„Am Nischel ist der Gesichtsärger!“


„Am Nischel ist der Gesichtsärger!“

Radeberg feierte vor 120 Jahren ein Nasenfest

Zu den heute weniger bekannten Begebenheiten früherer Jahre gehören all jene Versuche, bei denen Fremdwörter in das Deutsche übersetzt wurden oder werden sollten. Zu den sinnvolleren Übersetzungen dürfte u. a. gehören als sich das französische Wort „Coupe“ mit „Abteil“ in der Alltagssprache behauptete. Neben Gelehrten und Sprachvereinigungen schrieben sich in den Jahren zwischen 1870 und 1914 auch deutsch – nationale Vereinigungen solche Eindeutschungen auf die Fahne. In Radeberg war dies im Jahre 1895 der „Deutsche Jugendbund Radeberg und Umgebung“.
Man hatte sich zum 24. Juni einen Redner eingeladen, der sich u. a. den Begriffen „Nase“ und „Fenster“ widmete. Für Fenster empfahl er das Wort „Tagesleuchte“ zu gebrauchen, was jedoch sicher sehr schnell in Verges-senheit geriet. Bei „Nase“ war es schon etwas anderes, gab es doch in der alltäglichen Umgangssprache die verschiedensten Bezeichnungen.
Karl Friedrich Wilhelm Wander hatte in seinem „Sprichwörterlexikon“ über 400 „Nasenweisheiten“ und die Gebrüder Grimm führen über 100 Nasenbelege in ihrer Wortauflistung an. Wörter wie Riechkolben, Zinken, Gurke oder Säufernase dürften auch heute noch bekannt sein.

Der damalige Vorschlag für das aus dem Lateinischen Wort stammende „Nase“ war „Gesichtsärger“, fälschlicherweise manchmal in der Literatur auch mit „Gesichtserker“ angegeben. Aus dem Vortrag von damals ist die Sentenz bekannt: „Am Nischel ist der Gesichtsärger. Manchmal läuft er aus. Da ist es schon besser, man hat eine Rotzbremse“. Auch Reimereien wurden angeboten, um auf die Sache aufmerksam zu machen. „Es war noch Licht im Nasenloch, denn seine Popel lasen noch“. Bemerkenswert ist, welche Wörter der Umgangssprache mit einflossen. Und Radebergs Jugendbund hatte eine Idee. Man sollte zur Nase „Riechwurzel“ sagen. Ein völlig neuer Vorschlag in der Debatte.
Und um das Ganze in die Öffentlichkeit zu bringen plante man ein „Riech-Wurzel-Fest“. Die Grundidee war eine Saalveranstaltung im „Albert-Salon“, zu der jeder mit „einer Nase aus Papier, Pappe oder anderen Stoffen auftauchen sollte“. Die Veranstaltung mit „mäßiger Beteiligung“ gab es. Siegerin wurde eine Agnes Feucht, die die „Radeberger Adler – Riech-Wurzel“ kreierte. Seitens anderer Jugendlicher wurde die deutschnationale Denkweise angegriffen und so blieb es bei dem einen Fest samt Vorgeschichte.
Dabei hat die Nase in unserer Gegend durchaus sogar historische Dimensionen. Die „Kamenzer Nase“ ist samt ihrer Entstehungsgeschichten Kulturgut. 2002 versuchte Kamenz die Sache mit einem „Nasenfest“ wieder in das Bewusstsein zu bringen. Es gab wohl drei oder vier Versuche, dann ging auch dieses Alleinstellungsmerkmal wieder den Bach herunter. Die Nase ist bei ihrem Urbegriff geblieben, der „Gesichtsärger“ wie die „Riech-Wurzel“ eine kurze Episode.

haweger

Anzeige

Kommentare (0)


Anzeige