Bin ich?

 
John Clare, (1793-1864)
 

Es ist ein grauer Tag im März, feiner Nebel erfüllt die Luft mit einem nasskalten Anklang.
 Während ich mir John Clares Gedichte zu Gemüte führe, sehne ich mich nach jener Zeit (1793-1864), in der sie entstanden sind, zurück. Wirklich? Ist es so erstrebenswert, diese enormen Klassenunterschiede des damaligen französischen Königreiches herbeizuwünschen? Sicher nicht, solche Wünsche sind unmögliches Denken..

In dieser Übergangszeit zwischen den Welten, als in Frankreich die große, zum Teil auch erschreckende Revolution ihren Anfang nahm, als Louis XVI. und Marie Antoinette versuchten, das Leben der Menschen noch stärker zu beeinflussen, begann auch die romantische Bewegung in Europa. 

 »Ich bin! Doch was ich bin -
mag's keiner wissen?
Im Stich gelassen und
gefallen aus der Zeit.«

 
John Clare hat hier mit seinen nostalgischen Anwandlungen mitten in ein Wespennest gestochen. Welche Zeitläufte der Dichter damit meint, tut er uns nicht kund. Es scheint dabei, dass jenes eigene Dasein, dessen er sich rückblickend erinnert, doch Zweifel aufkommen lässt, lebenswert gewesen sei. Später fragt er weiter, und mit diesem Fragen erschließt sich ein weiteres Feld der Fragen nach dem Sein.
 
»Und was ist Leben? 
Eine Sanduhr auf der Flucht,
ein Nebel, der sich löst
in Sonn' und Wind,
ein immer wiederkehrender Traum,
der stets geträumt sein muss.
Und Glück? Eine Blase im Strom,
die beim Ergreifen in ein
Nichts zusammenschrumpft«

 
Wir alle leiden doch an Nostalgie, mehr oder weniger ist jeder Mensch dazu verurteilt, sich zu erinnern oder auch manches zu bereuen, doch wir bleiben immer darin verstrickt, im Sinne des natürlichen Ablaufs unseres Lebens.
Falsch oder nicht, wir haben zu allen Zeiten Träume gewebt, haben Gespinsten nachgetrauert, von denen alle wussten, dass sie nie in Erfüllung gehen könnten! Wir ersehnten immer eine wirkliche Zukunft - eine Brücke zwischen heute und morgen, ohne Abkürzung, ein Weg, auf dem wir sicher entlangwandern könnten. Dieser Weg sollte ohne Bangen sein, ohne Angst vor zukünftigen Taten, ohne das widerspenstige Schwert einer unsicheren Welt. Und dann? Wie drückte John Clare es aus: »Eine Blase Luft in einem Strom!«
 

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Kommentare (4)

Lerge

Bei Deinen obigen Gedanken fällt mir John Clare's Gedicht "What is Life" ein, in dem er im letzten Vers in den letzten Zeilen seine eigene Antwort gibt:

"Tis but a trial all must undergo,
to teach unthankful mortals how to prize
that happiness vain man's denied to know,
until he's called to claim it in the skies.

 
Was bezüglich des Lebens -  so ungefähr  - besagt:
  Es ist ein Test der Menschheit allgemein,
die undankbar des Lebens Weg gegangen.
Freude, die man verneint im ird'schen Sein,
kann jemand erst in Ewigkeit erlangen.

 
Für eine Interpretation ist es jetzt allerdings zu spät.....
..... meint Lerge
 
 
 
 

Syrdal


Wer sich nur ein wenig mit seiner irdischen Existenz beschäftigt, könnte lange über das Leben und den Sinn, den es hat und den wir ihm geben, philosophieren. Und es gibt wohl keine all überall übereinstimmende Sicht auf das tausendfältige Geschehen des Lebens, das wir glauben gestalten zu können und dabei kaum bedenken (bedenken wollen!), wie kleinmütig und schwach wir sind, sobald auch nur ein winziges Steinchen im Weg liegt. Schon ein kleinstes Ereignis, ein unsichtbares Virus, eine unbemerkte Zellmutation oder ein „Beinbruch“ kann alles verändern, ins Wanken bringen oder gar zum Ende führen. Wie treffend sind da doch die Zeilen
...Und was ist Leben?
Eine Sanduhr auf der Flucht,
ein Nebel, der sich löst…“
John Clare ist bei solchen Fragen geblieben, wer nicht… Wer hat sie je beantwortet? Und auch wir werden die Antwort auf all die Fragen erst erhalten, wenn wir nach dem letzten Atemzug auf die Gesamtheit unseres Lebens zurückschauen können. Dann aber heißt die Antwort auf das „Bin ich?“ eindeutig: Ja ich bin ewig!

...sagt mit erspürter Gewissheit
Syrdal
 

Pan

Und genau das muss die Quintessenz des Lebens sein, wenn ich letzlich sagen kann: Ja, ich war!
überlegt 
Horst

Syrdal

@Pan

Dann aber, lieber Horst, bist du noch immer und wirst immer sein...

...meint
Syrdal 


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