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Aktuelle Themen Auf der falschen Fährte (Teil 3)

EmilWachkopp
EmilWachkopp
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Auf der falschen Fährte (Teil 3)
geschrieben von EmilWachkopp
Ich wollte gerade los, um Schleswig Holsteins Klappermühlen abzuklapsen … Nein: Klapsmühlen abzuklappern. Als ich aber die Haustür öffnete, stand mein ältester Bruder, der damals gerade neuernannte Dorfkommissar, davor und sein rechter Zeigefinger flog schon in Richtung Klingelknopf. „Gut dass Du zu Hause bist, Emil. Ist alles abgeblasen.“
„Abgeblasen? Warum das denn?“
„Ich hab die ganze Nacht durchgegrübelt. Meine Fresse, bin ich müde. Kann man sich hier nicht mal irgendwo paar Sekunden lang machen?“
„Leg Dir auf die Wohnzimmercouch.“
„Sehr gut. --- Das heißt: wann hast Du die zun letzten Mal entdreckt?“
„Na ja, … ich …, nun, … das müssten jetzt wull so um die sechs …“.
„Da kann ich mir ja ebenso gut gleich in‘n Saustall legen!“

So vergnatzt und nörgelig hatte ich meinen Bruder schon lange nicht mehr erlebt. Aber damit will ich nicht gesagt haben, dass er völlig im Unrecht war. Nein, da hatte sich tatsächlich schon klein büschen was angesammelt, denn als mein Bruder sich unwirsch auf die Couch flenzte, verschwand er augenblicklich in einer Staubwolke. Nur seine Hustenattacke und –zwischendurch – ein paar ruppige Schimpfwörter ließen noch auf seine Position im Raum schließen. Zu sehen war er jedenfalls nicht mehr.
„STAUB WEGWEDELN!!! EHE MAN HIER AUCH NOCH ZU TODE ERSTICKT!!!“

„Deine Couch ist ja die reinste Mordwaffe“, murmelte mein Bruder, als er sein heftiges Temperament schon fast wieder im Griff hatte. „Übrigens, Emil, was hältst Du eigentlich von dem Fall?“ „Tja, man muss sich halt langsam und vorsichtig draufsetzen.“ „Bist Du schon wieder ins Delirium oder was? Wo muss man sich draufsetzen? Auf die Bank?“ „Auf die Couch natürlich.“ „Mensch, Emil! Schalte doch mal das Licht in Deinem Gehirnkasten an! Ich rede nicht von Deiner zwanzigfach vermaledeitelten Schweinecouch, sondern VOM BANKRAUB IN DIE KREISSTADT.“

„Nun ja“, sagte ich gewichtig, legte meine Stirn in tiefe Falten, kniff die Augen zu kleinen Spalten zusammen und legte meine linke Schläfe in meine linke Handfläche; den Ellenbogen des linken Armes auf den rechten Oberschenkel gestützt. Alles um den Eindruck zu erwecken, es wäre meine Grübelmaschinerie auf volle Kraft voraus geschaltet. „Ich finde“, sagte ich und räusperte mich vorerst einmal akademisch fünf-sechs Duzend Male. „Ich finde die Theorie der alten Witwe Bolte … eh, äh, öh … Noch konkreter: erwähnungswürdig.“ „Als Arbeitshypothese, wohl gemerkt“, fügte ich gewichtig hinzu und schloss die Augen ganz. „GENAU!!!!“ brüllte mein Bruder, der neuernannte Dorfkommissar, und fuhr auf wie von einer Spirale in Emils Schweinecouch gestochen. Aber er war nicht angestochen, sondern er wollte wieder einmal eine seiner obligaten, dozentenhaften Shows abreißen. Allein seine Mimik und Körpersprache verdienten eine Abhandlung für sich. Er klemmte die Stirn zwischen Daumen und Zeigefinger ein. Er kratzte sich die Nase. Er zupfte an den Ohrenläppchen. Er bohrte den Zeigefinger der rechten Hand in spiralförmiger Bewegung immer höher in die Luft. Er zeichnete mit ausgestreckter Hand unsichtbare Riesenkreise in die Luft. Er warf den rechten Arm, einem Speer gleich, in alle Richtungen des Raumes. Er schlug – wenn auch nur leicht – seine Fäuste gegen die Stirn.
Na, wer einmal einer psychiatrischen Vorlesung beigewohnt hat, wird das alles kennen.

„Genau, Emil! Die Theorie der alten Bolte ist nicht nur erwähnungswürdig. Nein, sie ist sogar höchst plausibel. Alle einzelnen Puzzleteilchen können spielend leicht zu einem klaren Bild formiert werden. Alles ist so logisch. Aber – und das ist der springende Punkt: ZU LOGISCH! Das ist mir alles zu einfach, zu durchsichtig, zu klar. Alles passt ZU GUT!“ Sodann raste er wie ein Stier auf meinen Wohnzimmerschrank los und trat beide Türen ein. Solche Ausbrüche, die bei ihm keine Seltenheit waren, schienen immer beruhigend auf ihn zu wirken.

„Nein, nein Emil, hier will uns jemand auf eine falsche Fährte locken. Verlass Dir auf die unfehlbare Intuition eines routinierten Kriminalbeamten. Dieser Fall stinkt! Und zwar von allen Seiten. Der riecht muffig! Der riecht wie Keller. Der stinkt wie eine ganze Harzer Käsefabrik!“

„Außerdem weiß jeder hergelaufene Rotzlöffel, dass Schleswig Holstein das exklusive Hoheitsgebiet unseres verehrten Bruders ist. Niemand kann ungestraft Verbrechen in seinen Jagdgründen begehen. Das ist in der ganzen Unterwelt bekannt.“
„Ein guter Einwand“, sagte ich. „Aber wenn es sich bei dem Bankräuber um einen Amateur handelt, dem die Verhältnisse in der unteren Welt unbekannt sind?“

Mein Bruder wandte mir den Rücken zu, als er leise, aber dennoch hörbar, mit aggressiv zischender Stimme sprach: „Möglich. Möglich. --- Es könnte aber auch sein …. , dass der Delinquent ………….. in einer ………………………. besonderen persönlichen Beziehung zu unserem Bruder steht ……………………………..………………………………………….. Eine Beziehung, die ………………………… unserem Bruder ……………… Anlass dazu geben könnte …………………………………., DEM SCHURKEN EINE SONDERGENEHMIGUNG ZU ERTEILEN!! GRRRRRRRRRRRRRRRRRR!!!“ Mit der Geschwindigkeit des Blitzes wandte er sich plötzlich zu mir um, legte mir die linke Hand um die Kehle und ließ mit der rechten Hand den Polizeiknüppel wie ein Henkersbeil über meinem Kopf schweben. „WO WARST DU ZUR TATZEIT??!!??!! ANTWORTE ODER ICH LASS DEN KNÜPPEL AUF DEINER BIRNE TANZEN!!!!!!!“

Solche Fragen können einen ganz schlotterig machen.


„B… bitte verha … ha … haha ... hahaha … hahahaha … afte mir”, stotterte ich. „Das hat Zeit“, brummte mein Bruder. „Viel Zeit. Ich lasse Dir vorerst einmal beschatten.“ „Und von wem?“ „Von Dir natürlich. Ich hab leider keinen Andern. Du meldest mir ab sofort jede verdächtige Bewegung!“
„Und Du?“
„Ja ich, Emil“, sagte mein Bruder und spannte den Brustkorb. „Ich bekomme ein immer stärker werdendes Gefühl, für Höheres auserwählt zu sein. Ich rieche einen fetten Braten. Einen sehr fetten Braten. Das ist meine Chance. So eine Chance, Emil, die bekommt man nur ein einziges Mal im Leben. Und dann …. Dann muss man zupacken!“ KLIRR, zerbrach meine Blumenvase, die er zur sinnlichen Veranschaulichung seiner Worte der Weisheit verwandt hatte, unter seinem offenbar zu harten Griff.
„Mistvase! – Und Du, Emil, Du fährst in die Schweiz. Der Zug geht in einer Stunde.“ „Ja aber“, protestierte ich, „ich soll mir doch beschatten.“ „Das kannst Du ebenso gut in die Schweiz. Und jetzt: Ab geht die Post! – Halt! Dass Du mir ja nicht wieder so viel Spesen machst wie letztens! Denn ballert’s!“ Ich wusste natürlich, worauf mein Bruder anspielte. Bei meinem vorigen, staatsfinanzierten Aufenthalt in Genf sind innerhalb von nur drei Tagen Spesen in Höhe von 960 000 Reichsmark „anfällig geworden“. Na ja, das war wull – haargenau genommen – büschen happig. Das seh ich ja heute kleckerweise auch schon ein. Aber was kann Emil denn dafür, dass die Genfer Frauen so anspruchsvoll sind?

Also fuhr ich mit dem Schnellzug in die Schweiz, um meinen etwas älteren Bruder, den … nun ja …, den unterirdischen Großunternehmer zu besuchen, der in einer Privatklapse, d.h. in einer privaten Nervenheilanstalt, d.h. in einem privaten Sanatorium Erholungsurlaub machte. Er glaubte nümlich fest daran, sich am Rande eines Nervenkollers zu bewegen.

Ich wusste es! Ich wusste, dass es einmal so kommen würde. Es ist immer schon der Traum meines ältesten Bruders gewesen, meinen etwas älteren Bruder hinter Schloss und Riegel zu bringen. „Das, Emil, das wäre der große Sprung nach oben. Das würde mir alle Türen und Tore öffnen, bis hinauf zun Polizeipräsidenten. Und selbst Du, Emil klein, könntest Dir ein wenig im lichten Glanze meines unauslöschlichen Ruhmes spiegeln.“ „Aha.“

Meine Untersuchung in der Schweizer Klapse dauerte exakt eine Minute und zwölf Sekunden bis feststand, dass mein unterirdischer Bruder den Bruch gar nicht ausgeführt haben konnte. Er nahm nämlich zu der Zeit, da der Überfall verübt worden war, am großen Ringelpiez mit Anfassen teil. In der Klapse. Dafür hatte er vierzehn Zeugen: 13 tanzende Klapsteilnehmer und die Ringelpiezleiterin Madame Gambade. Außerdem war mein Bruder bis über beide Ohren verliebt. In eine Italienerin. In so einem klapperigen Zustand kann doch keine Sau … kein Mensch einen vernünftigen Bruch begehen. Die Italienerin hatte meinen Bruder gewonnen. Bein Topfschlagen. Und mein Bruder war der erste Preis. Sie durfte ihn eigentlich nur eine Nacht lang behalten. Aber in der Nacht erschien Eros und schoss seine unsichtbaren Pfeile.

Wird fortgesetzt
Gillian
Gillian
Mitglied

Re: Auf der falschen Fährte (Teil 3)
geschrieben von Gillian
als Antwort auf EmilWachkopp vom 11.04.2012, 17:32:44
Ich gebs zu, Emil, trotz langjähriger Krimi-Erfahrung bin ich noch nicht dahintergekommen, wer nun der wirklich Schuldige ist. Aber ich bin IMMER für ein HAPPY END und gönne deinem gestressten Bruder von Herzen sein Liebesglück mit der Italienerin!
Aber du schreibst: Wird fortgesetzt ... hoffentlich kommt da nicht etwa eine Trennung .
Ich bin aber auf alles gefasst!
G.

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