Eine Impression des Sommers (2006)



(aus die vier Jahreszeiten)

Der Raum, in dem ich mich befinde, ist bodenlos und ohne Wände. Er ist erfüllt von milder und feilchenblauer Luft, die im oberen Teil nach süßen Heidelbeeren schmeckt und im unteren Teil nach herben Holunderbeeren.
Die vier Türen meiner Behausung tragen auf Emaile -Schildern die Aufschrift S, H, W sowie F und führen nach draußen.
Ich durchschwebe die S-Tür und gelange ins Freie. Sogleich werden meine Augen von der Sonne geblendet und auf meiner Haut bilden sich kleine vom Licht durchschimmerte Bläschen, die sich zu pflaumengroßen Blasen schmerzhaft mit Feuchtigkeit anfüllen - wenngleich ich ein Jackett trage. Ein kräftiger Wind lässt mich die Schmerzen einigermaßen ertragen.
Ich greife nach den Gerüchen der Bäume und der bunten Gemüse sowie dem halbreifen Dinkel, der sich ehrfürchtig und leise summend vor der Sonne verneigt; ich ernte die sich an Wegrändern im Wind wiegenden Wegwarten und höre die grünen Frauenmäntel mit schwarzen Meerrettichen streiten – vergeblich von Kümmelkräutern um Frieden gebeten. Auf meiner Zunge lassen sich das Blau, Rot und Gelb des Sommers nieder wie sich der weite Regenbogen, der zu lange am Himmel gestanden und sein Violett verloren, in seiner Not in meine Umarmung schmiegt.
Meine Sinne genießen die Veränderungen, welche den verstreichenden Tage vom Vergehen erzählen, höre die Düfte der verblühenden Rosen mit den Maschinen maulen, welche die warme Erde nach den verloren gegangenen Schätzen des Sommers durchfurchen. Ich vernehme das lästige und dumpfe Schwirren der unzähligen Insektenvölker, auch hin und wieder den Gesang der Lärchen über den abgeernteten Wiesen und sehe die Tanz-Suiten des Sommers sich über den Gewässern am Waldrand schwingend im Kreise drehen, ehe ich mich in meine Umhausung zurückziehe und die Tür hinter mir schließe.



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