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Aktuelle Themen Müstische Entführung - oder noch ein Mordfall? (Teil II)

EmilWachkopp
EmilWachkopp
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Müstische Entführung - oder noch ein Mordfall? (Teil II)
geschrieben von EmilWachkopp
Aber die Frage ist jetzt: wie diese äußerst verwickelte Geschichte fortsetzen? Wo die bisher nur lose aufgenommen Fäden miteinander verknüpfen? Und zwar so, dass sich ein begreifliches Muster dabei bildet. Und nicht so, dass nur Kokolores dabei rauskommt. Tüderkram wollen wir hier ins Forum gar nicht lesen. Das schmettern wir ab. Wer Quatscht schreibt,fliegt raus.

Na, ich wähle einfach mal – auf Deubel komm mal raus – den Tag als Fortsetzung, da der Mann von der Flandrin, was der Pierre Tumulaire war, verschwand. Futsch war er und ward nimmer mehr gesehen.

Rein zufällig – nümm ich mal an – war der Tag seines müstischen Verschwindens auch gleichzeitig der Tag, an dem er eine wuchtige Maloche im Hamburger Hafen hätte antreten sollen. Säcke schleppen. Ohau, oha: mehr sag ich dazu nicht. Jedenfalls war im ganzen Dorf bekannt, dass er lieber in der Federbettenfabrik in Neumünster hätte arbeiten wollen. Als Federnstopfer. Na ja: hätte WOLLEN. Natürlich nur unter der Bedingung, dass er zu arbeiten gezwungen war. Also nicht direkt freiwillig, denn nichts verabscheute der Gute so sehr wie überflüssige Bewegung. Die Flandrin hingegen war da ganz anders. Sie verabscheute nichts so sehr wie Faulpelze, weil sie, wenn sie nur von Faulenzern und Rumtreibern umgeben war, ja selbst ranmusste. „Remue-toi une fois par hasard! Flémard!“ flotzte die Flandrin ihren Mann von Zeit zu Zeit an. Der aber antwortete stets ruhig und gelassen: „Ich heb mir auf. Für künftige Großtaten.“

Jedenfalls: Von dem Tage an war Pierre Tutulaire wie vom Erdboden verschluckt. „On l’a enlevé. Mon pauvre mari!“ jammerte die Flandrin auf der Polizeiwache rum. Aber mein Bruder, der ziemlich neu ernannte Dorfkommissar, grölte sie unwirsch an: „Na und? Wat geiht mi dat an? Ich hab keine Zeit für Euern Ehetumult! Ich muss nümlich einen Fall lösen. Geh rüber zun Pastor und jammer Dir da einen ab!“

Als Madame Flandrin ging, war mir, als spielte ein schelmisches Lächeln auf ihren Lippen. Aber mein Bruder sah – wie gewöhnlich – überhaupt nichts, sondern erklärte mir gnatzig sein leicht undiplomatisches Auftreten. „Entführt! HA!!! Piep-Piep im Oberstübchen. Durchgebrannt ist ihr der Halunke. – Na, selbst schuld. Wat passt se nich better op em op?“

„Entlaufen im Zustand geistiger Umnachtung“, hämmerte mein Bruder mit der Schreibmaschine ins Protokoll und heftete dieses dann in den Ordner für ungeklärte Felle. D.h. in den einzigen Ordner mit Inhalt.

Ich wusste natürlich sofort, welcher Fall meinem Bruder so wuchtig im Magen lag. Am Nachmittag vor dem Tage, an dem Pierre Tutulaire verschwand, war die Sparkasse der Kreisstadt ausgeraubt worden. Und zwar bis auf den letzten Pfennig. Sogar die Kunden und Angestellten mussten ihre persönlichen Kröten und Wertgegenstände rausrücken. (Allerdings bekamen sie alle eine Quittung für die entwendeten Wertsachen. Für die Versicherung. Unterschrieben waren die Quittungen mit „Hirmit bescheihnige ich auf Honneur et Gewißen …, le Voleur.“)

Der Dieb machte nicht nur völlig reinen Tisch. Sondern er kannte sich in der Sparkasse bestens aus, ja er bewegte sich dort, als befände er sich an seinem angestammten Arbeitsplatz. Er bediente sich selbstständig, plünderte systematisch alles was es zu plündern gab und bat nur gelegentlich eine Angestellte in vorzüglich höflichem Ton, ihm freundlicher Weise den mitgebrachten Geldsack mal kurz zu halten, damit er die Kohle leichter in ihn reinschüffeln konnte.

Nach vollbrachtem Tagewerk bedankte sich der Dieb höflich für die freundliche Unterstützung der Sparkassenangestellten, bat die Kunden noch einmal um Entschuldigung, lud sich den Geldsack auf den Rücken und wackelte in Richtung Wald. Dazu machte die Bankangestellte Helga Straff folgende Aussage: „Mir schien, als würde dem netten Herrn Dieb das Gewicht des Geldsckes starkes Unbehagen bereiten. Wie soll ich es sagen? Er schien ein Mensch mit einer ungewöhnlich starker Abneigung für Scherarbeit zu sein. Einer der sich ... Wie soll ich das ausdrücken? Der sich ganz generell nicht gern bewegt."

„Jaja, jaja“, schlug mein Bruder diese Zeugenaussage in den Wind. „Wer schleppt schon gern Säcke? Das müsste ja ein Behämmerter sein. Ik segg ümmer: Wenn de Buur nich mutt, denn röögt he nich Hand un Foot. - Höhöhöhö. – Ja, von’n Schudel kannst ook wat lehren, Fru Straff. ---
Übrigens: Was für eine Waffe trug der Dieb?“ „Einen Boxhandschuh.“ „Einen Boxhandschuh?!? --- Hasch mir, ich bin der Frühling. Sag ich doch: Ein Entlaufener. Total plemplem. Emil, Du wirst gleich ab morgen früh alle Klapsmühlen in Schleswig Holstein und Hamburg abklapsen … abklappern. Ob da jemand vermisst wurde oder noch wird, der dafür bekannt ist, dass er sich nicht gerne bewegt.“ Ich wollte gerade geschockt vor Entsetzen wild protestieren, aber mein Bruder schnitt mir das Wort ab: „Du übernachtest und isst diesmal natürlich im Hotel.“ – Mir fiel ein Stein vom Herzen.

„Bankraub, Täter befand sich vermutlich im Zustand geistiger Umnachtung“, kritzelte der Dorfkommissar in seinen Notizblock.

Als wir zur Wache zurückkehrten, empfing uns eine aufgescheuchte Witwe Bolte. Sie hatte nümlich schon eine Theorie, die sie natürlich unverzüglich meinem Bruder auftischen musste. „Wissen’s was ich jloov, Herr Kommissar? Ich jloov: Der Tüdelmehr, der ist ieber alle Berje. Ach Herrjott, wer hätt das von ihm jedacht? Dieser Lorbaß! Und denken’s mal an: das scheene, scheene Jeld. Der hat’s und ich kennt’s broochen. Jerecht ist das nicht. Das kennt’s nicht sajen, Herr Kommissar. Wenn man den Jlickspilz noch mecht kennen heiraten. Dann tät ich jar nicht mucksen. Aber nun hat Jott it so hinjedreht, dass der Banause, der lausige, bereits ist verjeben.“

Mein Bruder wollte das doch alles gar nicht hören, warum er die alte Witwe unwirsch anfuhr: „Mit Euerm privaten Schlafzimmerschmierkram kann ich Euch leider auch nicht helfen. Eine Polizeiwache ist schließlich keine Verkupplungsbehörde. Gah man ümmer schöön to’n Paster hen. Villicht kann he di jo ook noch mit den Tüdelmehr verkuppeln.“
„Das ist aber ein juter Jedanke, lieber Herr Kommissar. Dank ihm ooch scheen. Aber jloovens denn, dass das mecht meeglich sein? Ach jebe Jott, das es so meege jeschehen. Denn kennt ich den Lotterlumpen jleich iebernehmen und scheen abrichten.“ „Sehr gut, Frau Bolte, sehr gut. Aber jetzt … bitte…“. „Bin schon weg, Herr Kommissar.“ Und beim Hinausgehen jammerte sie: „Ach ja, ach ja, dieser Lorbaß, der lausige! Wenn er bloß das scheene Jeld noch nicht hat verklendert. … Und wenn doch? … Na, dann setzt it aber was mit dem jroßen Knippel!“

Als die Witwe uns verlassen hatte, dozierte mein Bruder auf seine gewöhnliche, was heißen soll: auf seine gnatzig polterige Art: „Siehste, Emil? „Das ist die Bürde des Polizisten. Jeder hergelaufene Amateurzeuge glaubt alles besser zu können und zu wissen als wir, die ausgebildeten Kommissare. Ein Hochmut sondergleichen ist das!“

Am nächsten Morgen machte ich mich fertig, um alle Klappermühlen – erst mal nur in Schleswig Holstein – abzuklapsen. Dieser Auftrag sagte mir überhaupt nicht zu, da ich Gekreische, Gejohle und Tobereien schon von Haus aus nicht abkann. Ich verbrachte darum eine unruhige Nacht und träumte immerzu von Furien, die mir mit ihren langen Fingernägeln die Haut verkratzen wollten

Wird fortgesetzt.
Karl
Karl
Administrator

Re: Müstische Entführung - oder noch ein Mordfall? (Teil II)
geschrieben von Karl
als Antwort auf EmilWachkopp vom 09.04.2012, 15:36:36

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