Forum Kunst und Literatur Literatur Dichters Albtraumnacht - eine lesefreundliche Einuebung

Literatur Dichters Albtraumnacht - eine lesefreundliche Einuebung

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Dichters Albtraumnacht - eine lesefreundliche Einuebung
geschrieben von longtime
Von einer psychologisch-soliden „wahrheits“-Seite:

Michael Quasthoff:
Dichters Albtraumnacht


Am Schreibtisch sitzt, die Nacht wird lichter,
Heinz Wrobel der Balladendichter.
Schon singen Zeisig, Spatz und Meise,
Heinz Wrobel aber, der schnarcht leise.
Der Laptop ist sein Ruhekissen,
Doch, glaubt es mir, er schläft beschissen.
Das liegt, da gibt es nichts zu deuteln,
An Traumgestalten, die ihn beuteln.

Es frankensteint und vampyrt greulich,
Am Bettrand sitzt und leuchtet bläulich,
Herr Fantomas, der Papst der Schurken,
Bereit, den Dichter abzumurksen.
Aus Höllengründen steigen Fratzen,
Vorm Fenster baumeln tote Katzen,
Gehenkte, Mumien, Zombietruppen,
Die aus allen Poren suppen,
Krakelen, ächzen, heulen, johlen:
"Heut kommen wir den Wrobel holen."
Warum, hört der sich bänglich fragen,
Wollt ihr mir alle an den Kragen?

Da naht von rechts ein Leptosom,
Auf seiner Nase blitzt die chrom-
Besetzte Brille von Cartier.
Er kennt den strengen Mann, o weh.
"Deadline", spricht der hagre Geist,
"War vor drei Wochen, wie du weißt."
Und schnalzt mit seinen Hosenträgern,
In der Manier von Großverlegern.

Kurz darauf wacht, in Schweiß gebadet,
Froh, dass er halbwegs unbeschadet
Ist dem Inferno nun entronnen,
Heinz Wrobel auf, der gleich begonnen,
Hat, nochmals mit dem Alb zu ringen,
Um in Balladenform zu zwingen,
Was ihm die Nacht ward eingegeben.
"Abscheulich, aber doch ein Segen",
Sagt sich der Dichter, schwer geschafft,
Und hat das Stück zur Post gebracht.
*

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