes Kilo. Wenn man stattdessen einen Esslöffel Currysauce auf die Pommes Frites haben wollte, musste man auch zwanzig Pfennig extra berappen. Harry nahm es damit sehr genau. Nur mit dem Herausgeben nahm er es gar nicht genau. Ich hatte einmal für 4,80 Mark bei ihm gegessen und bezahlte mit einem Hunderter. Den steckte er ganz sutsche in die Kasse, flüsterte „danke der Herr“ mit seiner knapp hörbaren Fistelstimme und widmete sich wieder seinen brutzelnden Bratwürsten. „Ich bekomm doch aber noch was raus“, motzte ich. „Wie? Ach so, ja richtig. Entschuldigen der Herr, ich dachte es wäre Trinkgeld.“ Es war immer Sache des Kunden das Wechselgeld einzufordern; sonst bekam er es nicht.

Ich entsinn mir noch, dass mir an diesem ominösen Tage, an dem ich in Curry Harrys Imbissbretterverhau saß, immerfort ein Blaulicht in den Augen schimmerte. Doch stammte das nicht von einem Polizeiauto, sondern wurde von meiner Nase ausgestrahlt. Aber das war weder die Säufernase noch die Schniefnase. Das war die Quetschnase. Das war, weil ich doch zuhause aufs Grundstück auf eine Harke getreten bin und mir der Harkenstiel auf die Nase geklatscht ist. Schlimm war das. Ich hätte tot umfallen können. Aber ich hatte Dusel und kam noch mal glimpflich mit einer blauen Quetschnase davon. Die leuchtend blaue Farbe meiner Nase bildete einen ästhetisch ansprechenden Kontrast zu Harrys Nase, die grauweiß wie versauerte Dickmilch war und ganz erloschen zu sein schien. Harry hatte … Was hatte er eigentlich noch? Entweder war das die schwarze Pockenseuche oder die Lungenseuche. Das habe ich mit den Jahren vergessen. Jedenfalls irgendeine Seuche. Aber die war nicht ansteckend, wie Harry uns versicherte. Denn sonst wäre uns Gästen doch büschen mulmig geworden. Vor allem, wenn Harry seine garstigen Keuchanfälle bekam. Und die bekam er in einem Fort. Dann verfärbte sich sein Gesicht dunkelblau, mit Ausnahme seiner Nase, die leichenblass verblieb, als ginge sie das, was sich im Ansicht abspielte, überhaupt nichts mehr an. Das war die Seuchennase.

Plötzlich blendete ein gleißend roter Schein meine Augen, so als sähe ich das Blut in meinen Augenlidern. Das blendende Licht kam von der Tür her. Nein, welch eine Überraschung! Da stand ja der Dicke, den ich zum ersten Mal in meinem Leben in der Praxis des Herrn Doktor Dusel getroffen hatte. Diese einmalige Persönlichkeit hätte ich unter Zehntausenden sofort wieder erkannt. Der glasige Blick, die verwässerten Augen, die stark verraspelte, lallende Stimme, die gedrungene Gestalt, aber vor allem: Die vitale Säufernase, die heute förmlich glühte vor Lebensfreude. Was war meine elende Quetschnase im Vergleich zu diesem Prachtexemplar?

Wie der Dicke in den Imbissverhau kam ohne Tür und Rahmen aus der Wand zu reißen, ist mir heute noch ein Rätsel. Er quetschte sich hindurch, wobei er all seine Leibeskräfte mobilisieren musste. Es war alles tatsächlich sehr klein und eng bei Curry Harry. „Tach allerseits“, lallte der Dicke mir an, weil er mir wahrscheinlich doppelt oder dreifach sah. „Na, Curry Harry, alter Wichs…[Zensur]. Wie viele Kunden hast du denn heut schon wieder übers Ohr gehauen?“ Diese etwas unflätige, wenn auch nicht unberechtigte Frage beantwortete Curry Harry mit einem vornehmen Hüsteln. „Öhäh, öhäh“ klang es in etwa. Sodann fragte er mit fast unhörbarer Fistelstimme: „Der Herr wünschen?“

Was dann geschah ist eigentlich eine eigne Geschichte wert, denn ich bin fest davon überzeugt, dass das Geschehnis einmalig in der Geschichte der Menschheit ist. Der Dicke machte seine Bestellung; aber in einer Weise wie noch nie ein Mensch eine Bestellung gemacht hat. Auch wenn es lange her ist, habe ich mir jede Silbe gemerkt. Denn wenn nicht, könnte ich das Ereignis ja gar nicht so genau wiedergeben. Der erste Versuch des Dicken klang wie folgt:

„Einmal Pantoffelkrabat mit Schlackwisch … mit Maschblick … Schlappschlick … Klatschnick …“ Dann ging ihm der Atem aus und er musste tief Luft holen für den nächsten Anlauf.
„MARNOFFELSPAGAT MIT NASCHKLICK … FLASCHTRICK … LASCHFI… [Zensur]…“ Dann war es wieder Zeit zum Luftholen.
Harry trommelte indes ungeduldig mit seinen Fingern auf den Tresen. „Wie meinen der Herr?“
Manche glauben sich deutlicher zu artikulieren je lauter sie brüllen. Darum brüllte der Dicke jetzt wie ein Orkan:
„EINMAL SCHWARMOFFELKRABAT MIT WASCHWICHS … MIT HASCHMIX … MIT KRASCH…“
Hier hielt er einen Augenblick inne und heulte dann unbeherrscht wie ein Schlosshund, wobei er jammerte: „Ich muss verhungern, weil der dusselige Curry Harr mit nicht versteht.“
„Wenn der Herr sich etwas verdeutlichen würde“, fispelte Harry vornehm. Inzwischen hatte ich die dürftige Speisekarte studiert und sagte: „Der Herr meint wahrscheinlich Kartoffelsalat mit Schaschlick.“ Augenblicklich hörte der Dicke auf zu plärren und sagte begeistert: „Genau! Siehste, der Adel versteht die Sprache des einfachen Volkes. Aber ihr Bürger werdet uns nie ganz verstehen. – Danke Ihnen schön. Darf ich mir vorstellen: Edmund heiß ich, Bierfachmann von Beruf.“
„Emil Wachkopp, auch Bierfachmann von Beruf.“
„Na sowas, ein Arbeitskollege“, jauchzte der Dicke und schüttelte mir die Hand so unwirsch, dass mir fast der Arm aus der Schulter gefallen wäre.
„HARRRRYYYY!!!“ brüllte er dann mit einer Donnerstimme, dass dem armen Harry das Wasserglas aus der Hand fiel, an dem er immerzu nuckelte. „Einmal Schwarmoffel… Garnoff …, was der freundliche Herr gesagt hat und zwei Kästen Bier!! Aber dalli! Und ein Schnapsglas für den Herrn. Denn gib ich Sie büschen was vons Bier ab.“
„Bier können Sie hier nicht haben. Das ist hier keine Kneipe“, flüsterte Harry. „ICH WILL MEIN BIER HABEN!!!!“ brüllte Edmund, als würde er sich jemand in einem anderen Stadtteil mitteilen müssen, und knallte seine schwere Fast mit solcher Wucht auf den Tresen, dass sich dort ein Riss bildete. Daraufhin bekam Curry Harry einen solchen Röchelanfall, dass sein Gesicht zuerst dunkelblau und dann schwarz anlief. Nur die Nase verblieb grauweiß wie saure Dickmilch.“ Ich verabschiedete mich, denn ich hatte jetzt gesehen, was es dort zu sehen gab.


treenie
treenie
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Re: Säufernasen, Seuchennasen und Quetschnasen (Teil 2)
geschrieben von treenie
als Antwort auf EmilWachkopp vom 07.03.2011, 05:37:01
Hi- Rotznasen hast vergessen !
Gruß treenie
EmilWachkopp
EmilWachkopp
Mitglied

Re: Säufernasen, Seuchennasen und Quetschnasen (Teil 2)
geschrieben von EmilWachkopp
als Antwort auf treenie vom 07.03.2011, 10:58:47
Rotznasen behandele ich im ersten Teil meiner wissenschaftlichen Abhandlung (Säufernasen, Schniefnasen und Schnüffelnasen) unter der medizinisch wissenschaftlichen Bezeichnung "Schniefnasen".

Das ist, weil ich doch ins Alter einen kleinen Tick bekommen habe. Alles was ich schreib muss wissenschaftlich und durch Hunderte von Experimenten belegt sein.

Aber jetzt schwant mir was! Du könntest eventuell "Rotzlöffel" meinen. Aber das ist ein verhaltenswissenschaftlicher Begriff und kein antiatomischer. Das ist ein Unterschied.

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