Ein neues Manifest?


Ein neues Manifest?


 

Wenn ich Kinder und Jugendliche mit Plakaten bei Klimademonstrationen sehe, ihre Begeisterung und ihre Glaubensfähigkeit spüre, miterlebe, was sie erreichen wollen, dann tut mir das in der Seele weh. Sie haben so große Ambitionen, sie entwickeln eine Unmenge von Eindrücken, dass man einfach begeistert auch als Senior mitmachen möchte. Wäre da nur nicht die reale Welt, die dem Ganzen einen Schein von Blauäugigkeit verleiht.
        Dieser Kampf ist noch ungleicher als der Kampf zwischen David und Goliath. Der Glaube an Ursachen der Vorgänge ist charakteristisch für den jugendlichen Eifer, der oftmals über die Stränge schlägt. Es ist ein unermessliches Vertrauen in eine Idee, die sie für fair halten, sie liegt uns allen wahrscheinlich im Blut. Jeder, der noch nie eine solche Wut im Inneren hatte, sollte einen Psychologen konsultieren, um zu versuchen, zu verstehen, was los ist.
        Vielleicht geschieht es aufgrund des Haarausfalls oder der Fülle von Falten im Gesicht - ich fühle ein wenig Angst, wenn ich diese Jugend im verträumten Delirium beobachte. Das liegt daran, dass das Leben darauf besteht, mich etwas entmutigt und skeptisch zurückzulassen. Es macht mich irgendwie giftig. Mit jedem neuen Tag, der vergeht, fällt es mir schwerer, an eine positive Veränderung zu glauben!
     Als ich damals in dieser Altersklasse »spielte«, hatten wir auch unsere Figuren, an denen wir uns abarbeiten mussten. Am 30. Mai 1968 beschloss der Bundestag nach heftigen Protesten die "Notstandsgesetze". Für die Einen war es Vorsorge für den Krisenfall, für die Anderen eine Gefahr für die Demokratie. Die »Außerparlamentarische Opposition (APO)« war damals der Kitt, der diesen Widerstand zusammenhielt. In dieser Zeit war ich auch begeistertes Mitglied der Demos.
     Die Friedensbewegung der achtziger Jahre durchbrach die Logik der Abschreckung und ebnete damit den Weg in eine neue Ära. Mit dem Kampf gegen die Pershing II- Stationierung wurde ein neues Feld der politischen Meinung vertreten. Namen wie Robert Jungk, Dorothea Sölle und Louise Rinser prägten die Aussagen mit, denen wir ebenfalls nacheiferten. Auch die Atomkraft-Gegner brachte unser Land in elitäre Bewegung, Gorleben - das Zwischenlager und die Kämpfe mit der Staatsmacht überdauerten Jahre des Zweifels. Einige weitere Protestpunkte waren »Startbahn-West«, AKW Brokdorf und die Transporte des AKW-Mülls nach Gorleben.
        Heute frage ich mich: War alles umsonst? Denn schaue ich die Demos heute an - ein Vergleich ist nicht mehr möglich. Aber auch wenn ich unsicher sein sollte, ich bin noch lange nicht an dem Punkt, an dem ich denen, die ich weiter als amoralisch ansehe, zustimmen kann! Ich bin vielleicht entmutigt, aber ich bin nicht willenlos, und ich denke: Macht weiter und wehrt Euch - aber lasst die Kirche im Dorf!


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