Literatur Die Herrin von Syld 2020 historischer Roman von Bernhard Wucherer
Dieser historische Roman ist ein bemerkenswerter Versuch, Geschichte des Mittelalters im interkultu-rellen Rahmen anschaulich und spannend darzustellen. Hauptfigur des Romans,der stellenweise an einen Karl-May-Roman erinnert, ist Anna Maria von Schellenberg, die als uneheliche Tochter einer marokkanischen Prinzessin(Charifa Chalid) und eines deutschen Ritters(Ulrich von Schellenberg) sowohl Marokko als auch die Insel Sylt und große Teile der deutschen Staaten im 14. Jahrhundert
kennenlernt, wobei Alltagsleben und wesentliche soziale und politische Entwicklungen(vor allem Hexenwahn,Folterjustiz, Antisemitismus, Wegelagerer, Frondienst von Bauern, Fehden im mittelalter-lichen Europa und Thronstreitigkeiten in Marokko, Seuchen, religiöse Strukturen, Piraten) in unter-
schiedlichem Ausmaß erfasst werden. Besonders spannend erscheint die Schilderung des Hexen-wahns in Schweinfurt, dessen Opfer Anna Maria von Schellenberg auf ihrer Flucht von Marokko ins Allgäu zur Burg ihrer väterlichen Vorfahren wrd.Nur mit knapper Not entkommt die als Heilerin täti-ge Anna Maria der Hinrichtung als „Kräuterhexe” . Ihre Rettung verdankt sie vor allem der jüdi-schen Gemeinde von Schweinfurt, ihren marokkanischen Begleitern und einigen weiteren am Rand der Gesellschaft lebenden Menschen. Die zweite Hauptfiigur des Romans ist der verwitwete Großwe-sir von Marrakech (Nizamüddin Ahmed Pascha), der aus einem falsch verstandenen Ehrbegriff heraus Anna Maria, die er als von Piraten an seinen Hof verkaufte Sklavin kennenlernt, verfolgen und bestrafen will, obwohl er sich in sie verliebt hat und mit ihr eine gemeinsame Tochter hat, von deren Existenz er erst sehr spät erfährt. Originell ist das Schlusskapitel, das das interkulturell aufschlussreiche Treffen zwischen Anna Maria und dem Großwesir im Allgäu schildert. Erwähnenswert ist, dass der Autor sich auf einige im Literaturverzeichnis aufgeführte historische Quellen und Fachbücher zur Geschichte des Mittelalters bezieht, sodass dieser Roman nicht nur ein fiktives Produkt ist. Trotz mancher vielleicht etwas einfacher Handlungsstränge ist dieser historische Roman lesenswert, vor allem wegen seiner interkulturellen Aspekte.