Diskussion historischer Ereignisse Putin verstehen, aber wie?

Edita
Edita
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RE: Putin verstehen, aber wie?
geschrieben von Edita
als Antwort auf Anna842 vom 07.05.2023, 18:22:54

Georgien war damals, von 1921 bis 1991 kein selbstständiger Staat sondern eine Unionsrepublik, ein Bundesstaat der UdSSR, also untergeordnet, vielleicht war er im Herzen immer Georgier, im Kopf und auf dem Papier war er Russe und hat für Rußland morden lassen und nicht für Georgien! 


Edita

Anna842
Anna842
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RE: Putin verstehen, aber wie?
geschrieben von Anna842
als Antwort auf Edita vom 07.05.2023, 18:55:25

Ich weiß sehr gut, was die UdSSR war, Edita.

Naja, vielleicht hast du recht und Stalin hat sich selber russifiziert.
Liegt im Bereich des Möglichen.
Wenn du sagst, dass Stalin " im Kopf " Russe war, wirst du die entsprechenden
Parameter dafür angewendet haben, und wir können das Thema damit abschließen.

Anna

TNolte
TNolte
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RE: Putin verstehen, aber wie?
geschrieben von TNolte
als Antwort auf Rayela vom 07.05.2023, 17:44:25
Der Inhalt von Huntingtons Buch "Clash of Civilization" von 1996 wird nach meinem Empfinden immer aktueller. Es beschreibt die ideologischen Bruchkanten (wie bei tektonischen Platten, die aneinander reiben), die oft auch religiöse Hintergründe haben. Da bietet sich auch die Betrachtung des neuen Ost-West-Konflikts zwischen Russland und Ukraine an (erweitert mit "dem Westen", meinethalben auch NATO), sowie die Spannung zwischen russ.-orthodoxer Kirche und westlichen christlichen Kirchen. An der russ.-orthodoxen Kirche sind sowohl Reformation als auch Aufklärung vorbeigezogen, was man in den theologischen Stellungnahmen deutlich merkt.

Welche Expertise weisen Sie auf, um zu beurteilen, ob es ein "relativ sinnloses Buch" ist? - Als Sozialwissenschaftler habe ich den Inhalt damals erst einmal interessiert wahrgenommen (Huntingtons Buch fand in Auszügen sogar Platz in sozialwissenschaftlichen Schulbüchern und Abiturprüfungen!), um dann die Kontroverse aufmerksam zu verfolgen.

Als globalen Erklärungsansatz für Spannungen und Konflikte in der globalen Welt finde ich es bemerkenswert. - Oder können Sie mir einen qualitativ ebenbürtigen globalen Erklärungsansatz nennen?  


 
Irgendwann habe ich eine Abhandlung über das Buch gelesen und was mich damals gestört
hat , stört mich auch heute. Du sagst ( wie der Autor auch) dass es auch ein Konflikt ( Krieg, Zwist)
auch wegen der Kirchen gibt. An der katholischen Kirche ist die Reformation und Aufklärung noch
mehr vorbeigezogen. Die Ukranier selbst sind ortodox, die Rumänen, Bulgaren, Griechen,
und die sind jetzt gute Ortodoxen? Die griechische Kirche ist noch konservativer als die Russische
aber EU, NATO, westliche Werte.😉
Mit Verlaub, Sie scheinen wenig Ahnung von Religion und Theologie zu haben.
Man muss auch keineswegs über alles Bescheid wissen. Allerdings sollte man dann in seinen Äußerungen vorsichtiger sein.

Sonst würden Sie nicht behaupten, Reformation und Aufklärung seien an der röm.-kath. Kirche "noch mehr vorbeigezogen". - Dann ist wohl die wissenschaftliche kirchengeschichtliche Forschung komplett an Ihnen vorbeigezogen. - Aber machen wir an diesem Punkt keinen Nebenschauplatz auf. - Sie haben Ihre Einschätzung; ich habe den wissenschaftlichen Hintergrund, weil ich nicht nur Sozialwissenschaftler, sondern auch Theologe bin. Nichts für ungut!

Es geht nicht darum, welche christliche Kirche theologisch oder kultisch die Konservativste ist. Es geht vielmehr darum, inwieweit Religion ideologisch mit der autokratischen, wenn nicht sogar diktatorischen Politik gleichgeschaltet und verzweckt wird. Genau das ist das Problem der russ.-orthodoxen Kirche. Die russische "militärische Spezialoperation" (völkerrechtswidrige Annexion der Krim 2014; Angriffskrieg auf die Ukraine 2022) hat ihren Segen durch den Patriarchen Kyrill I. (ehem. KGB-Angehöriger!) bekommen.

Diesen brutalen Angriffs- und Vernichtungskrieg Russlands verurteilen andere orthodoxe Kirchen (in der Ukraine, in Griechenland, in Rumänien und Bulgarien, in den Balkan-Ländern - mit Ausnahme der serbisch-orthodoxen Kirche, die der russ.-orthodoxen immer noch sehr nahe steht) und grenzen sich deshalb immer mehr von der russischen Orthodoxie ab. Dabei gibt es durchaus auch ideologische Risse mitten in den orthodoxen Gemeinden, wie man in DE erkennen kann.

Die aus Putins Sicht "militärische Spezialoperation" wird mittlerweile überhöht als ethisch gebotener Krieg gegen den dekadenten Westen, wo z.B. Homosexualität und Ehe für alle ausgelebt werden, wo nur kapitalistische Gier und ideologische Lügen herrschten. Die einzige christliche Wahrheit besitze nur noch die alte Werte bewahrende russ.-orthodoxe Kirche.

Die Krim wird dabei immer mehr überhöht zu einer Art russischer Reliquie, zu einem Heiligtum, das Russland auf keinen Fall wieder preis geben darf. Die anfängliche russische "militärische Spezialoperation" gegenüber der Ukraine wird so immer mehr zu einer Art Heiligem Krieg gegen "faschistische Ungläubige". Damit meinen einige russ. Ideologen übrigens auch DE.

Olaf Kühl nennt den Krieg Russlands gegen die Ukraine (und damit gegen den Westen) einen metaphysischen Krieg:

"Das offizielle Russland hüllt sich heute in die Sprache der Religion. Die orthodoxe Kirche ist zu einem Transmissionsriemen für Propaganda und Ideologie geworden, die den Krieg gegen die Ukraine jahrelang vorbereitet haben. Das Oberhaupt dieser Kirche, Patriarch Kyrill I., bezeichnet den Krieg als einen «metaphysischen Konflikt». «Alles Gesagte zeugt davon», sagte Kyrill in einer Predigt am 6. März 2022 in der Moskauer Christi-Erlöser-Kathedrale, «dass wir in einen Kampf eingetreten sind, der keine physische, sondern eine metaphysische Bedeutung hat.» Ausgerechnet bei der Rechtfertigung des Tötens und des Krieges beruft er sich auf die Gebote der Bibel: «Auf der Seite des Lichts stehen, auf der Seite der Göttlichen Wahrheit, auf der Seite der Göttlichen Gebote, auf der Seite dessen, was das Licht Christi uns eröffnet, sein Wort.» Er ruft die jungen Männer auf, ihr Leben hinzugeben, so wie Jesus Christus das seine gegeben habe: «Christus ist auferstanden, und wir alle werden mit ihm auferstehen. Und das Leben ist ewig, deshalb ziehet mutig hin und erfüllet eure Kriegerpflicht.»"

Kühl, Olaf. Z: Kurze Geschichte Russlands, von seinem Ende her gesehen, Rowohlt 2023 (S.16)

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Rayela
Rayela
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RE: Putin verstehen, aber wie?
geschrieben von Rayela
als Antwort auf TNolte vom 07.05.2023, 23:04:13
 

 
Mit Verlaub, Sie scheinen wenig Ahnung von Religion und Theologie zu haben.
Man muss auch keineswegs über alles Bescheid wissen. Allerdings sollte man dann in seinen Äußerungen vorsichtiger sein.

Sonst würden Sie nicht behaupten, Reformation und Aufklärung seien an der röm.-kath. Kirche "noch mehr vorbeigezogen". - Dann ist wohl die wissenschaftliche kirchengeschichtliche Forschung komplett an Ihnen vorbeigezogen. - Aber machen wir an diesem Punkt keinen Nebenschauplatz auf. - Sie haben Ihre Einschätzung; ich habe den wissenschaftlichen Hintergrund, weil ich nicht nur Sozialwissenschaftler, sondern auch Theologe bin. Nichts für ungut!


 
 
Ich habe Theologie nicht studiert. Du bist Theologe und verstehst nicht dass Theologie Dogma ist,
weil, wenn es nicht so wäre, wären wir nicht Christen.
Du empfiehlst hier ein Buch ( ich hoffe dass dies aus Unkenntnis geschieht) von einem Übersetzer,
der durch Russland als Beamter gereist ist und dieses Buch mit dem Titel Z soll uns die Geschichte
die 2000 Jahre alt ist mit einfachen Worten diese komplizierte Welt erklären.
Ich kann auch einen französischer Übersetzer empfehlen der in Frankreich war und mir
die Französische Revolution heute erklärt. Nur, ich war auch sehr oft in Frankreich, mein
Beruf war auch "Übersetzerin", bin ich jetzt die Expertin über die französische Revolution ein Buch
zu schreiben?
Rayela
Rayela
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RE: Putin verstehen, aber wie?
geschrieben von Rayela
als Antwort auf Anna842 vom 07.05.2023, 19:47:15
Ich weiß sehr gut, was die UdSSR war, Edita.

Naja, vielleicht hast du recht und Stalin hat sich selber russifiziert.
Liegt im Bereich des Möglichen.
Wenn du sagst, dass Stalin " im Kopf " Russe war, wirst du die entsprechenden
Parameter dafür angewendet haben, und wir können das Thema damit abschließen.

Anna
So war auch die Katharina die Grosse, so war auch die Zarin Aleksandra.
Von heute auf morgen Russinen. Aber, was heist das Russe werden?
Staljin ist niemals Russe geworden. Er hat russisch mit Akzent gesprochen,
die Petersburger ( sie waren immer die Elitte) hat er umbringen lassen.
Er, Staljin, war ein ungebildeter Mensch, sehr ehrgeizig, Tage und Nächte
hat er verbracht englisch zu lernen, Shekspir zu lesen, sich zu bilden, hat
davon geträumt dass in Russland ein Bethoven geboren wird.
Beria war auch Georgier.
Ein britischer Histortiker hat 30 Jahre in Moskau nach den Spuren von den Zaren und
Zarinen, aber auch Staljin geforscht, geniale Bücher hat er geschrieben. Ich habe das
vorige Jahr alle 4 Bücher gelesen ( auch das Buch Jerusalem, aber das hat mit Russland nicht zu
tun). Sein Buch über Staljin war ( ist) ein Bestseller.
stalin-am-hof-des-roten-zaren_1416057.jpg
 
Dieses Buch entschlüsselt Josef Stalin in seiner Person und die übrige kommunistische Führungsrige auf eine so einzigartig fesselnde und realitätsorientierte Weise, wie man es wohl sonst nirgendwo findet. Montefiore hat mit diesem Buch das geschafft, was Joachim Fest mit seiner Hitler-Biografie bewirkt hat. Aus dem "Monster der Geschichte" wird der Mensch Stalin. Aus dem konturlosen Bösewicht wird der Charakter mit all seinen feingliedrigen Eigenschaften. Seine blutige Regentschaft wird dabei erzählerisch nicht allzu sehr in den Vordergrund gestellt, dafür schaut sich Montefiore aber ganz genau die charakterliche Entwicklung des Diktators und die emotionalen Zusammenhänge an.

Das Buch erinnert stellenweise an einen Kriminalroman und bleibt dennoch immer objektiv historisch. Denn das stalinistische Regime zeichnete sich ja gerade durch die im Buch vermittelte, konstante Spannung aus. Man möchte sich gar nicht vorstellen, wie sich die Beteiligten damals gefühlt haben mussten und welche Angst sie tagtäglich begleitete.

Es zeigt sich: In Stalins System war niemand sicher, nicht mal sein Privatsekretär Poskrjobyschew. Anstatt das ganze "nur" als die reine Schwerverbrechensserie, die es war, darzustellen, gräbt der Autor noch tiefer. Er sucht nach den Wurzeln der Entscheidungen, nach dem Menschen hinter der Fassade des Personenkults und nach dem Charakter, der dieses ganze Leid erst ermöglichte.

Für die Gegenwart ist dieses Buch genauso wie Fests Hitler-Biografie oder Arendts Eichmann-Werk eine unterschwellige Warnung und ein wertvolles Kleinod an Erkenntnis: Das Böse ist nicht "unmenschlich". Das Böse ist banal, es ist greifbar und es lässt sich erklären, denn es wurzelt im menschlichen Charakter. Nur wer das begreift, kann darauf hoffen, künftiges Leid wie das, was Stalin über die Welt gebracht hat, zu verhindern.
 
Dieses Buch entschlüsselt Josef Stalin in seiner Person und die übrige kommunistische Führungsrige auf eine so einzigartig fesselnde und realitätsorientierte Weise, wie man es wohl sonst nirgendwo findet. Montefiore hat mit diesem Buch das geschafft, was Joachim Fest mit seiner Hitler-Biografie bewirkt hat. Aus dem "Monster der Geschichte" wird der Mensch Stalin. Aus dem konturlosen Bösewicht wird der Charakter mit all seinen feingliedrigen Eigenschaften. Seine blutige Regentschaft wird dabei erzählerisch nicht allzu sehr in den Vordergrund gestellt, dafür schaut sich Montefiore aber ganz genau die charakterliche Entwicklung des Diktators und die emotionalen Zusammenhänge an.

Das Buch erinnert stellenweise an einen Kriminalroman und bleibt dennoch immer objektiv historisch. Denn das stalinistische Regime zeichnete sich ja gerade durch die im Buch vermittelte, konstante Spannung aus. Man möchte sich gar nicht vorstellen, wie sich die Beteiligten damals gefühlt haben mussten und welche Angst sie tagtäglich begleitete.

Es zeigt sich: In Stalins System war niemand sicher, nicht mal sein Privatsekretär Poskrjobyschew. Anstatt das ganze "nur" als die reine Schwerverbrechensserie, die es war, darzustellen, gräbt der Autor noch tiefer. Er sucht nach den Wurzeln der Entscheidungen, nach dem Menschen hinter der Fassade des Personenkults und nach dem Charakter, der dieses ganze Leid erst ermöglichte.

Für die Gegenwart ist dieses Buch genauso wie Fests Hitler-Biografie oder Arendts Eichmann-Werk eine unterschwellige Warnung und ein wertvolles Kleinod an Erkenntnis: Das Böse ist nicht "unmenschlich". Das Böse ist banal, es ist greifbar und es lässt sich erklären, denn es wurzelt im menschlichen Charakter. Nur wer das begreift, kann darauf hoffen, künftiges Leid wie das, was Stalin über die Welt gebracht hat, zu verhindern.
 
RE: Putin verstehen, aber wie?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Rayela vom 08.05.2023, 11:53:39

Wirklich sehr interessant und so unterhaltsam, also wirklich es ist doch immer wieder schön, wenn man intelligente Menschen findet die einem alles erklären, wollen.

Er bleibt aber immer noch ein Verbrecher!

Ich weiß sehr gut, was die UdSSR war, Edita.

Naja, vielleicht hast du recht und Stalin hat sich selber russifiziert.
Liegt im Bereich des Möglichen.
Wenn du sagst, dass Stalin " im Kopf " Russe war, wirst du die entsprechenden
Parameter dafür angewendet haben, und wir können das Thema damit abschließen.

Anna
So war auch die Katharina die Grosse, so war auch die Zarin Aleksandra.
Von heute auf morgen Russinen. Aber, was heist das Russe werden?
Staljin ist niemals Russe geworden. Er hat russisch mit Akzent gesprochen,
die Petersburger ( sie waren immer die Elitte) hat er umbringen lassen.
Er, Staljin, war ein ungebildeter Mensch, sehr ehrgeizig, Tage und Nächte
hat er verbracht englisch zu lernen, Shekspir zu lesen, sich zu bilden, hat
davon geträumt dass in Russland ein Bethoven geboren wird.
Beria war auch Georgier.
Ein britischer Histortiker hat 30 Jahre in Moskau nach den Spuren von den Zaren und
Zarinen, aber auch Staljin geforscht, geniale Bücher hat er geschrieben. Ich habe das
vorige Jahr alle 4 Bücher gelesen ( auch das Buch Jerusalem, aber das hat mit Russland nicht zu
tun). Sein Buch über Staljin war ( ist) ein Bestseller.
stalin-am-hof-des-roten-zaren_1416057.jpg
 
Dieses Buch entschlüsselt Josef Stalin in seiner Person und die übrige kommunistische Führungsrige auf eine so einzigartig fesselnde und realitätsorientierte Weise, wie man es wohl sonst nirgendwo findet. Montefiore hat mit diesem Buch das geschafft, was Joachim Fest mit seiner Hitler-Biografie bewirkt hat. Aus dem "Monster der Geschichte" wird der Mensch Stalin. Aus dem konturlosen Bösewicht wird der Charakter mit all seinen feingliedrigen Eigenschaften. Seine blutige Regentschaft wird dabei erzählerisch nicht allzu sehr in den Vordergrund gestellt, dafür schaut sich Montefiore aber ganz genau die charakterliche Entwicklung des Diktators und die emotionalen Zusammenhänge an.

Das Buch erinnert stellenweise an einen Kriminalroman und bleibt dennoch immer objektiv historisch. Denn das stalinistische Regime zeichnete sich ja gerade durch die im Buch vermittelte, konstante Spannung aus. Man möchte sich gar nicht vorstellen, wie sich die Beteiligten damals gefühlt haben mussten und welche Angst sie tagtäglich begleitete.

Es zeigt sich: In Stalins System war niemand sicher, nicht mal sein Privatsekretär Poskrjobyschew. Anstatt das ganze "nur" als die reine Schwerverbrechensserie, die es war, darzustellen, gräbt der Autor noch tiefer. Er sucht nach den Wurzeln der Entscheidungen, nach dem Menschen hinter der Fassade des Personenkults und nach dem Charakter, der dieses ganze Leid erst ermöglichte.

Für die Gegenwart ist dieses Buch genauso wie Fests Hitler-Biografie oder Arendts Eichmann-Werk eine unterschwellige Warnung und ein wertvolles Kleinod an Erkenntnis: Das Böse ist nicht "unmenschlich". Das Böse ist banal, es ist greifbar und es lässt sich erklären, denn es wurzelt im menschlichen Charakter. Nur wer das begreift, kann darauf hoffen, künftiges Leid wie das, was Stalin über die Welt gebracht hat, zu verhindern.
 
Dieses Buch entschlüsselt Josef Stalin in seiner Person und die übrige kommunistische Führungsrige auf eine so einzigartig fesselnde und realitätsorientierte Weise, wie man es wohl sonst nirgendwo findet. Montefiore hat mit diesem Buch das geschafft, was Joachim Fest mit seiner Hitler-Biografie bewirkt hat. Aus dem "Monster der Geschichte" wird der Mensch Stalin. Aus dem konturlosen Bösewicht wird der Charakter mit all seinen feingliedrigen Eigenschaften. Seine blutige Regentschaft wird dabei erzählerisch nicht allzu sehr in den Vordergrund gestellt, dafür schaut sich Montefiore aber ganz genau die charakterliche Entwicklung des Diktators und die emotionalen Zusammenhänge an.

Das Buch erinnert stellenweise an einen Kriminalroman und bleibt dennoch immer objektiv historisch. Denn das stalinistische Regime zeichnete sich ja gerade durch die im Buch vermittelte, konstante Spannung aus. Man möchte sich gar nicht vorstellen, wie sich die Beteiligten damals gefühlt haben mussten und welche Angst sie tagtäglich begleitete.

Es zeigt sich: In Stalins System war niemand sicher, nicht mal sein Privatsekretär Poskrjobyschew. Anstatt das ganze "nur" als die reine Schwerverbrechensserie, die es war, darzustellen, gräbt der Autor noch tiefer. Er sucht nach den Wurzeln der Entscheidungen, nach dem Menschen hinter der Fassade des Personenkults und nach dem Charakter, der dieses ganze Leid erst ermöglichte.

Für die Gegenwart ist dieses Buch genauso wie Fests Hitler-Biografie oder Arendts Eichmann-Werk eine unterschwellige Warnung und ein wertvolles Kleinod an Erkenntnis: Das Böse ist nicht "unmenschlich". Das Böse ist banal, es ist greifbar und es lässt sich erklären, denn es wurzelt im menschlichen Charakter. Nur wer das begreift, kann darauf hoffen, künftiges Leid wie das, was Stalin über die Welt gebracht hat, zu verhindern.
 

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Anna842
Anna842
Mitglied

RE: Putin verstehen, aber wie?
geschrieben von Anna842
als Antwort auf Rayela vom 08.05.2023, 11:53:39

Guten Morgen, liebe Rayela,
als erstes vielen, vielen Dank, dass du so ausführlich geschrieben hast.
Ich hoffe, deinen Beitrag werden viele lesen.
Ich habe ihn, klar, auch gelesen.

Ich selber habe in den 70erJahren unter anderem Politologie studiert.
Natürlich wurde da auch intensiv die damalige UdSSR durchgenommen.

Habe mal eine Hausarbeit geschrieben. Thema:

" Die Eliminatorische Ideologie, dargestellt anhand der Schauprozesse während
des Stalinismus. "

Da musste ich mich intensiv mit Stalin und dem Stalinismus befassen.

Wie wir jetzt allerdings von Putin auf Stalin kommen???
Muss ich mal zurückblättern.

LG.
Anna

Anna842
Anna842
Mitglied

RE: Putin verstehen, aber wie?
geschrieben von Anna842
als Antwort auf TNolte vom 07.05.2023, 23:04:13

Sie haben also einen " wissenschaftlichen Hintergrund ", scheitern aber schon
an Offensichtlichem. Unser kleiner Dialog vordem:

Ich: " Ehrlich gesagt: Das Cover des Buches sieht extrem martialisch aus.
         Ungewöhnlich für ein Sachbuch. "
Sie: " Beurteilen Sie Alles nur von seiner Oberfläche her?
          Lesen bildet erst!

Das Cover ist da die Oberfläche!
Über " Alles " steht da rein gar nix.

" Wissenschaftliches " Denken sollte sich anders gestalten.
Meiner Meinung nach.
Etwas hineingeben, was da gar nicht steht, ist schlicht unwissenschaftlich.

Anna

Rayela
Rayela
Mitglied

RE: Putin verstehen, aber wie?
geschrieben von Rayela
als Antwort auf Anna842 vom 08.05.2023, 12:20:24

Wie wir jetzt allerdings von Putin auf Stalin kommen???
Muss ich mal zurückblättern.

LG.
Anna
Hitler, Staljin, Putin😉
TNolte
TNolte
Mitglied

RE: Putin verstehen, aber wie?
geschrieben von TNolte
als Antwort auf Rayela vom 08.05.2023, 10:58:21
 
 
 
Mit Verlaub, Sie scheinen wenig Ahnung von Religion und Theologie zu haben.
Man muss auch keineswegs über alles Bescheid wissen. Allerdings sollte man dann in seinen Äußerungen vorsichtiger sein.

Sonst würden Sie nicht behaupten, Reformation und Aufklärung seien an der röm.-kath. Kirche "noch mehr vorbeigezogen". - Dann ist wohl die wissenschaftliche kirchengeschichtliche Forschung komplett an Ihnen vorbeigezogen. - Aber machen wir an diesem Punkt keinen Nebenschauplatz auf. - Sie haben Ihre Einschätzung; ich habe den wissenschaftlichen Hintergrund, weil ich nicht nur Sozialwissenschaftler, sondern auch Theologe bin. Nichts für ungut!


 
 
Ich habe Theologie nicht studiert. Du bist Theologe und verstehst nicht dass Theologie Dogma ist,
weil, wenn es nicht so wäre, wären wir nicht Christen.
Du empfiehlst hier ein Buch ( ich hoffe dass dies aus Unkenntnis geschieht) von einem Übersetzer,
der durch Russland als Beamter gereist ist und dieses Buch mit dem Titel Z soll uns die Geschichte
die 2000 Jahre alt ist mit einfachen Worten diese komplizierte Welt erklären.
Ich kann auch einen französischer Übersetzer empfehlen der in Frankreich war und mir
die Französische Revolution heute erklärt. Nur, ich war auch sehr oft in Frankreich, mein
Beruf war auch "Übersetzerin", bin ich jetzt die Expertin über die französische Revolution ein Buch
zu schreiben?
Kirchen, insbesondere die röm.-kath., kennen Dogmen. Theologie dagegen ist wissenschaftliche Reflexion. Es gibt sogar das Fach Dogmatik, das sich mit Dogmengeschichte, also der Entstehung und Auslegung von Dogmen in der jeweiligen Zeit beschäftigt. - Aber wie gesagt: Nebenschauplatz. Gehört nicht in diesen Thread, sondern entweder in ein anderes Forum (Wissenschaft?) oder in "Politik & Gesellschaft" unter einen neuen Betreff.

Es geht nicht darum, ob der empfohlene Olaf Kühl Übersetzer ist, sondern um seinen reichen Erfahrungs- und Erkenntnisschatz, den er durch sein Studium / das Lesen und Verstehen russischer Materialien erworben hat. Und das sogar Preis gekrönt! (Karl-Dedecius-Preis und Brücke-Berlin-Preis) - Dazu kommen seine vielfältigen beruflichen (ich weiß gar nicht, ob er im Berliner Senat beamtet war) Tätigkeiten und Kontakte. Er ist also auch langjähriger Augenzeuge auf Reisen, von zahlreichen Gesprächen in Russland und bei Empfängen in Berlin seit der Zeit Gorbatschows, über die er akribisch Tagebuch geführt hat.

Wo steht, dass Kühl 2000 Jahre "mit einfachen Worten" in "dieser komplizierten Welt erklären" will?

Der Buchtitel "Z" erinnert an die Markierung an den russischen Militärfahrzeugen und in der öffentlichen Propaganda in Russland. Den Buchstaben gibt es interessanterweise gar nicht im kyrillischen Alphabet.
Vielschichtige Erklärungen, warum gerade dieses Z verwendet wird, gibt z.B. Galileo-TV in Unterföhring
(Seven.One Entertainment Group):
https://www.galileo.tv/life/z-symbol-buchstabe-welche-funktion-hat-es-in-putins-krieg-gegen-die-ukraine/


* "ein Zeichen zur Navigation. Demnach könnte das "Z" als Abkürzung für das russische Wort "Zapad" (Westen) stehen, wohin militärische Fahrzeuge vorrücken sollen."

* "Andeutung auf den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Der Anfangsbuchstabe seines Familiennamens wird teils vom Kyrillischen (Зеленський) mit einem "Z" umgeschrieben: Zelenskyj."

* "ein halbes Hakenkreuz, das Zeichen des Nationalsozialismus." = Kampf gegen den angeblichen Faschismus in der Ukraine (max. 5% bei Wahlen)?

Noch viele detaillierte Erklärungen zum Z (und anderen verwendeten russischen Militärzeichen) finden sich im WP-Artikel
https://de.wikipedia.org/wiki/Z_(Militär-_und_Propagandazeichen)


 

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